[IMI-List] [0412] Studie Rohstoffimperialismus / Artikel Sicherheitskonferenz

IMI imi at imi-online.de
Mi Jan 15 14:57:16 CET 2014



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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0412 .......... 17. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jürgen Wagner
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich:

1.) Eine soeben erschienene IMI-Studie zum Thema Rohstoffimperialismus 
und Entwicklungspolitik;

2.) Ein Artikel zur anstehenden Münchner Sicherheitskonferenz am ersten 
Februar-Wochenende.


1.) Studie Rohstoffimperialismus und Entwicklungspolitik

Soeben ist die Studie „Rohstoffimperialismus: Deutsche und europäische 
Entwicklungspolitik im Dienste von Wirtschaft und Machtpolitik“ von 
Lukas Renz erschienen.

Die Studie kann wie immer gratis von der IMI-Seite heruntergeladen 
werden: http://www.imi-online.de/2014/01/15/rohstoffimperialismus/

Es folgt eine kurze Zusammenfassung und die Inhaltsangabe:

ZUSAMMENFASSUNG:

Die materielle Grundlage von Machtpolitik ist seit jeher der Zugriff auf 
Bodenschätze. Dies gilt auch heute für politische Akteure mit globalen 
Machtansprüchen wie Deutschland und die Europäische Union. Diese 
versuchen ihre Politik in den vergangen Jahren verstärkt auf die 
strategische Sicherung des Zugangs auf die in Entwicklungsländern 
befindlichen Rohstoffe auszurichten, wobei auch nichtenergetischen 
industriellen Rohstoffen ein besonderes Interesse vonseiten der 
Industrie und Politik zukommt. Denn auch diese Rohstoffe waren von den 
allgemeinen Preissteigerungen der Rohstoffe seit 2002 betroffen. Zur 
Erhaltung der Tradition eines kostengünstigen globalen Rohstoffzugangs – 
die spätestens seit Kolonialismus und Imperialismus gepflegt wird – 
gehen die Weltordnungsmächte zunehmend in die Offensive und bemühen 
dabei umfassend ihre verschiedenen Politikressorts. Die staatliche 
Entwicklungspolitik, die sich gerne ihrer hehren Ziele rühmen lässt, 
unterstützt dabei die von der deutschen und europäischen 
Außenwirtschaftspolitik forcierten Maßnahmen zur weitreichenden 
marktwirtschaftlichen Öffnung der rohstoffreichen Entwicklungsländer. 
Die Folge ist eine Verstetigung der Rolle als weitestgehend industrie- 
und kapitalfreie Rohstoffexporteure und der hiermit einhergehenden 
nachteiligen Lage in der weltkapitalistischen Arbeitsteilung. Die 
hierdurch verursachte Perpetuierung von Armut ist gleichzeitig eine 
wesentliche Ursache teils gewaltsam ausgetragener Konflikte. Sollten 
hiervon wiederum wichtige westliche (Rohstoff-)Interessen bedroht 
werden, so entscheidet sich die „internationale Gemeinschaft“ nicht 
selten für „friedenserzwingende Maßnahmen“, um diese Interessen zu 
wahren beziehungsweise durchzusetzen. Selbst hier leistet die 
Entwicklungspolitik tatkräftige Schützenhilfe, indem sie über das 
Konzept der Vernetzten Sicherheit zu einem integralen Bestandteil 
militärischer „Stabilisierungsoperationen“ geworden ist.

INHALTSVERZEICHNIS

0 Abstract
1 Einleitung
2 Geschichtlicher Abriss: Bedeutung der Rohstoffe
3 Rohstoffe: Vorkommen, Verteilung, Konsum
3.1 Rohstoffabhängigkeit Deutschlands und der EU
3.2 Neue Konkurrenten
3.3 Ungleichheit im Rohstoffkonsum
4 Die Rohstoffstrategie Deutschlands und der EU
4.1 Sicherung nichtenergetischer Rohstoffe
4.2 Bundesregierung und Industrie: Hand in Hand im Rohstoffdialog
4.3 Kernpunkte der Rohstoffstrategie der Bundesregierung
4.4 Kernpunkte der Rohstoffstrategie der EU
4.5 Industrierohstoffe: Die Knappheit ist keine physische
4.6 Außenwirtschaftspolitik und die Perpetuierung der Ausbeutung
4.7 Rohstoffsicherheit als ressortübergreifender Handlungsauftrag
5 Entwicklungspolitik und Rohstoffsicherung
5.1 Eine kurze Geschichte der Entwicklungspolitik
5.2 Rohstoffe und die Entwicklung der Unterentwicklung
5.3 Marktkonforme Öffnung der Empfängerländer
6. Sicherheitspolitik und Rohstoffsicherung
6.1 Die strategischen Grundlagen militärischer Rohstoffsicherung
6.2 Maritimer Militarismus
6.3 Waffenhandel als Rohstoffdiplomatie
6.4 Fragile Staaten und abstrakte Bedrohungen
6.5 Ganzheitlichkeit und Vernetzte Sicherheit
7 Schlussworte

Die gesamt Studie zum download: 
http://www.imi-online.de/2014/01/15/rohstoffimperialismus/


2.) Artikel zur Münchner Sicherheitskonferenz


IMI-Standpunkt 2014/002
Chauvinisten und Kriegsverbrecher
Henry Kissinger und Joachim Gauck als Ehrengäste der diesjährigen 
Münchner Sicherheitskonferenz
http://www.imi-online.de/2014/01/15/chauvinisten-und-kriegsverbrecher/
Jürgen Wagner (15. Januar 2014)

Seit nunmehr 50. Jahren werden auf der Münchner Sicherheitskonferenz 
wichtige Weichen für die kommende westliche Kriegspolitik gestellt und 
auch heuer wird sich, dieses Mal am ersten Februar-Wochenende, eine 
illustre Runde in der bayrischen Hauptstadt zusammenfinden. Bislang 
haben sich 18 Staats- und Regierungschefs sowie 50 Außen- und 
Verteidigungsminister angesagt. Aus den USA werden Verteidigungsminister 
Chuck Hagel, Außenminister John Kerry, Obamas Sicherheitsberaterin Susan 
Rice sowie zahlreiche Senatoren erwartet. Für Deutschland sind u.a. die 
neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und der neue/alte 
Außenminister Frank-Walter Steinmeier angekündigt.

Sich regelrecht selbst übertroffen hat der Konferenzleiter (und Tübinger 
Honorarprofessor) Wolfgang Ischinger mit der Auswahl seiner Ehrengäste: 
Mit Bundespräsident Helmut Gauck wird der Wortführer eines neuen 
deutschen Chauvinismus und einer ambitionierten Weltmachtrolle die 
Eröffnungsrede halten. Und wer denkt, dies sei schwer zu toppen, dem sei 
gesagt, dass auch der Kriegsverbrecher Henry Kissinger zu den 
diesjährigen Ehrengästen zählen wird.

Gauck: Stimme von Chauvinismus und Weltmachtpolitik

Im Juni 2012 gab der neu ins Amt berufene Bundespräsident Joachim Gauck 
bei seinem Antrittsbesuch bei der Bundeswehr einen üblen Vorgeschmack, 
was von ihm in den nächsten Jahren zu erwarten sein würde. Die 
Bundeswehr müsse „einem ‚gerechten Frieden’ den Weg bahnen“ und in der 
Lage sein, „friedliche Koexistenz zu schaffen […], dort wo Hass 
regiert.“ Gauck weiter: „Gewalt, auch militärische Gewalt, wird ja immer 
ein Übel bleiben. Aber sie kann – solange wir in der Welt leben, in der 
wir leben – […] notwendig und sinnvoll sein, um ihrerseits Gewalt zu 
überwinden oder zu unterbinden.“

Neben diesem Einblick in Gaucks Weltbild zeichnete sich seine 
Antrittsrede vor allem durch einige besonders gruselige chauvinistische 
Aussagen aus. So beklagte der Bundespräsident die mangelnde 
Unterstützung der Bundeswehr in der Bevölkerung. „Freiheit, so haben wir 
gelernt, ist ohne Verantwortung nicht zu haben. Sie entbehrt auch ihres 
Wertes und ihrer Würde ohne diesen Begriff. Für Sie, liebe Soldatinnen 
und Soldaten, ist diese Haltung schrittweise selbstverständlich 
geworden. Ist sie es auch in unserer Gesellschaft? Freiheit und 
Wohlergehen sehen viele als Bringschuld der Demokratie und des Staates. 
Manche verwechseln dabei aber Freiheit mit Gedankenlosigkeit, 
Gleichgültigkeit oder auch Hedonismus.“ Schließlich bekam auch noch das 
Gros der Jugendlichen ihr Fett weg, denen der Bundespräsident einen 
mangelnden „Patriotismus“ und fehlende „Heimatliebe“ vorwarf, wobei 
Soldaten die positive Ausnahme seien. Gauck schloss seine Ausführungen 
mit der Aussage, aufgrund ihrer „Bereitschaft zur Hingabe“ seien 
Soldaten eigentlich „Mut-Bürger in Uniform“.

Programmatisch noch ein wenig schlimmer wurde es dann etwas mehr als ein 
Jahr später bei Gaucks Rede zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 
2013: „Ich mag mir nicht vorstellen, dass Deutschland sich groß macht, 
um andere zu bevormunden. Aber ich mag mir genauso wenig vorstellen, 
dass Deutschland sich klein macht, um Risiken und Solidarität zu 
umgehen.“ Wie zumindest in den deutschen Eliten dieser Satz verstanden 
wurde, nämlich als Generalangriff auf die – angebliche - deutsche Kultur 
(militärischer) Zurückhaltung, untermauert Wolfgang Ischinger, indem er 
Gaucks Satz in seiner Dezember-Kolumne auf der 
Sicherheitskonferenz-Seite erst vollständig zitierte und gleich im 
Anschluss folgendermaßen auslegte: „War das eine Absage an die 
überstrapazierte sogenannte Kultur der militärischen Zurückhaltung?“

Die Frage war natürlich rein rhetorischer Natur und wo Ischinger selbst 
hier steht, dürfte er ebenfalls klar beantwortet haben, indem er Gauck 
die Eröffnungsrede antrug. Auch wenn der Bundespräsident sicherlich als 
einer der profiliertesten Exponenten mit der Forderung an die 
Öffentlichkeit tritt, die vorgebliche Kultur der Zurückhaltung endgültig 
ad acta zu legen – allein ist er damit bei weitem nicht. Im Gegenteil, 
diese Forderung, verklausuliert in einem neuen „Duktus machtpolitischer 
Verantwortung“, die es wahrzunehmen gelte, stand auch im Zentrum des 
Papiers „Neue Macht – Neue Verantwortung“, das von 50 führenden 
Mitgliedern des außen- und sicherheitspolitischen Establishments im 
September 2013 veröffentlicht wurde und floss schließlich auch in den 
neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD mit ein (siehe hierzu 
ausführlich IMI-Analyse 2013/036).

Kissinger: Kriegsverbrecher als Ehrengast

Neben Gauck sind als „Special Guests“ darüber hinaus folgende Personen 
angekündigt: „Als Ehrengäste werden der frühere Bundeskanzler Helmut 
Schmidt, der ehemalige französische Präsident Valerie Giscard d'Estaing 
und der frühere US-Außenminister Henry Kissinger zu der dreitägigen 
Konferenz erwartet.“ Nun gäbe es über jeden der Drei einiges zu sagen, 
an dieser Stelle soll sich aber auf Kissinger beschränkt werden, um 
dessen Person bzw. um die nach ihm benannte "Henry Kissinger Professur 
für Internationale Beziehungen und Völkerrecht", die an der Universität 
Bonn eingerichtet werden soll, in jüngster Zeit heftige Konflikte und 
Proteste ausgebrochen sind.

Das eine Problem besteht dabei darin, dass die Stiftungsprofessur fast 
ausschließlich vom Verteidigungsministerium finanziert werden soll 
(250.000 Euro jährlich, weitere 50.000 sollen vom Außenministerium 
kommen). Die Sorge liegt hier auf der Hand, dass – wie bei 
Stiftungsprofessuren üblich – der Geldgeber hier in erheblichem Maß die 
Forschungsagenda bestimmen und damit über den Lehrstuhl 
Militärpropaganda betrieben werden dürfte, die an Hochschulen nichts 
verloren hat (siehe IMI-Standpunkt 2013/057).

Noch unverschämter ist, dass die Professur ausgerechnet nach einem 
ausgewiesenen Machtpolitiker und Menschenrechtsverbrecher benannt werden 
soll. Das „European Center for Constitutional and Human Rights” (ECCHR) 
hat im September 2012 eine ausführliche „Würdigung” Kissingers 
veröffentlicht, aus der hier nur kurz zitiert werden soll, um zu 
verdeutlichen, wes Geistes Kind der frühere US-Top-Politiker ist: „Henry 
A. Kissinger war von Januar 1969 bis November 1975 Nationaler 
Sicherheitsberater der US-Präsidenten Richard Nixon und Gerald Ford und 
von September 1973 bis Januar 1977 US-Außenminister. In seine Amtszeit 
fielen unter anderem die amerikanischen Bombardierungen von Laos und 
Kambodscha, die Unterstützung rechter Militärs in Chile beim Sturz der 
gewählten sozialistischen Regierung sowie die Massaker der 
pakistanischen Streitkräfte im heutigen Bangladesch und der 
indonesischen Streitkräfte in Osttimor. Bei diesen Ereignissen kamen 
tausende Oppositionelle und Zivilisten ums Leben, viele Personen 
verschwanden oder wurden gefoltert. [Es ist] unverständlich, warum über 
einen Mann wie Henry Kissinger bis heute in Medien und Öffentlichkeit in 
Deutschland weder kritische Töne erhoben werden noch eine 
Auseinandersetzung über seine Beteiligung an schwersten Verbrechen 
stattfindet. Seine vielfachen Besuche in Deutschland böten hierzu 
genügend Anlass.“

Vollkommen zu Recht hagelt es vor diesem Hintergrund von allen Seiten 
Kritik an der Einrichtung der Professur – und erfreulicherweise formiert 
sich auch Protest hiergegen. Exemplarisch hat etwa das Bonner 
Studierendenparlament am 17. Oktober 2013 einen Beschluss 
„Kissinger-Professur“ gefasst, in dem es heißt: „Das 
Studierendenparlament der Universität Bonn lehnt die Namensgebung und 
das bisherige Finanzierungskonzept ab. Zum einen ist fraglich, ob Henry 
Kissinger, aufgrund der von ihm verantworteten Politik, als Vorbild für 
Wissenschaft und Lehre des Völkerrechts geeignet ist. Zum anderen 
bereitet die Finanzierung durch das Verteidigungs- und Außenministerium 
Anlass zur Sorge, dass die wissenschaftliche Unabhängigkeit dieses 
Lehrstuhls nicht gewährleistet ist.“

Doch von dieser Kritik will Wolfgang Ischinger augenscheinlich nichts 
wissen – im Gegenteil. Indem er Henry Kissinger als Ehrengast einlädt, 
hofiert er nicht nur einen Kriegsverbrecher, sondern er erweist sich in 
dem Konflikt um die Stiftungsprofessur in Bonn – einmal mehr – eindeutig 
als ausgewiesener Hardliner. Es steht deshalb zu hoffen, dass auch 
dieses Jahr bei der Großdemonstration gegen die Münchner 
Sicherheitskonferenz am 1. Februar 2014 (Beginn: 13 Uhr Marienplatz) 
möglichst viele Menschen ein deutliches Zeichen gegen das Treffen der 
internationalen Kriegselite setzen werden (Materialien zur Mobilisierung 
finden sich hier [Links nur im html]). Denn im Aufruf zu den 
Gegenaktivitäten, zu denen u.a. auch noch eine Alternativkonferenz 
gehört, heißt es unter dem Titel „50 mal SIKO – 50 mal zuviel“: „Den 
selbsternannten Weltherrschern, die sich im Bayerischen Hof versammeln, 
erklären wir: Ihr seid in München und überall auf der Welt unerwünscht.“

-- 
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