[IMI-List] [0632] Analysen: Feministische Außenpolitik / SPD-Zeitenwende / Mali
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Do Apr 27 13:53:53 CEST 2023
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0632 .......... 26. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich
1.) Hinweise auf zwei neue IMI-Analysen zur Zeitenwende in der SPD und
zur Situation in Mali;
2.) ein neuer Artikel zur Feministischen Außenpolitik.
1.) Neue Artikel: SPD-Zeitenwende / Mali / CDU…
Mit dem Papier „Sozialdemokratische Antworten auf eine Welt im Umbruch“,
das auf dem SPD-Parteitag im Dezember verabschiedet werden soll, will
die SPD-Führung endgültig eine „Zeitenwende“ einleiten, bei der
militärisch-machtpolitische Führungsansprüche im Zentrum stehen. Die
neue IMI-Analyse „Sozialdemokratische Zeitenwende“ nimmt das Papier
intensiv unter die Lupe. Auch die CDU in Baden-Württemberg war nicht
untätig und hat ein recht gruseliges Positionspapier namens
„Ganzheitliche Sicherheit: starke Bundeswehr in Baden-Württemberg“
veröffentlicht, das in einem neuen Artikel „gewürdigt“ wird. Der
brüchige Friede in Mali spielt in einer weiteren aktuellen Analyse die
zentrale Rolle, die sich mit der heiklen Situation im Land
auseinandersetzt.
IMI-Standpunkt 2023/015
Aufrüstung im Inneren
BaWü-CDU prescht bei Militarisierung vor
https://www.imi-online.de/2023/04/27/aufruestung-im-inneren/
Andreas Seifert (27. April 2023)
IMI-Analyse 2023/20
Brüchiger Frieden in Mali
https://www.imi-online.de/2023/04/19/bruechiger-frieden-in-mali/
Pablo Flock (19. April 2023)
IMI-Analyse 2023/19
Sozialdemokratische Zeitenwende
SPD-Grundsatzpapier fordert eine „militärische Führungsrolle“ zum
"Schutz" der „regelbasierten Ordnung“
https://www.imi-online.de/2023/04/19/sozialdemokratische-zeitenwende/
Jürgen Wagner (19. April 2023)
Dokumentation
Benefizkonzert „Frieden gewinnen – nicht den Krieg“
Kulturevent am Jahrestag des Ukrainekriegs, 24. Februar 2023 im Sudhaus.
https://www.imi-online.de/2023/04/18/benefizkonzert-frieden-gewinnen-nicht-den-krieg/
(18. April 2023)
IMI-Standpunkt 2023/14
Rede beim Ostermarsch in München, 8.4.2023
https://www.imi-online.de/2023/04/11/rede-beim-ostermarsch-in-muenchen-8-4-2023/
Tobias Pflüger (11. April 2023)
IMI-Standpunkt 2023/13
Finanzspritze für den Ukraine-Krieg
https://www.imi-online.de/2023/04/06/finanzspritze-fuer-den-ukraine-krieg/
Jürgen Wagner (6. April 2023)
2.) Artikel: Feministische Außenpolitik
IMI-Standpunkt 2023/015 - in: Antifa Mai/Juni 2023
Schöne Verpackung
Leitlinie »feministische Außenpolitik« – oder die Quadratur des Kreises?
https://www.imi-online.de/2023/04/27/schoene-verpackung/
Jacqueline Andres und Yasmina Dahm (27. April 2023)
Als »feministisch« versteht sich die Außenpolitik des Auswärtigen Amtes
(AA) aufgrund dreier oberflächlicher »R«-Alliterationen: Rechte,
Repräsentanz und Ressourcen. Zu den Rechten heißt es: »Wir setzen uns
dafür ein, dass die Rechte von Frauen und Mädchen weltweit geachtet und
gefördert werden«. Dieser Absicht widersprechen beispielsweise die
bewusst in Kauf genommenen offenkundigen tagtäglichen
Frauenrechtsverletzungen in den EU-finanzierten Folterlagern in Libyen,
also Haftanstalten für Flüchtende unter der Kontrolle der Küstenwache
und anderer staatlicher Einrichtungen. Das zweite »R« steht für
Repräsentanz: Hierbei geht es um die gleichberechtigte Teilhabe von
Frauen* in allen Gesellschaftsbereichen, unter anderem durch die
Stärkung der Repräsentanz von Frauen* und marginalisierten Gruppen in
der Außenpolitik. Doch mehr Botschafterinnen machen die zu
übermittelnden Botschaften und Ziele des AA noch lange nicht
feministisch. Das dritte »R« steht für Ressourcen: Frauen* und
marginalisierte Gruppen sollen den gleichen Zugang zu finanziellen,
personellen und natürlichen Ressourcen bis zu immateriellen Ressourcen
haben, so der fast utopisch anmutende Anspruch.
Perfide Ablenkungstaktik
Dazu soll das »gender budgeting« auf alle Projektmittel des AA
ausgeweitet werden – das heißt, Projektförderungen berücksichtigen die
Bedürfnisse der Frauen*. Es bleibt eine perfide Ablenkungstaktik,
bedenken wir die Selbstbestimmungsrechte der Frauen* in der von Marokko
besetzten Westsahara, die Außenministerin Annalena Baerbock für
Wasserstoff und Phosphat verriet. Oder bedenken wir die Frauen* in den
Dörfern Guineas, die durch die Ausweitung einer Bauxitmine – unterstützt
durch Kreditgarantien der Bundesregierung – ihr Zuhause, die fruchtbaren
Böden und ihre Gemeinschaft verlieren.
Es stellen sich die Fragen: Kann die Außenpolitik eines imperialen
Nationalstaats, der sich für eine Durchsetzung der »nationalen
Interessen« gegen die Interessen der im gleichen Atemzug konstruierten
»Anderen« einsetzt, überhaupt feministisch sein? Kann sich in der Praxis
von Ländern wie Schweden, Mexiko und Kanada, die immerhin seit einigen
Jahren offiziell eine »feministische Außenpolitik« betreiben, oder auch
der BRD, ein Beispiel konkreter Außenpolitik finden, das sich
tatsächlich als »feministisch« bezeichnen lässt? Ein kurzer Blick auf
die Praxis deutscher Außenpolitik macht deutlich, dass Euphemismen wie
»wertebasiert« oder »feministisch« in diesem Kontext nur als zynisch
verstanden werden können.
Deutsche Außenpolitik umfasst asymmetrische Freihandelsabkommen mit den
sogenannten AKP-Staaten, Land Grabbing, Ocean Grabbing, eine
menschenverachtende EU-Migrationspolitik und deutsche Waffenexporte in
Krisengebiete – eine solche Politik zerstört lokale Märkte, vertreibt
Menschen gewaltvoll aus ihrem Zuhause und führt zu Hunger und Tod. Die
malische Schriftstellerin Aminata Traoré kritisiert dies: »Europa
schickt uns seine Hühnerbeine, seine Gebrauchtwagen, seine abgelaufenen
Medikamente und seine ausgelatschten Schuhe. Und weil eure Reste unsere
Märkte überschwemmen, gehen unsere Bauern und Handwerker unter.«
Gewaltsame Vertreibungen
Auch die sogenannte Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft
investierte in der Vergangenheit immer wieder aktiv in Agrarkonzerne,
die Menschen von gewohnheitsrechtlich oder gemeinschaftlich genutzten
Flächen gewaltsam vertrieben. »Die vermeintlich wertegeleitete
Außenpolitik ist nur die schöne Verpackung einer imperialen Strategie,
die im Wettbewerb mit anderen Mächten steht und auf die Unterordnung,
beziehungsweise Verwertung anderer Gesellschaften im Interesse des
›Standortes Deutschland‹ zielt«, so die Linken-Politikerin Katja Kipping
in ihrem im Jahr 2016 erschienenen Buch »Wer flüchtet schon freiwillig«.
Auch afghanische Feminist*innen der Organisation RAWA sahen schon früh
die katastrophalen Folgen der sich mit »feministischen« Ambitionen
schmückenden Kriegspolitik der NATO voraus. So warnten Aktivist*innen zu
Recht schon seit Oktober 2001 davor, dass die »Intervention
demokratische Entwicklungen im Land verhindern, den Islamismus in der
Region stärken und in einer humanitären Katastrophe enden« würde.
Besonders die enge Zusammenarbeit der deutschen Außenpolitik mit der
autokratisch regierten Türkei, die im Mai 2021 aus der
Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen* und Mädchen vor
sexualisierter und häuslicher Gewalt austrat und die immer wieder die
nach den Prinzipien der Basisdemokratie, Ökologie und Frauenbefreiung
autonom verwalteten kurdischen Gebiete bombardiert, hebt die Leere des
instrumentalisierten Feminismusbegriffes hervor. Die Außenpolitik der
BRD basiert auf Ausbeutung der Natur und der Menschen und wird einer
erheblichen Militarisierung unterzogen. Damit könnte sie kaum weiter
davon entfernt sein, den Kapitalismus, Rassismus, Militarismus und
Sexismus zu überwinden und davon wegzukommen, dass Gewalt zum Erreichen
sozialer Kontrolle eingesetzt wird.
Marginalie
Im März 2023 veröffentlichte das Auswärtige Amt (AA) Leitlinien für eine
»feministische Außenpolitik«. Feminismus bedeutete für die im Dezember
2021 verstorbene US-Literaturwissenschaftlerin bell hooks »eine Bewegung
gegen Sexismus, sexistische Gewalt und Ausbeutung«. Für hooks wirken
Kapitalismus, Patriarchat und Rassismus zusammen, da wir in einem
»imperialistischen, kapitalistischen Patriarchat weißer Vorherrschaft«
leben. Eine solch grundlegende Analyse findet sich in den Leitlinien
nicht. Sogar Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet widersprechen dem
»Feminismus« des AA nicht – eine »feministische Außenpolitik« sei nicht
gleichbedeutend mit Pazifismus, denn Russlands Krieg in der Ukraine
zeige, dass Menschenleben auch mit militärischen Mitteln »geschützt«
werden müssten.
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