[IMI-List] [0516] Printfassung Militärseelsorge / Ausdruck (Juni 2018) / Polizeigesetze
IMI-JW
imi at imi-online.de
Mo Jun 18 12:03:34 CEST 2018
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0516 .......... 21. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) Der Hinweis auf die Printfassung der IMI-Studie über
„Militärseelsorge in der Bundeswehr“;
2.) die neuen Artikel der Ausdruck-Ausgabe Juni 2018;
3.) eine IMI-Analyse zur Verschärfung der Polizeigesetze.
1.) Studie: Militärseelsorge: Printfassung
Die kürzlich veröffentlichte IMI-Studie 2018/05 „Mit kirchlichem Segen
in den Krieg?
Die Militärseelsorge in der Bundeswehr“ kann nun auch zum Preis von 50
Cent im DFG-VK-Shop bestellt werden:
https://shop.dfg-vk.de/Publikationen/Broschueren/Studie-Mit-kirchlichem-Segen-in-den-Krieg.html
Weiter ist die Studie natürlich auch gratis herunterladbar:
http://www.imi-online.de/2018/05/14/mit-kirchlichem-segen-in-den-krieg/
2.) AUSDRUCK (Juni 2018)
Die soeben erschienene Juni-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK enthält
drei Schwerpunkte: Unter DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR finden sich
Beiträge zu „Konzeption der Bundeswehr“, der Aufrüstung der Polizei
(passend zu dem Artikel, der sich am Ende dieser IMI-List findet) sowie
zu den Protesten gegen die Rüstungsmesse ITEC. KIRCHE UND KRIEG enthält
besagten Artikel zur Militärseelsorge und eine Einschätzung zum
Katholikentag 2018. In EU-MILITARISIERUNG sind Artikel zum nächsten
EU-Haushalt und zum geplanten deutsch-französischen Kampfflugzeug
enthalten. Und schließlich drehen sich noch eine Reihe weiterer Beiträge
um die Konfliktgebiete SYRIEN UND IRAN.
Die gesamte Ausgabe findet sich hier:
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck90-3-Juni2018-web-klein.pdf
DEUTSCHLAND UND DIE BUNDESWEHR
-- Konzeption der Bundeswehr: Rüstung für den Neuen Kalten Krieg
(Alexander Kleiß, Tobias Pflüger & Jürgen Wagner )
http://www.imi-online.de/download/AK-TP-JW-KdB-Ausdruck-Juni2018.pdf
-- Rüstungsmarkt Polizei: Teil I: Überblick und Gepanzerte Fahrzeuge
(Martin Kirsch)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-MK.pdf
-- Trotz Wind und Wetter: Dauermahnwache gegen die ITEC (Bernhard Klaus)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-BK.pdf
KIRCHE UND KRIEG
-- Mit kirchlichem Segen in den Krieg? Die Militärseelsorge in der
Bundeswehr (Victoria Kropp)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-VK.pdf
-- „Suche Frieden“ – Finde die staatstreue Christenlehre. Anmerkungen
zum Katholikentag 2018 (Peter Bürger)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-PB.pdf
EU-MILITARISIERUNG
-- Machtpolitisches (Rüstungs-)Budget: Der EU-Haushaltsentwurf 2021-2027
(Sabine Lösing & Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-SL-JW.pdf
-- „Das größte Rüstungsprojekt Europas“: Das deutsch-französische
Kampfflugzeug (Jürgen Wagner )
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-JW.pdf
SYRIEN UND IRAN
-- Krieg gegen den Iran: „Politische Lösung“ für Syrien? (Bernhard Klaus)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-BK2.pdf
-- Iran: US-Offensive und EU-Reaktionen (Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-BK2.pdf
-- Rückblick: Die deutsch-syrische Geheimdienstkooperation im Fall
Zammar (Bernhard Klaus)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-BK3.pdf
-- Wissenschaft und Politik: Wurde die Türkei von Russland in den
syrischen Bürgerkrieg gelockt? (Bernhard Klaus)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-BK4.pdf
-- Proteste auf Sizilien, Kreta und Zypern: Das Mittelmeer als
Aufmarschgebiet für die Luftschläge in Syrien (Jacqueline Andres)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-JA.pdf
WEITERE ARTIKEL
-- Rezension: Das Schweigen brechen – Sexualisierte Gewalt in
Süd-Chhattisgarh (Line Fleig)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-Juni2018-LF.pdf
3.) IMI-Analyse: Verschärfung der Polizeigesetze
Ergänzend zu dieser IMI-Analyse möchten wir auch auf den ersten Teil
einer mehrteiligen Serie zum „Rüstungsmarkt Polizei“ hinweisen, die
ebenfalls gerade erschienen ist:
http://www.imi-online.de/2018/06/13/ruestungsmarkt-polizei/
IMI-Analyse 2018/14
Verschärfung der Polizeigesetze
Militärische und nachrichtendienstliche Technologien gegen Zivilist*innen
http://www.imi-online.de/2018/06/08/verschaerfung-der-polizeigesetze/
Alexander Kleiß (8. Juni 2018)
Während das neue bereits in Kraft getretene Polizeiaufgabengesetz in
Bayern medial sehr hohe Wellen schlug und Zehntausende gegen das Gesetz
auf die Straße gingen, bleibt weitgehend unbeachtet, dass zahlreiche
weitere Bundesländer ihre Polizeigesetze ebenfalls verschärft haben oder
dies in naher Zukunft anstreben. Der folgende Text soll eine Übersicht
bieten über geplante und durchgeführte Gesetzesverschärfungen und die
Rolle der Forschung, insbesondere der Fraunhofer-Gesellschaft, bei der
Implementierung militärischer Dual-Use-Technologien[1] für den Einsatz
gegen Zivilist*innen.
Mecklenburg-Vorpommern
Mecklenburg-Vorpommern verschärfte sein Polizeigesetz im März 2018.
Seitdem sind Fußfesseln und Aufenthaltsanordnungen (max. drei Monate)
für sogenannte Gefährder*innen möglich. Zudem darf die Polizei in einem
Pilotprojekt bei Einsätzen und in Fahrzeugen Bodycams einsetzen, die
dauerhaft am Körper getragen werden.
Baden-Württemberg
In Baden-Württemberg wurde das Polizeigesetz bereits im November 2017
verschärft.[2] Dabei wurde u.a. der Einsatz von „Staatstrojanern“ zum
Auslesen von laufender Kommunikation, die Ermöglichung des Einsatzes von
Handgranaten, Granatwerfern und Sprengstoff, die Einführung von
intelligenter Videoüberwachung zum automatisierten Erkennen von Mustern,
die auf eine Straftat hindeuten, und Aufenthalts- und Kontaktverbote für
sogenannte Gefährder*innen sowie der Einsatz elektronischer Fußfesseln
zur Überwachung dieser Maßnahmen beschlossen.
Bei der Entwicklung von intelligenter Videoüberwachung arbeitet das Land
Baden-Württemberg eng mit dem rüstungs- und militärnahen Fraunhofer
Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) zusammen.
Es ist explizit Teil der Strategie des Fraunhofer IOSB,[3] nicht nur zu
militärisch relevanten Themenfeldern zu forschen, sondern auch durch
vermeintlich zivile Dual-Use-Forschung „wissenschaftliche Erkenntnisse
zu generieren und zu identifizieren, die wehrtechnisch relevant sind,
diese aufzugreifen und auf mögliche militärische Nutzungen zu
prüfen.“[4] Gleichzeitig war und ist es umgekehrt explizites Ziel der
Dual-Use-Strategie des Fraunhofer IOSB, „’zivile‘ Märkte für
militärische Technologien zu erschließen“.[5] Diese Strategie wurde
unter der Federführung des Verteidigungsministeriums bei der Fusion des
wehrtechnischen FGAN-Instituts FOM und des sowohl im militärischen als
auch im zivilen Bereich forschenden Fraunhofer Institut für
Informations- und Datenverarbeitung (IITB), aus der dann das Fraunhofer
IOSB entstand, erarbeitet.[6] Militärische Technologien halten dadurch
Einzug in die alltägliche Überwachung. Von der Entwicklung der Technik
zur intelligenten Videoüberwachung in Baden-Württemberg profitiert
umgekehrt auch das Militär. Vor allem an der Zielerkennung und
-erfassung von Drohnen forscht das Fraunhofer IOSB intensiv. Vom
baden-württembergischen Modellprojekt profitieren dann wiederum andere
Bundesländer, die ähnliche Technologien einsetzen möchten, z.B. Bayern.
Durch die Legalisierung des Einsatzes von sogenannten Staatstrojanern
werden nachrichtendienstliche Methoden in das Repertoire der Polizei
aufgenommen. Die Ausforschung von Chats soll nicht durch eine Brechung
der Verschlüsselung der einzelnen Nachrichten erreicht werden, sondern
durch sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ).
Das heißt, dass die Nachrichten nicht unterwegs abgefangen und
entschlüsselt werden, sondern dass sie durch den Einsatz eines
„Staatstrojaners“, der den Betroffenen ohne ihr Wissen auf ihr Gerät
gespielt wird, bereits auf dem Smartphone oder Computer selbst
mitgelesen werden können. Um die Staatstrojaner auf die jeweiligen
Geräte zu spielen, werden jedoch unbedingt mittlere bis schwere
Sicherheitslücken benötigt. Der Chaos Computer Club schreibt hierzu:
„Für jeden Einsatz von Schadsoftware im Rahmen der Quellen-TKÜ oder
Online-Durchsuchung wird […] ein Angriffspunkt auf diesem System
benötigt, der zur Infektion genutzt werden kann. […] Eine Infektion
durch Dritte ist grundsätzlich nur […] durch Ausnutzung einer
Software-Schwachstelle möglich. […] Um eine fortwährende Ausnutzung der
Schwachstelle sicherzustellen, muss diese geheim gehalten werden, da
sonst mit ihrer Beseitigung zu rechnen wäre. Dies bedeutet im
Umkehrschluss, dass die Schwachstelle ausnahmslos auf allen betroffenen
Geräten weltweit vorhanden sein muss. Damit geht zwingend das Risiko
einher, dass die Schwachstelle von anderen interessierten Gruppen,
insbesondere von Kriminellen oder anderen staatlichen Akteuren ebenfalls
entdeckt und ausgenutzt wird.“[7]
Das Ausnutzen von Software-Schwachstellen ist eine bisher vor allem bei
Geheimdiensten und militärischen Cyber-Kommandos vieler Staaten gängige
Praxis. Dieses Vorgehen führt keineswegs zu mehr Sicherheit, sondern
verhindert vielmehr die Schließung von Sicherheitslücken.
Rheinland-Pfalz
Auch in Rheinland-Pfalz wurde das Polizeigesetz bereits im vergangenen
Jahr verschärft. Damit ist es jetzt möglich, dass bei Verkehrskontrollen
alle Insass*innen eines Fahrzeugs auf Waffen oder Bomben kontrolliert
werden können. Zudem wurde die Möglichkeit einer automatisierten
Erfassung von Kfz-Kennzeichen eingeführt, wodurch Bewegungsprofile
erstellt werden können und neue Möglichkeiten im Sinne der
Rasterfahndung geschaffen werden.
Anbieter für diese Überwachungstechnologie ist z.B. die Firma
Messtechnik Mehl aus Hessen, die die das automatische
Kennzeichen-Lese-System Signum II anbietet. Das Fundament für diese
Innovation seien „Kontakte mit dem Fraunhofer Institut für
Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK)“[8] in Berlin, das
ebenfalls an Möglichkeiten zur Überwachung von Kfz-Kennzeichen forscht.
Auch das Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau (IRB) forscht
bereits seit 1996 zur Erfassung von Kennzeichen. Damals diente die
Erstellung eines Parkraumkonzepts der Fraunhofer-Gesellschaft als
willkommenes Feigenblatt, um die Forschung in diesem Bereich
voranzutreiben.[9]
Nordrhein-Westfalen
Auch Nordrhein-Westfalen plant die Verschärfung seines Polizeigesetzes.
Noch vor der parlamentarischen Sommerpause soll das Gesetz ohne große
Diskussion verabschiedet werden. Danach wäre es möglich, Personen ohne
konkreten Verdacht anzuhalten und zu durchsuchen. Zudem soll ähnlich wie
in Bayern eine Regelung geschaffen werden, die es ermöglicht, sogenannte
Gefährder*innen bis zu einem Monat (in Bayern: drei Monate) in
Unterbindungsgewahrsam zu nehmen. Falls Menschen Angaben zur ihrer
Identität verweigern, sollen sie nach richterlichen Beschluss bis zu
sieben Tagen in Gewahrsam genommen werden können. Auf richterliche
Anordnung sollen zudem künftig Telefongespräche und (auch
verschlüsselte) Kommunikationsdaten, z.B. von Messenger-Diensten,
abgehört und überwacht werden, wobei die Eingriffsschwelle relativ
niedrig gehalten wird. Kern des neuen Polizeigesetzes ist ähnlich wie in
Bayern die Einführung des Rechtsbegriffes der „drohenden Gefahr“. Durch
die „drohende Gefahr“, also die bloße Vermutung einer Gefahr, wird die
Polizeitätigkeit vorverlagert in einen Bereich, in dem noch gar keine
konkrete Straftat abzusehen ist. Dies kann alltägliches, grundrechtlich
geschütztes Handeln in den Bereich des Verdächtigen heben und die
Unschuldsvermutung bedrohen. Zudem sollen Gefährder*innen auch in
Nordrhein-Westfalen mit Fußfesseln überwacht werden. Außerdem sollen
Distanzelektroimpulsgeräte, sogenannte Elektro-Taser, in den
Waffenkatalog der Landespolizei aufgenommen werden – eine enorme
Aufrüstung mit schwer absehbaren Folgen. Am 7.7.2018 – kurz vor der
geplanten Verabschiedung des Gesetzes – ist eine Großdemonstration in
Düsseldorf geplant.
Niedersachsen
Die schwarz-rote Koalition in Niedersachsen hat im Mai 2018 ebenfalls
Eckpunkte für ein neues Polizeigesetz vorgestellt. Beim Verdacht auf
Anschlagspläne sollen Gefährder*innen unter Richtervorbehalt bis zu 74
Tage in Gewahrsam genommen werden. Außerdem könnte Gefährder*innen, wie
in den meisten anderen Bundesländern ebenfalls geplant, eine
elektronische Fußfessel angelegt werden. Zudem dürfen Wohnungen von
Gefährder*innen überwacht werden. Außerdem ist der Einsatz eines
sogenannten Staatstrojaners geplant, der nicht nur – wie z.B. in
Baden-Württemberg die laufende Kommunikation – sondern auch sämtliche
auf den betreffenden Geräten gespeicherten Daten auslesen darf. Auch
hierbei ist die Eingriffsschwelle sehr niedrig. Außerdem ist eine
Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum geplant.
Sachsen
Die sächsische CDU/SPD-Landesregierung hat Ende April den Entwurf eines
neuen Polizeigesetzes vorgestellt. Das Gesetz soll nach der Sommerpause
in den Landtag eingebracht werden. Spezialeinheiten der Polizei sollen
dann mit Handgranaten und Maschinengewehren ausgerüstet werden. Dies ist
besonders pikant, angesichts der Tatsache, dass die sächsische Polizei
bereits jetzt äußerst militarisiert auftritt, Granatwerfer gegen
Demonstrierende einsetzt und über zwei Panzer Survior R von Rheinmetall
verfügt, die z.B. auch beim G20-Gipfel im Demonstrationsgeschehen
eingesetzt wurden.[10] Auch Gummigeschosse und Schrotgewehre mit
Spezialmunition zum Öffnen von Türen setzt die sächsische Polizei
bereits zur Aufstandsbekämpfung ein. Die beiden Panzer sollen nun im
Zuge des neuen Polizeigesetzes mit Maschinengewehren aufgerüstet werden.
Bisher verfügte der Gefechtsturm des Panzers „nur“ über eine Vorrichtung
für den Abschuss von Tränengas. Zusätzlich sollen, wie in vielen anderen
Bundesländern, sogenannte Gefährder*innen mit Aufenthalts- und
Kontaktverboten und einer Fußfessel belegt werden können, ohne jemals
eine Straftat begangen zu haben. Außerdem ist das Abhören und
Unterbrechen von Handyverbindungen geplant.
Besonders eingreifend wäre die folgende Neuerung: Innerhalb eines
30-Kilometer-Korridors entlang der Grenze zu Tschechien und Polen soll
es möglich sein, Schwerverbrecher*innen mittels Gesichtserkennung über
stationäre Anlagen zu ermitteln. Die Einrichtung stationärer Systeme zur
Kennzeichenerfassung ist ebenfalls Teil des Entwurfs.
An der Forschung zur automatisierten biometrischen Erfassung ist
ebenfalls maßgeblich die Fraunhofer-Gesellschaft beteiligt. Neben
mehreren anderen Forschungsprojekten stechen in diesem Zusammenhang vor
allem drei hervor:
1.) Das Projekt GES-3D (Multi-Biometrische Gesichtserkennung), das von
2012-2014 lief, wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) gefördert. Beteiligt waren L1 Identity Solutions, ein
Rüstungsunternehmen aus den USA, das auf biometrische Technologien und
Grenzüberwachung spezialisiert ist, die auf Gesichtserkennungssoftware
spezialisierte Cognitec Systems GmbH aus Dresden, das
Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD), die
Hochschule Darmstadt, das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz
Schleswig-Holstein, die Polygon Technology GmbH und von polizeilicher
Seite das BKA Wiesbaden. Ziel des Projektes GES-3D war es, ein leicht zu
nutzendes multi-biometrisches System für die Identifizierung von
Personen aus Foto- bzw. Videodaten durch dreidimensionale
Gesichtsbilddaten zu erarbeiten.
2.) Das von 2012-2015 durchgeführte MisPel-Projekt (Multi-Biometrisierte
Forensische Personensuche in Lichtbild- und Videomassendaten) stand
unter der Leitung von L1 Identity Solutions. Aus der Wissenschaft
beteiligten sich das Fraunhofer IOSB, die Universität Passau, die
Universität der Künste Berlin und das Karlsruher Institut für
Technologie (KIT) an dem Projekt. Auch die Polizei war in Form des
Bundespolizeipräsidiums, der Polizei Hamburg und dem Regierungspräsidium
Karlsruhe beteiligt. Die Ziele von MisPel waren die Suche nach einer
Person in Videomassendaten auf Grundlage eines vorgegebenen
Fahndungsfotos, Extraktion eines Gesichts aus Videodaten zwecks Abgleich
mit Lichtbilddatenbanken, Vergleich von Personendaten aus
unterschiedlichen Videoquellen und die Nutzung sogenannter
softbiometrischer Beschreibungen wie Kleidung, Gang etc. für die
Personensuche. Auch dieses wurde vom BMBF gefördert.[11]
3.) Aktuell läuft noch das Projekt PERFORMANCE (Kooperative
Systemplattform für Videoupload, Bewertung, teilautomatisierte Analyse
und Archivierung), das im Mai 2016 startete und bis April 2019
abgeschlossen sein soll. Geleitet wird das Projekt vom Fraunhofer IOSB.
Es wird mit 2 Millionen Euro vom BMBF bezuschusst. Beteiligt ist erneut
das KIT und mehrere Polizeistellen aus Bund und Ländern, u.a. aus
Hamburg, zudem die Universität Kassel, die private Hochschule Fresenius
für Management, Wirtschaft und Medien GmbH in Berlin, die digivod GmbH
in Meerbusch, die Sopra Steria GmbH in Hamburg und die Videmo
Intelligente Videoanalyse GmbH & Co. KG in Karlsruhe.[12] Hervor sticht
die Einbindugn der Sonderkommision „Schwarzer Block“ der Hamburger
Polizei, welche für die Strafverfolgung und Repression nach dem
G20-Gipfel zuständig ist. Hierbei ist der Antwort des Hamburger Senats
auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei zufolge „eine technische
Unterstützung der SoKo ‚Schwarzer Block‘ bei der Auswertung ausgewählter
Bild- und Videomaterialien hinsichtlich der Ähnlichkeit von Merkmalen
beabsichtigt“. Es sei derzeit jedoch nicht vorgesehen, die Fotos mit
Datenbanken abzugleichen, so der Hamburger Senat.[13]
Brandenburg
Im rot-rot regierten Brandenburg ist noch schwer absehbar, welche Formen
das neue Polizeigesetz annehmen könnte, da sich die Koalitionspartner
uneinig sind. Im Gespräch ist eine Ausweitung der Videoüberwachung, den
Einsatz von Bodycams durch die Polizei und elektronische Fußfesseln für
Gefährder*innen. Umstritten, aber keineswegs ausgeschlossen, ist der
Einsatz eines Staatstrojaners für Onlinedurchsuchungen oder die
Überwachung laufender Kommunikation. Ähnlich verhält es sich mit dem
Wunsch der Polizei, wie in Sachsen Gesichtserkennungssoftware einsetzen
zu dürfen.
Schleswig-Holstein
Hier verhält es sich ähnlich wie in Brandenburg. Die „Jamaika-Koalition“
hat im Koalitionsvertrag eine Überprüfung des Polizeigesetzes
beschlossen. Das Innenministerium wird von der CDU geleitet und wird
voraussichtlich sehr repressive, militarisierende Forderungen
aufstellen, die dann von den Grünen und der FDP eventuell wiederum etwas
entschärft werden. Dass es sich lohnen kann, Druck auf die Fraktionen
von Linkspartei und Grünen in Regierungsverantwortung auszuüben, zeigen
die letzten beiden Fälle.
Bremen
In Bremen war die Einbringung eines neuen Polizeigesetzes, das eine
Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung und der Videoüberwachung
sowie elektronische Fußfesseln für Gefährder*innen vorsah, ursprünglich
noch vor der parlamentarischen Sommerpause geplant. Die Grünen hatten
das Gesetz jedoch nach heftigem Druck zunächst gestoppt, da es
(berechtigterweise) grundsätzliche Bedenken gab.
Hessen
Das schwarz-grün regierte Hessen plant, das Polizeigesetz zu
aktualisieren und die EU-Datenschutzrichtlinie, die viele Bundesländer
als Legitimation zur Änderung des Polizeirechts benutzen, einzuarbeiten
– allerdings ohne die polizeilichen Befugnisse zu erweitern. Allerdings
soll dem hessischen Verfassungsschutz der Einsatz eines Trojaners
gestattet werden.
Fazit
Im Großteil der Bundesländer ist somit momentan ein Prozess im Gange, im
Zuge dessen individuelle Freiheitsrechte abgebaut werden, die Polizei
enorm militarisiert wird und nachrichtendienstliche Methoden für die
Polizei legalisiert werden. Dieser Prozess ist Ausdruck einer
autoritären Formierung der Gesellschaft und des Staates, der plötzlich
alle als potenzielle Feinde im Inneren betrachtet. Der Staat ist auch
bereit, gegen diese inneren Feinde Methoden anzuwenden, die bisher nur
gegen „äußere“ Feinde angewandt wurden.
Begründet werden die Gesetzesverschärfungen auf der pragmatischen Ebene
zynischerweise mit Datenschutz, genauer gesagt der Aktualisierung der
Polizeigesetze, um diese an eine neue EU-Datenschutzverordnung[14]
anzupassen. Dass massive Einschränkungen von Datenschutz und
Privatsphäre ausgerechnet damit begründet wird, ist ein schlechter Witz.
Inhaltlich begründet werden die neuen Polizeigesetze mit der Abwehr
terroristischer Bedrohungen. Doch Polizei und Staat haben schon mehrmals
bewiesen dass sie bereit sind, Anti-Terror-Methoden auch gegen
politische Gegner*innen einzusetzen; man denke an den SEK-Einsatz beim
G20-Gipfel in Hamburg oder die Repression gegen die kurdische
Solidaritätsbewegung, die bereits seit Jahren ohne jegliche
Differenzierung wie ein Sammelbecken von Terrorist*innen behandelt wird.
Eine bedeutende Rolle bei der autoritären Formierung spielt auch die
größtenteils staatlich geförderte Forschung, welche
Überwachungsmethoden, die vor wenigen Jahren noch schwer vorstellbar
waren, langsam zur Realität werden lässt. Eine bedeutende Rolle nimmt
hierbei neben der Fraunhofer-Gesellschaft und dem KIT zukünftig
vermutlich auch das gerade entstehende „Cyber Valley“ im Raum
Tübingen/Stuttgart ein.[15] Die zugrundeliegende Kooperation wurde am
16. Dezember 2016 von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und dem
Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft feierlich begründet: Neben den
Universitäten Stuttgart und Tübingen beteiligen sich die Unternehmen
Bosch, Daimler, Porsche, BMW, ZF Friedrichshafen und Facebook, später
ist noch Amazon hinzugekommen. Ziel ist es, „die Forschungsaktivitäten
von internationalen Key-Playern aus Wissenschaft und Industrie auf dem
Gebiet der Künstlichen Intelligenz“ zu bündeln: „Gefördert durch das
Land Baden-Württemberg werden die Cyber Valley-Partner neue
Forschungsgruppen und Lehrstühle auf den Gebieten Maschinelles Lernen,
Robotik und Computer Vision schaffen und in einem neuen Zentrum in der
Region Stuttgart-Tübingen zusammenführen […] Erklärtes Ziel von Cyber
Valley ist es, die Ergebnisse der Grundlagenforschung rasch zur
Anwendung zu bringen“.[16]
Ausgangspunkt der Gesetzesverschärfungen war die Verschärfung des
BKA-Gesetzes im Sommer 2017, in der bereits zahlreiche vergleichbare
Maßnahmen vorgesehen waren. Dieses sollte dann als Muster für die
Landespolizeigesetze dienen. Manche Länder, z.B. Bayern, schießen jedoch
noch über die im neuen BKA-Gesetz verankerten Maßnahmen hinaus. Dass nun
– ginge es nach dem Heimat- und Innenminister Seehofer – ausgerechnet
das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) wiederum als Muster für
andere Bundesländer dienen soll, illustriert eindrücklich, wie momentan
eine autoritäre Spirale in Gang gesetzt wird. Im Zuge dieses Prozesses
werden permanent zunehmend autoritäre Gesetze verabschiedet, die dann
wiederum als Muster für andere Bundesländer dienen sollen.
Anmerkungen
[1] Dual Use: Technologien, für die eine zivile und militärische Nutzung
infrage kommt.
[2] Weiterführende Informationen: IMI-Analyse 2017/47. Alexander Kleiß:
Neues Polizeigesetz in Baden-Württemberg.
[3] Für ausführlichere Informationen zum Fraunhofer IOSB: vgl.
IMI-Studie 2017/2. Christoph Marischka: Fraunhofer IOSB: Dual Use als
Strategie.
[4] Wissenschaftsrat: Stellungnahme zur Neustrukturierung der
Forschungsgemeinschaft für Angewandte Naturwissenschaften e.V. (FGAN). 2007.
[5] IMI-Studie 2017/2. Christoph Marischka: Fraunhofer IOSB: Dual Use
als Strategie.
[6] Ebd.
[7] Chaos Computer Club: Risiken für die innere Sicherheit beim Einsatz
von Schadsoftware in der Strafverfolgung. 31.5.2017.
[8] Homepage der Messtechnik Mehl GmbH.
[9] Homepage des Fraunhofer IRB: Parkraumkonzept Köln-Nippes.
[10] vgl. IMI-Analyse 2018/04. Martin Kirsch: Polizeiaufrüstung nach
sächsischer Art?
[11] Kleine Anfrage: Gesichtsscanner in Fußballstadien und Datenabgleich
mit der Verbunddatei „Gewalttäter Sport“. Bundestagsdruckesache 17/9003.
[12] Thomas-Gabriel Rüdiger, Petra Saskia Bayerl: Digitale
Polizeiarbeit: Herausforderungen und Chancen; Bundesministerium für
Bildung und Forschung: Projektumriss PERFORMANCE.
[13] Kleine Anfrage: G20 – SoKo „Schwarzer Block“ setzt
Gesichtserkennungssoftware ein. Bürgerschaft der freien und Hansestadt
Hamburg. Drucksache 21/10573.
[14] EU-Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung
personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden „zum Zwecke der
Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder
der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung
des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates“.
[15] Vgl. IMI-Analyse 2018/06. Christoph Marischka: Rüstung ohne
Schwermetall.
[16] Fraunhofer IOSB: Öffentliche Sicherheit – intelligente
Videoauswertung, visIT 3/2017.
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