[IMI-List] [0522] Rekrutierung / Fähigkeitsprofil / Grundlagenforschung

IMI-JW imi at imi-online.de
Mi Sep 26 13:43:38 CEST 2018




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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0522 .......... 21. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) der Hinweis auf zwei neue Artikel über Grundlagenforschung und das 
Fähigkeitsprofil der Bundeswehr;

2.) Eine IMI-Analyse zur neuen „Berufekampagne“ der Bundeswehr.


1.) Artikel: Grundlagenforschung und Fähigkeitsprofil der Bundeswehr

IMI-Standpunkt 2018/030
Ist die Optimierung von Flugsimulatoren Grundlagenforschung?
Eine Spurensuche im Cyber Valley
http://www.imi-online.de/2018/09/25/ist-die-optimierung-von-flugsimulatoren-grundlagenforschung/ 

Christoph Marischka (25. September 2018)

IMI-Standpunkt 2018/029
Bundeswehr: Per Fähigkeitsprofil in den Neuen Kalten Krieg
http://www.imi-online.de/2018/09/24/bundeswehr-per-faehigkeitsprofil-in-den-neuen-kalten-krieg/ 

Jürgen Wagner (24. September 2018)


2.) IMI-Analyse: Berufekampagne

IMI-Analyse 2018/23
#retten #kämpfen #führen
Imagewechsel der Bundeswehr-Rekrutierungskampagne
http://www.imi-online.de/2018/09/20/retten-kaempfen-fuehren/
http://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2018-23-Berufekampagne.pdf
Alison Dorsch (20. September 2018)

Ende August 2018 ging die Attraktivitätsoffensive in die nächste Runde: 
Eine massive Präsenz im öffentlichen Raum durch Plakate, Werbespots, 
Postkarten oder ähnlichem plus begleitendem Onlineauftritt – das ist bei 
der Bundeswehr inzwischen eingespieltes Vorgehen. Auch optisch und 
inhaltlich entspricht das neue Material den vorherigen Kampagnenphasen. 
Einzige wesentliche Neuerung: den Spruch „Mach was wirklich zählt“ 
ergänzen jetzt „Folge deiner Berufung“ und eine Reihe von Hashtags.

Die Bundeswehr will allein bis 2023 die Truppenstärke von zur Zeit circa 
180.000 auf 198.000 ansteigen lassen[1], weshalb diese neue 
Kampagnenphase nur die Spitze des Eisbergs ist: In den letzten Jahren 
hat sich in Sachen Rekrutierung und Öffentlichkeitsarbeit der Bundeswehr 
einiges getan, wie sich allein an den Ausgaben ablesen lässt. 2013 
wurden ungefähr 23,5 Mio. Euro für das Image der Bundeswehr ausgegeben. 
Nach einem kontinuierlichen Anstieg waren es dann 2017 satte 39 Mio. 
Euro. Um die neuen Rekruten anzulocken, setzt man inzwischen nicht mehr 
auf die Bereitschaft zur vaterlandsverliebten Selbstaufopferung, sondern 
verspricht vor allem Karriere, soziale Sicherheit und sinnstiftendes 
Überlegenheitsgefühl.

Selbstverwirklichung statt Vaterlandsdienst

Angefangen hat das alles 2011, als man sich entschied, die Wehrpflicht 
auszusetzen. Wehrdienstleistende dürfen nicht im Ausland eingesetzt 
werden[2]. Für eine „Armee im Einsatz“ sind sie also herzlich wenig zu 
gebrauchen und binden noch dazu einsetzbare Soldaten in 
Ausbildungsfunktionen. Mit der Wehrpflicht nahm man dem Militär jedoch 
seine damals wichtigste Brücke in die Gesellschaft, die insbesondere zur 
Rekrutierung nützlich war. Seitdem arbeitet man daran, diese Brücke an 
anderer Stelle zu ersetzen. Im selben Jahr startete deswegen die erste 
großangelegte Öffentlichkeitskampagne der Bundeswehr. Unter dem Slogan 
„Wir.Dienen.Deutschland“ bewarb man jetzt offensiv den Dienst an der Waffe.
Seit der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 sprechen deutsche Politiker 
von „mehr Verantwortung“ und meinen damit mehr Bundeswehreinsätze. Nicht 
von ungefähr werden diese seitdem öffentlich formulierten 
Großmachtambitionen von personalpolitischen Maßnahmen für die Bundeswehr 
begleitet. Für mehr Einsätze braucht man eben auch mehr Personal. 
„Agenda Attraktivität“ ist jetzt das Stichwort: Um den „global 
agierenden Konzern“ Bundeswehr zum „attraktiven und wettbewerbsfähigen 
Arbeitgeber“ zu machen, wurde 2015 das 
Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz[3] verabschiedet. Es 
beinhaltet Maßnahmen zur Modernisierung der Unterkünfte und des 
Materials, zur Steigerung der Vereinbarkeit des Soldatenberufs mit dem 
Familienleben, mehr Besoldung und Vorteile in der sozialen Absicherung 
für Soldaten. Begleitend wurde der Bundeswehr 2015 ein neues Image 
verpasst. Von der eher ernsten und rückblickend fast zurückhaltenden 
Grundstimmung der Kampagne „Wir.Dienen.Deutschland“ hat man sich 
verabschiedet. Die neue Corporate Identity der Bundeswehr ist hip, 
locker und durchgestylt. „Mach was wirklich zählt“[4] statt 
„Wir.Dienen.Deutschland“. Selbstverwirklichung statt Vaterlandsdienst!

Zusätzlich wurde der Tag der Bundeswehr eingeführt. Ein 
bundeswehreigenes Großevent, das man die Steuerzahlenden seitdem 
jährlich mehrere Millionen Euro kosten lässt.
2016 erschien dann mit dem Weißbuch eine umfassende, (eigentlich nicht 
mehr ganz so) neue Personalstrategie: die sogenannte „Trendwende 
Personal“. Sie legt fest, wie die „notwendigen zusätzlichen 
Personalkapazitäten“ der Streitkräfte „aufzubauen, auszubauen und 
weiterzuentwickeln“ sind (S.120). Dazu soll die Bundeswehr „einer der 
attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands“ werden. Die hier explizit 
genannten Problembereiche (Ärzte, Ingenieure und Informatiker) lassen 
sich eindeutig als Zielgruppen der Rekrutierungskampagnen erkennen. Man 
braucht nicht nur Rekruten, nein die „klügsten Köpfe und die 
geschicktesten Hände“ (S. 122) sollen es sein. Fachkräfte für die 
hochspezialisierte Hightech-Armee der Zukunft. Um den steigenden 
Personalbedarf zu decken, sollen bisher ungenutzte Potenziale 
erschlossen werden. Damit sind unter anderem Frauen, Menschen mit 
Migrationshintergrund, mit abweichender religiöser oder sexueller 
Orientierung gemeint. Ein besseres Diversity-Management erschließe 
jedoch nicht nur ungenutzte Potenziale, sondern steigere zugleich die 
„Verankerung in der Gesellschaft“ (S. 123). Gendergerechtigkeit als 
Mittel zum Zweck!

2016 war auch ein großes Jahr für den Online-Auftritt der Bundeswehr.  
Als Teil der Kampagne „Mach was wirklich zählt“ wurde „Die Rekruten“, 
die erste große Youtube-Serie, überall mit Plakaten beworben. Mit 
täglichen Videos konnte man eine Reihe sorgfältig quotierter junger 
Rekruten durch ihre Grundausbildung begleiten[5]. Das „Rekruten“-Format 
füllt die Bundeswehr seitdem mit wechselndem Inhalt für wechselnde 
Zielgruppen. „Highlight“ bis jetzt war die 2017 in Gao/Bamako gedrehte 
Serie „Mali“[6]. Skripted Reality direkt aus dem Kriegseinsatz!

Allein in der ersten Hälfte 2018 gingen dann „Biwak“ und „Die Springer“ 
online. Man begleitet Gebirgsjäger auf ihr Wintercamp im Schnee und 
sieht was es bedeutet, sich zu pushen und mehr zu leisten als normale 
Menschen. Bei den Fallschirmspringern lernt man, dass Drill nur dem 
Schutz der Soldaten dient. Bei den Rekruten las man in den 
Kommentarspalten häufig noch, die Serie sei lächerlich und „unsere“ 
Truppe nur noch ein Haufen infantiler Waschlappen. Wer weiß, 
wahrscheinlich ist das plumpe, elitäre Gehabe von „Biwak“ und „Die 
Springer“ auch eine Reaktion darauf. Die PR-Experten der Bundeswehr 
stehen vor einem permanenten Spagat zwischen „so viele Rekruten wie 
möglich“ und „nur die erlesensten Allerbesten“.

Komm mit mir die Welt #retten

Die neueste Kampagnenphase ist eine konsequente Fortsetzung der 
bisherigen Entwicklungen: Die Hashtags sollen die Zielgruppen auf die 
Profile der Bundeswehr in den Neuen Medien locken, die begleitend auf- 
und ausgebaut werden (vor allem Instagram, Snapchat, Facebook und 
bundeswehrkarriere.de). Die Plakate zeigen Ärzte, Ingenieure, 
Informatiker vor großem, modernem Gerät (#Arzt, #Tech, #IT). Es sollen 
gezielt Frauen angesprochen werden, also sind vergleichsweise häufig 
erkennbar Frauen abgebildet (zum Beispiel hinter #führen). Und auch die 
Verschiebung vom Dienst zur Selbstverwirklichung wird im neuen Material 
fortgeführt. „Komm mit mir die Welt #retten“, „Für dich würde ich 
#kämpfen“, „Was verschreibst du bei verletzten Menschenrechten?“, „Wie 
schweisst du Freiheit und Sicherheit zusammen?“, #Teamgeist, #extrem, 
#Ausbildung und #Studieren. Sich für den Arbeitsmarkt qualifizieren, 
nebenbei noch zu den Guten gehören, für die großen Werte kämpfen, dabei 
in Kameradschaft über sich selbst hinauswachsen – das ist das Bild von 
Soldatentum, das hier propagiert wird.  „Folge deiner Berufung“ beim 
sinnstiftenden Top-Arbeitgeber Bundeswehr. Karriere machen für Freiheit, 
Sicherheit und Menschenrechte.

Was Propaganda anbelangt, ist die Bundeswehr also inzwischen ziemlich 
gut aufgestellt. In wenigen Jahren hat sie eine dauerhafte Präsenz im 
Straßenbild aufgebaut und sich ein hippes Image zugelegt. Die 
Werbeagentur Castenow, die derzeit mit dem Employer Branding der 
Bundeswehr beauftragt ist, wird dafür gerade mit einem PR-Preis nach dem 
anderen geehrt.[7] In einem Zeitalter von entfremdetem, präkarisiertem 
Arbeitsalltag lässt sich die Bundeswehr als sinnstiftender, aufregender 
Arbeitgeber inszenieren, bei dem noch Karriere machen kann, wer sich 
wirklich anstrengt. Dabei ist sie es gerade, die mit direkter Gewalt das 
Wirtschaftssystem am Leben erhält, das eben diesen tristen Alltag erst 
erzeugt und einer individuellen Selbstverwirklichung im Weg steht.

Rekrutierung – Normalisierung – Zuspruch

Die Bundeswehr hat ihr eigenes alljährliches Großevent etabliert, sich 
die Sozialen Medien zunutze gemacht und erstmalig einen konkreten 
Auslandseinsatz mit einer Werbekampagne „begleitet“. „Mali“ ist dabei 
nicht nur ein bedeutender qualitativer Sprung in Sachen Militarisierung, 
es ist auch ein Paradebeispiel dafür, dass Öffentlichkeitsarbeit der 
Bundeswehr immer beides bedeutet: konkrete Nachwuchsgewinnung und 
allgemeine Verankerung des Militärs in der Gesellschaft. Es werden nicht 
nur Rekruten geworben, sondern die Bundeswehr auch durch eine 
allgegenwärtige Präsenz in einem bisher ungesehenem Ausmaß in der 
Öffentlichkeit normalisiert. Und noch mehr, es geht nicht nur um 
Zuspruch zur Bundeswehr als Institution. Es geht immer auch um Zuspruch 
zur Verteidigungspolitik der Bundesregierung. Es geht immer auch um die 
Akzeptanz laufender und kommender Kriegseinsätze in aller Welt. So liest 
man in den Verteidigungspolitischen Richtlinien 2011: „Das Verhältnis 
zwischen Bundeswehr und Gesellschaft ist entscheidend für die 
Handlungsfähigkeit Deutschlands und damit wesentlich für unsere 
Sicherheit“. Die Bundesregierung und Bundeswehr haben viel vor. Dazu 
brauchen sie beides: mehr Soldaten und eine Bevölkerung, die ihre Gewalt 
mitträgt.

Anmerkungen
[1] Alexander Kleiß u.a.: Konzeption der Bundeswehr: Rüstung für den 
Neuen Kalten Krieg, in: AUSDRUCK (Juni 2018).
[2] Im Sinne der Bündnisverteidigung sind Wehrdienstleistende jedoch 
sehr wohl einsetzbar. Denkt man an die Russland- Politik dies- und 
jenseits des Atlantiks erklärt sich vor diesem Hintergrund die aktuelle 
Debatte um das Wiedereinführen der Wehrpflicht.
[3] Gesetz zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in der 
Bundeswehr vom 13. Mai 2015.
[4] Für eine genauere Analyse Michael Schulze von Glaßer: Bundeswehr: 
Der neue Werbefeldzug, IMI-Studie 2017/01.
[5]Für eine genauere Analyse siehe IMI-Studie 2017/01.
[6]Für eine genauere Analyse siehe Marischka, Christoph: Skripted Mali, 
in: AUSDRUCK (Dezember 2017)
[7] Siehe IMI-Studie 2017/01.



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