[IMI-List] [0467] IMI-Analyse: Bundeswehr-Inlandseinsätze / Ausdruck (August 2016)
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imi at imi-online.de
Fr Aug 12 16:43:47 CEST 2016
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0467 .......... 19. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner / Christoph Marischka
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List findet sich
1.) der Hinweis auf die August-Ausgabe des IMI-Magazins AUSDRUCK;
2.) eine Analyse zur Debatte um Inlandseinsätze der Bundeswehr.
1.) AUSDRUCK (August 2016)
Komplette Ausgabe:
http://www.imi-online.de/download/AusdruckAugust2016-web.pdf
In der soeben erschienenen August-Ausgabe des Ausdruck finden sich die
Auswertungen des NATO-Gipfels, der EU-Globalstrategie und des Weißbuches
ebenso zu den militaristischen Positionen der AfD, zum Tag der
Bundeswehr und Debatte um den Anschlag in München. Außerdem enthalten
sind eine Analyse des EU-Einsatzes zur Migrationsbekämpfung im
Mittelmeer (Sophia), zur Debatte um den Libyen-Krieg auf Indymedia
Linksunten sowie dem Bericht der US-Regierung über die zivilen Opfer des
US-Drohnenkrieges.
Wie immer können die Artikel auch einzeln heruntergeladen werden. Damit
wir hierzu auch künftig in der Lage sind, benötigt die IMI Mitglieder
und Unterstützer, die im Übrigen den AUSDRUCK auf Wunsch auch in Print
erhalten: http://www.imi-online.de/mitglied-werden/
Deutschland und die Bundeswehr
-- Die AfD als Partei des (alten) deutschen Militarismus (Lucius Teidelbaum)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-August2016-LT.pdf
-- Akute „Sonderlage dahoam“. München zwischen Amok-Panik und
Terror-Angst (Wolfgang Blaschka)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-August2016-WB.pdf
-- Rückblick: Kein „Tag der Bundeswehr“ 2016 (Michael Schulze von Glaßer
/ Thomas Mickan)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-August2016-MSG-TM.pdf
-- Bittere Pille für den Frieden? Weißbuch zur Sicherheitspolitik
Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr (Andreas Seifert)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-August2016-AS.pdf
NATO & EU: Strategien
-- EU-Globalstrategie: Deutsch-französische Militarisierungsoffensive
(Sabine Lösing und Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-August2016-SL-JW.pdf
-- NATO-Gipfeltreffen in Warschau: Das 360-Grad-Bündnis geht in die
Offensive (Jürgen Wagner)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-August2016-JW.pdf
Nordafrika
-- Mission Creep im Mittelmeer. Seenotrettung, Embargo, Statebuilding
und Terrorbekämpfung (Christoph Marischka)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-August2016-CM.pdf
-- Mit dem Vorwurf „Antiimperialismus“ für den Krieg. Ein Rückblick auf
den Diskurs über die Libyen-Intervention auf „Linksunten“ (Philip Copony)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-August2016-PC.pdf
US-Drohnenkrieg
-- Zahlen ohne Aussagekraft: Der offizielle Bericht zu zivilen Opfern
des US-Drohnenkriegs (Marius Pletsch)
http://www.imi-online.de/download/Ausdruck-August2016-MP.pdf
2.) Analyse zur Debatte um Inlandseinsätze der Bundeswehr
IMI-Analyse 2016/33
Bundeswehr in den Straßen?
Einschätzungen zur aktuellen Debatte um Bundeswehreinsätze zur
Terrorabwehr in Deutschland
http://www.imi-online.de/2016/08/12/bundeswehr-in-den-strassen/
Martin Kirsch (12. August 2016)
In der aktuellen Terrorhysterie hat Verteidigungsministerin von der
Leyen mit ihrer Aussage, während eines für einen Anschlag gehaltenen
Amoklaufs in München(1) wären Bundeswehreinheiten in Alarmbereitschaft
versetzt worden, die mediale Aufmerksamkeit im Sommerloch erobert.
Die Intervalle zwischen entsprechenden Vorstößen der Union, die
Bundeswehr – zur Not auch mit Grundgesetzänderung – der Polizei als
Ordnungsfaktor im Inland an die Seite zu stellen, werden kürzer.
Neu ist dieser Diskurs allerdings nicht. Bereits 1993, im Kontext
kurdischer Proteste gegen türkische Einrichtungen in Deutschland,
forderte Wolfgang Schäuble, damaliger Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU,
die Möglichkeiten des Inlandseinsatzes der Bundeswehr auszuweiten.(2)
Seit dem werden die Graue Eminenz der Bundesregierung und weitere
Mitglieder seiner Fraktion nicht müde, dieses Thema bei jeder für sie
passenden Gelegenheit auf die Agenda zu setzen. So auch in der Debatte
um die Silvesternacht 2015/16 in Köln.(3) Die Stoßrichtung variiert
dabei der jeweiligen Situation entsprechend. Während 2006, 2007 und 2014
über den möglichen Abschuss von entführten Passagierflugzeugen
debattiert wurde, sind aktuell Einsätze von Fußsoldaten zur Terrorabwehr
in deutschen Großstädten gefragt.
Diese sollen, so die Vorstellung der Verteidigungsministerin und höherer
Bundeswehroffiziere, im Falle eines Terroranschlags mit ihren in
Auslandseinsätzen erlernten Fähigkeiten der Polizei unter die Arme
greifen. So gehören laut Generalleutnant Schelleis, Inspekteur der
Streitkräftebasis, die „Organisation von Checkpoints“ und der Umgang mit
„Sprengstoffbedrohungen oder Objektschutz“ zu den ausgewiesenen
Fähigkeiten der Feldjäger, auf die der Staat auch im Inland im Fall der
Fälle nicht verzichten sollte.(4)
Auch wenn eine Grundgesetzänderung zugunsten eines ausgeweiteten
Inlandseinsatzes und damit die präventive Präsenz der Bundeswehr auf
deutschen Straßen im Moment unwahrscheinlich erscheint, sollte die
aktuelle Diskussion, auch in Anbetracht der Entwicklungen in den
europäischen Nachbarländern, durchaus ernst genommen werden.
Beispiele zum Einsatz der Armee in einigen EU-Ländern
Bereits seit 2008 wird die italienische Armee für präventive Fußstreifen
und Objektschutz eingesetzt.(5) Ein Teil der Begründung dieser
„Operation Sichere Straßen“ ist die Terrorabwehr. In Österreich hat das
Bundesheer seit September 2015 die Möglichkeit, in polizeilicher
Funktion den Grenzschutz zu unterstützen(6) und reiht sich damit in die
Länder der Balkanroute ein, in denen Soldaten zum „Management“ der
Migrationsströme genutzt werden. Dabei gehen die Befugnisse in Ungarn
sogar so weit, dass Armeeangehörige „nicht tödliche Schusswaffen“ gegen
Geflüchtete einsetzen dürfen.(7)
Die Bilder von Soldaten, die seit November 2015 bzw. März 2016 in
französischen und belgischen Innernstädten Patrouille laufen, dürften
noch allen im Kopf sein. Während in Belgien Soldaten parallel im Mai
diesen Jahres als Streikbrecher in den Gefängnissen eingesetzt
wurden,(8) wird in Frankreich, das sich in einem kontinuierlich
verlängerten Ausnahmezustand befindet, aktuell eine Nationalgarde
aufgebaut. Diese neue aus Reserviesten bestehende Gliederung der Armee
soll zukünftig für Entlastung der regulären Streitkräfte sorgen, indem
sie die Sicherheitsaufgaben auf französischen Straßen übernimmt.(9)
Einen wenn auch im Vergleich zu den geplanten 84.000 Mann in Frankreich
minimalen und in den Aufgaben deutlich beschränkteren Vorstoß in diese
Richtung hat die deutsche Regierung bereits 2013 mit der Einrichtung der
sogenannten RSU-Kräfte (Regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte)
unternommen.(10)
Diese aus je 100 Reservisten bestehenden Einheiten wurden 2013
eingerichtet. Von ihren 30 über das gesamte Bundesgebiet verteilten
Basen aus können sie aus ihrem zivilen Beruf heraus alarmiert werden, um
die aktive Truppe im Bereich Heimatschutz zu unterstützen. Darunter
fallen der Objektschutz von Bundeswehrliegenschaften, im Ernstfall aber
auch von zivilen Einrichtungen, die Hilfeleistung bei Naturkatastrophen,
Großunglücken und bundeswehreigenen Großveranstaltungen.
Neben den regelmäßigen Übungen kamen Teile dieser Einheiten
beispielsweise im Rahmen des Elbehochwassers, aber auch beim Hamburger
Hafengeburtstag zum Einsatz.
Daran anknüpfend wird in der aktuellen Debatte bereits wild über die
Möglichkeit der Einführung einer Nationalgarde nach französischem oder
amerikanischem Beispiel in Deutschland spekuliert: „Nach den
islamistisch motivierten Anschlägen von Ansbach und Würzburg und dem
Amoklauf von München gibt es einem Medienbericht zufolge innerhalb der
Bundesregierung Überlegungen für ein neues nationales
Sicherheitskonzept. Zur Unterstützung der Polizei könnte etwa eine
‚Reservisten‘-Truppe eingesetzt werden, berichtete ‚Bild‘ unter Berufung
auf Regierungskreise. Dabei solle es sich um Freiwillige mit
militärischer oder polizeilicher Ausbildung handeln. Als Vorbild könnten
die Nationalgarde in den USA, der Reservedienst in Frankreich und die
Reserve-Armee in Großbritannien dienen.“(11)
Schrittweise Verschiebung der deutschen Sicherheitsarchitektur
Auch wenn sich die juristischen Grundlagen und Rechtskulturen in den
benannten EU-Staaten teils stark von denen in Deutschland unterscheiden
und z.B. Gendarmeriekräfte als Verbindungsglied zwischen Polizei und
Armee in einigen Staaten längst zum Alltag gehören, ist die aktuelle
Debatte ein Indiz dafür, dass sich in den letzten Jahren auch
hierzulande eine schleichende Entwicklung in diese Richtung vollzieht.
Die nach der Wiederbewaffnung Deutschlands 1955 ins Grundgesetz
eingeführte, verhältnismäßig strikte Trennung von zivilen und
militärischen Aufgaben wurde in den vergangenen Jahren, auch ohne
Grundgesetzänderung, schrittweise aufgeweicht.
Zum einen durch ständige Neuinterpretationen der bestehenden
Rechtsnormen durch Politik, Regierungen und Verfassungsgericht und zum
anderen durch den Aufbau neuer Strukturen innerhalb der Bundeswehr seit
Mitte der 2000er Jahre. Im Rahmen der sogenannten Amtshilfe ist die
Bundeswehr ohnehin mit kontinuierlich zunehmenden Einsätzen im Inland
aktiv. Diese reichen von Vorzeigeeinsätzen bei Überschwemmungen und
anderen Naturkatastrophen über die gerne präsentierte Hilfe im Rahmen
der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten bis hin zur
Bereitstellung von Kasernen, Parkplätzen und Gerät für diverse
Großeinsätze der Polizei.(12)
Während bisherige Großübungen der Katastrophenschutzbehörden mit
Beteiligung der Bundeswehr zwar Szenarien mit atomaren, biologischen
oder chemischen Kampfstoffen beinhalteten, die auch mit einer
terroristischen Bedrohung begründet wurden, war der Einsatz von Soldaten
als Ordnungskräfte im Inland im Rahmen solcher Übungen bis jetzt,
abgesehen von eher skurrilen Ausnahmen, ausgeschlossen worden. Im
Aufgabenprofil der bereits erwähnten RSU-Kräfte ist der Objektschutz als
Teil der Heimatschutzkonzepte der Bundeswehr allerdings bereits
angelegt. Eine Klarheit darüber, wann diese Einheiten zivile Objekte
bewachen sollen, besteht allerdings nicht. Hinzu kommt, dass die
Bundeswehr, v.a. die besagten Feldjäger in Afghanistan und im Kosovo
gemeinsam mit der Bundespolizei an der Ausbildung lokaler
Polizeieinheiten beteiligt sind und dort seit Jahren in enger Abstimmung
die Kontrolle von Menschenmassen im Rahmen der Aufstandsbekämpfung
trainieren und praktizieren.
Vorherige Tabus scheinen in der Debatte nach den Ereignissen in München
diskursiv wie praktisch gebrochen zu sein. Unklarheiten über
Einsatzmöglichkeiten und Alarmketten sollen zeitnah ausgeräumt werden.
„Noch in diesem Jahr sollte es eine erste Stabsübung geben, bei der die
Bundeswehr in die Terrorabwehr eingebunden wird“(13), kündigte der
Vorsitzende der Innenministerkonferenz und saarländische Innenminister
Bouillon an. Das genaue Szenario für die im Spätsommer/Herbst in
Baden-Würtemberg, dem Saarland und Sachsen-Anhalt geplante Übung ist
zwar noch nicht bekannt. Fest steht allerdings, dass Objektschutz,
Bewachung, Transport- und Sanitätsleistungen als bisherige Aufgaben von
Polizei und Rettungsdiensten auf dem Übungszettel stehen.
München und die Automatismen von Inlandseinsätzen
Dass die organisatorische Vorbereitungen auf die Zusammenarbeit von
Polizei, Bundeswehr und Katastrophenschutzkräften schon viel
fortgeschrittener ist, als jede öffentliche Übung zeigen könnte, und
längst ihre eigene Dynamik entfaltet, wird durch die tröpfchenweise
veröffentlichten Abläufe der ausschlaggebenden Nacht in München
deutlich. So waren es nach offiziellen Angaben nicht die Bayerische
Landesregierung oder das Innenministerium, die offiziell die Bundeswehr
anfragten und es war auch kein spontaner Geistesblitz der
Verteidigungsministerin oder irgendeines Generals in Berlin, die zur
Alarmbereitschaft einer Bundeswehreinheit führten.
Die Bereitschaft kam, so die offizielle und auch nicht ganz
unwahrscheinliche Version, durch eine „informelle“ Frage auf der
untersten Ebene zustande.
Ein Reservist des Kreisverbindungskommandos war im Krisenstab der Stadt
München anwesend, wie es seit rund zehn Jahren im Rahmen der
Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit (ZMZ-I) gang und gäbe ist. Dort wurde
die „informelle“ Frage gestellt, was die Bundeswehr, wie wahrscheinlich
alle anderen anwesenden Dienststellen – wenn auch unter anderen
Vorzeichen – zur Verfügung stellen könnte. Dabei sei die Fähigkeit der
Feldjäger, den Verkehr zu regeln und Absperrungen zu errichten, sowie
die Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr in den Raum
gestellt worden.
In der Folge wurde das Landeskommando Bayern der Bundeswehr und die
Verbindungs- und Koordinationsstruktur der zivil-militärischen
Zusammenarbeit im Inland (ZMZ-I) auf Bundesländerebene, in Bereitschaft
versetzt, die wiederum Kontakt mit dem Kommando Territoriale Aufgaben in
Berlin aufnahm. Dieses für alle Einsätze der Bundeswehr im Inland
zuständige Kommando holte sich aufgrund der unsicheren Rechtslage die
Zustimmung von der Verteidigungsministerin und leitete weitere Schritte ein.
Dieses von den Arbeitsabläufen geradezu idealtypische Vorgehen der
ZMZ-Strukturen der Bundeswehr führte also dazu, dass gegen 9:30 Uhr –
nur eine Stunde nach Kontaktaufnahme mit dem Landeskommando – rund
einhundert Feldjäger und Sanitäter für den Einsatz bereit standen.
Das Bezeichnende an diesem Vorgehen ist, dass trotz rechtlichen Bedenken
Bundeswehreinheiten für eine polizeiliche Aufgabe bereit gestellt
wurden, noch bevor überhaupt eine offizielle Anfrage durch die Behörden
des Freistaats Bayern gestellt wurde – und dass eine solche offizielle
Anfrage offenbar gar nicht nötig ist, um die Bundeswehr ins Spiel zu
bringen.
Das hier beschriebene Vorgehen stellt allerdings im Bezug auf
Naturkatastrophen und Großunfälle keine Neuheit dar. So unterhalten die
Landeskommandos und das Kommando Territoriale Aufgaben parallel zu den
zivilen Strukturen operierende Lagenzentren. Dort werden beispielsweise
Waldbrandstufen oder Pegelstände von Flüssen und Meeren überwacht, um
bei Bedarf schnellstmöglich Bundeswehreinheiten zur Verfügung stellen zu
können. Aktiv werden die Verbindungsstrukturen der Bundeswehr allerdings
auch bei Großereignissen wie Kirchentagen, Gipfeltreffen oder ähnlichem.
Fazit
Die offizielle und formaljuristische Ulitma Ratio eines
Bundeswehreinsatzes im Inland wird wie beschrieben bereits jetzt auf den
untersten Ebenen des Katastrophenschutzes strukturell außer Kraft
gesetzt. Die Abläufe in München zeigen erneut, dass es sich
ausschließlich um eine Frage von Opportiunität und politischem Willen
der Entscheidungsträger handelt, ob ein Einsatz der Bundeswehr erfolgt.
Im Nachhinein kann dann allenfalls vor einem Gericht eingeklagt werden,
dass der Einsatz unrechtmäßig war. Einen direkten Einfluss auf
zukünftige Szenarien hat dieser Weg allerdings kaum. Zumeist führt eine
Klage eher dazu, dass ein juristisch unklares Verhalten zumindest in
Teilen legitimiert wird und somit der Rahmen für zukünftige Situationen
zugunsten der Bundeswehr verschoben wird.
Sollte es also in Zukunft auch in Deutschland zu einem mit den
Ereignissen in Paris oder Brüssel vergleichbaren Szenario kommen, ist
davon auszugehen, dass die Bundeswehr, auch für polizeiliche Aufgaben,
aus den Kasernen geholt wird. Die organisatorischen Vorbereitungen sind
ohnehin bereits getroffen und werden in den anstehenden Übungen weiter
geprobt.
Um diese Entwicklungen zu bremsen oder gar aufzuhalten, wird allerdings
ein medialer Aufschrei allein nicht helfen. Dafür kann nur ein
kontinuierlicher von der Bevölkerung geübter Widerstand, beispielsweise
bei entsprechenden Übungen, sorgen. Im Falle eines Nationalen
Ausnahmezustandes in Folge eines größeren Terroranschlages dürften sich
diese Möglichkeiten allerdings auf ein Minimum verringern, wie die
Situation in Frankreich eindrücklich zeigt.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist der Vorstoß der Verteidigungsministerin, der
von diversen Länderinnenministern flankiert wird, allerdings eher als
diskursives Ereignis zu betrachten, in dem das Sicherheitsbedürfnis der
Bevölkerung gegen den Koalitionspartner und die Opposition in Stellung
gebracht werden soll. Während von der Leyen nicht in der Lage war, im
neuen Weißbuch(14) eindeutige Passagen zur Terrorabwehr durch die
Bundeswehr durchzusetzen, wird die mediale Terrorhysterie genutzt, um
den Rahmen zukünftiger Einsätze zu weiten und die Union zugleich als
Garant für Law and Order zu präsentieren.
Anmerkungen
1) Mittlerweile ist bekannt, dass es sich bei dem Amokläufer nicht um
einen Islamisten, sondern um einen überzeugten Rassisten und Verehrer
Adolf Hitlers gehandelt hat, der den Tag seiner Tat wohl bewusst auf den
fünften Jahrestag der Breivik-Anschläge in Norwegen legte. TAZ vom
28.07.2016: „München-Attentäter war Nazi“. Eine lesenswerte Einschätzung
zum polizeilichen quasi-Ausnahmezustand in München in Folge des
Amoklaufs findet sich im AUSDRUCK August 2016 und unter isw-muenschen.de
unter dem Titel „Akute Sonderlage Dahoam – München zwischen Amok-Panik
und Terror-Angst“.
2) Fokus.de: „Bundeswehr im Inneren“, 2007.
3) Sueddeutsche.de vom 15.01.2016: „Schäuble will nach Köln Möglichkeit
eines Bundeswehr-Einsatzes im Inneren“.
4) Süddeutsche Zeitung vom 03.08.2016: „Üben für den Extremfall“.
5) Jacqueline Andres: „Drohnen und Militär gegen die Unterweltmafia in
Italien“, IMI-Standpunkt 2014/004 – in: AUSDRUCK (Februar 2014).
6) Wirtschaftsblatt.at vom 14.09.2015: „Flüchtlinge: Faymann schickt
Bundesheer an die Grenze“.
7) Zeit.de vom 21.09.2015: „Ungarns Armee darf gegen Flüchtlinge vorgehen“.
8) Jungewelt.de vom 11.05.2016: „Armee der Streikbrecher“.
9) Süddeutsche Zeitung vom 04.08.2016: „Mit Sturmgewehr am Sandstrand“.
10) Martin Kirsch: „Der neue Heimatschutz der Bundeswehr“, IMI-Studie
2013/08a – in: AUSDRUCK (Juni 2013).
11) Ntv.de vom 26.07.2016: „Bekommt Deutschland eine Nationalgarde?“.
12) Bundestags-Drucksache 18/8427
13) Rp-online.de vom 30.07.2016: „Bundeswehr übt Einsatz im Inneren noch
dieses Jahr“
14) Eine erste Analyse zum neuen Weißbuch der Bundeswehr findet sich in:
Andreas Seifert: „Bittere Pille für den Frieden? – Weißbuch zur
Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“,
IMI-Analyse 2016/031.
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