[IMI-List] [0668] IMI-Kongress: Bericht & Audios / Neue Texte u.a. Sudan
IMI-JW
imi at imi-online.de
Mi Dez 4 16:55:11 CET 2024
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0668 – 27. Jahrgang
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich
1.) neue Texte auf der IMI-Homepage, u.a. ein ausführliches Interview
zur Situation im Sudan;
2.) der Bericht des IMI-Kongresses inklusive der Möglichkeit, alle
Beiträge als Audio nachzuhören;
1.) Neue Texte auf der Homepage
Einige der Texte der aktuellen Schwerpunktausgabe „Atomwaffen“ im
IMI-Magazin Ausdruck haben wir schon online gestellt. Jetzt sind zwei
weitere dazugekommen, die gesamte Ausgabe mit allen restlichen Beiträgen
geht nächste Woche online.
Außerdem haben wir ein ausführliches Interview zur Lage im Sudan
veröffentlicht (wozu es auch in Tübingen eine Veranstaltung gab).
IMI-Standpunkt 2024/031
Vergessene Stimmen des Sudans
Interview mit der Regisseurin von Forgotten Voices – Filmvorführung
Montag, 2.12. Kino Atelier
https://www.imi-online.de/2024/12/02/vergessene-stimmen-des-sudans/
Pablo Flock (2. Dezember 2024)
IMI-Analyse 2024/49
Langzeitfolgen von Atomwaffenexplosionen
Die verheerenden Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit
https://www.imi-online.de/2024/12/03/langzeitfolgen-von-atomwaffenexplosionen/
Victoria Kropp (3. Dezember 2024)
IMI-Analyse 2024/48
Nukleare Teilhabe
Die Teilhabe am Einsatz von Atomwaffen im Rahmen der NATO
https://www.imi-online.de/2024/12/03/nukleare-teilhabe/
Xanthe Hall (3. Dezember 2024)
2.) IMI-Kongress: Bericht & Audios
Vor allem nach der Möglichkeit, die Beiträge des diesjährigen
IMI-Kongresses auch später anhören zu können, gab es viele Nachfragen.
Wir freuen uns deshalb, dass mittlerweile nicht nur unser
Kongressbericht online steht, sondern auch alle Audios geschnitten sind
(vielen Dank an die entsprechenden Stellen für die Mühe dafür!). Die
Links auf die Audios finden sich jeweils am Ende des Absatzes im
Kongressbericht zu den einzelnen Beiträgen.
IMI-Mitteilung
„Zeitenwende“ in Bildung und Hochschulen
Bericht vom IMI-Kongress vom 15. bis 17. November 2024
https://www.imi-online.de/2024/11/28/zeitenwende-in-bildung-und-hochschulen-2/
IMI (28. November 2024)
Mit der „‘Zeitenwende‘ in Bildung und Hochschulen“ beschäftigte sich der
diesjährige Kongress der Informationsstelle Militarisierung (IMI) im
Tübinger Schlatterhaus. Von der Auftaktveranstaltung im Wohnprojekt
Schellingstrasse am Freitag dem 15. November bis zum Abschlusspodium am
Sonntag den 17. November diskutierten in der Spitze rund 160 und
insgesamt über 200 Menschen über die Militarisierung von Bildung und
Forschung.
Die gesellige Auftaktveranstaltung am Freitagabend in den
Konzerträumlichkeiten des Tübinger Wohnprojekts Schellingstraße 6
wartete mit im neubesetzten Haus Siggi11 gekochtem Essen und allerlei
künstlerischen Beiträgen auf. Prosaisch und lyrisch aufgearbeitete,
schockierende Erfahrungen von der Geflüchtetensolidarität an den
EU-Außengrenzen unserer Mitarbeiterin Karina Wasitschek wurden gefolgt
von einem die Verzweiflung der Bevölkerung in Gaza darstellenden
Tanztheater von Radia Juschka, untermalt mit Live-Piano von Gas. Ein auf
Franz Josef Degenhardts Gedicht „Eigentlich unglaublich“ beruhendes
Gemälde von Sophie Voigtmann wurde präsentiert und das Gedicht verlesen,
ebenso wie ein weiteres unserer Vorständin Jacqueline Andres, welches
die Rolle der Wale für den Klimaschutz und ihre Bedrohung durch
Marineübungen und -kämpfe thematisierte. Den Abschluss machte die
Punk-Rock-Lyrik-Lesung „Make Punk not War“ von Thomas Winkelmeier vom
Antikriegscafé in Berlin.
Der inhaltliche Kongressteil begann am Samstagmittag mit dem
Begrüßungspanel von IMI-Gründungsmitglied Tobias Pflüger und Christoph
Marischka, erweiterter Vorstand, mit dem „Hintergrund – Militarisierung
bis in die Kapillaren“.
Pflügers Vortrag stellte die Frage, ob die sogenannte „Zeitenwende“ als
Reaktion auf den russischen Angriffskrieg die einzige mögliche Antwort
war und kritisierte die fehlende Diskussion darum, denn die
„Zeitenwende“ diene als Legitimation für lange geplante
Aufrüstungsmaßnahmen. Es gehe darum, der „Zeitenwende“ die Gedankenwende
folgen zu lassen mit dem Ziel der „Kriegsführungsfähigkeit“ und einer
möglichst flexiblen Bundeswehr. Unter der Devise „Angriff ist die neue
Verteidigung“ werden militärische Bahnstrecken und Militärlogistik
aufgebaut (nicht jedoch zivile Bahn-Infrastruktur), alte Waffen
exportiert und moderne Versionen angeschafft und US-Mittelstreckenwaffen
in Deutschland positioniert. Trotz der Propaganda von chronischer
Unterfinanzierung der Bundeswehr gebe es einen starken Anstieg in
Haushalt und Rekrutierungsbemühungen, das „2%-Ziel“ sei erreicht.
Zum Audio des Vortrags von Tobias Pflüger:
https://www.freie-radios.net/132058
Der Vortrag von Christoph Marischka knüpfte mit dem Hinweis auf die
eigentliche „Zeitenwende“, nämlich die mentale und kulturelle, an
Pflüger an. Deutschland verhalte sich seit dem Ukraine-Krieg
international wie eine Konfliktpartei, auch der herrschende Diskurs sei
von der Entwicklung von Zivilisiertheit zu De-Zivilisierung geprägt:
Statt zivilisiertem Handeln wie Verstehenwollen, Anerkennen,
Ursachensuche, Lösungsfindung, Lebensschutz werde der Gegner
dehumanisiert, als böse gezeichnet, Entscheidungen sollen auf dem
Schlachtfeld fallen. Allem „zivilisierten“ Argumentieren und Nachdenken
schlage eine neue Aggressivität entgegen; der Diskurs herrsche über
Diffamierung, Repression, Polarisierung und Tabuisierung/Ausblendung von
Wahrheiten. Die Propaganda „gegen die Kriegsmüdigkeit“ zeige sich auch
in der diskursiven Verdrehung: Taurus-Marschflugkörper werden gezeichnet
als Mittel der Abrüstung, „Abnutzungskrieg“ erscheint als positiver
Begriff in den Medien, die offizielle Ablehnung von Gewalt (gegen
Polizei, Feuerwehr, Rettungskräfte) steht im Widerspruch zur Gewalt
gegen kritische Stimmen (z.B. Klimaaktivist*innen,
Palästinasolidaritäts-Bewegung) und ihrer Propagierung in der
internationalen Politik.
Zum Audio des Vortrags von Christoph Marischka:
https://www.freie-radios.net/132059
Dazu passend wurde im Panel 2: „Gewalt, Politik und Jugend“ ein genauer
Blick auf Binaritäten geworfen.
Der Vortrag von Barbara Stauber, Professorin für Sozialpädagogik,
behandelte die Konstruktion von Freund und Feind. Sie besprach
Differenzsetzungen als Machtkämpfe, bei denen eigentlich
zusammengehörige Seiten aufgetrennt werden, um Feindbilder zu erzeugen –
und es koste einiges an Kraft, den Kriegsreden mental nicht zuzustimmen.
Ihre drei zentralen Thesen: Im Krieg werde Differenz zugespitzt,
Heterogenität verleugnet und wechselseitige Angewiesenheiten
ausgeblendet; diese aber seien fundamental und die Grundlage für
Nachkriegszeiten. Stauber bezog sich auf Judith Butlers Analyse von der
ungleichen Betrauerbarkeit von Menschen, die nur durch rassische
Phantasmagoria möglich sei. Der biopolitische Rassismus, also die
Ungleichwertigkeit von Körpern, zeige sich auch darin, dass in Kriegen –
wie aktuell im Russland-Ukraine-Krieg beobachtbar – hauptsächlich
Minderheiten eingezogen werden. Aber nicht nur die
Freund/Feind-Binarität werde konstruiert, auch der Gegensatz
Männlich/Nichtmännlich zeige sich in der Diffamierung des Deserteurs als
feige. Da er die Kriegslogik untergräbt, sei diese Diffamierung
notwendig für Kriegsinteressen. Dem setzt Stauber Sumaya Farhat-Nasers
Appell entgegen: Es brauche Freiräume, und es brauche die Anerkennung
des Schmerzes der Anderen.
Zum Audio des Vortrags von Barbara Stauber:
https://www.freie-radios.net/132060
Auch Jacqueline Andres, IMI-Vorstandsmitglied, bezog sich auf
Binaritäten wie „Mann/Nichtmann“ und „Zivil/Militär“ in ihrer Recherche
zur Rekrutierung der Bundeswehr über Soziale Medien. Diese werden
genutzt, um Nähe und Authentizität zu schaffen, insbesondere durch
private Accounts von Soldat*innen. Binaritäten seien essentiell für die
Militärlogik, sie begründeten das Narrativ der „Beschützerfunktion“.
Dabei würden einerseits Maskulinität homogenisiert, d. h. allgemeine
Eigenschaften von Männlichkeit festgelegt und andererseits
unterschiedliche militärische Maskulinitäten porträtiert: Kameradschaft,
männliche Potenz und Technik, Muskelkraft, Beschützen, wirtschaftlicher
Erfolg, Wissen und Erklären, Unterwerfung und Gehorsam. Auch der
Gegensatz Rational/Emotional sei wichtig bei der Vergeschlechtlichung
der Werbestrategie; so werde weibliches Erstaunen und weibliche
Niedlichkeit der Männlichkeit entgegengesetzt. Bei der Werbung werde
ausschließlich Spaß und Abenteuer gezeigt, der Kontext und die Realität
des Leid Erzeugens und Tötens ausgeblendet.
Zum Audio des Vortrags von Jacqueline Andres:
https://www.freie-radios.net/132061
In der anschließenden Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob sich
die Erziehung in Schulen in eine Richtung entwickelt, die Krieg und
Militarismus statt Frieden und Ausgleich fördert. Stauber bestätigte die
Tendenzen zur Militarisierung von Schulen, widersprach jedoch vehement
jeder Verallgemeinerung und setzte Hoffnung in die kritische Haltung
vieler Lehrer*innen. Auch die Frage der von Einsamkeit und
Individualismus geprägten Gesellschaft wurde gestellt, welche die
Bundeswehr in Werbung und Serien mit Versprechungen von
Gemeinschaftlichkeit versucht, auszunutzen. Als linke Antwort darauf sei
ein solidarisches Miteinander und ein andauerndes Aufbrechen von
Binaritäten angebracht.
Abgeschlossen wurde das Panel mit einem Videointerview zum
Wehrkundeunterricht in Lettland mit Udo Bongartz, Dozent und Journalist.
Bongartz lieferte eine historische Einordnung der Remilitarisierung
Lettlands, die in der Wiedereinführung der Wehrpflicht und dem
Wehrkundeunterricht mündete. 2018 als Pilotprojekt begonnen und seit
diesem Jahr verpflichtend, erlernen Schüler*innen ab der 10. Klasse in
über 100 Stunden Patriotismus, Theorie, Praxis, Sport- und
Schießübungen. Das herrschende Narrativ in Lettland sei historisch
bedingt antibolschewistisch, die fehlende Auseinandersetzung mit der
lettischen NS-Kollaborationsgeschichte führe zu einem verengten Diskurs,
die Angst vor einem russischen Einmarsch sei stark – dies alles befeuere
die aktuelle Militarisierung Lettlands, der lettischen Gesellschaft und
der anderen baltischen Staaten.
Zum Audio des Vortrags von Udo Bongartz:
https://www.freie-radios.net/132064
Das Panel „Schulen als Rekrutierungspool“ begann mit einem Beitrag von
IMI-Beirat Martin Kirsch. Er beschrieb den Hintergrund für die
Rekrutierungsanstrengungen der Bundeswehr: Die aktive Truppe soll von
derzeit 180.00 auf 203.000 (möglicherweise auch 220.000) Soldat*innen
anwachsen, die Reservist*innen von jetzt 60.000 auf 260.000. Dazu
bedürfe es enormer Anstrengungen, unter anderem der neue Wehrdienst als
möglicher Prolog einer Wiedereinführung der Wehrpflicht sei in diesem
Zusammenhang zu sehen.
Zum Audio des Vortrags von Martin Kirsch:
https://www.freie-radios.net/132068
Anschließend beschrieb Reza Schwarz, Mitglied des IMI-Büroteams, wie
sich die Militarisierung der Bildung historisch entwickelte. Seit ihrer
Einführung 1958 sei es das Ziel der Jugendoffiziere, junge Menschen für
die Bundewehr zu gewinnen, obwohl dies ihnen offiziell eigentlich seit
1961 verboten sei. Immer massiver – und früher – würden Anstrengungen
unternommen, Jugendliche mit der Truppe vertraut zu machen. Kinder und
Jugendliche seien besonders beeinflussbar und müssten deshalb vor den
Rekrutierungsbemühungen der Bundeswehr geschützt werden.
Zum Audio des Vortrags von Reza Schwarz:
https://www.freie-radios.net/132069
Abschließend beschrieb ein Tübinger Schüler die unterschiedlichen
Rekrutierungsbemühungen der Bundeswehr. Er nannte Belege dafür, dass es
mit der vermeintlichen Neutralität der Jugendoffiziere, zu der sie
eigentlich verpflichtet seien, nicht allzu weit her sei. Des Weiteren
zeigte er auf, auf welche unseriöse Art Karriereberater*innen versuchen,
Jugendliche für die Bunderwehr zu gewinnen. Anschließend wurden diverse
Maßnahmen beschrieben, um die Entscheidung, sich bei der Truppe zu
verpflichten, zu versüßen.
Zum Audio des Vortrags des Schülers: https://www.freie-radios.net/132071
Am frühen Samstagabend startete der IMI-Kongress mit dem Thema „Kämpfe
um Wissenschaft und Zivilklauseln“ ins vierte Panel des Tages. Den
Anfang machte der Politikwissenschaftler Mark Ellmann von der GEW Bayern
zum „Bayrischen Bundeswehr-Gesetz“. Ellmann argumentierte, dass mit dem
Gesetz nicht nur „landesrechtliche Regelungen angepasst“ worden seien,
wodurch die Bundeswehr ungehinderten Zugang zu Forschung und Entwicklung
an Hochschulen erhalten habe, sondern hierdurch auch der Zugang zu
Schulen erleichtert worden sei.
Zum Audio des Vortrags von Mark Ellmann:
https://www.freie-radios.net/132071
Als nächstes sprachen Sophie Voigtmann und Matthias Rude. Sie legten die
„Ideologische Aufrüstung am Beispiel der Universität Tübingen“ dar und
berichteten sowohl vom Aktionsbündnis „Kein Knoten für Zetkin“, als auch
von einem vehementen Fürsprecher für Waffenlieferungen an die Ukraine,
dem Osteuropaforscher der Universität Tübingen Klaus Gestwa. Außerdem
verdeutlichten sie die Repression, die das Unikomitee für Palästina in
Tübingen von Seiten der Universität erfährt.
Zum Audio des Vortrags von Sophie Voigtmann & Matthias Rude:
https://www.freie-radios.net/132072
Abschließend zeichnete Senta Pineau vom Arbeitskreis Zivilklausel der
Universität Köln eine kurze Geschichte der „Zivilklausel-Kämpfe“ nach.
Dabei machte Pineau unter anderem den antifaschistischen Ursprung im
Sinne des Potsdamer-Abkommens (Denazifizierung, Demonopolisierung,
Demilitarisierung und Demokratisierung) deutlich, während sie in der
Zivilklausel gleichzeitig ein Werkzeug zur Überwindung der neoliberalen
Hochschule sah.
Zum Audio des Vortrags von Senta Pineau:
https://www.freie-radios.net/132073
Im letzten Panel des Samstagabends, „Interventionen aus Forschung und
Wissenschaft“, machte Jens Hälterlein den Aufschlag, der an der
Universität in Paderborn zu „Meaningful Human Control of Autonomous
Weapon Systems“ forscht. Autonome Waffensysteme können ihr Ziel selbst
auswählen, erkennen und angreifen. Meaningful Human Control (MHC), also
„bedeutsame“ menschliche Kontrolle derselben, sei hierbei mehr als nur
ein schneller Autorisierungs-Knopfdruck, sie müsse die Verantwortung der
steuernden Person unterstreichen, indem diese die Zielauswahl wirklich
überprüft. Da eine strafrechtliche Verantwortungsübernahme des*der
Operator*in im Falle von Kriegsverbrechen klar sein müsse, sei die MHC
derzeit Maßstab vieler Kritiker*innen von autonomen Waffensystemen und
Leitbegriff der Regulierungsbewegungen, z. B. in den Vereinten Nationen.
Hälterlein ließ allerdings auch Skepsis erkennen, ob das Konzept
tragfähig – oder nicht vielmehr ein Mythos zur Legitimation solcher
Waffensysteme ist.
Zum Audio des Vortrags von Jens Hälterlein:
https://www.freie-radios.net/132140
Hannes Jung, emeritierter Professor der Physik am CERN, dem weltweit
größten Teilchenbeschleuniger in der Schweiz, und Mitinitiator von
Science4Peace, sprach danach zu Angriffen auf die Wissenschaftsfreiheit
und Bewegungen für diese innerhalb der Naturwissenschaften. Nach dem
russischen Angriff auf die Ukraine wurde Russland als erstes Land von
CERN ausgeschlossen. Die russischen Wissenschaftler*innen verloren
hierbei nicht nur ihren Job und das CERN die 10% der Finanzierung, die
Russland übernahm, sondern auch alle Rechte an den kommenden
Erkenntnissen, obwohl sie daran mitgearbeitet hatten. Israel hingegen
wurde trotz seiner illegalen Angriffskriege, Kriegsverbrechen und
Besatzung nicht ausgeschlossen. Am Forschungsinstitut für Teilchenphysik
DESY in Hamburg wiederum werde sogar über eine Abschaffung der
Zivilklausel diskutiert, wogegen Science4Peace jedoch eine Kampagne
gestartet habe.
Zum Audio des Vortrags von Hannes Jung: https://www.freie-radios.net/132141
Den Abschluss des Panels und des Tages machte Manuel Kreutle, der als
Physiker zur Beseitigung von Atomwaffen forscht. Er wies eingangs auch
daraufhin, dass gerade in der Nuklearphysik, wo es z. B. bei Forschungen
zur kalten Fusion immer wieder (wie auch kürzlich, als eine erste
„Zündung“ einer Fusion vermeldet wurde) hoffnungsvolle Nachrichten im
Bereich erneuerbare Energien gebe, diese jedoch eigentlich in
militärischen Forschungseinrichtungen gemacht werden. Forschung an
Fusionsreaktoren produzierten einerseits Daten, die Kernwaffentests
ersetzen, und andererseits Materialerkenntnisse, die im Bereich
Strahlungs- und Hitzeresistenz auch für Hitzeschilde von ballistischen
und Hyperschallraketen verwendet werden könnten. Deswegen richteten sich
die Physicists Coalition for Nuclear Threat Reduction gegen solche
Rüstungsforschung, ebenso wie der Forschungsverbund Naturwissenschaft,
Abrüstung und internationale Sicherheit (fonas), der an Universitäten in
Deutschland „die wissenschaftliche Arbeit an Fragen der Abrüstung, der
internationalen Sicherheit und des internationalen Friedens mit
mathematischen, natur- oder technikwissenschaftlichen Methoden – unter
Berücksichtigung fachübergreifender Bezüge – […] fördern“ will.
Zum Audio des Vortrags von Manuel Kreutle:
https://www.freie-radios.net/132142
Den Auftakt am Sonntagmorgen im Panel „Wege aus der Eskalationsspirale“
machte Jürgen Wagner, IMI-Vorstand, der auf die Perspektiven zur
Beendigung des Ukraine-Krieges einging. Russland und die Ukraine hätten
bereits vier Tage nach Kriegsbeginn mit Verhandlungen begonnen und seien
Ende März 2022 kurz vor einer Vereinbarung gestanden, die dann aber auch
aufgrund von westlichem Druck nicht zustande gekommen sei. Russland habe
wiederholt angeboten, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, die Wahl
Donald Trumps habe nun zu möglicherweise zu einer Positionsveränderung
der ukrainischen Regierung geführt, die nun Verhandlungen nicht mehr
ausschließe.
Zum Audio des Vortrags von Jürgen Wagner:
https://www.freie-radios.net/132143
Darauffolgend beschrieb IMI-Beirat Marius Pletsch die Aussichten für
künftige Rüstungskontrollvereinbarungen. Rüstungskontrolle sei ein
Oberbegriff, unter dem sowohl Maßnahmen zur Kriegsverhütung und
Stabilität, aber auch zur Abrüstung und Nichtverbreitung zu verstehen
seien. Anschließend an einen historischen Überblick über zentrale Foren,
Instrumente und Verträge betonte der Referent, dass Rüstungskontrolle
gerade in Zeiten verschärfter Auseinandersetzungen besonders wichtig sei
– historisch sei es keineswegs unmöglich gewesen, unter gegnerischen
Akteuren zu Vereinbarungen zu kommen. Ein wichtiger Ansatzpunkt sei eine
neue Kampagne gegen die für 2026 geplante Stationierung von
US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland, die auch auf eine Wiederbelebung
der Rüstungskontrolle abziele – bald werde sie unter friedensfaehig.de
erreichbar sein.
Zum Audio des Vortrags von Marius Pletsch:
https://www.freie-radios.net/132145
IMI-VorständIn Claudia Haydt sprach in ihrem Vortrag mit dem Titel
„Solidarität stärken und Repression überwinden!“ über die Einengung von
Meinungskorridoren in verschiedenen Kontexten und Intensitäten. Dabei
fokussierte sie sich vor allem auf staatliche Repressionsmaßnahmen wie
Präventivhaft, Polizeigewalt, Räumung von Demos und Kongressen (z.B. der
Palästinakongress in Berlin), politische Exmatrikulation oder vermehrtes
Abschieben als Drohgebärde. Diese Formen von Machtmissbrauch, welche mit
einem Höchstmaß an Willkür einhergingen, schürten ein Klima der Angst
und sorgten für kollektive Einschüchterung. Sie ermutigte
Friedensbewegte ausdrücklich dazu, diese Abwärtsspirale zu durchbrechen,
vor allem durch aktives Einmischen in aktuelle Konfliktdiskurse (z.B.
Ukraine, Israel-Palästina). Oberstes Ziel sollte die Achtung von
Menschenrechten auf allen Seiten sein und Protestbewegungen, die dem
antifaschistischen Konsens der Ablehnung von Menschenfreundlichkeit
folgen, stets unterstützt werden.
Zum Audio des Vortrags von Claudia Haydt:
https://www.freie-radios.net/132146
Auf dem Abschlusspodium unseres Kongresses teilten sich
traditionellerweise wieder Aktivistis verschiedener Gruppierungen die
Bühne, wobei wir dieses Jahr dezidiert jüngere antimilitaristische und
friedenspolitische Gruppen einluden. Die Gäste kamen von der Kampagne
Rheinmetall Entwaffnen, die schon seit über fünf Jahren Aktionen des
zivilen Ungehorsams gegen die Rüstungsindustrie organisiert, der
Friedensnobelpreisträgerin „Internationale Kampagne zur Abschaffung von
Atomwaffen“ (ICAN) und aus dem gewerkschaftlichen Milieu, ein
Verdi-Vertreter, der versucht, friedenspolitische Positionen in
Betrieben und im DGB zu stärken. Passend zum Thema des Kongresses saßen
auch eine Vertreterin des Unikomitees für Palästina in Tübingen, eine
Vertreterin der „Nein zur Wehrpflicht“-Kampagne und ein Vertreter der
„Hochschulen für den Frieden – Ja zur Zivilklausel“-Initiative auf dem
Podium.
Die Aktivistis berichteten von ihren Aktionen, wie sie mobilisierten und
welchen Widerständen sie begegneten. Zum Abschluss wiesen einige von
ihnen noch einmal daraufhin, welche Vorträge ihnen auf dem Kongress
wichtige Einblicke oder Mut brachten und wie wichtig solche Kongresse
zur sachdienlichen Weiterbildung, aber auch besonders als Orte der
Begegnung und des Austauschs unter Aktivistis und Friedensbewegten
seien. Es wurden auch verschiedene Aktionen und Petitionen genannt, bei
denen wir alle uns gerne beteiligen dürfen, so z. B. die Petition Gegen
eine Wiedereinführung der Wehrpflicht und anderer Zwangsdienste und ein
offener Brief von ICAN, die Petition gegen die Abschaffung der
Zivilklausel am Hamburger Helmholtz-Forschungszentrum DESY sowie eine
Petition der GEW gegen das bayerische Hochschulgesetz. Motiviert von
soviel Engagement und optimistisch, den Kriegstreiber*innen in unserer
Gesellschaft die Stirn bieten zu können, ging es dann in den Abbau und
den wohlverdienten Feierabend nach einem langen, interessanten Wochenende.
Zum Audio des Abschlusspodiums: https://www.freie-radios.net/132147
Mehr Informationen über die Mailingliste IMI-List