[IMI-List] [0492] Rüstungsatlas BaWü / Schlacht um Mossul / Texte zu G20

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Do Jul 13 15:01:09 CEST 2017


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0492 .......... 20. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List finden sich

1.) der Hinweis auf die kürzlich erschienene Aktualisierung des
Rüstungsatlas Baden-Württemberg;

2.) eine Studie zur Schlacht um Mossul und den Perspektiven für den Irak;

3.) zwei kurze Texte zum G20-Gipfel in Hamburg und der dort
beschlossenen "Afrika-Partnerschaft".


1.) Rüstungsatlas Baden-Württemberg

Mit erfreulicher Presseresonanz (hier z.B. der Südwestpresse:
http://www.swp.de/ulm/nachrichten/suedwestumschau/neuer-ruestungsatlas_-ersteller-monieren-versteckspiel-15379214.html)
wurde am vergangenen Donnerstag ein aktualisierter Rüstungsatlas zu
Baden-Württemberg veröffentlicht. Der Atlas kann mit einer kurzen
Zusammenfassung hier eingesehen und heruntergeladen werden:

IMI-Mitteilung
Rüstungsatlas Baden-Württemberg
http://www.imi-online.de/2017/07/06/ruestungsatlas-baden-wuerttemberg/
IMI (6. Juli 2017)

An die Veröffentlichung schließt eine Aktionswoche schließt eine
Aktionswoche „Grenzen öffnen für Menschen – Grenzen schließen für
Waffen“ an, deren Termine hier aufgelistet sind:
https://www.ohne-ruestung-leben.de/mitmachen/aktionswoche-gegen-ruestungsexporte.html#c2406


2.) Studie zur „Schlacht um Mossul“

Bereits bevor offiziell der Sieg über den IS in Mossul verkündet wurde,
hat die IMI eine Studie zum Krieg um die Stadt und den absehbaren
weiteren Entwicklungen veröffentlicht:

IMI-Studie 2017/11
Die Schlacht um Mossul
Der Irak zerrissen durch den Krieg gegen den „Islamischen Staat“,
interne Konflikte und äußere Intervention
http://www.imi-online.de/2017/07/03/die-schlacht-um-mossul/
Joachim Guilliard (3. Juli 2017)


3.) Texte zum G20-Gipfel in Hamburg

IMI-Standpunkt 2017/19
Das G20 - Gipfeltreffen 2017 in Hamburg
http://www.imi-online.de/2017/07/13/das-g20-gipfeltreffen-2017-in-hamburg/
Markus Pflüger (13. Juli 2017)

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem G-20 sowie dem
Alternativgipfel wurde nahezu vollkommen durch Berichte über Krawalle
und Polizeigewalt überlagert und ausgeblendet. Dazu bleibt festzuhalten,
dass viele Medien, neben dem Ermittlungsausschuss und dem Anwaltlichen
Notdienst, von provozierter Eskalation und unverhältnismäßige Aktionen
durch teils militarisierte Polizeikräfte berichten, und das nicht nur
bei der Auftaktdemonstration. Die Versammlungsfreiheit in Hamburg wurde
Gerichtsurteilen zum Trotz massiv eingeschränkt, hinzu kamen Angriffe
auf Journalist*inn*en und die Aberkennung von Akkreditierungen, hinzu
kommen Übergriffe auf die Gruppen, die den Protest funktional
unterstützen, insbesondere die Rechtsanwält*innen und
Demonstrations-Sanitäter*innen. Vielerorts wurde die Polizeistrategie
für gescheitert erklärt, es bleibt die Frage, ob die Eskalation nicht
politisch gewollt war, manche sagen aber aber auch, dieser
Ausnahmezustand könnte eine bewusste polizeistaatliche
Aufstandsbekämpfungsübung gewesen sein.

Nicht im Fokus standen die vielfältigen, friedlichen Proteste, die
phantasievollen Blockaden und bunten Aktionen, genauso wenig wie die
eindrucksvolle Großdemonstration mit 76.000 TeilnehmerInnen. Stattdessen
dominierten Meldungen über Auseinandersetzungen der Polizei mit dem sog.
„schwarzen Block“ oder „Autonomen Linksradikalen“ die Berichterstattung:
Die verschiedenen Gewaltaktionen wurden von teilnehmenden Gruppen in
verschiedener Weise kritisiert, so von attac, der roten Flora und auch
von der Demoleitung der Demo „Welcome to Hell„. Gewalttätige und
zerstörerische Handlungen wurden nicht von einer homogenen Gruppe
verübt. Berichten (von vor Ort) zufolge nutzen auch insbesondere
„erlebnishungrige Jugendliche sowie Voyeure und Partyvolk“ die
Situation. Auch Rechtsextreme wurden vor Ort gesichtet. Der Anteil von
„agents provocateurs“ wird ebenfalls zu klären sein. Eine große, bunte
Demonstration mit 76.000 Teilnehmer*innen für die inhaltliche Kritik an
den G-20 Staaten ist und bleibt beeindruckend.

Zu den politischen Ergebnissen des G20 Gipfel

Selbst das Handelsblatt fragt: „Soll man den im Hamburger
Abschluss-Kommuniqué durch nächtelange Verhandlungen erreichten
Minimalkonsens ernsthaft als ein Gesprächsergebnis bezeichnen?“ Dieses
„Ergebnis“ rechtfertigt kaum die offiziellen (und noch zu niedrig
bezifferten) Kosten von 130 Millionen Euro, die zur dringend notwendigen
Bekämpfung von Hunger und Armut hätten verwendet werden können. Die
Abschlusserklärung des Gipfels entbehrt handfester Lösungsansätze. So
fehlen Maßnahmen, um die Klimaziele zu erreichen: Weder das Abkommen von
Paris, noch die Nachhaltigkeitsziele, noch der Klimafonds der Vereinten
Nationen werden konkret unterstützt. Das Abschlussdokument zementiert
lediglich die ungerechte neoliberale Wirtschaftspolitik, Hauptursache
der globalen Probleme. Deutschland hat sich nicht von seiner aggressiven
Exportüberschusspolitik verabschiedet. Kohle u.a. fossile Energien und
ihr Raubbau sollen weiterhin das Klima schädigen. Die
Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen und Migranten wird
festgeschrieben, ebenso wie die Wachstumsideologie und weltweite
Kriegspolitik. Geschadet hat der millionenteure Gipfel nicht nur der
Stadt Hamburg, dem Klima und der Demokratie, sondern auch den Vereinten
Nationen – wo wenigstens ein Mindestmaß an Demokratie und Transparenz
einen sinnvolleren Austausch ermöglicht hätte, ohne Ausschluss vieler
armer Länder und der Öffentlichkeit. Attac verbucht die Gipfelergebnisse
als Desaster für eine gerechte Globalisierung: „Die G20 setzt weiter auf
ungerechte Welthandelsregeln und die Privatisierung öffentlicher
Infrastruktur. Eine echte Regulierung der Finanzmärkte wird nicht einmal
mehr angestrebt. Und der angebliche klimapolitische Gipfel-Erfolg
Merkels besteht aus einem Lippenbekenntnis von 19 der G20-Mitglieder zu
einem längst beschlossenen Abkommen. Die G20 gehört abgeschafft. Sie
wird ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht – und wo sie etwas
hinbekommt, ist es gegen die Interessen der Mehrheit der Menschen rund
um den Globus.“ Beim ”Gipfel der globalen Solidarität“ wurde Kritik an
der herrschenden Politik formuliert und Alternativen zur neoliberalen
Globalisierung diskutiert.

Gerade angesichts der aktuellen Diskussionen und noch laufenden
Auswertungen zum Gipfel(protest) bleibt es entscheidend, die inhaltliche
Kritik am Gipfel und der herrschenden Kriegs-Politik zu bekräftigen, der
Protest gegen Grundrechteabbau, Sicherheitswahn und Militarisierung ist
wichtiger denn je.


IMI-Analyse 2017/32
G20 und Afrika
Eine vorauseilend historische Perspektive
http://www.imi-online.de/2017/07/13/g20-und-afrika/
Christoph Marischka (13. Juli 2017)

Wer weiß, ob zeitgenössischen Beobachter_innen der Berliner
Afrika-Konferenz im Winter 1884/85 die Tragweite der damals in der sog.
Kongoakte festgehaltenen Beschlüsse klar war. Wer hat damals schon
vermutet, dass die Konferenz noch über hundert Jahre später als
zentrales Ereignis und Symbol des Kolonialismus und Imperialismus
bewertet werden würde? Auch auf der damaligen Afrika-Konferenz wurde um
den Freihandel gerungen und auch damals wurden Ansprüche der
„zivilisierten“ Staaten humanitär verbrämt, etwa wenn im
Abschlussdokument die „Hebung der sittlichen und materiellen Wohlfahrt
der eingeborenen Völkerschaften“ in Aussicht gestellt wurde.[1] Zwar
wurden damals nicht, wie oft zugespitzt behauptet, die Grenzen zwischen
den kolonialen Besitztümern mit dem Lineal gezogen, wohl aber die Regeln
formuliert, unter denen entsprechende Ansprüche geltend gemacht werden
konnten und sollten. Damit wurde eine Weltordnung, quasi ein Völkerrecht
kodifiziert, in dem „nur westliche Nationen als souveräne Staaten und
damit gleichsam als souveräne Mitspieler“ anerkannt wurden.[2]

Obwohl sich die Kolonialmächte bei der Kontrolle der Kolonien auch
damals auf lokale Herrschaftsstrukturen stützten und ihre
Gebietsansprüche durch Schutzverträge mit lokalen Potentaten
begründeten, liegt hierin ein entscheidender Unterschied zwischen der
historischen Afrika-Konferenz und der im Juni in Berlin vorbereiteten
und im Juli in Hamburg verabschiedeten G20-Afrika-Partnerschaft. Eine
Unabhängigkeit und staatliche Souveränität wurde den lokalen Partnern
damals nicht in Aussicht gestellt, während deren Souveränität heute
zumindest formal unangetastet bleibt. Dieser Unterschied ist relevant,
auch wenn die Formulierungen in den Abschlussdokumenten gerade vor
diesem Hintergrund reichlich unverblümt wirken. So wird im Annex des
Abschlussdokuments des Gipfels zur G20-Afrika-Partnerschaft die
„Verbesserung der makroökonomischen Rahmenbedingungen durch nachhaltigen
Umgang mit öffentlicher Verschuldung, Mobilisierung nationaler Einkünfte
durch ein investitionsfreundliches Steuersystem, Bündelung
einzelstaatlicher Steuerreformen, Begrenzung der Aushöhlung von
Steuerbemessungsgrundlagen und von Gewinnverlagerungen, Gewährleistung
eines soliden öffentlichen Investitionsmanagements und Verbesserung der
Leistungen öffentlicher Versorgungsdienste“ angekündigt. Unverhohlen
wird dabei als Ziel ausgegeben, „die makroökonomischen,
unternehmerischen und finanziellen Rahmenbedingungen für private
Investitionen (aus dem In- und Ausland) zu verbessern“. Hierzu gehört
auch der „verbesserte Investorenschutz“ durch die „Entwicklung von
anreizkompatiblen Risikominderungsinstrumenten“.[3]

Umgesetzt werden sollen diese neoliberalen Programme von „Länderteams,
[…] die in jedem Compact-Land gebildet werden. Die Teams bestehen aus
Regierungsvertretern des jeweiligen afrikanischen Landes sowie
Vertretern von internationalen Organisationen, interessierten
G20-Mitgliedern und anderen Partnerländern oder -institutionen.
Koordinierung und Monitoring der Initiative erfolgen durch den
Finanzministerprozess der G20, der auch über Fortschritte, künftige
Ambitionen und messbare Ziele in jedem Compact-Land berichten werden
[sic]“.[4] Zunächst soll dies in Äthiopien, Côte d’Ivoire, Ghana,
Marokko, Ruanda, Senegal und Tunesien umgesetzt werden. Der Aufbau von
uni- und multilateralen Programmen zur Förderung von Investitionen der
jeweiligen Industrien in Afrika, zur risikoarmen Durchführung von
Megaprojekten als öffentlich-private Partnerschaft und die Umwidmung der
sog. „Entwicklungshilfe“ in offene Außenwirtschaftsförderung wird jedoch
weitere Länder des Kontinents betreffen und unter den G20 einen neuen
Wettlauf um Afrika befördern, der diesmal die Souveränität der
„Partnerländer“ formal unangetastet lässt, sie ökonomisch und
sozialpolitisch jedoch vollkommen unterwirft.

Der historische Kontext

Sollte in einhundert Jahren oder früher eine kritische Aufarbeitung der
G20 erfolgen, so werden einige Zusammenhänge womöglich viel deutlicher
zutage treten, als aus zeitgenössischer Perspektive. Nicht zu ignorieren
wird dann etwa sein, dass die beteiligten Staaten sich zugleich in einer
Kaskade von Stellvertreterkriegen auf der Arabischen Halbinsel unter
völliger Missachtung des Völkerrechts gegenseitig bekämpfen, wie etwa
die Regionalmächte Saudi Arabien und Türkei oder die Großmächte USA und
Russland. Zur Vorgeschichte des Gipfels wird dann gehören, wie die USA
in den vergangenen zehn Jahren ein umfassendes Netzwerk von Militärbasen
auf dem afrikanischen Kontinent errichtet haben[5] und Frankreich mit
Unterstützung der EU seine ehemaligen Kolonien zwischen der
westafrikanischen Küste und dem Sudan als G5 Sahel zusammengefasst und
einem „Krieg gegen den Terror“ unterworfen hat, der es seiner
Fremdenlegion mit Unterstützung lokaler Armeen erlaubt,
grenzüberschreitend und ohne Kontrolle der jeweiligen Regierung tätig zu
werden.[6] Im Übrigen hat der Gipfel in einem Deutschland stattgefunden,
das erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit, nun wieder als Berliner
Republik, unter der Parole „neue Macht, neue Verantwortung“ unverhohlen
seinen Führungsanspruch in Europa geltend machte und diesen an einem in
die Schuldenfalle geratenen und getriebenen Griechenland vorexerzierte.
Letzteres wird v.a. deshalb zur Vorgeschichte gehören, weil auch hier
unter formaler Anerkennung seiner Souveränität das Land von einer in
keiner Weise legitimierten Troika aus Europäischer Zentralbank, IWF und
Europäischer Kommission zum Ausverkauf öffentlicher Güter, Reform des
Steuer- und Finanzwesens und Öffnung für „Investitionen“ gezwungen wurde.

In ihrer Zusammensetzung erinnert diese Troika zwar nur grob an die nun
anvisierten „Länderteams“, die praktische Umsetzung, wie sie in der
G20-Afrika-Partnerschaft vorgesehen ist, scheint jedoch auf den
Erfahrungen der Austeritätsprogramme und v.a. ihrer Umsetzung in
Griechenland aufzubauen: „In einem ersten Schritt“ sollen die
afrikanischen Länder „mit den beteiligten internationalen Organisationen
in Kontakt zu treten, um die Ziele der Initiative und mögliche nationale
Prioritäten und Beiträge zu besprechen“. „In einem zweiten Schritt legen
die Länder in Zusammenarbeit mit den internationalen Organisationen in
einzelnen Investitionspapieren ihre jeweiligen prioritären Bereiche für
Reformen und Maßnahmen fest, um besser private Investitionen
mobilisieren zu können… Auf der Grundlage dieser prioritären Bereiche
konzentrieren sich die Compact-Länder in Zusammenarbeit mit den
internationalen Organisationen in einem dritten Schritt auf konkret
durchzuführende Reformschritte. Interessierte G20-Mitglieder und andere
Partnerländer und -institutionen sind eingeladen, das Abkommen mit ihren
eigenen Instrumenten und Maßnahmen zu unterstützen.“[7]

Die lokalen „Partner“

Ein weiterer, mit der formalen Anerkennung der Souveränität jedoch
zusammenhängender Unterschied zur Berliner Afrika-Konferenz von 1884/85
besteht darin, dass Vertreter des afrikanischen Kontinents damals so gut
wie keine Rolle gespielt haben, am G20-Gipfel mit Südafrika jedoch
zumindest ein afrikanisches Land und beim vorangegangenen Afrika-Gipfel
in Berlin weitere zumindest eingeladen waren. Gekommen sind jedoch recht
wenige, genannt werden im betreffenden Anhang des Abschlussdokuments
„die Staats- und Regierungschefs von Ägypten, Côte d’Ivoire, Ghana,
Guinea, Mali, Niger, Ruanda, Senegal und Tunesien“. Auch diese sind
einer kritischen Betrachtung wert. Wesentlich dazu beigetragen, dass der
Afrika gewidmete Gipfel einen Hauch „afrikanischer Ownership“ für sich
reklamieren konnte, war die Präsenz des ägyptischen Militärdiktators
Al-Sisi, wodurch zumindest ein bevölkerungsreicher Flächenstaat des
Kontinents repräsentiert war. Sein Kollege aus der Côte d’Ivoire, der
ehemalige IWF-Mitarbeiter Ouattara, wurde 2011 im Schatten des
Libyenkrieges durch ein EU-Embargo und eine französische
Militärintervention an die Macht gebracht und erweist sich seither als
verlässlicher Statthalter EUropäischer und französischer Interessen. Der
malische Präsident Ibrahim Boubacar Keïta, ehemaliger Mitarbeiter des
Entwicklungsfonds der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, wurde im
Kontext einer französischen Militärintervention gewählt und lässt
französischen und deutschen Truppen und Unternehmen – wie sein Kollege
im Niger – mittlerweile fast freie Hand. Ruanda wurde von Paul Kagame
vertreten, der im Kontext des Völkermordes 1994 an die Macht kam und
diese seither mithilfe eines auf ihn zentrierten Sicherheitsapparates
und unfreier Wahlen sichert. Er gilt v.a. als Statthalter
US-amerikanischer Außenpolitik und wesentlich mitverantwortlich für den
anhaltenden Bürgerkrieg im Osten der DR Kongo.

Neben der Einbindung afrikanischer Staats- und Regierungschefs am
Berliner Katzentisch wird die „afrikanische Ownership“ in Fortsetzung
des deutschen Marshallplans für Afrika u.a. mit der Bezugnahme auf die
Agenda 2063 der Afrikanischen Union simuliert. Hier stellt sich die
Frage, ob die vertretenen Regierungen bzw. ihre Sherpas das
entsprechende Dokument überhaupt angesehen haben und zeigt sich die
Verlogenheit der vollmundigen Versprechungen, mit denen das
Gipfeldokument garniert ist. So heißt es in diesem AU-Dokument u.a.:
„Bis 2020 werden alle Erbschaften des Kolonialismus Geschichte und alle
besetzten afrikanischen Gebiete vollständig befreit sein“. Konkret
genannt werden das von Mauritius beanspruchte Chagos-Archipel, welches
die britisch-amerikanische Militärbasis Diego Garcia beherbergt, die
Insel Mayotte und die Westsahara. In keinem der drei Fälle ist eine
nennenswerte Initiative zur Dekolonialisierung der Gebiete durch die G20
erkennbar oder absehbar.[8] Noch am 22. Juni 2017 hatte ein Großteil der
G20 gegen einen Antrag der Gruppe der afrikanischen Staaten in der
UN-Generalversammlung gestimmt oder sich enthalten, mit dem der Konflikt
um das Chagos-Archipel auf Bitten Maritius‘ vor den internationalen
Gerichtshof gebracht werden sollte.[9]

Vehikel einer neuen Weltordnung

Rückblickend wird auch zu den Teilnehmer_innen des G20-Gipfels selbst
das Urteil eindeutig ausfallen. Dann werden nicht nur Trump und Putin,
Erdogan und Xi Jinping als Protagonisten eines – mit Kolonialismus und
Imperialismus Hand in Hand gehenden – Autoritarismus am Pranger stehen,
sondern die Anmaßung der G20 selbst. Vielleicht wird der Gipfel in
Hamburg letztlich nur eine Randnotiz sein bei der Entfaltung eines
ohnehin längst ausgerufenen Wettlaufs um Afrika einerseits und der
Marginalisierung der UN und des Völkerrechts andererseits. Dass die
mächtigsten Staaten – sich zugleich in Drittstaaten auf der Arabischen
Halbinsel und Afrika gegenseitig bekriegend – versuchen, jenseits der UN
ein Parallelgremium zur Erörterung globaler Fragen zu etablieren,
beinhaltet die implizite gegenseitige Versuchung und Versicherung, dem
Völkerrecht keine Relevanz mehr zuzubilligen. In der Praxis, das wurde
auf den Straßen Hamburgs deutlich, scheint dasselbe auch für die
Menschenrechte zu gelten.

Vielleicht liegt hierin – mehr noch, als in den tatsächlichen oder
vermeintlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten auf dem afrikanischen
Kontinent – die (bereits bei den G7/G8 wiederkehrende)
Schwerpunktsetzung auf Afrika begründet. Denn dort ist die Souveränität
als Erbe des Kolonialismus, durch anhaltende politische Morde, auch von
Regierungsvertretern, und von außen induzierte Putsche schon lange eine
eher formale, häufig verhandelbare Angelegenheit. Die Anerkennung der
militärisch von EU und NATO abhängigen Afrikanischen Union als
Regionalorganisation, die auch ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates
in Mitgliedsländern intervenieren kann, ist nur ein Beispiel dafür, dass
der ganze Kontinent fortgesetzt als eine Art völkerrechtlicher
Sonderzone gesehen wird.[10] Er dient den konkurrierenden Großmächten,
die sich trotz ungelöster und mit großer Gewalt ausgehandelter Konflikte
untereinander treffen wollen, als Vehikel, um eine neue Weltordnung zu
konstituieren und sich jenseits von Recht und UN an ihre Spitze zu
setzen. Auch das allerdings ist nicht neu, war schon bei den
G7/G8-Treffen zu beobachten.

Insofern ist noch nicht abzusehen, ob der Gipfel in Hamburg für Afrika
und die Welt zum historischen Ereignis wird oder nur eine von vielen
Etappen bei der Ersetzung von internationalem Recht durch das reine
Recht der Stärke. So oder so ist gut, dass es, anders als beim
Afrikagipfel 1884/85, nennenswerte und sichtbare Proteste gab – und im
Übrigen ein Maß an Repression, das des Kaiserreichs würdig gewesen wäre.
Ob dabei rückblickend noch zwischen den verschiedenen Protestformen
unterschieden wird und ob der Riot im Schanzenviertel als Aufstand gegen
die kommende Weltordnung oder perfides Mittel der Aufstandsbekämpfung
gewertet werden wird, mag sich jeder selbst ausmalen.

Anmerkungen

[1] Zitiert nach: Andreas Eckert: 125 Jahre Berliner Afrika-Konferenz –
Bedeutung für Geschichte und Gegenwart, GIGA Focus 12/2009.

[2] Ebd.

[3] Bundesregierung / G20-Ratspräsidentschaft: Annex zur
Abschlusserklärung G20-Gipfel – G20-Afrika-Partnerschaft.

[4] Ebd.

[5] Nick Turse: America’s War-Fighting Footprint in Africa,
www.tomdispatch.com vom 27.4.2017.

[6] Christoph Marischka: Sahel: völkerrechtsfreie Zone per
UN-Resolution, IMI-Standpunkt 2017/18.

[7] Bundesregierung / G20-Ratspräsidentschaft: Annex zur
Abschlusserklärung G20-Gipfel – G20-Afrika-Partnerschaft.

[8] Mayotte wurde erst 2011 zum französischen Departement erklärt und
2014 in das Territorium der EU eingegliedert. Großbritannien will das
Chagos-Archipel v.a. wegen der gemeinsam mit den USA genutzten
Militärbasis Diego Garcia nicht aufgeben und versuchten erst im Juni
2017, zwischen dem Partnerschaftsgipfel in Berlin und dem G20 in Hamburg
in der UN-Generalversammlung die Anrufung des Internationalen
Gerichtshofs auf Bitten Mauritius zu verhindern. Mit einer Mehrheit von
94 zu 15 Stimmen bei 65 Enthaltungen wurde der Antrag angenommen – die
meisten G20-Staaten hatten wie die USA, Großbritannien und Australien
dagegen gestimmt oder sich wie Deutschland gegen das fast einhellige
Votum der afrikanischen Staaten enthalten. Dass viele EU-Staaten nicht
an der Seite Großbritanniens abgestimmt, sondern sich „nur“ enthalten
haben, wurde v.a. als Retourkutsche für den Brexit interpretiert. Vgl:
Somini Sengupta: U.N. Asks International Court to Weigh In on
Britain-Mauritius Dispute, www.nytimes.com vom 22. Juni 2017.

[9] „General Assembly Adopts Resolution Seeking International Court’s
Advisory Opinion on Pre-independence Separation of Chagos Archipelago
from Mauritius“, Pressemitteilung (GA/11924) vom 22. Juni 2017.

[10] Artikel 4 (h) der Gründungsakte der Afrikanischen Union sieht
Entsprechendes in bestimmten Fällen vor. Dies steht im Widerspruch zu
Artikel 53 (1) der UN Charta, was aber selten thematisiert wird. Ganz im
Gegenteil sind v.a. die EU und ihre Mitgliedstaaten intensiv bemüht,
entsprechende Entscheidungsstrukturen auf Ebene der EU und ihrer
subregionalen Organisationen zu schaffen. So sind – von der EU und USA
finanzierte und unterstützte – Interventionen afrikanischer Staaten in
ihren Nachbarstaaten mittlerweile in Ost-, Zentral- und Westafrika im
wörtlichen Sinne Alltag. Falls die Legalität des entsprechenden Absatzes
der AU-Gründungsakte infrage gestellt oder diskutiert wird, so gilt die
– nicht in der UN-Charta verankerte – „Verantwortung zum Schutz“ meist
als Vehikel, um das Sonder-Völkerrecht auf dem afrikanischen Kontinent
zu legitimieren. Vgl. beispielhaft: Stephanie Anne Fogwell: The legality
of the African Union’s right to intervention, University of Pretoria 2013.


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