[IMI-List] [0393] Neuer AUSDRUCK (April 2013)/ Militärseelsorge

IMI imi at imi-online.de
Mi Apr 10 11:40:11 CEST 2013


----------------------------------------------------------
Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0393 .......... 16. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Thomas Mickan/ Jonna Schürkes
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
----------------------------------------------------------


Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) der neu erschienene AUSDRUCK (April 2013)

2) ein Artikel zur Militärseelsorge


1) der neu erschienene AUSDRUCK (April 2013)

Die aktuelle Ausgabe unseres Magazins ist soeben erschienen und kann 
hier heruntergeladen werden: 
http://www.imi-online.de/download/april2013.pdf

INHALTSVERZEICHNIS AUSDRUCK (April 2013)

IRAK

Irak: 10 Jahre nach der Invasion
http://www.imi-online.de/download/JG-AUSDRUCK-2-2013.pdf
Joachim Guillard

KRIEGE IN AFRIKA

Wüstenkriege – Die Stabilisierung der Zentren durch den Krieg in der 
Peripherie
http://www.imi-online.de/download/CM-AUSDRUCK-2-2013.pdf
Christoph Marischka

Mali: Interessen, Intrigen, Interventionen
http://www.imi-online.de/download/WR-AUSDRUCK-2-2013.pdf
Werner Ruf

Wie der Terrorismus nach Westafrika kam
http://www.imi-online.de/download/CMb-AUSDRUCK-2-2013.pdf
Christoph Marischka

Dschibuti: Proteste im Land der Militärbasen
http://www.imi-online.de/download/JS-AUSDRUCK-2-2013.pdf
Jonna Schürkes

BUNDESWEHR

Durchschaubares Wahlkampfmanöver
http://www.imi-online.de/download/MH-AUSDRUCK-2-2013.pdf
Michael Haid

Keinen Segen für das Militär! Militärseelsorge abschaffen!
http://www.imi-online.de/download/RS-AUSDRUCK-2-2013.pdf
Rainer Schmid

RUSSLAND

Überlastung statt Reset – Zunehmende Spannungen zwischen Russland und 
den USA
http://www.imi-online.de/download/MP-AUSDRUCK-2-2013.pdf
Mirko Petersen

SYRIEN

EU erweitert Instrumentarium- Aufrüstung von Bürgerkriegsparteien als 
Teil des Sanktionsregimes
http://www.imi-online.de/download/CMc-AUSDRUCK-2-2013.pdf
Christoph Marischka

2) Artikel zur Militärseelsorge

IMI-Standpunkt 2013/015

Keinen Segen für das Militär! Militärseelsorge abschaffen!

http://www.imi-online.de/2013/03/25/keinen-segen-fur-das-militar-militarseelsorge-abschaffen/
http://www.imi-online.de/download/RS-AUSDRUCK-2-2013.pdf
Rainer Schmid

Es gibt in Deutschland ungefähr 100 evangelische und 100 katholische 
Militärpfarrer. Auf evangelischer Seite gibt es auch ein paar 
Militärpfarrerinnen.

Militärpfarrer werden von ihrer Heimatkirche für circa 6 Jahre 
freigestellt. Sie werden vom Militärischen Abschirmdienst überprüft, sie 
werden Bundesbeamte auf Zeit, sie leisten einen Beamten-Eid, sie haben 
ihr Büro in der Kaserne, sie fahren Dienstwagen der Bundeswehr, sie 
werden direkt vom Bundesministerium für Verteidigung bezahlt, sie tragen 
im Auslandseinsatz und auf Kriegsschiffen militärische Kleidung, und sie 
haben eine Bundeswehr-Mail-Adresse. Jedes Militärpfarramt ist eine 
Dienststelle des Bundesministeriums für Verteidigung.

Dennoch behaupten Militärseelsorger, in ihrem Bekenntnis und in ihrer 
Verkündigung unabhängig zu sein. Dies stimmt mit der Praxis nicht 
überein. Militärpfarrer sind – siehe oben – vollständig in das Militär 
integriert. Das militärische Denken, die militärische Wortwahl und der 
militärische Habitus färben auf die Militärpfarrer ab. Es bewerben sich 
in der Regel auch nur solche Pfarrer auf die Militärpfarrstellen, die 
eine Affinität zu hierarchischen Strukturen haben.

Offiziell sind die Militärpfarrer exemt, das ist lateinisch und heißt 
enthoben. Es bedeutet: Militärpfarrer haben keinen militärischen 
Dienstgrad. Aber in der Praxis wird ein Militärpfarrer von den Soldaten 
entsprechend seiner Bezahlung (A14/15) wie ein Oberstleutnant angesehen 
und angesprochen.

Jeder Militärpfarrer untersteht einem Militärdekan. Die Militärdekane 
wiederum unterstehen den Militärbischöfen. Es gibt in Deutschland vier 
katholische und fünf evangelische Militärdekanate und zwei 
Militärbischöfe: einen evangelischen und einen katholischen.

Die beiden Militärbischöfe verfügen jeweils über eine kleine Behörde. 
Auf katholischer Seite ist dies das „Katholische Militärbischofsamt“ 
(KMBA), auf evangelischer Seite das „Evangelische Kirchenamt für die 
Bundeswehr“ (EKA). In diesen Behörden sind Militär und Kirche 
ununterscheidbar miteinander verbunden. Das „Evangelische Kirchenamt für 
die Bundeswehr“ ist, anders als der Name suggeriert, keine kirchliche 
Behörde, sondern eine Behörde des Bundesministeriums für Verteidigung. 
Aufgaben des KMBA und des EKA sind Pressearbeit, Fortbildungen, 
Personal, Fuhrpark, Organisation des „Lebenskundlichen Unterrichts“, 
Kontakte zu kirchlichen und militärischen Gremien.

Die Militärseelsorge in Deutschland kostet mindestens 30 Millionen Euro, 
wenn man nur die 200 Pfarrhelfer, die Bürokosten und die Dienstfahrten 
dazu rechnet. Wenn man aber weitere Nebenkosten, zum Beispiel das EKA 
und das KMBA dazurechnet, kommt man leicht auf 50 Millionen Euro im Jahr.

In einer repräsentativen Umfrage* der Bundeswehr aus dem Jahre 2002 
wurden Soldaten, die aus einem Auslandseinsatz nach Hause kamen, 
befragt: „Mit wem sprechen Sie über Ihre persönlichen Ängste und 
Gefühle?“ Die Auswertung der Antworten ergab: 55 % der Soldaten sprechen 
darüber mit Kameraden, 46 % mit der Partnerin beziehungsweise dem 
Partner, 7% mit dem Vorgesetzten, 9% mit Eltern oder Bekannten, 23% 
reden mit niemanden darüber, und nur 1% spricht mit dem 
Militärpsychologen, 1% mit dem Arzt, und 1% mit dem Militärpfarrer. 
Mehrfachnennungen waren erlaubt.

Andererseits finden es über 80 % der Soldaten gut, wenn bei einem 
Auslandseisatz ein Militärpfarrer dabei ist.

Das heißt: Die Soldaten benötigen den Militärpfarrer zwar nur selten für 
ein Gespräch, aber sie wollen generell, dass ein Pfarrer dabei ist: Wenn 
ein Pfarrer dabei ist, kann das, was wir hier im Ausland tun, nicht so 
schlimm sein.

Bei Trauerfeiern für gefallene Soldaten geben die Militärpfarrer diesem 
Tod einen Sinn: Diese Soldaten seien für die Freiheit der afghanischen 
Frauen gefallen, und man müsse den Auftrag dieser Soldaten nun weiter 
führen. Die Militärpfarrer haben die wichtige Aufgabe, in diesen 
Grenzsituationen Worte zu finden, zu trösten und eine Trauerfeier 
abzuhalten.

Außerdem richtet der Militärpfarrer einzelne Soldaten, die „belastende 
Situationen“ erlebt haben, in der Seelsorge wieder auf. Er macht die 
Soldaten wieder fit, damit sie weiter kämpfen können.

Darüber hinaus soll ein Militärpfarrer die zu Hause geblieben 
Angehörigen begleiten und trösten. Dies alles dient dazu, die Härten des 
Krieges abzufedern.

Militärpfarrer rechtfertigen sich gerne mit zwei Argumenten. Erstens: 
„Wir tun nur das, was auch die Gefängnispfarrer tun. Wir kümmern uns um 
die Sünder.“ Aber dieses Argument trifft nicht zu. Denn es gibt einen 
grundsätzlichen Unterschied. Gefängnispfarrer begleiten ihre Klienten 
nicht auf gewalttätigen Gruppenreisen, aber Militärpfarrer tun genau dies.

Zweitens sprechen Militärpfarrer gerne von einem Dilemma: Ob man in 
einen Bürgerkrieg eingreift oder nicht, man wird so oder so schuldig. 
Wir leben nun ´mal in der gefallenen Welt. Seit dem Sündenfall gibt es 
die Gewalt.

Aber hat Jesus das Dilemma gepredigt? Oder hat er die Nachfolge 
gepredigt? Jesus hat in einer gewalttätigen Welt gelebt, und dennoch hat 
er Gewaltfreiheit gelebt. Christen sollen / dürfen in seinem Geist 
leben. Christen sollen im Geist der neuen Weltordnung Gottes (des 
Reiches Gottes) leben. „Selig sind die Sanftmütigen“ und „selig sind, 
die Frieden stiften.“ Er hat gewaltfreie, wirksame Formen des 
Widerstandes gelehrt. Seinen Schülern hat er gesagt: „Haltet alles, was 
ich euch befohlen habe.“ Dazu gehört auch die Gewaltfreiheit.

Den großen Kirchen fällt es schwer, sich vom Militär abzugrenzen. Das 
hat geschichtliche Gründe. Konstantin der Große (4. Jh.) hat das 
Christentum zur Staatsreligion gemacht. Seit damals begleiten 
Militärpfarrer die Kriegszüge der „christlichen Obrigkeit“. Als Lohn 
dafür bekam die Kirche viel Macht und Geld.

Auch Martin Luther hat die Zusammenarbeit von Militär und Kirche 
ungebrochen weitergeführt. Im Grundbekenntnis der lutherischen Kirche 
steht: Es ist gut, dass „Christen ohne Sünde ... rechtmäßig Kriege 
führen … können.“ (Augsburger Bekenntnis, 1530, Artikel 16)

Es gab in der Kirche aber immer Gegenbewegungen. Es gab Franz von 
Assisi, der die Gewaltfreiheit gelehrt hat. Und in der Reformationszeit 
gab es die Wiedertäufer, zum Beispiel Michael Sattler. Er hat den 
Militärdienst abgelehnt und wurde hingerichtet. Andere Wiedertäufer 
mussten auswandern.

Nachfahren der Wiedertäufer sind die Mennoniten und die Quäker. Von 
diesen kleinen Friedenskirchen können die großen Kirchen heute etwas 
lernen. Die großen Kirchen wären außerdem glaubwürdiger, wenn sie die 
„Konstantinische Gefangenschaft“ überwinden und sich vom Militär 
abgrenzen würden.

Nichts spricht dagegen, dass ein Soldat einen Gottesdienst besucht. 
Soldaten sind herzlich eingeladen, beim Abendmahl mit andern 
Christ/innen zusammen im Kreis zu stehen und mit anderen Christen 
zusammen das Abendmahl zu feiern. Jesus ist auf den Oberzöllner Zachäus 
zugegangen. Jesus hat zwischen der Person und ihren Taten unterschieden. 
In der DDR waren die Pfarrämter und Kirchengemeinden auf diese Weise 
immer offen für Soldaten. In Kaiserslautern gibt es seit 2012 ein 
kirchliches Kontakt- und Beratungscafé für amerikanische Soldaten.

Nach dem Fall der Mauer gab es die Chance, das Modell der östlichen 
Landeskirchen zu übernehmen. Diese Chance wurde vertan. Gegen alle 
Kritik aus östlichen Landeskirchen wurde auch dort das westliche Modell 
eingeführt.

Im Jahre 2012 hat sich auf der Herbsttagung des 
Dietrich-Bonhoeffer-Vereins in Halle/Saale die „Ökumenische Initiative 
zur Abschaffung der Militärseelsorge“ gegründet. Sie wird von über 80 
Personen und einigen Organisationen unterstützt. Einer der Unterstützer 
ist Professor Dr. Jürgen Moltmann.

Es wurde ein Thesenpapier erarbeitet, eine Website erstellt und ein 
Spendenkonto eingerichtet. Durchgeführt wurden Mahnwachen in Hannover 
und Köln. Auch auf dem Kirchentag in Hamburg, genauer gesagt auf dem 
Markt der Möglichkeiten (2.-4. Mai 2013), wird die Initiative präsent sein.


Rainer Schmid, Friedrichshafen
Website: http://www.militaerseelsorge-abschaffen.de/

Anmerkung:
* Martin Bock, Religion "Religion als Lebensbewältigungsstrategie von 
Soldaten - Die Einstellung von Soldaten zu Glaube, Werten und Seelsorge 
und ihre Veränderung im Bosnieneinsatz der Bundeswehr" 
(Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr, Strausberg 2002). 
ISSN 0342-2569.

Literatur:
Sylvie Thonak „Evangelische Militärseelsorge und Friedensethik – eine 
Problemanzeige“, Zeitschrift Evangelische Theologie (EvTh), 72. 
Jahrgang, Heft 3/2012, Juni 2012, Rubrik „Zur Situation“, Seite 221 – 
238. ISSN: 0014-3502.





Mehr Informationen über die Mailingliste IMI-List