[IMI-List] [0473] IMI-Kongress / Mali / Podcast / Mittelmeereinsätze

IMI-JW imi at imi-online.de
Do Nov 10 14:57:28 CET 2016



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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0473 .......... 19. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) Neue Informationen zum IMI-Kongress am 19./20. November;
2.) Die Bestellmöglichkeit zum Fact Sheet „Aufrüstung und Krieg in Mali“;
3.) Die 8. Ausgabe des Antimilitaristischen Podcasts;
4.) Eine IMI-Analyse zu den Bundeswehreinsätzen im Mittelmeer.

1.) IMI-Kongress: „Kein Frieden mit der Europäischen Union“
Datum: 19./20. November (Auftaktveranstaltung am Freitag)
Ort: Tübingen Schlatterhaus (Österbergstr. 2)

Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die Wahl Donald Trumps als 
Katalysator für die intensivierte Militarisierung der Europäischen Union 
genutzt werden soll. So gab Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen 
noch am Wahlabend an, die wichtigste Konsequenz sei nun, „dass wir 
stärker in eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion 
investieren müssen.“

Allein  schon aus diesem Grund werden uns die Auswirkungen der Wahl auf 
die EU auch auf unserem Kongress am übernächsten Wochenende beschäftigen 
(siehe dazu auch die Pressemitteilung weiter unten).

Wer noch Übernachtungsmöglichkeiten (mit Schlafsack) von Samstag auf 
Sonntag benötigt, einfach im IMI-Büro melden: imi at imi-online.de 
(07071-49154)

Alle weiteren Infos: 
http://www.imi-online.de/2016/11/07/imi-kongress-2016-kein-frieden-mit-der-europaeischen-union/ 


IMI-Pressemitteilung
IMI-Kongress: Kritische Bilanz der EU-Außenpolitik
Nach der Wahl Trumps umso nötiger
http://www.imi-online.de/2016/11/10/imi-kongress-kritische-bilanz-der-eu-aussenpolitik/ 

IMI (10. November 2016)

Der 20. Kongress der Informationsstelle Militarisierung e.V. am 18.-20. 
November 2016 in Tübingen will eine kritische Bilanz der EU-Außenpolitik 
ziehen. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass der rasante Aufstieg 
der EU zu einem auch militärisch agierenden Akteur auf der Weltbühne 
innenpolitisch von sozialer und politischer Desintegration und im sog. 
Nachbarschaftsraum von der militärischen Eskalation von Konflikten 
begleitet war. Auch auf das überraschende Ergebnis der 
US-Präsidentschaftswahl wird nun – wieder einmal – mit der Forderung 
einer verstärkten militärischen Integration (Kern-)EUropas und erhöhter 
Rüstungsausgaben reagiert.

Deshalb wird nun am Anfang des Kongresses am Samstag ab 12:00 Uhr im 
Schlatterhaus eine Diskussion der Folgen des „Brexit“ und der Wahl 
Trumps zum US-Präsidenten stehen, um die geopolitischen Positionierung 
der Europäischen Union innerhalb einer sich wandelnden globalen 
Blockbildung zu analysieren. Anschließend sollen die wichtigsten 
Rüstungsprojekte und Komponenten des EU-Militärapparates sowie die 
bisherigen Folgen der EU-Integration für Afrika und Osteuropa 
dargestellt werden. Am Sonntag widmet sich der Kongress der zunehmenden 
Abschottung und Vergrenzung der Europäischen Union sowie weiteren Formen 
der „inneren Militarisierung“, wie der Cyberkriegführung und der sog. 
„Strategischen Kommunikation“.

„Einerseits scheint Europa von Krisen – 'Eurokrise', 'Flüchtlingskrise', 
'Brexit', … – gebeutelt, zugleich wird die Agenda der Aufrüstung 
unbeirrt, seit dem drohenden Austritt Großbritanniens sogar beschleunigt 
fortgesetzt“, so begründet Jürgen Wagner, geschäftsführender Vorstand 
der Informationsstelle Militarisierung, die Themensetzung. „Wir möchten 
zeigen, dass, während im Inneren Grenzen verstärkt werden und soziale 
Konflikte zunehmen, der militärische Überbau des 'Gemeinsamen Marktes' 
unbeirrt weiter vorangetrieben wird“, so Wagner weiter.

Die IMI rechnet wie in den vergangenen Jahren mit im Schnitt knapp 100 
Besucher_innen, von denen etwa ein Drittel aus anderen Bundesländern und 
tw. dem Ausland anreisen wird. „Der Kongress ist wie immer kostenlos und 
auch für Menschen offen, die nur einzelne Vorträge besuchen möchten“, so 
Wagner weiter. Er beginnt am Freitagabend ab 19:00 Uhr mit einer „Küche 
für Alle“ und einem satirischen Einstieg ins Thema „Ideologie EUropa“ im 
Keller des Wohnprojektes Schellingstraße 6 nahe dem Tübinger Hauptbahnhof.

Programm und weitere Informationen unter:
http://www.imi-online.de/2016/10/24/imi-kongress-2016-kein-frieden-mit-der-europaeischen-union/

Für Rückfragen und Interviews stehen wir gerne zur Verfügung:
Informationsstelle Militarisierung
Mail: imi at imi-online.de
Telefon: 07071 49154


2.) Fact Sheet „Aufrüstung und Krieg in Mali“

Online gibt es das neue Fact Sheet „Aufrüstung und Krieg in Mali“ schon 
einige Zeit: 
http://www.imi-online.de/2016/10/11/aufruestung-und-krieg-in-mali/

Nun kann es auch (gerne auch in größeren Stückzahlen) kostenlos hier 
bestellt werden: 
https://2007.dfg-vk.de/shop/faltblaetter/339/fact_sheet_mali:_aufruestung_und_krieg 


Über Unterstützung, unsere Materialien weiter kostenlos (oder maximal 
zum Selbstkostenpreis) abgeben zu können, freuen wir uns immer: 
http://www.imi-online.de/mitglied-werden/


3.) Antimilitaristischer Podcast Nummer 8: Flüchtlingsbekämpfung - 
IMI-Kongress

Der antimilitaristische Podcast Nr. 8 beginnt mit einem Interview mit 
Jürgen Wagner zum Kongress der Informationsstelle Militarismus vom 18. 
bis 20. November in Tübingen und Jackie Andreas informiert über die 
Militäreinsätze im Mittelmeer, den geräumten Jungle in Calais und die 
vorverlagerte Fluchtabwehr.

Vollständige Ausgabe: 
https://archive.org/download/201611ANTIMILITARISTISCHERPODCAST/2016-11-ANTIMILITARISTISCHER%20PODCAST.MP3

Migrationsabwehr I: Calais
https://archive.org/download/201611ANTIMILITARISTISCHERPODCAST/calais.mp3

Migrationsabwehr II: Fluchtabwehr
https://archive.org/download/201611ANTIMILITARISTISCHERPODCAST/mittelmeer.mp3

Migrationsabwehr III: Bundeswehr-Mittelmeereinsätze
https://archive.org/download/201611ANTIMILITARISTISCHERPODCAST/mittelmeer.mp3

IMI-Kongress
https://archive.org/download/201611ANTIMILITARISTISCHERPODCAST/imi-kongress.mp3


4.) IMI-Analyse Bundeswehr-Mittelmeereinsätze

IMI-Analyse 2016/39b
Die Bundeswehr im Mittelmeer
Von Migrationsbekämpfung zur permanenten Militärpräsenz?
http://www.imi-online.de/2016/11/10/die-bundeswehr-im-mittelmeer/
http://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse2016-39b-BW-Mittelmeer.pdf
Jacqueline Andres (10. November 2016)

In den bedeutenden Militärhafenstädten des Mittelmeers bekommt man die 
Dichte der laufenden Missionen in der Region hautnah mit. Ein Beispiel 
dafür ist Chania, eine mittelgroße Stadt im Westen der griechischen 
Insel Kreta, in der die Soldat_innen unterschiedlicher Einsätze ihre 
freien Stunden verbringen. Auf der an die Stadt angrenzenden Halbinsel 
Akrotiri befinden sich zahlreiche Militärstrukturen der griechischen 
Streitkräfte, des US Militärs und der NATO. Von dem zivil-militärischen 
Flughafen „Ioannis Daskalogiannis“ heben neben den Charterflügen nach 
Deutschland fast täglich auch Kampfjets ab.

Kreta liegt nördlich von Libyen und Ägypten und damit unweit des 
wirtschaftlich fundamentalen Nadelöhrs Suezkanal, von Israel, Libanon, 
Syrien, Irak und dem Schwarzen Meer, kurz: die Insel liegt an einem 
geostrategisch bedeutsamen Punkt. Sie ist einer der Knotenpunkte für 
alle Aktivitäten der NATO- und EU-Mitgliedstaaten im östlichen 
Mittelmeer und das Sprungbrett für Manöver im Schwarzen Meer. Die 
Operationsräume, Infrastruktur und Logistik der 
Migrationsbekämpfungsmissionen und weiterer Militäroperationen 
überschneiden sich, teilen sich zunehmend die Aufgaben und lassen 
gemeinsame unausgesprochene geopolitische Interessen durchscheinen.

Diese erklären ansatzweise auch, weshalb heute noch immer Geflüchtete 
und Migrant_innen im Mittelmeer ertrinken müssen, obwohl es mittlerweile 
durch seine starke Militarisierung zu den am intensivsten überwachten 
Gebieten weltweit gehören dürfte.

Zu den Überwachungsbausteinen zählen neben der Grenzschutzagentur 
FRONTEX, die im Oktober 2016 zur Europäischen Agentur für die Grenz- und 
Küstenwache umgebaut und umbenannt wurde, auch das Europäische 
Grenzüberwachungssystem EUROSUR, bei dem Drohnen, Aufklärungsgeräte, 
Sensoren, hochauflösende Kameras und Satellitensuchsysteme eingesetzt 
werden.

Im Jahr 2015 beschloss die Bundeswehr mit Marineschiffen offiziell zur 
Seenotrettung und Bekämpfung der Schleuserstrukturen beizutragen. 
Seither beteiligt sich die Bundesmarine neben der UNFIL-Mission vor der 
Küste Libanons und der offiziell gegen den IS gerichteten Operation 
Inherent Resolve an ganzen drei zivil-militärischen Operationen zur 
Migrationseindämmung im Mittelmeer: Operation Sophia, dem NATO-Ägäis 
Einsatz und Sea Guardian.

Damit beansprucht die Bundeswehr gemeinsam mit Militärverbänden weiterer 
Staaten das Recht, den kompletten See- und Luftraum des Mittelmeers zu 
patrouillieren und zu kontrollieren. Die Migrationskontrolle scheint als 
Spielball in der Durchsetzung wirtschaftlicher und geopolitischer 
Interessen der deklarierten Großmacht Deutschland zu fungieren – auf 
Kosten Tausender Menschenleben.

EUNAVFOR MED aka Operation Sophia

Nachdem sich im April 2015 erneut große Schiffbrüche mit hohen 
Opferzahlen ereigneten, schickte die Bundesregierung im darauf folgenden 
Monat die Fregatte „Hessen“ und den Einsatzgruppenversorger „Berlin“ ins 
Mittelmeer. Die Schiffe der deutschen Marine wurden Ende Juni 2015 in 
die schnell konzipierte EU-Mission European Union Naval Force 
Mediterranean (EUNAVFOR MED) eingegliedert. Seither beteiligt sich 
Deutschland mit zwei Marineschiffen und bis zu 950 Soldat_innen an der 
italienisch geführten EU-Mission, die die Botschafter im Politischen und 
Sicherheitspolitischen Komitee der Europäischen Union im September 2015 
nach einem an Bord der Fregatte „Schleswig-Holstein“ zur Welt gekommen 
somalischen Mädchen in „Operation Sophia“ umbenannten.[1] Auch wenn 
diese Namensgebung sowie zahlreiche Äußerungen verschiedener 
Regierungsvertreter_innen versuchen, dem Einsatz nach außen hin einen 
primär humanitären Anstrich zu verleihen, täuscht dies nicht darüber 
hinweg, dass die Kernaufgabe eine andere ist.[2]Die eingesetzten 
Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber sollen in drei Phasen zur Bekämpfung 
der Schleusernetzwerke bzw. der irregulären Migration im zentralen 
Mittelmeer zwischen Libyen und Italien beitragen.

In der ersten Phase, welche seit Ende Juni 2015 aktiv ist und 
durchgehend Bestandteil der Mission bleibt, erstellen die eingesetzten 
Militäreinheiten ein umfassendes Lagebild für die 
Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedsstaaten. Seit Beginn des ersten 
Teils der zweiten Phase im Oktober 2015 halten sie verdächtige Schiffe 
auf Hoher See an, welche sie durchsuchen, beschlagnahmen und 
gegebenenfalls zerstören. In der zweiten Stufe der zweiten Phase ist ein 
Einsatz in libyschen Gewässern und in der dritten Phase auf libyschem 
Territorium vorgesehen, um die Schleuserorganisationen in den 
Küstenstädten selbst zu bekämpfen.

Die Operation übergab seit Einsatzbeginn 84 vermeintliche Schmuggler an 
die zuständigen italienischen Behörden, beschlagnahmte oder zerstörte 
255 Boote und rettete in Zusammenarbeit mit weiteren zivilen und 
militärischen Schiffen im libyschen Meer mehr als 21.958 Menschen[3] - 
die Bundesmarine behauptet seit Mai 2015 allein mehr als 17.972 Menschen 
aus Seenot gerettet zu haben.[4] Dennoch stellt Operation Sophia alles 
andere als einen humanitären Erfolg dar. In den ersten neun Monaten des 
Jahres 2016 starben mehr als 3.364 Menschen beim Versuch, das Mittelmeer 
zu überqueren[5] - das sind mehr als zur gleichen Zeit 2015. Wie aus dem 
von Wikileaks veröffentlichten ersten Halbjahresbericht des 
Missionskommandanten Enrico Credendino hervorgeht, passten die 
Schmuggler ihre Geschäftsmethoden schlicht an und die Migrationswege 
verlagerten sich. Mittlerweile setzen diese günstigere und unsicherere 
Boote ein, die sie mit weniger Benzin betanken, denn schließlich müssen 
die Migrant_innen theoretisch nur in internationale Gewässer kommen, um 
von dort an Bord der Militärschiffe bis nach Italien zu gelangen. Diese 
vorhersehbare Reaktion auf die Militärpräsenz vor der libyschen Küste 
erhöht das Risiko der gefährlichen Überfahrt. Das gilt allgemein für die 
erhöhte Überwachung und Militarisierung der EU-Außengrenzen.

Der Rat der Europäischen Union beschloss im Juni 2016 der Mission zwei 
weitere Unterstützungsaufgaben aufzutragen. Die eingesetzten 
Streitkräfte sollen in drei Phasen libysche Grenzschützer und die Marine 
ausbilden: anfangs auf Hoher See an Bord der EU-Schiffe, später an Land 
in einem EU-Mitgliedstaat oder in Libyen und zuletzt bei der libyschen 
Küstenwache.[6] Die zweite Unterstützungsaufgabe sieht eine vom 
UN-Sicherheitsrat autorisierte Durchsetzung des Waffenembargos gegen 
Libyen vor. Es ist wahrscheinlich, dass diese zwei weiteren Aufgaben den 
Fokus der Mission noch weiter weg von der unzureichenden Seenotrettung 
auf andere Tätigkeiten richten. Abgesehen davon sind diese zwei neuen 
Unterstützungsaufgaben in sich widersprüchlich. Einerseits sollen 
Streitkräfte ausgebildet und ausgestattet werden, andererseits soll das 
UN-Waffenembargo durchgesetzt werden. Die Ausbildung einer Küstenwache 
und einer Marine ist ein heikles Unterfangen in Libyen, da viele 
bewaffneten Fraktionen und Milizengruppen die international anerkannte 
Einheitsregierung ablehnen.[7] Im Rahmen der im Jahr 2013 initiierten 
European Border Assistance Mission (EUBAM) Libyen wurden mindestens 
hundert Milizen zu Grenzschützern ausgebildet, die nicht nur die 
Grenzen, sondern auch sensible Infrastrukturen wie westliche 
Ölförderungsanlagen im Land sichern sollten. Im Jahr 2014 schlossen sie 
sich zum Teil dem Militärgeneral Chalifa Haftar an,[8] der die 
Einheitsregierung ablehnt. Die EUBAM Libyen musste 2014 von Tripolis 
nach Tunesien verlegt werden, da die Sicherheit der europäischen 
Expert_innen nicht weiter gewährleistet werden konnte. Weder 
Einheitsregierung noch NATO und EU vermögen es momentan, die 
ausgebildeten Kräfte zu kontrollieren. Die Milizen erhalten 
Unterstützung von unterschiedlichen Staaten und das Land droht in einem 
Stellvertreterkrieg zu versinken. Eine EU-Ausbildungs- und 
Ausstattungshilfe könnte einen solchen nur stärken. In der Erklärung des 
NATO-Gipfeltreffens in Warschau vergangenen Juli, bot auch die 
Militärallianz der libyschen Einheitsregierung eine Ausbildungsmission 
an.[9] Durch EUNAVFOR MED hat die EU ein Instrument an der Hand, um die 
Waffenlieferungen nach Libyen zu kontrollieren. Das Mandat gilt vorerst 
bis zum 30. Juni 2017 und wird wie alle vorangegangenen Missionen 
ähnlichen Charakters höchstwahrscheinlich verlängert werden. Eine solche 
Mission mit unerfüllbaren Aufgaben wird sich in die Länge ziehen und 
womöglich liegt in der zeitlich unbegrenzten Militärpräsenz vor Libyen 
und seinem Ölreichtum auch der wahre „Erfolg“ der Mission.

Ägäis-Einsatz der NATO

Seit Februar 2016 erstellen NATO-Partner für die griechische und 
türkische Küstenwache sowie für die Europäische Agentur für die Grenz- 
und Küstenwache (zuvor FRONTEX) ein umfassendes Lagebild der Ägäis. 
Offiziell sollen diese durch die zusätzliche Informationsgewinnung 
effektiver gegen Schleuser vorgehen können. Deutschland gewann die 
Türkei und Griechenland für die Antragsstellung dieser NATO-Operation, 
deren eingesetzte Schiffe des ständigen NATO-Marineeinsatzverbands SNMG2 
(Standing NATO Maritime Group 2) auch unter Führung eines deutschen 
Admirals stehen.

Aus der Türkei kommende gerettete Migrant_innen sollen grundsätzlich den 
türkischen Behörden übergeben werden – nur falls diese türkische 
Staatsangehörige sein sollten, werde eine Einzelfallprüfung gemacht.[10] 
De facto kann ein solches Vorgehen als völkerrechtswidrige 
Zurückweisungen – auch Push-Back-Operationen genannt – eingestuft werden.

Die in die Mission eingebundenen griechischen Häfen sind Souda Bay, 
Piräus, Volos und Thessaloniki, während die türkischen Häfen in der 
nördlichen an den Dardanellen gelegenen Stadt Canakkale, in Izmir und im 
südlichen Aksaz liegen.[11] Damit umschließt das kontrollierte Seegebiet 
auch das wichtigste Zugangstor Russlands zum Mittelmeer. Vom Schwarzen 
Meer kann die russische Marine durch die Meerenge am Bosporus und an den 
Dardanellen seinen letzten Mittelmeerhafen in der syrischen Stadt Tartus 
erreichen.[12] Diese geopolitische Analyse ist auch in einer von 
hochrangigen NATO-Strategen – wie u.a. Karl-Heinz Kamp, dem Präsidenten 
der Bundesakademie für Sicherheitspolitik – erstellten und vom German 
Marshall Fund im März 2016 veröffentlichten Studie zu erkennen: 
„Russland wird seine Rückkehr als Sicherheitsakteur am Mittelmeer 
konsolidieren, in Syrien und, weniger sichtbar, aber dennoch in 
wichtiger Form in Ägypten und Algerien. Ein Resultat dessen wird das 
Ausgreifen von militärischen Risiken zwischen der NATO und Russland nach 
Süden sein, zum Schwarzen Meer und dem östlichen Mittelmeer.“[13] 
Deshalb, aber auch generell wegen den wachsenden Konflikten in der 
Region, müsse die NATO laut dieser Studie eine „robustere Rolle im Süden 
entwickeln“.[14] Ein solcher Ansatz erklärt vielleicht auch die 
US-Beteiligung an der Mission, die seit Juni 2016 mit dem Schiff USNS 
Grapple der Safeguard-Klasse präsent sind, obwohl sie sich recht wenig 
für die Sicherung der europäischen Außengrenzen interessieren dürften. 
Eine verstärkte Präsenz in dieser relevanten Region ist im Kontext der 
wachsenden Spannungen mit Russland als klare Machtdemonstration zu 
werten.[15] Zudem stellt die ausgeweitete Militärpräsenz ein mögliches 
materielles Rückgriffpolster für NATO-Operationen im arabischen Osten dar.

Operation Sea Guardian

Im Oktober 2016 löst die maritime Sicherheitsoperation der NATO „Sea 
Guardian“ (OSG) die seit 2001 andauernde Antiterror-Operation „Active 
Endeavour“ (OAE) ab. Das auf dem NATO-Gipfel in Warschau im Juli 2016 
beschlossene neue Aufgabenfeld umfasst neben der Terror- jetzt auch die 
Schleuserbekämpfung im gesamten See- und Luftraum von der Straße 
Gibraltars im äußersten Westen bis ans östliche Ende des Mittelmeers. 
OSG soll als Scharnier zwischen dem NATO-Einsatz in der Ägäis und der 
Operation Sophia fungieren. Die Bundeswehr unterstützt die Mission mit 
bis zu 650 bewaffneten Soldat_innen und trägt dafür Personal- und 
Beschaffungskosten von 2,6 Millionen Euro für das Jahr 2016 und von 10,5 
Millionen Euro für 2017. In Kooperation mit den erwähnten Missionen soll 
eine umfassende See- und Luftraumüberwachung erfolgen, jedoch in diesem 
Fall auch durch die Nutzung multinationaler, netzwerkgestützter 
Informationssysteme der NATO-Bündnispartner – einschließlich der 
AWACS-Aufklärungsflugzeuge, die die Bundesregierung auch im Syrienkrieg 
u.a. zur Luftbetankung von Kampfjets anderer Bündnispartner einsetzt.

Marineschiffe, die sich im Operationsraum im Transit befinden, sollen 
dem NATO-Kommando unterstellt werden. Diese sollen gegen den IS 
eingesetzt werden sowie gegen Schleusernetzwerke in Kooperation mit der 
NATO-Operation in der Ägäis und der Operation Sophia im libyschen Meer. 
Zudem sollen sie helfen, das Waffenembargo gegen Libyen durchzusetzen. 
Kurz: eine weitere eierlegende Wollmilchsau à la NATO.

Die NATO verzahnt sich zusehends mit der EU und rückt damit immer weiter 
als fester Baustein der EU-Migrationsbekämpfung vor. Unter dem Vorwand 
der Zerschlagung von Schleusernetzwerken legitimiert die NATO 
militärische Bewegungen, die generell zur Stärkung der Südflanke Europas 
beitragen.[16] Einen weiteren Beitrag für diese Verzahnung wird das im 
kommenden Jahr in Betrieb gehende Alliance Ground Surveillance System 
der NATO leisten, welches u.a. in der Überwachung der EU-Außengrenzen 
Verwendung finden soll. Es besteht aus mobilen Bodenstationen und fünf 
Global Hawk Drohnen, die gemeinsam mit ihrer Hauptsteuerungszentrale in 
der NATO-Militärbasis Sigonella auf Sizilien stationiert sind.

Von Migrationskontrolle zur permanenten Militärpräsenz?

In dem Faltblatt „Unsere Marine hilft Menschen in Not“ betont die 
Bundeswehr, Deutschland habe im April 2015 unverzüglich Schiffe der 
Marine geschickt, um die ertrinkenden Flüchtlinge zu retten. Auf der 
Rückseite des Faltblatts schlägt das Presse- und Informationszentrum des 
Marinekommandos ehrlichere Töne an: „Unser Wohlstand hängt wesentlich 
vom Handel über die Weltmeere ab. Der Handel über die Weltmeere 
erfordert sichere Seewege. Eine starke Marine schützt diese Seewege.“ 
Durch die öffentlichkeitswirksam als Seenotrettungsmissionen 
stilisierten Einsätze vertritt die Bundeswehr gemeinsam mit den anderen 
Instrumenten der deutschen Außenpolitik geopolitische und 
wirtschaftliche Interessen, denen eine permanente Präsenz im Mittelmeer 
zu Gute kommt. Selbst wenn die Bundeswehr in den vergangenen Monaten 
mehr als 17.972 Menschen aus Seenot gerettet haben sollte, geht das 
Sterben im Mittelmeer und auf dem Weg der Herkunftsländer an die 
EU-Außengrenzen weiter und es wird auch durch die weiteren 
Militärmissionen nicht gestoppt werden, da der politische Wille dazu 
fehlt. Im Gegenteil, ihre Präsenz im Mittelmeer verklärt die 
Bundeswehrrolle in der Migrationseindämmung und lenkt ab von der durch 
erpresserische Entwicklungshilfe und kostspieligen Ausstattungshilfe 
erzielten Grenzvorverlagerung. Es sind nicht primär die 
Schmuggler_innen, die Migrant_innen auf die unsicheren Schlauchboote 
locken, sondern es sind u.a. die durch Freihandelsabkommen, 
Waffenexporte und Kriegseinsätze geschaffene Fluchtursachen, die die 
Menschen zu dieser riskanten Überfahrt bewegen. Die Kosten dieser 
Politik tragen wie immer die Schutzsuchenden. Die radikale Forderung 
gegen die tödliche EU-Migrationspolitik muss weiterhin das Recht auf 
Bewegungsfreiheit aller beinhalten – Fähren statt FRONTEX, Fähren statt 
Kriegsschiffe.

Anmerkungen
[1] Es ist eine makabre Namensgebung angesichts der Tatsache, dass im 
Rahmen des Karthum-Prozesses versucht wird, durch Ausbildungs- und 
Ausstattungshilfen der EU, die Sicherheitskräfte der Länder am Horn von 
Afrika zu befähigen und zu verpflichten, keine Flüchtlinge an die EU 
Außengrenzen vordringen zu lassen.
[2] Plenarprotokoll 18/124, dipbt.bundestag.de, 24.09.2015
[3] Operation SOPHIA: signed the agreement on Libyan Coast Guard and 
Navy Training, eeas.europa.eu, 23.08.2016
[4] Gegen Schleusernetzwerke - Der Einsatz im Mittelmeer, 
einsatz.bundeswehr.de, 29.09.2016
[5] Mixed Migration Flows in the Mediterranean and Beyond, 
migration.iom.int, 21.09.2016
[6] EU im Einsatz gegen Menschenschmuggel: Abkommen über Ausbildung der 
libyschen Küstenwache und Marine unterzeichnet, 
https://ec.europa.eu/germany/news/eu-im-einsatz-gegen-menschenschmuggel-abkommen-%C3%BCber-ausbildung-der-libyschen-k%C3%BCstenwache-und_en
[7] Christoph Marischka: Mission Creep im Mittelmeer, IMI-Analyse 
2016/030, imi-online.de, 27.07.2016
[8] Matthias Monroy: Von der EU aufgebaute "Grenzschutztruppen" in 
Libyen verselbständigen sich, heise.de, 29.05.2014
[9] Jürgen Wagner: NATO-Gipfeltreffen in Warschau: Das 360-Grad-Bündnis 
geht in die Offensive, IMI-Analyse 2016/029, imi-online.de, 11.06.2016
[10]  Bundestagsdrucksache 18/8654
[11] Ebd.
[12] Die letzte weit kompliziertere Möglichkeit Russlands 
Marineeinheiten ins Mittelmeer zu verlegen, ist vom Westen über die 
Straße Gibraltars. Doch die wird seit 2001 durch die NATO Operation 
Active Endeavour und seit Oktober 2016 durch die Nachfolgeoperation Sea 
Guardian patrouilliert.
[13] Baranowski, Michal und Lete, Bruno: NATO in a World of Disorder: 
Making the Alliance Ready for Warsaw, German Marshall Fund, März 2016 , 
S. 16
[14] Ebd., S. 2.
[15] Christoph Marischka: NATO steigt in Syrienkrieg ein, IMI-Standpunkt 
2016/005, imi-online.de, 12.02.106
[16] Sicherheitsoperation im Mittelmeer. Bundeswehr nimmt an Sea 
Guardian teil, bundesregierung.de, 29.09.2016



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