[IMI-List] [0493] G20-Artikel / Mali-Einsatz

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Fr Jul 28 13:08:04 CEST 2017


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0493 .......... 20. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List finden sich

1.) Eine Zusammenstellung von IMI-Artikeln zum G20-Gipfel in Hamburg;

2.) Ein Artikel zur Situation in Mali im Zusammenhang mit dem Tod zweier 
Bundeswehr-Soldaten.

1.) IMI-Artikel zum G20-Gipfel

Bereits mit der letzten IMI-List haben wir zwei Artikel zum G20-Gipfel 
mitgeschickt. Nun sind zwei zum weitere zum Thema hinzugekommen: Einer 
über die G20-Erklärung zur Terrorbekämpfung und einer über das 
bedrohliche Agieren der „Spezialeinheiten“ vor Ort und die 
weiterreichenden Folgen des Vorgehens.

IMI-Standpunkt 2017/21
Menschenrechte unter Terrorverdacht
Kurz nach der Razzia gegen Amnesty International in der Türkei 
unterzeichneten die G20 eine gemeinsame Erklärung zur Terrorismusbekämpfung
http://www.imi-online.de/2017/07/20/menschenrechte-unter-terrorverdacht/
Christoph Marischka (20. Juli 2017)

IMI-Analyse 2017/33
Spezialeinheiten gegen Menschenmengen
Militarisierung der staatlichen Bekämpfung von Unruhen während des 
G20-Gipfels in Hamburg
http://www.imi-online.de/2017/07/20/spezialeinheiten-gegen-menschenmengen/
Martin Kirsch (20. Juli 2017)

IMI-Analyse 2017/32
G20 und Afrika
Eine vorauseilend historische Perspektive
http://www.imi-online.de/2017/07/13/g20-und-afrika/
Christoph Marischka (13. Juli 2017)

IMI-Standpunkt 2017/19
Das G20 – Gipfeltreffen 2017 in Hamburg
http://www.imi-online.de/2017/07/13/das-g20-gipfeltreffen-2017-in-hamburg/
Markus Pflüger (13. Juli 2017)


2.) Artikel „Routineeinsatz“ Mali

IMI-Standpunkt 2017/023 - in: Telepolis (28.7.2017)
Mali: Wie bei einem „Routineeinsatz“ Soldaten „verunglücken“
Wenn statt über einen Krieg über technische Defekte diskutiert wird
http://www.imi-online.de/2017/07/28/mali-wie-bei-einem-routineeinsatz-soldaten-verungluecken/ 

Christoph Marischka (28. Juli 2017)

Am 26.7.2017 ist um etwa 14:00 Uhr deutscher Zeit in Mali nach Angaben 
der Bundeswehr „circa 70 km nordöstlich von Gao“ ein Kampfhubschrauber 
vom Typ Tiger in Mali abgestürzt. Am Abend wurde bestätigt, dass beide 
Besatzungsmitglieder verstorben seien. Man gehe zunächst von einem 
technischen Defekt aus, hieß es auf der Facebook-Seite der UN-Mission 
MINUSMA, in deren Rahmen die Bundeswehr vor Ort ist. Noch am späten 
Abend äußerte auch der stellvertretende Generalinspekteur, Admiral 
Rühle, dass keine Hinweise auf Fremdeinwirkung bestünden. Entsprechend 
sind wohl auch die Obleute im Bundestag informiert worden. Spiegel 
Online berichtet ebenfalls noch am Abend auf Grundlage der Beschreibung 
der Piloten eines weiteren Bundeswehr-Kampfhubschraubers in Sichtweite, 
„dass der verunglückte Tiger urplötzlich und ohne einen Notruf mit der 
Nase nach vorne abgekippt und dann sofort im Sturzflug zu Boden gegangen 
sei.“[1]

Somit dominierte bereits am ersten Tag nach dem Absturz, noch bevor der 
Flugschreiber gefunden wurde, die These vom technischen Defekt die 
Berichterstattung. Das Verteidigungsministerium hatte zudem als erste 
Reaktion angekündigt, dass die Tiger vorerst keine „Routineflüge“ mehr 
in Mali absolvieren, sondern nur noch Einsätze „bei unmittelbarer Gefahr 
für Leib und Leben“ stattfinden sollten. Damit bestand das herrschende 
Narrativ in den Medien darin, dass Deutsche Soldaten bei einem 
Routineeinsatz durch einen technischen Defekt „verunglückt“ seien – so 
etwa die Frankfurter Rundschau.[2] Entsprechend fokussierte sich die 
Debatte, sobald der Verlust bestätigt war – neben einer geheuchelten 
Anteilnahme gegenüber den Toten und ihren Angehörigen –, auf 
vermeintlichen Ausrüstungs- und Personalmängel, die es zu beheben gelte.

Erstaunlich wenig wird demgegenüber die Frage gestellt, was ein 
„Routineeinsatz“ eines Kampfhubschraubers eigentlich bedeutet und 
welchen Sinn und Zweck der Einsatz der Bundeswehr in Mali hat. Im 
Narrativ des Unfalls schwingt mit, dass es keinerlei Bezug zu 
Kampfhandlungen gegeben hätte und was die Aufgabe der Soldaten angeht, 
wird meist von einer Friedensmission oder allenfalls der „Überwachung 
des Friedensabkommens zwischen der Regierung und den Rebellen“ 
gesprochen (so etwa die FR in bereits oben angesprochenen Artikel).

Auseinandersetzungen am Boden?

Auch dass tatsächliches Interesse am Auftrag und die Auseinandersetzung 
mit der Situation in Mali so gering sind, entlarvt die vermeintliche 
Anteilnahme am Tod der Soldaten als pure Sprachregelung und Heuchelei. 
Tatsächlich aber fand der mögliche Zusammenhang des Absturzes mit einer 
bewaffneten Auseinandersetzung am Boden kaum Beachtung, obwohl es 
durchaus Anzeichen gab.[3] Die ersten Hinweise über den Absturz kamen 
von den UN und der stellvertretende Sprecher des UN-Generalsekretärs 
sprach in der täglichen Pressekonferenz vom 26.7. davon, dass die 
Hubschrauber „Konfrontationen am Boden überwacht“ hätten und „die 
Absturzstelle erst gesichert werden musste“, bevor die Untersuchungen 
zur Ursache beginnen könnten.[4] Zwar griff Spiegel Online als eines von 
sehr wenigen deutschen Medien diese Aussage auf, nicht aber ohne gleich 
eine Art Schlussstrich zu ziehen: „In den Stunden nach den ersten 
Meldungen sorgte die Uno für reichlich Verwirrung. So befeuerte die 
Organisation mit Meldungen, die beiden Helikopter seien über einem 
Kampfgebiet unterwegs gewesen, weitere Spekulationen über einen Abschuss 
der Maschine. In Bundeswehrkreisen herrschte über diese 
Kommunikationspolitik Kopfschütteln.“[5]

Worin ein „Routineeinsatz“ von Kampfhubschraubern jenseits eine 
„Kampfgebietes“ bestehen könnte und warum die Kampfhubschrauber sonst 
nördlich von Gao unterwegs gewesen sein sollten, darüber verliert der 
Beitrag zugleich kaum ein Wort, obgleich er Auftrag und Funktion der 
Tiger im Prinzip ganz treffend benennt: „Konkret schützen die 
gepanzerten Helikopter, die mit Luft-Boden-Raketen ausgestattet sind, 
Konvois und sollen bei Notfällen, also wenn Uno-Soldaten am Boden 
angegriffen werden, schnell eingreifen“. Wichtigstes Argument für ihre 
Entsendung war jedoch Anfang des Jahres der Schutz von 
Verwundetentransporten aus Gefechtsszenen. Jetzt sieht es andersherum so 
aus, dass offensichtlich Bodentruppen ausrücken mussten, um die Bergung 
des „völlig ausgebrannten Wrack[s]“ (Spiegel Online) abzusichern.

Zusammenstöße unter den Parteien des Friedensabkommens

Auch über die konkreten Entwicklungen in Mali, mit denen der Einsatz und 
auch der Absturz durchaus in Verbindung stehen könnten, finden sich 
bislang keine Hinweise in der deutschen Presse. Wie gesagt beschränken 
sich die Angaben zum Auftrag meist auf die Umsetzung eines 
Friedensabkommens. Dieses wurde 2015 zwischen der Regierung und mehreren 
Koalitionen bewaffneter Gruppen geschlossen, darunter die sog. Plattform 
und die „Coordination des Mouvements de l’Azawad“, CMA. Zur Plattform 
gehört u.a. die Gatia-Miliz, die als regierungstreu gilt, zur CMA die 
MNLA, die 2012 mit der Unabhängigkeit des Nordens den Konflikt ausgelöst 
hatte, mittlerweile militärisch jedoch eng mit Frankreich kooperiert. 
Zwischen diesen Gruppen und verschiedenen Stellvertretern kam es auch 
nach dem Friedensabkommen immer wieder zu Gefechten, die jedoch in den 
Wochen vor dem Hubschrauberabsturz deutlich an Schärfe zugenommen 
hatten. Bereits am 6. Juli sprach der Sprecher des UN-Generalsekretärs 
„Bewegungen bewaffneter Konvois, Provokationen und sogar Gefechte“ unter 
den Parteien des Abkommens in Kidal an. Der Leiter der UN-Mission 
drohte, dass weitere Verletzungen des Abkommens die „Glaubwürdigkeit der 
Partner“ in Mali unterminieren würden.[6]

Dessen ungeachtet kam es daraufhin u.a. zu tagelangen 
Auseinandersetzungen um die kleine Ortschaft Anefif an der Grenze 
zwischen den Regionen Gao und Kidal. Am 13. Juli bestätigte ein Sprecher 
der Gatia laut Reuters, dass die Stadt nun von der CMA kontrolliert 
werde, die Plattform jedoch ihre Rückeroberung vorbereite. Die CMA 
wiederum erklärte, mit der Einnahme von Anefif nun die gesamte Region 
Kidal zu kontrollieren.[7] Soweit nachvollziehbar fanden danach in 
verschiedenen Kommunen der Region Kidal Gefechte statt. Auf den 26. 
Juli, dem Tag, an dem die beiden deutschen Soldaten starben, ist eine 
Erklärung der Platform zu finden, die sich an den Leiter der MINUSMA, 
die malische Regierung und die internationale Gemeinschaft richtete und 
von einem koordinierten Angriff der CMA auf mehrere Gemeinden in der 
Region Kidal am Morgen desselben Tages sprach. Er rief dazu auf, „die 
Feinde des Friedens zu verurteilen und sich denen entgegenzustellen, die 
Chaos in der Region sähen wollen.“[8] In der Erklärung wird außerdem 
vermutet, dass die Eskalation vonseiten der CMA das Ziel verfolge, die 
Einsetzung des Gouverneurs und die Rückkehr staatlicher Institutionen in 
Kidal zu verhindern. Tatsächlich war diese zwar lange vereinbart, jedoch 
erst seit dem 23. Juni 2017 konkretisiert worden. In der Stadt Kidal 
hatte es wohl auch „zivilgesellschaftlichen“ Protest gegen die 
Einführung des Gouverneurs gegeben, wie CMA-nahe Quellen u.a. auf 
Twitter berichten.

Wenn auch die Erklärung der Plattform die Realität durchaus verzerrt 
wiedergeben dürfte, so finden sich doch insgesamt zahlreiche Hinweise 
auf eine Eskalation der Lage nördlich von Gao in den letzten Wochen und 
am Tag des Absturzes selbst. Im Zuge der verschärften Auseinandersetzung 
um die konkret bevorstehende Rückkehr einer gesamtstaatlichen Verwaltung 
kam es vermehrt zu Zusammenstößen und es wird zumindest der Eindruck 
vermittelt, dass die tendenziell sezessionistische CMA auch militärisch 
die Oberhand in Kidal gewinnen werde. UN und MINUSMA kamen sichtlich 
unter Druck, ihr Verhältnis zu verschiedenen bewaffneten Akteuren neu zu 
definieren. Wenn in diesem Kontext der Einsatz mindestens zweier 
Kampfhubschrauber der Bundeswehr zwischen Gao und Kidal Routine ist, 
dann heißt dies letztlich schlicht: Die Routine ist Krieg und Mali ist 
ein Kampfgebiet. Und die Diskussion sollte sich dann nicht auf 
technische Defekte und vermeintlich Ausrüstungsmängel konzentrieren, 
sondern auf Lage, Sinn und Zweck des Einsatzes.

Anmerkungen
[1] Matthias Gebauer: Tödliche „Tiger“-Mission, Spiegel.de vom 26.7.2017.
[2] „Zwei Bundeswehr-Soldaten mit Helikopter verunglückt“, fr.de vom 
26.7.2017.
[3] Christian Thiels: Bei Absturz von Tiger-Helikopter mit zwei Toten in 
Mali keine „Fremdeinwirkung“, www.linkedin.com vom 26.7.2017.
[4] „Daily Press Briefing by the Office of the Spokesperson for the 
Secretary-General“ vom 26.7.2017, un.org.
[5] Matthias Gebauer, Tödliche „Tiger“-Mission.
[6] „Daily Press Briefing by the Office of the Spokesperson for the 
Secretary-General“ vom 6.7.2017, un.org.
[7] Tiemoko Diallo: Tuareg separatists seize north Mali town in battle, 
reuters.com vom 12.7.2017.
[8] „Communiqué de la plateforme suite aux affrontements avec la CMA à 
Kidal ce mercredi“, Malijet.com vom 27.7.2017 (datiert auf 26.7.2017).



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