[IMI-List] [0529] Fact Sheet Rüstung / Spendenaufruf / Kongressbericht / Ausdruck (Dezember 2018)

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Do Dez 13 18:37:14 CET 2018


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0529 .......... 21. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) das neue Fact Sheet „Rüstung“, das kostenlos auch in Print bestellt
werden kann;

2.) die neuen Texte der Dezember-Ausgabe des IMI-Magazins Ausdruck;

3.) den Bericht zum diesjährigen IMI-Kongress „Deutschlands Aufrüstung“.


Zuvor aber wie immer am Jahresende unser SPENDENAUFRUF mit der Bitte,
uns bei unserer Arbeit zu unterstützen.

Nur so wird es uns auch künftig gelingen, weiter alle Materialien, die
von der IMI erstellt werden, auch kostenlos im Internet – und teils
sogar, wie beim aktuellen Fact Sheet Rüstung,
gratis in Print – zur Verfügung stellen zu können.

Wir freuen uns also über jede Form der Unterstützung, sei es durch
Spenden oder Mitgliedschaften
(http://www.imi-online.de/mitglied-werden/), die weiterhin steuerlich
absetzbar sind.

Spendenkonto:
Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
IBAN: DE64 6415 0020 0001 6628 32
BIC: SOLADES1TUB

Allen, die uns in diesem Jahr dabei geholfen haben, dem sich immer
wahnsinniger drehenden Rüstungskarussell etwas entgegenzusetzen, möchten
wir außerdem hier nochmal sagen:

Vielen Dank!!


1.) Fact Sheet „Rüstung“

Ganz frisch erschienen ist das vollständige aktualisierte und
überarbeitete Fact Sheet „Rüstung“, das von der IMI erstellt und
zusammen mit der DFG-VK herausgegeben wird.

Es lässt sich wie immer gratis im Internet herunterladen oder – gerne
auch in größeren Stückzahlen – für Infostände etc. kostenlos in Print
bestellen.
Download: https://www.imi-online.de/download/Ruestung2018-Endversion3.pdf

Bestellung in Print: https://shop.dfg-vk.de/Flyer/Fact-Sheet-Ruestung.html


2.) IMI-Magazin AUSDRUCK (Dezember 2018)

Soeben ist die neue Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCKs erschienen, die
wie immer kostenlos von der Homepage heruntergeladen werden  kann:
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dezember2018-Web.pdf

IMI-Mitglieder erhalten den Ausdruck auch gerne in Print:
https://www.imi-online.de/mitglied-werden/

INHALTSVERZEICHNIS

DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Deutsche Waffen made in USA: Die strategische Produktionsverlagerung
von Klein- und Leichtwaffen in die USA (Carlos A. Pérez Ricart und Lotta
Ramhorst)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dezember2018-Outsourcing.pdf
-- Nur eine Frage der Zeit? Westliche Luftschläge gegen Syrien – Auch
die Friedensbewegung sollte sich vorbereiten (Bernhard Klaus)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dezember2018-Syrien.pdf

CYBER VALLEY
-- Cloud-Anbieter für Bundeswehr, CIA und Pentagon. Ein erstes Update
zur These der Transformation Tübingens in einen Rüstungsstandort durch
das Cyber Valley (Christoph Marischka)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dezember2018-Cloud.pdf
-- (Tarn-)Grüne Förderung von Sprunginnovationen (Christoph Marischka)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dezember2018-Sprunginnovationen.pdf

-- Mehr als nur Päckchen –Amazons Rolle in der Militärtechnik und dem
Cyber Valley (Dominic Nicolaj Wetzel)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dezember2018-Amazon.pdf 		

EU-MILITARISIERUNG
-- Der Griff nach der Macht: Mehrheitsentscheidungen und
Machtverschiebungen in EUropa (Claudia Haydt und Sabine Lösing)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dezember2018-EU-Macht.pdf
-- PESCO-Rüstungsprojekte: Runde Zwei auf dem Weg zur Rüstungsunion
(Jürgen Wagner)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dezember2018-PESCO-Projekte.pdf
-- Mit militärischen Mitteln gegen Fake News und Migration? Die
Krisenmanagementübung „Hybrid Exercise Multilayer 18“ der EU (Alexander
Kleiß)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dezember2018-EU-Hybrid.pdf

NATO
-- Joint Cooperation 2018: NATO-CIMIC-Truppe übt in Norddeutschland den
Umgang mit Unruhen (Martin Kirsch)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dezember2018-NATO-Uebung.pdf
-- Die Konstruktion des russischen Feindbilds: Beispiele aus der
Politikberatung (Christopher Schwitanski)
https://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Dezember2018-NATO-Propaganda.pdf


KLIMA UND KRIEG
-- Klimainterventionen und Geopolitik. Die Gefahr der Militarisierung
des Klimas (Manuel Kreutle) [Langfassung:
https://www.imi-online.de/download/IMI-Studie-2018-7-Klima.pdf]


3.) Bericht vom 22. IMI-Kongress „Deutschlands Aufrüstung“.

IMI-Standpunkt 2018/040
Deutschlands Aufrüstung: An allen Fronten – Auf allen Ebenen!
Bericht vom 22. IMI-Kongress
https://www.imi-online.de/2018/12/13/deutschlands-aufruestung-an-allen-fronten-auf-allen-ebenen-3/
IMI (13. Dezember 2018)

Der 22. Kongress der Informationsstelle Militarisierung fand, dieses
Jahr etwas später als gewohnt, vom 7. bis 9. Dezember 2018 wie immer in
Tübingen statt. Thema war – die Debatte um das 2%-Ziel der NATO
aufgreifend – Deutschlands Aufrüstung „auf allen Ebenen und an allen
Fronten“. Neben dem steigenden Verteidigungshaushalt und Großprojekten
aus der Rüstung wurde die intensivierte Aufrüstung auch in Bereichen der
Polizei, der Forschung, der Infrastruktur und der Flächennutzung
reflektiert. Die Abendveranstaltung zur „EU auf dem Weg zur
Rüstungsunion“ wurde kurzfristig in einen von Aktivist*innen und
Studierenden angeeigneten Hörsaal verlegt. Der Hörsaal war eine Woche
zuvor im Anschluss an eine Demonstration gegen den Forschungscampus
„Cyber Valley“ besetzt worden, an dem auch die Rüstungsindustrie
beteiligt ist. Zu den Forderungen der Besetzenden gehört u.a. eine
Zivilklausel für die gesamte Stadt.

Zwischen 70 und 140 Personen waren jeweils bei den Vorträgen präsent,
insgesamt dürften über 200 Menschen Teile des Kongresses besucht haben.
Viele Besucher*innen aus entfernteren Gegenden reisten bereits zur
Auftaktveranstaltung am Freitagabend an, die in der Hausbar des
Wohnprojekts Schellingstraße – einer ehemaligen Kaserne – stattfand.
Einige von ihnen hatten bereits zuvor an der Demonstration
„Menschenrecht fundamental ist!“ des „Bündnis Bleiberecht“ zum Tag der
Menschenrechte teilgenommen, zu der auch die IMI aufgerufen hatte. Auch
bei der Begrüßung zur Auftaktveranstaltung wurde unterstrichen, dass
Tübingen gerade eine „Stadt in Bewegung“ sei, wobei die Proteste gegen
das Cyber Valley, Abschiebungen und Rechtspopulismus sowie für
Menschenrechte und Demokratisierung hier gerade tatsächlich alltäglich,
zugleich ermutigend wie aber auch kräftezehrend seien. Dies wurde auch
Anhand von Bildern einiger Protestveranstaltungen unterstrichen, bevor
Jacqueline Andres einen kurzen Vortrag zu Beispielen der Konversion –
also der zivilen Nutzung vormals militärischer Flächen – hielt. Dabei
wurde einerseits deutlich, welches Potential ehemalige Kasernengelände
für die Schaffung neuen Wohnraums und auch sozio-kultureller Begegnungs-
und Veranstaltungsräume bergen. In vielen ehemaligen Kasernengebäuden
werde heute versucht, möglichst hierarchiefrei zu leben und nach dem
Konsensprinzip zu entscheiden, was Andres u.a. anhand von Beispielen aus
Tübingen veranschaulichte. „Das hat natürlich auch damit zu tun, dass
die zivile Nutzung ehemaliger Militärgebäude oft aus Besetzungen
hervorgeht“, so die Referentin. Anschließend gab es noch eine Art
Kneipen-Quiz zu Ritualen bei der Bundeswehr, bei dem v.a. viel gelacht
und eines klar wurde: Es gibt Weniges, was die Anwesenden sich
vorstellen konnten und gelangweilte Soldat*innen nicht schon
durchgeführt und ritualisiert hätten…

Rüstungshaushalt und Rüstungsmarkt

Eröffnet wurde der Kongress mit einem Beitrag von IMI-Vorstand Tobias
Pflüger, der angesichts der drastischen Steigerungen des
Militärhaushalts auf nunmehr 43,2 Mrd. Euro im Jahr 2019 (von 24,3 Mrd.
im Jahr 2000) die fehlende öffentliche Debatte über diese Entwicklung
kritisierte. Den Rahmen für den jüngsten Rüstungsschub stecke die im
Juli 2018 verabschiedete „Konzeption der Bundeswehr“ ab, die mit Blick
auf Russland den Aufbau „kampfkräftiger Großverbände“ vorsehe,
gleichzeitig aber festschreibe, dass auch die Fähigkeiten für sog.
„Stabilisierungseinsätze“ wie z.B. in Afghanistan weiter aufrecht
erhalten werden müssten: „Weil die Bundeswehr für buchstäblich alles
gerüstet sein will, macht das die ganze Angelegenheit derzeit besonders
teuer“, so der Bundestagsabgeordnete. Die weitere Feinausplanung sei nun
im „Fähigkeitsprofil der Bundeswehr“ vom September 2018
niedergeschrieben worden. Allerdings dürfe aus dem Papier nicht zitiert
werden, große Teile seien sogar als geheim eingestuft, nicht einmal als
Bundestagsabgeordneter sei es erlaubt, sich daraus Notizen zu machen
oder gar über dessen Inhalte zu sprechen, so Pflüger. Die Bundeswehr
wolle, soviel sei bekannt, bis 2023 ein Bataillon (ca. 5.000 Soldaten)
und ab 2027 eine Division (ca. 20.000) als zusätzliche schwere
Großverbände bereitstellen. Bis 2031 wären dann bereits drei Divisionen
vorgesehen. „Dafür wird die Bundeswehr deutlich mehr Personal benötigen,
die jüngsten Pläne, sie bis 2025 von aktuell 180.000 auf 203.000
Soldaten zu vergrößern, ist hier wohl nur der Anfang.“ Und auch der
Militärhaushalt solle weiter steigen: „Mit Unterstützung der Kanzlerin
wurde der NATO zugesagt, dass Deutschland bis 2025 1,5% seines BIP für
das Militär ausgeben wird, nach internen Bundeswehrberechnungen wären
das dann sage und schreibe 60 Mrd. Euro!“

Anschließend widmete sich Andreas Seifert unter der Überschrift „Think
Big: Rüstungsmarkt in Bewegung“, den aktuellen Entwicklung in diesem
Segment. Obwohl allein im Jahr 2019 (inklusive Erhalt) etwa 15,5 Mrd.
Euro in Rüstungsmaterialien investiert würden, seien nur wenige deutsche
Firmen überhaupt unter den Top-100 Rüstungskonzernen zu finden (und
wenn, zumeist auf hinteren Plätzen). Aktuell verteile sich das
Rüstungsgeschäft also noch auf viele kleine und mittlere Unternehmen,
die eine hohe Spezialisierung aufweisen und teilweise sehr erfolgreich
auf den internationalen Märken mitmischten. Derzeit werde aber deutlich,
dass die Politik auf eine nationale und dann auch europäische
„Konsolidierung“ der Rüstungsindustrie abziele und „strukturierend“ in
den Markt eingreife. „Die aktuell geplante Fusion der deutschen
Panzerbauer KMW und Rheinmetall, wie sie auch die Politik unterstützt,
ist hier wohl nur der Anfang“, so Seifert. Perspektivisch sei es das
Ziel, den europaweiten Rüstungsmarkt unter deutsch-französischer Führung
neu zu ordnen und zu konsolidieren: „Deutschland und Frankreich haben
sich vorgenommen, den Rüstungsmarkt aufzumischen, indem über
Auftragsvergaben im Marineschiffbau und der Luftfahrt neue Strukturen
vorgezeichnet werden.“ Auffällig sei dabei das Phänomen, dass in der
Öffentlichkeit die teils massiven Kosten- und
Produktionszeitüberschreitungen militärischer Großprojekte sowie die
mangelhafte Ausführung primär der Politik und nicht der Industrie
angekreidet würden. Interne Untersuchungen der Branche hätten ergeben,
dass die Rüstungsindustrie generell eine relativ hohe Akzeptanz in der
Bevölkerung genieße: „Als Schlussfolgerung will die Industrie künftig
noch einmal deutlich offensiver ihre Belange in der Öffentlichkeit
vertreten, als dies bislang der Fall war. Auf diese Entwicklung sollten
wir vorbereitet sein“, so Seiferts Fazit.

Aufrüstung in der Forschung und bei der Polizei

Christoph Marischka, Mitglied im Vorstand der IMI, referierte zum Thema
„High-Tech-Rüstung“ und der damit einhergehenden Militarisierung der
Forschung. Während der Gesamtetat des Verteidigungsministeriums von 2018
auf 2019 um gut elf Prozent steige, sollten die Ausgaben für
Wehrforschung um 44% anwachsen. Auch der Koalitionsvertrag verdeutliche
das Ziel, rechtliche und ethische Barrieren in der Forschungsförderung
einzureißen, um gerade bei sog. „disruptiven Technologien“ die
„Innovationsführerschaft“ auszubauen. Dahinter stehe auch die Ideologie
der sog. „Revolution of Military Affairs“, die darauf ziele, militärisch
nutzbare Technologien voranzutreiben und möglichst rasch zur Anwendung
zu bringen, um die numerische Unterlegenheit gegenüber potentiellen
Feinden auszugleichen. Während über Jahrzehnte die USA als
unangefochtener Vorreiter auf diesem Gebiet galten, werde heute von
einem globalen Wettbewerb ausgegangen, an dem sich nun auch Deutschland
intensiv beteiligen wolle.
Technologiebereiche, die in diesem Kontext als zentral angesehen würden,
seien neben etwa der Robotik und der Miniaturisierung die Luft- und
Raumfahrt, die Sensorik und die sog. Künstliche Intelligenz, die
zugleich im Rahmen ziviler wie auch militärischer Forschungsprogramme
vorangetrieben würden, wie Marischka an Beispielen verdeutlichte.
Typisch sei dabei eine politisch vorangetriebene, thematische und
räumliche Verdichtung von Wissenschaft, Politik und (Rüstungs-)Industrie
in sog. „Forschungscampi“. Ein solcher entstehe aktuell etwa auf dem
Gelände der ehemaligen Luftfahrtforschungsanstalt München bei Ottobrunn
und auch das sog. Cyber Valley zur Entwicklung Künstlicher Intelligenz
in Tübingen könne als solcher Forschungscampus verstanden werden.

Zum Thema „Rüstungsgüter für die Polizei“ war Martin Kirsch als Referent
eingeladen. Zu Beginn stellte er heraus: „Im Gegensatz zu den USA, wo
eine Militarisierung der Polizei durch die Weitergabe von ausgemusterten
Waffen der Armee stattfindet, handelt es sich in Deutschland tatsächlich
um einen polizeilichen Rüstungsmarkt.“ Zu einem regelrechten Boom auf
diesem Markt sei es seit den Anschlägen in Paris Anfang 2015 und der
darauf folgenden Terrorhysterie gekommen. Allein zwischen 2015 und 2017
wurden von den Länderpolizeien für neue Waffen und Schutzausrüstung rund
230 Millionen Euro ausgegeben. „Die von Polizeibehörden neu beschafften
Rüstungsgüter fallen zumeist dadurch auf, dass sie von der Industrie für
Bundeswehreinsätze wie in Afghanistan entwickelt wurden“ so Kirsch.
Nach einer Vorankündigung des Innenministeriums sei u.a. davon
auszugehen, dass im nächsten Jahr rund 70 neue Panzerwagen für die
deutschen Polizeibehörden geordert werden. Diese seien als Ersatz für
veraltete Fahrzeuge aus den 1980er Jahren vorgesehen. Im Gegensatz zu
den Vorgängermodellen sollten die Neubeschaffungen auch gegen Minen und
Sprengfallen sowie Feuerwaffen mit größerem Kaliber geschützt sein.
Hinzu komme die Option, eine ferngesteuerte Waffenstation mit
Maschinengewehr und Überwachungstechnik auf dem Dach zu installieren.
Auch bei der bevorstehenden Beschaffung von Panzerfahrzeugen durch das
Innenministerium werde sich konsequent an den Erfahrungen der Bundeswehr
im Afghanistaneinsatz orientiert. Wie die Debatte um ein neues Leitbild
der Polizei NRW zeige, scheint „das Wort als wesentliches taktisches
Einsatzmittel“ wie es in den 1980er Jahren formuliert wurde, an
Bedeutung zu verlieren. Vielmehr sollten PolizistInnen – so der aktuelle
Vorschlag – „durchsetzungsfähig und -stark und damit letztlich
gewaltfähig, aber nicht gewaltaffin werden“. Das Selbstbild der Polizei
verschiebe sich damit parallel zur materiellen Aufrüstung hin zu einem
kriegerischen Ideal.

Atomare Rüstung und Widerstand

Die Debatte über die Aufkündigung des INF-Vertrages durch die USA hat
die atomare Aufrüstung wieder auf die internationale Tagesordnung
gebracht, führte Claudia Haydt im anschließenden Vortrag aus.
Die Gefahr eines neuen (atomaren) Rüstungswettlaufs inklusive der
Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen in Deutschland sei
real. Doch auch ohne diese jüngste Eskalation wäre die Atomkriegsgefahr
2018 bereits auf 2 Minuten vor zwölf (Atomkriegsuhr) nach vorn gestellt
worden. Teil der Eskalation wäre auch die geplante „Modernisierung“ der
in Deutschland stationierten Atomwaffen. Diese sollten gegen lenkbare,
in ihrer Intensität skalierbare und relativ leichte Atomwaffen
ausgetauscht werden. Durch die Vielzahl der zukünftig möglichen
Einsatzszenarien steige auch die Gefahr, dass diese Waffen tatsächlich
zum Einsatz kommen könnten.
Als Gegenstrategie hätten zahlreiche NGOs und über 120 Staaten den
Atomwaffenverbotsvertrag auf den Weg gebracht. Deutschland habe sich
weder an den Vertragsverhandlungen beteiligt, noch wäre die
Bundesregierung bereit, den Vertrag zu unterzeichnen – obwohl eine
Bevölkerungsmehrheit dies befürworte. Hintergrund für die ablehnende
Haltung sei die – zutreffende – Analyse, dass nach einem Beitritt
Deutschlands die nukleare Teilhabe beendet werden müsste. Dieser
zumindest potentielle Zugriff Deutschlands auf die Bombe scheine einen
hohen Stellenwert für deutsche machtpolitische Optionen zu haben. Es
mehrten sich zugleich Stimmen aus Wissenschaft und Politik, die sogar
eine deutsche oder wenigstens eine EU-Atombombe fordern würden, wobei
letzteres Szenario auf eine Weiterentwicklung des französischen
Atomwaffenarsenals hinauslaufen würde. Mit einer starken Kampagne für
einen deutschen Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag könnte solchen
gefährlichen Strategien ein Riegel vorgeschoben werden, so Haydt.

Die EU auf dem Weg zur Rüstungsunion

Das kurzfristig in das Hörsaalgebäude „Kupferbau“ verlegte Abendpanel
„Die EU auf dem Weg zur Rüstungsunion“ eröffnete Jürgen Wagner, der
argumentierte, die im Dezember 2017 aktivierte „Ständige Strukturierte
Zusammenarbeit“ – englisch abgekürzt: „PESCO“ – werde aktuell als
künftige Schaltzentrale der EU-Militärpolitik in Stellung gebracht.
Erstmals würde durch PESCO, an der sich derzeit 25 EU-Staaten
beteiligen, das in der EU-Militärpolitik bisher geltende Konsensprinzip
in wichtigen Teilen ausgehebelt. „Im PESCO-Rahmen kann künftig außerhalb
von Militäreinsätzen nahezu jedes erdenkliche Rüstungsprojekt
durchgeführt werden. Die Teilnehmer haben zwar auch in PESCO weiter ein
Vetorecht was die Projektanbahnung anbelangt, mussten dafür aber
zusagen, künftig eine Reihe von Rüstungskriterien zu erfüllen.“ Diese
Kriterien würden u.a. die Verpflichtung zur Steigerung der
Militärhaushalte und Rüstungsinvestitionen ebenso beinhalten, wie die
Teilnahme an Maßnahmen, die den deutsch-französisch geführten
Konzentrationsprozess der europäischen Rüstungsindustrie vorantreiben
sollen. „Der Knackpunkt besteht darin, dass die Einhaltung dieser
Rüstungskriterien künftig durch die EU-Verteidigungsagentur überprüft
wird. Und sollte die zu dem Ergebnis gelangen, dass ein Staat nicht
adäquat mitgerüstet hat, kann ein Land auf dieser Grundlage mit einem
Mehrheitsbeschluss aus der PESCO hinausgeworfen werden.“ Versüßt werde
das Ganze dann wiederum dadurch, so der IMI-Vorstand weiter, dass
PESCO-Projekte künftig bevorzugt aus dem künftigen EU-Verteidigungsfonds
subventioniert werden sollen, für den im nächsten EU-Haushalt bis zu
48,6 Mrd. Euro vorgesehen seien: „Bislang war eine Verwendung des
EU-Haushalts für militärische Maßnahmen tabu, sollte dieses Verbot
geschliffen werden, müssen wir uns im schlimmsten Fall daran gewöhnen,
dass künftig zusätzlich zu den nationalen Haushalten auch über die
EU-Ebene Milliardenbeträge in den Rüstungssektor gepumpt werden“, so
Wagners abschließende Befürchtung.

Anschließend an den PESCO-Vortrag stellte IMI-Beirat Marius Pletsch die
drei größten aktuellen europäischen Rüstungsprojekte vor. Das erste
Beispiel, die Eurodrohne – oder auch MALE RPAS – sei erst im November
2018 in PESCO überführt worden und solle bis 2025 von Deutschland – hier
Führungsnation – sowie Frankreich, Italien, Spanien und der
Tschechischen Republik entwickelt werden. Bis zu 30 % der Kosten für die
Entwicklung könnten aufgrund der Überführung in PESCO vom Europäischen
Rüstungsfonds übernommen werden. Deutschland plane, 21 Drohnen zu
beschaffen, Italien und Spanien je 15 und Frankreich 12. Bei den anderen
beiden Großprojekten sind bislang lediglich Deutschland und Frankreich
beteiligt, auf diese einigte man sich beim Ministerratstreffen der
beiden Staaten im Juli 2017 und bekräftigte die Vorhaben bei einem
kleinen Ministerratstreffen im Juni 2018 nochmals: Zum einen den
nächsten Kampfpanzer – das Main Ground Combat System (MGCS) –, der für
Deutschland den Leopard 2 und für Frankreich den Leclerc ersetzen soll.
Das System solle nicht nur aus dem Kampfpanzer selbst, sondern auch aus
unbemannten Subsystemen bestehen. Deutschland hat bei diesem Projekt,
das nicht vor 2035 eingeführt werden soll, die Führung übernommen. Zum
zweiten sei die nächste Generation eines Kampfflugzeugs (FCAS) mitsamt
Satellitenkommunikation, Begleitdrohnen(schwärmen) und Tankflugzeugen zu
nennen. Für dieses Projekt zeige sich Frankreich hauptverantwortlich, es
solle vermutlich ab 2040 in die Streitkräfte integriert werden. Laut
Handelsblatt würde mit Umsätzen für die beiden letztgenannten Projekte
von 100 Mrd. € für das MGCS und 500 Mrd. für das FCAS bis 2040
gerechnet. Strittig seien zwischen Deutschland und Frankreich die Punkte
der Beteiligung weiterer Staaten und die Exportfrage. Ob sich die
Projekte, gerade unter deutsch-französischer Dominanz eignen, die EU zu
einen, dürfe beim nationalen Interesse, die jeweils eigenen
Rüstungsindustrien fördern zu wollen, bezweifelt werden, so Pletsch.

„Gegenkonversion“

Der Sonntagmorgen drehte sich zweimal um das Thema „Gegenkonversion“,
also die (Re-)Militarisierung von Flächen. Den Auftakt zum Thema machte
IMI-Vorstand Tobias Pflüger unter dem Titel „Freie Fahrt fürs Militär:
Militärische Mobilität und das NATO-Logistikkommando in Ulm“. Als
Verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag
verfügt er über Informationen aus erster Hand zur momentanen
Aufrüstungspolitik. Das Thema Militärische Mobilität spiele im Bundestag
momentan eine wichtige Rolle. Die Infrastruktur in den europäischen
NATO-Staaten solle – wieder – für den reibungslosen Transport von
Truppen und vor allem Gerät fit gemacht werden. Auch die EU wirke daran
mit. Im Rahmen der PESCO würden Verkehrswege auf ihre militärische
Eignung überprüft und nun für schnelle Militärverlegungen nach Osteuropa
ausgebaut. Tobias Pflüger meinte hierzu: „Ein Military Schengen und
freie Fahrt fürs Militär während an den europäischen Außengrenzen
täglich Menschen sterben? Das ist menschenverachtend und zynisch!“ Doch
auch die Kommandostruktur der NATO werde ausgebaut. In Ulm werde
momentan ein „Joint Support and Enabling Command“ (JSEC) der NATO
aufgebaut. Im Falle eines Krieges wäre dieses direkt dem
Oberbefehlshaber der NATO für Europa unterstellt. Tobias Pflüger
betonte, dies würde Ulm bei einer Konfrontation mit Russland
möglicherweise zu einem potenziellen Kriegsziel machen. Deutschland
werde zunehmend zur militärischen Drehscheibe der NATO und der EU.

Den zweiten Vortrag zur „Gegenkonversion“ bestritt IMI-Beirat Alexander
Kleiß. Er referierte zum Thema „Die militärische (Rück-)Eroberung der
Fläche: (Re-)Aktivierung alter und neuer Liegenschaften“. Der Referent
argumentierte, seit einigen Jahren sei ein neues Phänomen zu beobachten:
Für die Aufrüstung des Militärs würden zunehmend neue Flächen benötigt.
Während seit dem Ende des Kalten Krieges zahlreiche Militärgelände einer
sinnvollen zivilen Nutzung zugeführt werden konnten, deute sich jetzt
ein neuer Trend an, den er unter dem Begriff „Gegenkonversion“ fasste.
Dabei ließen sich drei verschiedene Formen identifizieren, die nicht
immer klar abtrennbar seien: Erstens die Inbesitznahme ziviler Flächen
durch das Militär, teilweise um den Verlust von (anderen) Flächen, die
einer zivilen Nutzung zugeführt werden sollen, auszugleichen; Zweitens
die Reaktivierung aufgegebener Flächen, Liegenschaften und Ressourcen;
Drittens den Abbruch oder die Verzögerung eines Konversionsprozesses.
Der Versuch, den zivilen Segelflugplatz in Haiterbach in ein
Militärgelände für Fallschirmabsprünge des Kommando Spezialkräfte (KSK)
umzuwandeln, sei ein Beispiel für die erste Form von Gegenkonversion.
Ein Beispiel für die Reaktivierung aufgegebener Flächen stelle die
Carl-Schurz-Kaserne in Hardheim dar. Dort werde eine eigentlich
aufgegebene und sogar bereits verkaufte Liegenschaft nun wieder durch
eine Führungsunterstützungskompanie des KSK militärisch genutzt. Bald
solle dort sogar ein neues Panzerbataillon aufgestellt werden. Ein
Beispiel für den Abbruch bzw. die Verzögerung eines Konversionsprozesses
sei schließlich die Verhinderung einer zivilen Nutzung der
Bleidorn-Kaserne in Ulm, die für das dort neu entstehende
NATO-Logistikkommando vorgehalten werde. Alexander Kleiß meinte
abschließend: „Die militärisch genutzten Flächen sollten einer
Konversion zugeführt werden. Dass nun hingegen zivile Flächen in
Militärgelände umgewandelt sollen, stößt zu Recht auf Widerstand aus der
Bevölkerung.“

Das Abschlusspodium des diesjährigen Kongress fokussierte sich auf
aktuellen Widerstand gegen Aufrüstung. Mit dabei waren Eva-Maria
Glathe-Braun, die über den wachsenden Widerstand in Ulm gegen das
geplante NATO-Logistikkommando JSEC referierte sowie Ronja Bober vom
bundesweiten Jugendnetzwerk für politische Aktion (JunepA), Aron vom
Tübinger Bündnis gegen das Cyber Valley und Andrea Behnke vom Kassler
antimilitaristischen Aktionsbündnis Block War. Abgesehen von der
Darstellung der jeweiligen politischen Auseinandersetzungen und auch
Erfolge ging es darum, zu erörtern, wie wir es schaffen können, die
anti-militaristischen Bewegungen zu stärken. Ein Schwerpunkt des Fazits
war, dass das Vernetzen mit Bewegungen aus anderen Spektren, wie den
Wohnraumbündnissen und Naturschutzverbänden intensiviert werden könnte.





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