[IMI-List] [0584] IMI-Analyse: Frontex-Files & Cybervalley / Neue Texte auf der Homepage

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Mi Feb 10 16:06:59 CET 2021



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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0584 .......... 24. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos)........ https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste/
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) Neue Texte auf der Homepage;

2.) IMI-Analyse: Frontex-Files & Cyber Valley.


1.) Neue Texte auf der IMI-Homepage

Seit der letzten IMI-List sind wieder eine Reihe neuer Texte erschienen. 
U.a. zur Tornado-Nachfolge und der Nuklearen Teilhabe, einem 
„NATO-Manifest“ aus den Reihen der Böll-Stiftung, der SPD-Positionierung 
dem Bau einer Eurokampfdrohne zuzustimmen, über rechtsradikale 
Reservisten, erfolgreiche Auseinandersetzungen mit Rheinmetall in 
Italien sowie staatliche Klimmzüge, um Aburteilungen wegen 
Kriegsverbrechen ihrer SoldatInnen zu verhindern.

IMI-Analyse 2021/05
Gesetzeslose Soldaten
Wie Regierungen Kriegsverbrecher vor Bestrafung schützen
http://www.imi-online.de/2021/02/10/gesetzeslose-soldaten/
Pablo Flock (10. Februar 2021)

IMI-Standpunkt 2021/005
Ein Etappensieg gegen Rheinmetall?
Italien stoppt Rüstungsexporte an Saudi Arabien und die VAE
http://www.imi-online.de/2021/02/08/ein-etappensieg-gegen-rheinmetall/
Jacqueline Andres (8. Februar 2021)

IMI-Analyse 2021/04
Reservisten mit Terrorplänen
Der Reservistenverband als Wehrsportgruppe für Neonazis?
http://www.imi-online.de/2021/02/04/reservisten-mit-terrorplaenen-2/
Luca Heyer (4. Februar 2021)

IMI-Standpunkt 2021/004
Erster Schritt zu bewaffneten Drohnen
http://www.imi-online.de/2021/02/04/erster-schritt-zu-bewaffneten-drohnen/
Tobias Pflüger (4. Februar 2021)

IMI-Analyse 2021/03
Glutkern des Westens
NATO-Manifest aus der Böll-Stiftung
http://www.imi-online.de/2021/01/27/glutkern-des-westens/
Jürgen Wagner (27. Januar 2021)

IMI-Analyse 2021/02
Berlin: Atomwaffen-Jet im Hauruck-Verfahren vor der Bundestagswahl?
Atomwaffenverbotsvertrag, Nukleare Teilhabe und der Tornado-Nachfolger
http://www.imi-online.de/2021/01/25/berlin-atomwaffen-jet-im-hauruck-verfahren-vor-der-bundestagswahl/ 

Jürgen Wagner (25. Januar 2021)


2.) IMI-Analyse: Frontexfiles & Cyber Valley

IMI-Analyse 2021/06
Die Frontex-Files und das Cyber Valley
http://www.imi-online.de/2021/02/10/die-frontex-files-und-das-cyber-valley/
Christoph Marischka (10. Februar 2021)

Am 5. Februar gab Jan Böhmermann im ZDF Magazin Royale öffentlich den 
Startschuss zur Veröffentlichung der „Frontexfiles“, einer Sammlung von 
Dokumenten der EU-Agentur für den Grenzschutz, deren Herausgabe auf der 
Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes erzwungen wurde.[1]

Dabei handelt es sich im Kern um Listen von Behörden- und 
Industrievertreter*innen, die in den vergangenen drei Jahren an 
Veranstaltungen von Frontex teilgenommen haben sowie um einige der dort 
vorgestellten Präsentationen. Als Hintergrund verwiesen sowohl das ZDF 
Magazin Royal als auch die NGO Corporate Europe Observatory auf das 
massiv anwachsende Budget der Behörde wie auch das Vorhaben, eigene 
Einheiten für den Grenzschutz mit insgesamt 10.000 Kräften aufzubauen 
und auszurüsten. Die Autor*innen und auch erste Kommentator*innen 
sprechen vor diesem Hintergrund von der Herausbildung eines 
„grenz-industriellen“ bzw. „militärisch-grenzpolizeilichen Komplexes“.[2]

Jenen Firmen, die gleich bei mehreren Treffen anwesend waren, bilden 
weitgehend das Who-is-Who der europäischen Rüstungsindustrie ab, 
darunter neben Airbus und Thales u.a. Safran (Frankreich), Leonardo 
(Italien) und Indra (Spanien). Auch Kleinwaffenhersteller wie Heckler & 
Koch und Glock waren eingeladen. Unter denjenigen Firmen, die nicht 
primär in der Rüstungsindustrie tätig sind, hier ihre Aktivitäten im 
Zuge der Digitalisierung jedoch aktuell ausweiten, finden sich ATOS und 
der japanische Elektronikkonzern NEC wiederholt in den Listen. In der 
Auswertung des Corporate Europe Observatory wird NEC auch als eines der 
relativ wenigen Unternehmen außerhalb Europas hervorgehoben, das in den 
Frontex-Dateien auftaucht. Neben NEC sind dies ein kanadisches 
Unternehmen für Gesichtserkennung (Face4Systems) sowie drei israelische 
Firmen, die im Bereich der Bilderkennung (Shilat Optronics und Seraphim 
Optronics) und der Drohnentechnologie (Elbit Systems) aktiv sind.[3]

Die insgesamt 108 Unternehmen, die auf den betreffenden Frontex-Treffen 
vertreten waren, bieten zusammengenommen eine durchaus brauchbare 
Stichprobe einer sich modernisierenden europäischen Rüstungsindustrie, 
welche verstärkt auch neue Technologien und mehr oder weniger zivile 
Anwendungsfelder wie den Grenzschutz in den Blick nehmen. Diese 
Stichprobe eignet sich damit auch, um die Relevanz einiger Industrie- 
und Technologie-Cluster hervorzuheben: In diesem Falle das grünschwarz 
regierte Baden-Württemberg und das von der entsprechenden 
Landesregierung vorangetriebene „Cyber Valley“.

Unternehmen aus BaWü

Der wesentlich unter dem Dach von Daimler aufgebaute, größte europäische 
Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus hat seinen Hauptsitz zwar in 
Frankreich und zentrale Produktionsstätten u.a. in Spanien. Die 
(inoffizielle) Zentrale seiner Rüstungssparte jedoch befindet sich in 
München-Ottobrunn (auf dem Gelände der im Nationalsozialismus 
aufgebauten Luftfahrtforschungsanstalt München). Hauptsitz der 
Satelliten- und Weltraumtechnik ist Immenstaad am Bodensee – quasi in 
Sichtweite zum Lenkwaffenhersteller Diehl Defence, dem v.a. auch auf 
militärische Antriebssysteme spezialisierten Unternehmen MTU und seinem 
historischen Zulieferer ZF Friedrichshafen. Tatsächlich in Wurfweite 
liegt direkt gegenüber dem Airbus-Weltraumzentrum in Immenstaad der 
explizit für militärische Aufträge zuständige Airbus/Daimler-Ableger ND 
Satcom GmbH. Ein weiterer zentraler Standort von Airbus befindet sich in 
Ulm. Hier wird v.a. Sensorik und Radartechnologie entwickelt und 
produziert. Diese Sparte wurde 2017 von Airbus weitgehend in die 
Hensoldt AG überführt, die ebenfalls in den Frontexfiles auftaucht - 
aber nicht als außereuropäisches Unternehmen hervorgehoben wird, obwohl 
es sich überwiegend im Besitz einer US-amerikanischen Holding, der KKR & 
Co. Inc. befindet.

Neben dem Bodensee und Ulm deutet sich v.a. mit Thales ein weiterer 
Cluster in Baden-Württemberg an, dessen Relevanz auch angesichts der 
Frontexfiles unterstrichen wird. Thales ist Bahnfahrer*innen von 
Fahrkartenautomaten bekannt, wo es die Terminals für bargeldloses 
Bezahlen verantwortet. Thales ist zugleich eines der größten 
Rüstungsunternehmen weltweit, das Produkte von der 
Satellitenkommunikation über vollautonome Waffen bis hin zu 
Nachtsichtgeräten und „head-mounted displays“ – also Cyber-Brillen für 
den militärischen Einsatz – anbietet. Seine breit aufgestellte Position 
in der modernen Rüstung hat das Unternehmen unter der Führung von 
Thierry Breton eingenommen – ehemaliger Wirtschaftsminister Frankreichs 
und heutiger EU-Kommissar für Industrie, Digitalisierung und Rüstung.[4] 
Der deutsche Hauptsitz von Thales befindet sich nur wenige Kilometer 
nördlich von Stuttgart, in einem Industriegebiet direkt an der A81 
nördlich des Engelbergtunnels. Wiederum in Sichtweite befindet sich im 
gegenüber liegenden Industriegebiet von Weilimdorf eine Niederlassung 
von ATOS, an der noch heute erkennbar ist, dass sie einst zum 
Siemens-Konzern gehört hat. Auch ATOS wurde unter dem heutigen 
Industriekommissar Breton zu einem relevanten Player der 
Rüstungsindustrie zusammenfusioniert. 2011 hatte der Konzern die 
Siemens-Tochter „IT Solutions and Services“ übernommen, die explizit auf 
Dienstleistungen für die Bundeswehr zugeschnitten war. Kurz darauf 
übernahm ATOS auch den (ehemaligen) IT-Hersteller Bull, der sich 
zwischenzeitlich auf Cloud-Dienstleistungen für das Militär 
spezialisiert hatte. Heute hat ATOS gemeinsam mit Thales eine zentrale 
Rolle in der informationstechnischen Vernetzung der französischen Luft- 
und Bodenstreitkräfte und leitet das Unternehmen die Studie „Gläsernes 
Gefechtsfeld“ für die Bundeswehr, bei der KI einzelne Soldat*innen und 
autonome Systeme auf Grundlage ihrer jeweiligen Position, ihres 
Munitionsbestandes und ihrer körperlichen Verfassung anleiten soll.[5] 
Thales wiederum hatte im Februar 2020 feierlich bekannt gegeben, dass es 
gemeinsam mit Airbus die „Combat Cloud“ für das „Future Combat Air 
System (FCAS)“ bereitstellen würde.[6] Bei dem deutsch-französischen 
Großprojekt soll nicht nur ein (bemanntes) Kampfflugzeug der nächsten 
Generation entwickelt werden, sondern dieses von Anfang an in ein 
Gesamtsystem eingebettet sein, bei denen eine Vielzahl von autonomen 
Systemen zusätzliche Waffen, Sensorik und Mittel zur elektronischen 
Kampfführung tragen und im Verbund mit dem bemannten Flugzeug zum 
Einsatz bringen können.

In seiner Zusammenfassung über die Frontexfiles[7] weist Matthias Monroy 
noch auf ein weniger bekanntes Unternehmen hin, welches offenbar den 
Rüstungsriesen Airbus bei der Vergabe eines Auftrags zur 
Grenzüberwachung mit sog. „Aerostats“ – Zeppelinen oder Ballons – 
ausstechen konnte. Der Auftrag umfasst den Einsatz eines solchen 
Aerostats für vier bis sechs Monate an der griechischen Außengrenze. Das 
Luftfahrzeug selbst stammt vom französischen Hersteller CNIM, den 
Betrieb der Aufklärungstechnologie übernimmt die deutsche Firma 
innovative navigation GmbH, die in Kornwestheim, etwa 10km von Thales 
und Atos entfernt, ihren Sitz hat. Zumindest in der Vergangenheit haben 
innovative navigation und Thales auch schon bei Grenzschutzaufträgen 
kooperiert. So findet sich auf der Homepage des Unternehmens eine 
Pressemitteilung aus dem Jahr 2013, die von der Installation eines 
„lokale[n] Überwachungssystem[s] zur Sicherung der EU-Außengrenzen in 
Kroatien“ berichtet: „Die Firma in-innovative navigation GmbH lieferte dafür

im Auftrag des Joint Ventures der Firmen THALES und PCE (Pomorski Centar 
Elektroniku) die gesamte Technik der Radarüberwachung (Sensoren, 
Signalverarbeitung) und die Software für modernste und effiziente 
Verarbeitung der Sensorsignale: Signalintegration, Tracking, sowie die 
Darstellung der Daten in der Zentrale mit inDTS, einem leistungsfähigen 
Displaymodul der Firma in-innovative navigation GmbH“.[8]

Frontex-Partner und das Cyber Valley

Beim Cyber Valley handelt es sich nach eigenen Angaben um „Europas 
größtes Forschungskonsortium im Bereich der künstlichen Intelligenz mit 
Partnern aus Wissenschaft und Industrie“.[9] Es wurde im Dezember 2016 
vom Land Baden-Württemberg, der Max-Planck-Gesellschaft, den 
Universitäten Stuttgart und Tübingen sowie den Industriepartnern, 
darunter Daimler, Bosch und ZF Friedrichshafen auf den Weg gebracht – 
später stieg auch das US-Plattformunternehmen Amazon ein. Im Kern 
besteht das Cyber Valley bislang aus einem Technologiepark in Tübingen 
und einem „Ökosystem“ – einem Netzwerk von Programmen und Institutionen, 
die Unternehmensgründungen anregen und fördern sollen, indem sie 
Know-How, Räumlichkeiten, Kontakte zu Industrie und Risikokapital usw. 
bereitstellen. Ziel ist die schnelle Kommerzialisierung neuer 
Forschungsergebnisse und damit auch die Generierung privater Gewinne aus 
öffentlich finanzierter Forschung. Inhaltlicher Schwerpunkt ist das 
Maschinelle Lernen und insbesondere das Maschinelle Sehen. Angesichts 
der starken Beteiligung der Automobilindustrie sind Anwendungen v.a. im 
Bereich des autonomen Fahrens naheliegend. Die damit verbundenen 
Fragestellungen der Fusion und Interpretation von Sensordaten liegen 
nahe an jener Forschung, die andernorts im Auftrag des Militärs, der 
Rüstungsindustrie, Grenzschutz- und anderer Überwachungsbehörden 
durchgeführt wird. Die Grundlagenforschung einiger am Cyber Valley 
beteiligter Wissenschaftler*innen zur Bilderkennung durch Künstliche 
Neuronale Netze wurde in den vergangenen Jahren u.a. durch ein Projekt 
(MICrONs) der gemeinsamen Forschungsbehörde der US-Geheimdienste (IARPA) 
finanziert.[10] Eingebunden in das Projekt war auch das Unternehmen 
Amazon, das aktuell im Tübinger Technologiepark ein Forschungszentrum 
für Maschinelles Lernen erbaut und in den USA für verschiedene Militär- 
und Geheimdienstbehörden Cloud-Anwendungen zur Verfügung stellt.

Auch wenn Technologien explizit für Militär und Grenzschutz aktuell 
keinen Schwerpunkt im Cyber Valley bilden, ist es doch auf verschiedene 
Arten an die auf Grundlage der Frontexfiles skizzierten 
Technologiecluster angebunden. So wurde z.B. eine frühere Ausgründung 
der aus der Universität Tübingen, das Tübinger Startup 
„Science&Computing“ zunächst von Bull und kurz vor der Gründung des 
Cyber Valleys von Atos unternommen. 2018 eröffnete die European Space 
Agency (ESA) gemeinsam mit Bosch und der Rüstungssparte von Airbus im 
Technologiepark Tübingen-Reutlingen (TTR) sowie am Partnerstandort in 
Immenstaad einen Business Incubation Centre (BIC): „60 Startups erhalten 
bis Ende 2021 an den drei Standorten die Möglichkeit zur Inkubation und 
durchlaufen die Förderphase von bis zu 2 Jahren. Für die technische 
Unterstützung stehen die Unternehmen Airbus Defence and Space in 
Friedrichshafen und Bosch Automotive Electronics in Reutlingen zur 
Verfügung“, so berichtete damals die ESA.[11] Die ebenfalls beteiligte 
IHK ergänzt: „Als Anschubförderung erhalten die Gründungen 50.000 Euro 
sowie umfassende Service-Angebote durch Firmenbetreuer vor Ort und das 
Partner-Netzwerk. Dazu gehören zehn Beratungs- oder Labortage bei Bosch 
oder Airbus. Im Anschluss an die Phase im ESA-BIC sollen die Unternehmen 
im örtlichen Technologiepark angesiedelt werden“.[12] Aktuell laufen im 
Cyber Valley Verhandlungen über die konkrete Zusammenarbeit mit dem 
japanischen Elektronikkonzern NEC, die im November 2020 durch ein 
Memorandum of Understanding auf den Weg gebracht wurde. Laut 
Pressemitteilung des Cyber Valleys handelt es sich bei NEC um ein 
„weltweit führende[s] Unternehmen für Technologie- und 
Kommunikationsinfrastrukturen und -lösungen. Zu den Stärken von NEC 
gehören die originäre Forschung im Bereich der KI und deren angewandter 
Einsatz“.[13] Dass NEC in den vergangenen Jahren mehrfach in der Liste 
der 100 größten Rüstungsunternehmen weltweit (ohne China) aufgetaucht 
ist, verschweigt die Pressemitteilung dabei. Neben den Aktivitäten von 
NEC in der Rüstung und im Grenzschutz versucht NEC vergleichbare 
Technologien unter den Schlagwörtern „öffentliche Sicherheit“ und „Smart 
Cities“ auch in einem rein zivilen Umfeld zu etablieren. Broschüren des 
Unternehmens zu diesen Schlagwörtern offenbaren Visionen eines Alltags, 
der durch die Allgegenwärtigkeit autonomer Systeme, biometrischer 
Erfassung und Zugangskontrollen geprägt ist.[14]

Damit ist NEC in einem ähnlichen Segment aktiv, wie Atos und in das auch 
Bosch mit seiner Sparte „Security and Safety Systems“ verstärkt 
einsteigen will. In einer Broschüre zum Produkt „Intelligente Video 
Analyse“ nennt Bosch selbst den Grenzschutz als mögliche Anwendung: 
„Diese Lösung auf dem aktuellen Stand der Technik ist ideal für 
erfolgskritische Anwendungen wie dem Perimeterschutz von Flughäfen, 
kritischen Infrastrukturen und Regierungsgebäuden, Grenzpatrouillen und 
die Verkehrsüberwachung“. Das System kann demnach selbstständig u.a. das 
Eindringen unautorisierter Personen, das Abstellen von Gegenständen oder 
das unerlaubte Parken von Kraftfahrzeugen erkennen und bewegte Objekte 
verfolgen. Die meisten der dargestellten Beispiele beziehen sich jedoch 
auf die intelligente Überwachung von Lagerhallen bzw. Fabriken und damit 
auch der dort Arbeitenden.[15] Auch Bosch plant aktuell den Bau eines 
KI-Campus auf bzw. neben dem Technologiepark in Tübingen.

Der Vollständigkeit halber sei hier noch erwähnt, dass noch ein weiterer 
Industrie-Partner des Cyber Valleys in den Frontexfiles auftaucht: 
Daimler. Es handelt sich dabei um eine eher kleine – man könnte auch 
sagen: exklusive – Veranstaltung am 8. Februar 2018. Frontex hatte zu 
einem Industry Day zum Thema „Fahrzeuge zur Unterstützung des 
Migrationsmanagements“ eingeladen. Neben Daimler (Mercedes-Benz Defence 
Project Vans) waren nur zwei weitere, kleinere Unternehmen vertreten, 
die auf die Umrüstung von Fahrzeugen für Spezialaufgaben wie 
Geldtransporte spezialisiert sind. Die Frontexfiles enthalten auch ein 
kurzes Dokument mit den wesentlichen Ergebnissen. Dieses enthält u.a. 
sichtbar die voraussichtlichen Lieferzeiten und geschwärzt die 
Preisspanne für die nicht näher spezifizierten Nutzfahrzeuge. Während 
die kleineren Unternehmen offenbar Aussagen dazu gemacht haben, welche 
Sicherheitsbehörden sie bereits beliefert haben – die allerdings 
geschwärzt wurden – hat Daimler demnach lediglich angegeben, bereits 
„viele Aufträge für Grenzschutz und -überwachung“ erhalten zu haben, 
dass man aber keine Angaben „zu Kunden, Ländern oder Modellen“ 
mache.[16] Einen Hinweis gibt allerdings das EU-Forschungsprojekt 
„ROBORDER“, das nicht zufällig Assoziationen einer von Robotern 
überwachten Grenze weckt: Tatsächlich wird der Einsatz unbemannter 
Luft-, Land- und (Unter-)Wasserfahrzeugen für den Grenzschutz erprobt. 
Matthias Monroy schreibt hierzu auf Telepolis: „Die Tests erfolgen unter 
anderem auf der griechischen Insel Kos in der Ägäis. Die Aufnahmen 
laufen dort in einem mobilen Lagezentrum zusammen. Das Fahrzeug stammt 
von dem deutschen Hersteller Elettronica aus Meckenheim in 
Nordrhein-Westfalen und basiert auf einem Mercedes Sprinter. Unter der 
Produktlinie 'Öffentliche Sicherheit' wird es als 'Multirole operations 
support vehicle' (MUROS) verkauft“. Solche Fahrzeuge kommen demnach auch 
in Deutschland bereits bei Demonstrationen zum Einsatz: „Als 
'Beweissicherungs- und Dokumentationskraftwagen' (BeDoKw) mit 
ausfahrbaren, vier Meter langen Masten mit Videokameras und Mikrofonen 
fahren die MUROS unter anderem auf Demonstrationen und übermitteln die 
Bilder in hoher Auflösung an die zuständige Einsatzleitung oder an 
mobile Greiftrupps [...] Eines der Mikrofone verfügt über 
Richtcharakteristik, auf diese Weise werden beispielsweise Redebeiträge 
in das polizeiliche Hauptquartier übertragen“.[17]

Innovationspark Baden-Württemberg

Das Land Baden-Württemberg hat bereits einen dreistelligen 
Millionenbetrag in das Cyber Valley investiert. Hinzu kommen Gelder des 
Bundes, u.a. für das ebenfalls auf dem Technologiepark ansässige 
„Tübinger AI Center“. Im Dezember 2020 wurde bei einer Videokonferenz 
mit Kanzlerin Merkel, dem Ministerpräsidenten des Landes, der 
EU-Vizekommissarin für Digitalisierung und mehreren Vertretern des Cyber 
Valley (davon zwei nebenberuflich bei Amazon beschäftigt) ein „AI 
Breakthrough Hub“ ins Leben gerufen, in den ein weiterer dreistelliger 
Millionenbetrag von Bund, Land und privaten Investor*innen fließen 
soll.[18] Außerdem hatte das Land angekündigt, den Aufbau eines 
„KI-Innovationsparks Baden-Württemberg“ mit 50 Mio. Euro zu unterstützen 
– falls sich die beteiligten Kommunen mit Eigenmittel in derselben Höhe 
einbringen. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie war im Dezember 2019 
in Auftrag gegeben worden, ist aber noch nicht abgeschlossen. Trotzdem 
wurde Ende November 2020 das Wettbewerbsverfahren unter den 
interessierten Kommunen eröffnet. Die Frist für die Bewerbung endete 
bereits zwei Monate später, nämlich am 29.1.2021. Das war natürlich ein 
knapper Zeitrahmen, um innerhalb der Kommunen zu diskutieren, ob und wie 
ein solcher Innovationspark überhaupt wünschenswert wäre. Dabei hat es 
die eilig doch noch veröffentlichte vorläufige Fassung der 
Machbarkeitsstudie durchaus in sich: Darin werden u.a. „Testgelände mit 
regulatorischen Freiräumen zur Erprobung neuer KI-Technologien ('Large 
Scale') und Reallaboren (insb. Biolabor, Robotiklabor, Fahrlabor, 
Fluglabor) für die Datengewinnung bzw. Validierung sowie die Etablierung 
eines KI-Lifestyles“ angestrebt. An anderer Stelle ist von 
„Testfelder[n] mit integrierter Sensorik, Flugfelder[n] für Drohnen, 
Start- und Landeplätze für autonome Flugtaxis“ die Rede.[19]

Dass das Cyber Valley in diesem „Wettbewerbsverfahren“ eine gute 
Startposition einnimmt, war von Anfang an klar. Letztlich entschieden 
sich die Verwaltungen in Tübingen, Reutlingen, Stuttgart und Karlsruhe 
für eine gemeinsame Bewerbung, wobei Reutlingen die größte Fläche auf 
dem Gelände einer ehemaligen Spedition bereitstellt. Tübingen will sich 
mit den verbliebenen kleinen Flächen im Technologiepark beteiligen und 
die restlichen Eigenanteile finanziell erbringen. Auch Stuttgart und 
Karlsruhe werden im Zuge des Bewerbungsverfahrens weitere Flächen für 
die KI-Forschung reservieren. Letztlich wird es also nicht den einen 
KI-Innovationspark geben, sondern mehrere kleine, die an bestehende 
Cluster andocken. Das von den drei Regionen gemeinsam vorgelegte 
Eckpunkte-Papier zur Bewerbung sieht demnach vor, „dass ein 
branchenübergreifender, integrierter Experimentier- und Datenraum für 
KI-Innovationen der neuen Generation entsteht. In vernetzten Testfeldern 
und Labs werden Entwicklung und Erprobung innovativer KI-Lösungen in 
realen Umgebungen möglich gemacht“.[20]

Durch die großräumige Verteilung des „Innovationsparks“ wird letztlich 
ein weiterer Cluster öffentlicher Förderung und 
wissenschaftlich-unternehmerischer Vernetzung entstehen, der an 
bestehende Cluster und damit auch die in den Frontexfiles zum Vorschein 
gekommene militärisch-grenzpolizeiliche Industrie anknüpfen kann. 
Besonders spannend wird dabei die Rolle des Fraunhofer-Institut für 
Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB), das beispielsweise 
Teil des wiederum aus Bundesmitteln geförderten „Digital Hub Karlsruhe 
für angewandte Künstliche Intelligenz“ ist. Das Fraunhofer IOSB führt 
zahlreiche Forschungsprojekte für das Verteidigungsministerium durch, 
darunter die verbesserte Bildauswertung von Bundeswehrdrohnen und 
Darstellungen multisensorieller Aufklärungssysteme an einem „digitalen 
Lagetisch“. Es war an mehreren Forschungsprojekten des Bundes und der EU 
beteiligt, die darauf abzielten, illegale Migration mithilfe von 
Satelliten, Drohnen und Sensorbojen zu detektieren und hat sich u.a. 
darum bemüht, von der Bundeswehr u.a. in Afghanistan eingesetzte 
Drohnenmodelle für den Schweizer Grenzschutz umzurüsten.[21] Zuletzt 
führt das Fraunhofer IOSB auch das Pilotprojekt zur „intelligenten 
Videoüberwachung“ am Mannheimer Hauptbahnhof durch. Auch hierbei handelt 
es sich gewissermaßen um einen „regulatorischen Freiraum zur Erprobung 
neuer KI-Technologien“ bzw. „Reallabor für die Datengewinnung bzw. 
Validierung“.

Anmerkungen

[1] https://frontexfiles.eu/.

[2] Matthias Monroy: Frontex Files - Der militärisch-grenzpolizeiliche 
Komplex, netzpolitik.org (05.02.2021).

[3] https://corporateeurope.org/en/lobbying-fortress-europe

[4] Christoph Marischka: EU-Kommission - (Diese) Industriepolitik ist 
Rüstungspolitik, Telepolis (12.11.2019).

[5] Thomas Wiegold: Studie fürs „gläserne Gefechtsfeld“, 
augengeradeaus.net (16.04.2019).

[6] „Airbus and Thales join forces to develop the Air Combat Cloud for 
Future Combat Air System“, Pressemitteilung der Thales Group (20.02.2020).

[7] Matthias Monroy: Frontex Files - Der militärisch-grenzpolizeiliche 
Komplex, netzpolitik.org (05.02.2021).

[8] „in-innovative navigation GmbH installiert ein lokales 
Überwachungssystem zur Sicherung der EU-Außengrenzen in Kroatien“, 
Pressemitteilung der in Gmbh (29.10.2013).

[9] https://cyber-valley.de/.

[10] Christoph Marischka: Cyber Valley, MPG und US-Geheimdienste, 
IMI-Studie 3/2020.

[11] https://www.esa-bic-bw.de/de/.

[12] „Reutlingen ist Start-up-Standort der ESA“, IHK Reutlingen 
(13.04.2018).

[13] „NEC Laboratories Europe und Cyber Valley Forschungseinrichtungen 
unterzeichnen MoU“, Pressemitteilung des Cyber Valley (19.11.2020).

[14] NEC: Behaviour Detection Solution, Safer Cities.

[15] Bosch: Creating a more secure world and new value for businesses 
with Video analytics.

[16] Forontexfiles.eu: Main outcomes - Industry day VMM_redacted.pdf.

[17] Matthias Monroy: Für jede Repression zu haben - Das MUROS aus 
Meckenheim, Telepolis (28.08.2019).

[18] Rede von Bundeskanzlerin Merkel zum Startschuss für das "AI 
Breakthrough Hub" am 17. Dezember 2020 (Videokonferenz), bundeskanzlerin.de.

[19] CBRE GmbH: Machbarkeitsstudie zum Innovationspark KI (Vorgezogener 
Ergebnisbericht für das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und 
Wohnungsbau Baden-Württemberg, wirtschaft-digital-bw.de.

[20] „Zusammen für den Erfolg der Künstlichen Intelligenz im Land“, 
Pressemitteilung auf stuttgart.de (29.01.2021).

[21] Christoph Marischka: Fraunhofer IOSB - Dual Use als Strategie, 
IMI-Studie 2017/02.


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