[IMI-List] [0383] IMI-Kongress (updates) / Wehrforschung

IMI imi at imi-online.de
Mi Nov 7 15:51:27 CET 2012


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Online-Zeitschrift "IMI-List"

Nummer 0383 .......... 15. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563

Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner

Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list

Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3

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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) Neue Infos zum IMI-Kongress

2) Ein Artikel zum Thema Wehrforschung

1) Neues zum IMI-Kongress "Entdemokratisierung und Krieg -- Kriegerische 
Demokratie"

Noch eineinhalb Wochen bis zum IMI-Kongress am 17./18. November! Für 
alle, die bereits am Freitag den 16. November anreisen, findet eine 
gemütliche Auftaktveranstaltung mit Volksküche (ab 19h30) und einer 
kleinen Videopräsentation in der Hausbar der Schellingstrasse 6 statt.

Wer noch eine Übernachtungsgelegenheit (mit Schlafsack) benötigt, melde 
sich bitte telefonisch oder per Mail im IMI-Büro: imi at imi-online.de 
<mailto:imi at imi-online.de>

Ansonsten gibt es mittlerweile eine kleine Programmänderung:

Jörg Friedrich wird am Sonntag zum Thema "Feindkonstruktion und 
Frontenbildung in der Netzwelt" referieren. Florian Rötzer musste seine 
Teilnahme leider absagen.

Alle wichtigen Infos zum Kongress, Programm, Plakate, Flyer etc. finden 
sich weiterhin hier: 
http://www.imi-online.de/2012/10/30/imi-kongress-2012-17-18-november-entdemokratisierung-und-krieg-kriegerische-demokratie/ 


Hier noch der Link zu einem Radiointerview über den IMI-Kongress: 
http://www.imi-online.de/2012/11/06/audio-interview-zum-imi-kongress/

Die Pressemitteilung zum Kongress findet sich hier: 
http://www.imi-online.de/2012/11/07/kongress-der-informationsstelle-militarisierung-in-zehn-tagen-kleine-programmanderungen/ 


2) Artikel zur Rüstungsforschung

IMI-Standpunkt 2012/062

Neue Wege für die Rüstungsforschung

Der RWTH Aachen richtet Professur für Rüstung ein

http://www.imi-online.de/2012/11/02/neue-wege-fur-die-rustungsforschung/

Andreas Seifert (2. November 2012)

Den Lesern des Magazins Europäische Sicherheit & Technik (früher: 
Strategie & Technik) ist das INT in Euskirchen ein Begriff. Das 
Fraunhofer-Institut für naturwissenschaftlich-technische Trendanalyse 
kurz INT ist bekannt für seine Beobachtungen von Forschung mit Bezug zu 
Rüstung und Militär. Es veröffentlicht wissenschaftlich untermauerte 
Prognosen, wohin sich Wehrwirtschaft und -technologie entwickeln könnten 
und sollten. Mit seinen 100 Mitarbeitern und einem Jahresbudget von 7,2 
Millionen Euro ist es seit Jahrzehnten das Beratungsinstitut für das 
Verteidigungsministerium in Technik- und Forschungsfragen. Das INT ist 
überdies am Fraunhofer Verbund Verteidigung und Sicherheit beteiligt.

Zum 1. September fand nun der Wechsel in der Geschäftsführung des INT 
statt, der auch eine Wende in der Institutspolitik und darüber hinaus 
markiert.[1] Bisher schon mit der im Rahmen des Bonn-Berlin-Ausgleichs 
gegründeten Hochschule Bonn-Rhein-Sieg verbandelt, wird nun mit der 
Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen eine 
strategische Partnerschaft eingegangen. Der bisherige Institutsdirektor 
Wiemken war bereits Honorarprofessor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg 
und auch der neue Leiter wird als Professor eine Hochschule eng an das 
INT binden -- allerdings nicht als Honorarprofessor, sondern als 
ordentlicher Professor mit eigenem Lehrstuhl und regelmäßigen 
Lehrveranstaltungen. Die neu geschaffene Professur "Technologieanalysen 
und -vorausschau auf dem Gebiet der Sicherheitsforschung" an der 
Fakultät für Maschinenwesen ist insofern bemerkenswert, als mit ihr 
erstmals ein Lehrstuhl geschaffen wird, der ein Verbindung zwischen 
Trendanalyse und unmittelbarer technischen Forschung herstellt. Der 
Eindruck drängt sich auf, dass die RWTH Aachen sich mit dieser Professur 
eine besondere Ausgangsbasis schafft, die Forschung im Bereich der 
Sicherheitstechnik und Rüstung zu verstärken. Die RWTH Aachen etabliert 
sich mit diesem Schritt an der vordersten Front dessen, was der 
Verteidigungsminister de Maizière als die Stärkung der 
Wehrwissenschaften einfordert.

Bereits im Ressortforschungsplan des Verteidigungsministerium für 2011 
hieß es: "Wehrwissenschaftliche Forschung setzt grundsätzlich auf den 
Erkenntnissen der zivilen Forschung auf (,Add-on-Prinzip'), wenn 
nationale Sicherheitsinteressen und das angestrebte Fähigkeitsprofil der 
Bundeswehr es erfordern. Sind entsprechende Ergebnisse anderer Ressorts 
bzw. der zivilen Forschung nicht verfügbar, müssen sie im Rahmen der 
Ressortforschungsaktivitäten erarbeitet werden. Konzepte und 
entsprechende Technologien, die sowohl für die wehrwissenschaftliche 
Forschung als auch für die zivile Sicherheitsforschung relevant sind, 
bilden die Schnittstellen für das BMVg zur zivilen Sicherheitsforschung 
(,Dual-use-Prinzip')."[2]

Dass dabei auf das Konzept der "Wehrwissenschaften" zurückgegriffen 
wird, ist in mehrfacher Hinsicht zu problematisieren. Als 
Querschnittswissenschaft stellt es letztlich keine eigene abgrenzbare 
Disziplin dar, sondern setzt interdisziplinäre Strukturen und 
Verwertungsmechanismen an, die sich je nach Bedarf bei allen vorhandenen 
Disziplinen bedienen, um einer "Wehrhaftmachung" Vorschub zu leisten -- 
mit ihr wird es tatsächlich möglich, Forschungsergebnisse jedweder 
Disziplin auf Verwertbarkeit für den Krieg systematisch zu prüfen. Die 
bewusste Vermischung der Kategorien zivil und militärisch, die dem 
"Wehr"-Gedanken zugrunde liegt, findet ihre Verlängerung in der 
Vereinnahmung der vermeintlich zivilen Sicherheitsforschung. Mit dem 
Begriff "Wehrwissenschaft" wird zudem an Konzepte und Formen anknüpft, 
wie sie in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts in Deutschland 
entstanden sind. "Wehrwissenschaften" war einer der Bausteine, der die 
Akzeptanz von Krieg in der Gesellschaft förderte und damit mit als einer 
der Wegbereiter des zweiten Weltkriegs gesehen werden kann.[3]

Unter diesem Aspekt betrachtet ist auch die Forderung de Maizières nach 
einer breiteren gesellschaftlichen Diskussion von Krieg und Frieden mit 
Vorsicht zu genießen -- es ist kein Gesprächsangebot, sondern eine 
Mogelpackung: "Unser gemeinsamer, erweiterter Sicherheitsbegriff legt 
gleichzeitig nahe, dass wir auch über die Bundeswehr hinaus Akteure und 
Instrumente finden müssen, die in der zu ihnen passenden Form aktiv zu 
unserer Sicherheit beitragen können."[4]

Mit Michael Lauster ist zudem eine "ideale" Besetzung für die Professur 
gelungen: als Oberstleutnant der Bundeswehr kennt er die technischen 
Bedürfnisse der Luftwaffe auf das Beste und hat zudem als Privatdozent 
und promovierter Diplom-Ingenieur auch schon Lehrerfahrungen an der 
Bundeswehruniversität in München sammeln können. Spätestens hier sollte 
klar sein, wohin eine solche Professur leitet: in die Anbindung ans Militär.

Dabei war es jüngst der Rektor der RWTH, Ernst Schmachtenberg, der als 
Vorsitzender des TU9, einem Zusammenschluss der 9 führenden technischen 
Universitäten in Deutschland, auf Rüstungsforschung angesprochen zu 
Papier gab: "Wir Deutschen haben mit Rüstungsforschung eine Menge Unheil 
angerichtet. Ich halte diesen Weg für eine offene Universität in 
Deutschland für ungeeignet. Wenn Rüstungsforschung politisch gewollt 
ist, soll sie an eigens dafür eingerichteten Forschungsinstituten 
etabliert werden, nicht bei uns. Wir fordern aber nicht mehr 
Rüstungsforschung, sondern eine bessere Grundfinanzierung."[5]

Die Antwort auf die Frage, wie sich die Diskrepanz in Aussage des 
Rektors zu den getroffenen Entscheidungen bezüglich der Professur 
stellen, steht leider noch aus. Sie ist Prof. Schmachtenberg in einem 
Brief vom 29. Oktober 2012 übermittelt worden -- geantwortet hat er noch 
nicht.

Solange man auf die Erhöhung der Grundfinanzierung wartet, so müsste man 
hinzufügen, hat aber auch die RWTH Aachen kein Problem damit, 
Rüstungsforschung zu betreiben und Kooperationen mit 
Rüstungsforschungsinstituten einzugehen.

Lesehinweise/Dokumentation

- Doku: Bericht der Aachener Zeitung zur Podiumsdiskussion vom 
24.10.2012: 
http://www.aachener-zeitung.de/news/topnews-detail-az/2842540/Podiumsdiskussion-Ruestungsforschung-an-der-RWTH-ausschliessen 


- Doku: Brief an den Rektor Schmachtenberger: 
http://www.aixpaix.de/aachen/Brief_an_RWTH-Rektor.pdf

- Doku: Zivilklauselbewegung-Dokumentation von Dietrich Schulze: 
http://www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf

Anmerkungen

[1] "Wechsel der Institutsleitung am Fraunhofer INT", Presseinformation 
vom 14.9.2012: 
http://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2012/september/Wechsel-der-Institutsleitung-Fraunhofer-INT.html 


[2] Ressortforschungsplan des Bundesministeriums der Verteidigung für 
2011, S.6 ff., Bonn. Ich danke Dietrich Meyer Ebrecht für den Hinweis 
auf diese Passage.

[3] Zu dem Komplex von Wehrwissenschaft in historischer Dimension und 
seine Aktualität siehe Frank Reichherzer, "Alles ist Front!" -- 
Wehrwissenschaften in Deutschland und die Bellifizierung der 
Gesellschaft vom Ersten Weltkrieg bis in den Kalten Krieg, Paderborn 2012.

[4] Rede de Maizières anlässlich der Veranstaltung "Sicherheit gemeinsam 
gestalten" in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Berlin, 
5.9.2012: http://www.bmvg.de/

[5] "Universitäten geht die Kraft für den internationalen Wettbewerb 
aus", Interview mit Ernst Schmachtenberg in den VDI-Nachrichten 
7.9.2012: 
http://www.vdi-nachrichten.com/artikel/Universitaeten-geht-die-Kraft-fuer-den-internationalen-Wettbewerb-aus/60190/1 


-- 
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Hechingerstrasse 203
72072 Tübingen
Telefon: +49 7071 49154
Telefax: +49 7071 49159
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