[IMI-List] [0373] Neue Texte auf der Homepage/ Text zum NATO-Gipfel

IMI imi at imi-online.de
Mi Mai 23 15:10:53 CEST 2012


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0373 .......... 15. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1) Ein Überblick über die neuen Texte auf der IMI-Homepage

2) Ein Text zum NATO-Gipfel in Chicago



1) Ein Überblick über die neuen Texte auf der IMI-Homepage

IMI-Analyse 2012/008
Weder „Smart“ noch „Defense“, sondern ein Wunschkonzert als Strategie
Zur Erklärung des NATO-Gipfels in Chicago
http://www.imi-online.de/2012/05/23/nato-weder-smart-noch-defense/
23. Mai 2012, Christoph Marischka

IMI-Standpunkt 2012/028
Das Deutsch-Afghanische Abkommen
Erste Hinweise für eine deutsche Präsenz nach 2014
http://www.imi-online.de/2012/05/21/das-deutsch-afghanische-abkommen/
21. Mai 2012, Michael Haid

IMI-Analyse 2012/007
Das Überwachungsprojekt »Alliance Ground Surveillance« der NATO
Abschied von der Verantwortlichkeit des Bundestages für militärische 
Angelegenheiten?
http://www.imi-online.de/2012/05/17/das-uberwachungsprojekt-alliance-ground-surveillance-der-nato/
17. Mai 2012, Michael Haid

IMI-Analyse 2012/006
Abschied von der Entwicklungspolitik
Bundesregierung hat Leitlinien „für eine kohärente Politik der 
Bundesregierung gegenüber fragilen Staaten“ erarbeitet.
http://www.imi-online.de/2012/05/14/abschied-von-der-entwicklungspolitik/
14. Mai 2012, Christoph Marischka

IMI-Studie 2012/09
Konfliktzone im Südchinesischen Meer
Über die Bedeutung des Konflikts um die Spratly- und Paracel-Inseln
http://www.imi-online.de/2012/05/14/konfliktzone-im-sudchinesischen-meer/
14. Mai 2012, Andreas Seifert

IMI-Standpunkt 2012/027
Proliferation, Destabilisierung und der Schutz der Zivilbevölkerung
UN-Bericht zu Ablauf und Folgen des Libyen-Krieges
http://www.imi-online.de/2012/05/02/un-bericht_libyen/
2. Mai 2012, Christoph Marischka

2) Ein Text zum NATO-Gipfel in Chicago

IMI-Analyse 2012/008
Weder „Smart“ noch „Defense“, sondern ein Wunschkonzert als Strategie
Zur Erklärung des NATO-Gipfels in Chicago
http://www.imi-online.de/2012/05/23/nato-weder-smart-noch-defense/
23. Mai 2012, Christoph Marischka

Zu den konkretesten Forderungen der Zehntausenden, die in Chicago gegen 
den NATO-Gipfel protestierten, gehörte der Abzug der NATO aus 
Afghanistan. Dieser Krieg war 2001 von den USA mit unklarer Zielsetzung 
begonnen worden und unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September 
folgten ihnen die NATO-Verbündeten in diesen Krieg. Nach über zehn 
Jahren Krieg sind die strategischen Ziele und Aussichten der NATO in 
Afghanistan unklarer denn je und immer mehr Mitgliedsstaaten ziehen sich 
bereits zurück oder kündigen dies an. Nach der Wahl Hollandes zum 
französischen Präsidenten wird sich dieser Prozess absehbar 
beschleunigen. In diesem Kontext hatte die NATO im vergangenen Jahr auf 
britische und französische Initiative gegen Libyen einen weiteren Krieg 
begonnen, der von Anfang an nicht auf der Zustimmung aller 
Mitgliedsstaaten fußte. Deutschland hatte der zugrunde liegenden 
UN-Resolution sogar seine Zustimmung verweigert, später aber doch 
Soldaten in die NATO-Führungsstäbe entsandt. Das Ergebnis dieses Krieges 
ist ein weiterer „gescheiterter Staat“ und eine Destabilisierung der 
gesamten Großregion. Die Niederlage in Afghanistan und der Scheinerfolg 
in Libyen hätten ein Anlass sein können, auf dem NATO-Gipfel klare 
strategische Prioritäten festzulegen und sich über zukünftige 
Entscheidungsprozesse Gedanken zu machen. Dazu aber scheint die NATO 
nicht in der Lage und heraus kam das genaue Gegenteil.

Strategische Unbestimmtheit
Die zu behandelnden Themen und zu verhandelnden Positionen waren bereits 
lange bekannt und trotzdem lässt das gemeinsame Abschlussdokument zum 
Treffen des Nortatlantikrates die sonst für Strategiedokumente und 
Gipfelerklärungen charakteristische klare Struktur vermissen. 
Stattdessen ließt es sich eher wie ein Wunschkonzert, in dem man alle 
Bedürfnisse befriedigen und auf nichts verzichten will.
Tatsächlich will die NATO alles: Sie begrüßt die Ausweitung der 
NATO-Operation Ocean Shield zur Bekämpfung der Piraterie, will ihre 
logistische Unterstützung für die AMISOM in Somalia ausweiten und neue 
Optionen für die Anti-Terror-Mission Active Endeavour prüfen. Sie betont 
die sicherheitspolitische Relevanz der Ressourcenknappheit, der 
Gesundheit und des Klimawandels und will mehr Gewicht auf die 
Energiesicherheit und Cyber-Security legen. Sie will am Krieg gegen den 
Terror festhalten und ihre Zusammenarbeit mit der UNO ausbauen. Sie will 
sparen und trotzdem ihre Kapazitäten ausbauen, aus Afghanistan abziehen 
und trotzdem vor Ort bleiben, eine bessere Zusammenarbeit mit Russland 
und trotzdem an ihrer Erweiterungspolitik und dem Ausbau des 
Raketenschildes festhalten. Sie will ein Bündnis der Demokratien sein 
und ihre Zusammenarbeit mit den Monarchien am Golf und Libyen ausbauen. 
Besonders widersprüchlich wird es beim Thema Atomwaffen: Bezieht sich 
das Abschlussdokument gegenüber dem Iran und Korea noch auf die Vision 
einer „Welt ohne Atomwaffen“,1 heißt es nur wenige Absätze später, dass 
man zur Verteidigung und Abschreckung an einem „angemessenen Mix aus 
nuklearen und konventionellen Kapazitäten und der Raketenabwehr“ 
festhalten wolle. An anderer Stelle wird noch einmal unterstrichen: 
„Raketenabwehr kann die Rolle nuklearer Waffen bei der Abschreckung 
ergänzen, sie aber nicht ersetzen“. Wer hingegen deutliche Ansagen dazu 
erwartet, auf welche Entwicklungen im Iran, in Syrien und Korea die NATO 
mit welchen Mittel zu reagieren erwägt, bleibt enttäuscht. Zu Syrien 
findet sich ein einziger Satz in der Erklärung, wonach die NATO die 
Bemühungen der UN und der Arabischen Liga sowie die vollständige 
Umsetzung des Annan-Plans unterstützt. Eine Evaluation der 
Entscheidungsfindung vor und der Folgen des Libyen-Krieges bleibt aus, 
über das Dokument verteilt finden sich lediglich vereinzelte 
Schlussfolgerungen, die man aus dieser „erfolgreichen Operation“ lernen 
könne, bei der „die Allianz eine entscheidende Rolle dabei gespielt hat, 
die Zivilbevölkerung zu schützen und tausende von Leben zu retten“: 
Insbesondere hätte sich die enge Zusammenarbeit mit der UN und die 
„flexible“ Kooperation mit regionalen Partnern bewährt.

Flexible Partnerschaften
Überhaupt erscheint „Flexibilität“ als einer der zentralen Begriffe des 
Dokuments. Besonders gilt das für die Partnerschaften. Mehrfach wird 
betont, wie viele Nicht-Nato Staaten am Gipfel teilgenommen hätten und 
sich an gemeinsamen Operationen beteiligten. Begrüßt wurde auch die im 
April 2011 in Berlin beschlossene „effizientere und flexiblere 
Partnerschaftspolitik“. Dabei wird an der Beitrittsperspektive für 
Mazedonien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina und – strategisch am 
bedeutendsten und gefährlichsten – Georgiens festgehalten, während 
weiteren „europäischen Demokratien, welche die Werte der Allianz teilen“ 
ebenfalls eine Mitgliedschaft angeboten wird. Begrüßt wird auch die 
bessere Zusammenarbeit der Ukraine und Serbiens mit der NATO sowie die 
Partnerschaft mit Russland und den zentralasiatischen Staaten in Bezug 
auf Afghanistan. Daneben sollen insbesondere der Mittelmeerdialog (MD) 
mit den nordafrikanischen Staaten, Mauretanien, Jordanien und Israel und 
die Istanbuler Kooperationsinitiative (ICI) in ihrer Scharnierfunktion 
zum Golfkooperationsrat gestärkt werden. Bei beiden handelt es sich um 
hochgradig „flexible“ Mechanismen, die keinerlei Sicherheitsgarantien 
oder ähnliches umfassen, in deren Rahmen jedoch die Gipfelerklärung vor 
dem Hintergrund des gemeinsamen Vorgehens in Libyen und des 
„präzendenzlosen Wandels“ in der Region „individualisierte Programme“ 
etwa zur Modernisierung der Streitkräfte und beim Aufbau neuer 
militärischer Fähigkeiten anbietet. Entsprechende Angebote werden darin 
auch Libyen unterbreitet, dessen „Interesse an einer Vertiefung der 
Beziehungen zur Allianz“ ausdrücklich begrüßt wird.

Kosovo und Afghanistan
Mehr Flexibilität wünscht sich die NATO auch gegenüber den „Partnern“, 
die sie bislang noch durch die Präsenz von Bodentruppen „unterstützt“, 
den Kosovo und Afghanistan. So hält die Erklärung fest, dass man im 
Kosovo das Ziel einer „kleineren und flexibleren abschreckende Präsenz“ 
verfolgt, unterstreicht jedoch zugleich, dass die augenblickliche 
Sicherheitssituation dies noch nicht erlaube. Vor diesem Hintergrund 
erscheint die im Dokument mehrfach aufgestellte und vor dem Hintergrund 
seiner sonstigen Unbestimmtheit auffallende Behauptung, wonach es sich 
beim (westlichen) Balkan um eine „strategisch wichtige“ Region handle, 
eher wie eine Durchhalteparole.
Wo es um Afghanistan geht, zeigt sich die NATO v.a. begrifflich 
flexibel. Die ISAF ist sowohl vom Namen, als auch vom Mandat des 
UN-Sicherheitsrates her formal eine Mission zur 
„Sicherheitsunterstützung“ und wurde etwa vor zwei Jahren noch in der 
Abschlusserklärung des NATO-Gipfels in Lissabon2 und in dem dort 
unterzeichneten Abkommen zwischen der NATO und Afghanistan lediglich als 
solche bezeichnet. Von einem Kampfeinsatz war in beiden Dokumenten keine 
Rede. Ganz anders verhält es sich in der Erklärung von Chicago: Dort 
wird in Aussicht gestellt, dass die ISAF ab Mitte 2013, wenn die 
Sicherheitsverantwortung in den letzten Provinzen formal an die 
afghanischen Sicherheitskräfte übergeben wird, „vom primären Fokus auf 
den Kampfeinsatz zunehmend zur Bereitstellung von Training, Beratung und 
Unterstützung übergehen wird“. 2014 dann soll der „NATO-geführte 
Kampfeinsatz enden“ und durch einen neuen NATO-Einsatz abgelöst werden, 
dessen Planung das Abschlussdokument von Chicago gleich in Auftrag gibt. 
Dabei soll es sich jedoch um eine „Mission anderer Natur“ handeln, „um 
die ANSF [Afghanischen Sicherheitskräfte], einschließlich der 
Afghanischen Spezialkräfte, zu trainieren, zu beraten und zu 
unterstützen. Dies wird kein Kampfeinsatz sein.“ Wie gesagt: Bevor die 
USA und den anderen NATO-Staaten u.a. von den protestierenden und auch 
wählenden Massen dazu gezwungen wurden, den ISAF-Einsatz zu beenden und 
sie stattdessen einen Einsatz „anderer Natur“ propagieren mussten, hat 
es sich auch bei ISAF nie um einen Kampfeinsatz, sondern um eine Mission 
zur Sicherheitsunterstützung gehandelt.
Und dennoch wird sich etwas ändern: die großen Kontingente werden 
abgezogen, die Präsenz der Besatzungssoldaten in der Fläche wird 
reduziert. Das internationale „Engagement“ in Afghanistan wird sich weg 
von parlamentarisch halbwegs kontrollierten großen 
Truppenstationierungen weiter in den eher geheimdienstlichen Bereich der 
Drohnenangriffe, Kommandoaktionen und dubioser Haushaltsposten 
verlagern. Die Präsenz in der Fläche soll durch die von der NATO und 
ihren Partnern ausgebildeten und ausgerüsteten Sicherheitskräfte 
gewährleistet werden, die zwar nicht die Verantwortung im Sinne der 
Entscheidungsfindung, wohl aber den Unmut der Bevölkerung auf sich 
ziehen sollen. Gründe für diesen Strategiewechsel sind nicht nur der 
Druck der Straße und der Wähler, sondern auch die Kosten. Gegenüber der 
Stuttgarter Zeitung räumte NATO-Generalsekretär Rasmussen in diesem 
Kontext unverblümt ein: „Natürlich ist es billiger, afghanische Kräfte 
zu finanzieren, als eigene Truppen zu entsenden.“3 350.000 afghanische 
Soldaten und Polizisten sollen 2014 die Aufgaben der ISAF übernehmen. 
Umsonst ist das auch nicht, die Kosten für ihren Unterhalt übersteigen 
den afghanischen Gesamthaushalt. Deshalb enthält das Abschlussdokument 
von Chicago auch die eindringliche Aufforderung an die „internationale 
Gemeinschaft, sich dem langfristigen Unterhalt der ANSF zu verpflichten“.

Weder „Smart“, noch „Defense“
Das rüstungspolitische Pendant zu solchen „Sparanstrengungen“ ist die so 
genannte „Smart Defense“, die in der Berichterstattung über den 
NATO-Gipfel viel Raum einnimmt, im Abschlussdokument jedoch eine 
bemerkenswert kleine Rolle spielt. Das ist durchaus nachvollziehbar, 
denn tatsächlich handelt es sich bei der Smart Defense (ebenso wie beim 
Raketenschild) um ein gewaltiges Aufrüstungsprogramm in Zeiten knapper 
Kassen. Als konkretes Beispiel wird im Abschlussdokument lediglich die 
NATO-Mission zur Luftraumüberwachung im Baltikum genannt, die es den 
Staaten dort ermöglicht, auf eigene Abfangjäger zu verzichten und 
stattdessen in andere Kapazitäten zu investieren, welche in gemeinsamen 
NATO-Einsätzen gebraucht werden. Bernd Riegert von der Deutschen Welle 
zitiert in diesem Zusammenhang einen Staatssekretär des lettischen 
Verteidigungsministerium, der vorrechnet, „dass der Verzicht auf die 
eigenen Jäger das Geld für Spezialkräfte freisetzt“: „Wir erhöhen unsere 
Kooperationsfähigkeit und haben gleichzeitig Kräfte frei, die wir für 
die NATO-Operationen einsetzen können…“.4 Neben der Luftraumüberwachung 
taucht der Begriff „Smart Defense“ lediglich im Kontext der 
euro-atlantischen Partnerschaft auf. Demnach sei er komplementär zum 
EU-Konzept des „Pooling & Sharing“. Entsprechend heißt es dazu in der 
Erklärung: „wir begrüßen die Anstrengungen der EU, besonders in den 
Bereichen der Luftbetankung, der medizinischen Unterstützung [im 
Einsatz], der Seeraumüberwachung und der Ausbildung“. Der Presse ist zu 
jedoch zu entnehmen, dass insgesamt über 20 Rüstungsprojekte im Rahmen 
der „Smart Defense“ abgesegnet wurden.5 Um welche Projekte es sich dabei 
handelt, hat die NATO bislang nicht veröffentlicht, Abgeordneten des 
Bundestages wurde auf Nachfrage eine entsprechende Liste vorgelegt, 
diese jedoch als Verschlussache deklariert. Neben den genannten 
EU-Projekten konzentriert sich die Berichterstattung auf das Projekt 
„Alliance Ground Surveillance“ (AGS) „zur Überwachung von 
Truppenbewegungen auf feindlichem Gebiet“, wie Bernd Riegert berichtet 
und ergänzt: „Die Kosten von fünf Milliarden Euro [die sicherlich noch 
steigen werden] kann sich kein NATO-Staat alleine leisten.“6 Worum es 
sich bei den übrigen beschlossenen Projekten handelt, ist wie gesagt 
noch nicht vollständig bekannt, Bernd Riegert jedoch berichtet u.a., die 
NATO wolle „[f]erngesteuerte Roboter zur Bekämpfung von Sprengfallen und 
Bomben … gemeinsam kaufen“,7 an anderer Stelle ist auch von 
Marschflugkörpern die Rede.
Dass die NATO in ihrer offiziellen Erklärung die Anschaffung so 
genannter „Wirkmittel“ eher unterschlägt und stattdessen Aufklärung, 
Luftbetankung und medizinische Unterstützung thematisiert, ist nicht 
ungewöhnlich, täuscht jedoch nur vordergründig über die offensive 
Ausrichtung dieser Kapazitäten hinweg. So ist etwa die Luftbetankung 
eine Fähigkeit, auf die eine defensiv ausgerichtete Armee getrost 
verzichten kann, da sie v.a. bei out-of-area-Einsätzen von Relevanz ist, 
bei denen nicht einmal in der unmittelbaren Nachbarschaft des 
Einsatzgebietes Verbündete ausreichende Luftwaffenstützpunkte zur 
Verfügung stellen (etwa im Falle eines israelischen Angriffs auf den 
Iran). Ähnliches gilt bei genauerer Betrachtung für die genannten 
Projekte zur maritimen Aufklärung, die AGS und die medizinische 
Einsatzunterstützung. Es ist keineswegs zufällig, dass das „Pooling & 
Sharing“ der EU bislang mit dem strategischen Lufttransport 
(Europäisches Lufttransportkommando)8 am weitesten entwickelt und sich 
auch die „Smart Defense“ der NATO auf offensive Kapazitäten 
konzentriert. Militärische Kapazitäten, die für die „nationale 
Verteidigung“ als notwendig erachtet werden, werden auf absehbare Zeit 
weiterhin unter nationaler Verantwortung und – soweit möglich – mit der 
nationalen Rüstungsindustrie verwirklicht werden. Das Beispiel der 
baltischen Staaten ist dabei irreführend: Mit ihren Einwohnerzahlen 
zwischen einer und drei Millionen Menschen und einem 
Bruttoinlandsprodukt von jeweils deutlich unter 50 Mrd. US$ wäre keiner 
dieser Staaten im Stande, eine eigene nennenswerte Luftwaffe oder 
Offensivkapazitäten zu unterhalten. Auf der anderen Seite zeugt die 
Reform der deutschen Streitkräfte mit ihrem Ziel der „konsequenten 
Ausrichtung auf den [Auslands-]Einsatz“9 davon, wie wenig heute noch mit 
einer tatsächlichen militärischen Bedrohung gerechnet wird. Daraus 
ergeben sich theoretisch beträchtliche Einsparungspotentiale bis hin zur 
vollständigen Abrüstung. Die langfristig und offensiv ausgerichteten 
Projekte im Rahmen des „Pooling & Sharing“ bzw. der „Smart Defense“ 
zielen gerade darauf ab, selbst unter wachsendem Druck der unter 
Sozialabbau leidenden Bevölkerungen diese Einsparpotentiale nicht zu 
realisieren, sondern in die (gemeinsame) Entwicklung von 
Offensivkapazitäten umzulenken. In der Rede des EU-Ratspräsidenten van 
Rompuy zum NATO-Gipfel formulierte er das so: „Europa gibt nach wie vor 
200 Mrd. Euro jährlich für Verteidigung aus. Das ist eine bemerkenswerte 
Summe, aber sie muss effektiver eingesetzt werden und bessere Ergebnisse 
erzielen“.(10)

Demokratieabbau
So, wie im Zuge der „Pooling & Sharing“-Debatte innerhalb der EU die 
Idee einer EUropäischen Armee eine neue Konjunktur erlebt, wird auch in 
der Abschlusserklärung von Chicago das „Ziel einer NATO Force 2020“ 
erneut unterstrichen. Bei beiden soll es sich um flexibel kombinierbare 
Interventionstruppen handeln, in deren strategischer Ausrichtung die 
„Verteidigung“ keine nennenswerte Rolle spielt. Doch wie funktioniert 
eine Armee, deren Einsatz an 28 (NATO) bzw. 27 (EU) Parlamenten 
scheitern kann? Eine solche Armee funktioniert gar nicht und erst recht 
nicht so, wie es sich die NATO vorstellt: schnell, effektiv und komplex. 
Die flexiblen Partnerschaften (gerade mit weniger demokratischen 
Staaten), die neue Strategie in Afghanistan und die Modelle Libyen und 
Somalia stellen eine Reaktion auf dieses Problem dar: Natürlich ist es 
nicht nur „billiger, afghanische Kräfte zu finanzieren, als eigene 
Truppen zu entsenden“ (Rasmussen, s.o.), man kann somit auch die 
parlamentarische Kontrolle umgehen und vermeidet (offizielle) Opfer auf 
der eigenen Seite. Neben der Unterstützung für die Rebellen (unter denen 
sich Kindersoldaten befanden) in Libyen ist hierfür die angestrebte 
Ausweitung des strategischen Luft- und Seetransportes für die AMISOM in 
Verbindung mit der Ankündigung, „weitere Anfragen der AU [Afrikanischen 
Union] zur Ausbildungsunterstützung der NATO zu erörtern“ in der 
Abschlusserklärung von Chicago von Belang.
Um aber zumindest Ansatzweise eine Kontrolle über solche 
Konfliktszenarien zu behalten, in denen die Masse an Soldaten von 
„Partnern“ verschiedenster Art gestellt werden, sind mehrere 
Voraussetzungen zu schaffen. Das betrifft v.a. Spezialkräfte und 
operative geheimdienstliche Fähigkeiten (wie etwa gezielte Tötungen 
durch von der CIA gesteuerte Drohnen) und entsprechende dubiose 
Haushaltsposten (in Deutschland etwa: „Leistungen im Rahmen des 
Stabilitätspaktes Afghanistan und Südosteuropa“ und „Allgemeine 
Finanzverwaltung“). Insbesondere betrifft dies aber kostenintensive 
Kapazitäten zur Führung, Aufklärung und Logistik, wie sie im Rahmen des 
„Pooling & Sharing“ (EU) bzw. der „Smart Defense“ entwickelt werden 
sollen. Der personelle Beitrag einzelner Staaten hierzu ist oft gering. 
Ein altes Vorbild etwa für diese Modelle sind die in Gailenkirchen 
stationierten Aufklärungsflugzeuge AWACS, die eine zentrale Rolle bei 
der vernetzten Operationsführung und allen Luftkriegen der NATO 
spielten. Die Flugzeuge selbst gehören dem Bündnis, ihre Besatzung ist 
multinational. Gerade deshalb wurde die Beteiligung deutscher Soldaten 
an AWACS-Einsätzen bereits mehrfach vor dem Bundesverfassungsgericht 
verhandelt und letztlich beruht die heutige Fassung und Anwendungen des 
Parlamentsbeteiligungsgesetzes, das die Befugnisse des Parlaments in 
Fragen der Auslandseinsätze der Bundeswehr regelt, im Wesentlichen auf 
den entsprechenden Urteilen und Gutachten. Das führte u.a. dazu, dass 
Deutschland während des Libyen-Krieges seine Beteiligung an den 
AWACS-Überwachungsflügen über dem Mittelmeer einstellte und stattdessen 
seine Partner, die das übernahmen, anbot, sie durch einen AWACS-Einsatz 
in Afghanistan zu „entlasten“.
Solche Taschenspielertricks dürfen und können jedoch keine Grundlage 
einer funktionierenden EU-Interventionsarmee oder einer „Global NATO“ 
sein. Der deutsche Verteidigungsminister etwa durfte das Abkommen zur 
AGS nur unter Vorbehalt unterzeichnen.(11) Die wachsenden Kosten und 
undurchsichtigen Vertragsbestimmungen hatten dazu geführt, dass der 
Haushaltsausschuss seine Zustimmung zu dem Projekt vertagte. Angela 
Merkel reagierte darauf mit einer Regierungserklärung, in der sie 
ankündigte, dass „wir … noch intensiv diskutieren“ müssen, wie „[wir] 
die Erwartungen auch an deutsche Beiträge zu gemeinsam bereitgestellten 
NATO-Fähigkeiten für den Fall eines Einsatzes mit den Bestimmungen des 
Parlamentsbeteiligungsgesetzes in Einklang bringen können“.(12)
Diese Forderung war keineswegs neu. Bereits in der Sommerausgabe der 
Europe’s World forderte der deutsche Diplomat und Leiter der 
NATO-Sicherheitskonferenz eine „Reform parlamentarischer Veto-Praxis 
hinsichtlich [deutscher] militärischer Beiträge im Rahmen 
multinationaler Militärmissionen“. Nationale Beiträge sollten, „so sie 
von der NATO oder der EU angefragt werden, von nationalen Vetos 
ausgenommen sein“.(13) Seit dem zwitschert es die „Strategische 
Gemeinschaft“ von allen Dächern und Kommandohügeln, jede relevante 
Stiftung lädt ein zur Debatte um das „Spannungsverhältnis zwischen 
Souveränität und ‘Smart Defense’“ – mit dem einen Ergebnis, die 
parlamentarische Kontrolle zur Disposition zu stellen. Christian Mölling 
etwa von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) warnte im November 
2011 vor einem „Europa …, das nicht imstande ist, seine strategischen 
Interessen außerhalb seiner Grenzen zu verteidigen“, weil „[d]ie Staaten 
… nach wie vor darauf [bestehen], selbst über Ausrüstung und Aufbau von 
Streitkräften zu entscheiden.“ Stattdessen seien die Mitgliedsstaaten 
gezwungen, „das Wechselverhältnis zwischen politischer Souveränität, 
militärischer Effektivität und ökonomischer Effizienz radikal neu zu 
bewerten“.(14)

Unbestimmt, unkontrolliert und aggressiv
Sowohl Ischinger, als auch Mölling nehmen den Libyenkrieg zum 
Ausgangspunkt ihrer Vorstöße. Während Ischinger v.a. die Enthaltung der 
Bundesregierung zur Libyen-Resolution 1973 im Sicherheitsrat kritisiert, 
mit der Deutschland aus dem „strategischen Mainstream“(15) ausgetreten 
sei, bezieht sich Mölling v.a. auf die Tatsache, dass Italien aus 
Kostengründen einen Flugzeugträger aus dem laufenden Einsatz zurückzog – 
angeblich „das erste Mal, dass ein Staat Kriegsgerät wegen Geldmangels 
aus einer laufenden Operation abzog“.(16) Anstatt jedoch zu fragen, 
warum ein Krieg geführt wurde, obwohl weder politische Einigkeit 
bestand, noch ausreichende Kapazitäten vorhanden waren und die Ziele der 
beiden Haupttriebkräfte – Frankreich und Großbritannien – unklar 
blieben, steht die Frage im Mittelpunkt, wie solche Kriege künftig 
besser führbar werden und nationale Vetos und eine parlamentarische 
Kontrolle weiter eingeschränkt werden können. Damit wächst die Gefahr, 
dass die NATO noch mehr zu einer militärischen Infrastruktur wird, die 
es einzelnen Mitgliedern erlaubt, etwa aus wahltaktischen Gründen Kriege 
zu beginnen und auch die auf der eigenen Seite enstehenden Kosten auf 
die Gesellschaften der „Partnerstaaten“ abzuwälzen. Die strategische 
Unbestimmtheit, die im Abschlussdokument von Chicago zum Ausdruck kommt, 
öffnet hierfür Tür und Tor. Die wenigen Uneindeutigkeiten hingegen 
offenbaren einen aggressiven Charakter und sind gegen Russland 
gerichtet: Es wird an der territorialen Integrität Georgiens 
festgehalten wie an derjenigen des Kosovo. Von der Ukraine wird 
Souveränität und Unabhängigkeit erwartet, von Serbien auch, zum Kosovo 
sucht man diese Begriffe vergeblich. Kritisiert wird auch der 
(angeblich) geplante russische Truppenaufmarsch „nahe den Grenzen der 
Allianz“, während der Raketenschild nicht nur eine Aufklärung bis tief 
in den russischen Raum hinein beinhaltet, sondern auch eine dauerhafte 
Marine-Präsenz vor den europäischen Küsten. Während die atomar gestützte 
Abschreckungspolitik geeignet ist, die Frontlinien des Kalten Krieges 
wieder zu vertiefen, hat die NATO jede ansatzweise Beschränkung auf die 
Bündnisverteidigung oder definierte Einflusszonen aufgegeben und 
beansprucht eine globale Interventionsfähigkeit. Zugleich verzichtet sie 
auf jegliche Kriterien für eine Intervention und versuchen ihre 
Protagonisten sich jeglicher Kontrolle und Einhegung zu entledigen.

Anmerkungen

(1) Alle nicht näher gekennzeichneten Zitate entstammen: Chicago Summit 
Declaration, Issued by the Heads of State and Government participating 
in the meeting of the North Atlantic Council in Chicago on 20 May 2012, 
Presseerklärung 062 (2012) vom 20.5.2012.

(2) Lisbon Summit Declaration, Issued by the Heads of State and 
Government participating in the meeting of the North Atlantic Council in 
Lisbon, Pressemitteilung 155 (2010) vom 20.5.2010, sowie: Declaration by 
the North Atlantic Treaty Organisation (NATO) and the Government of the 
Islamic Republic of Afghanistan on an Enduring Partnership signed at the 
NATO Summit in Lisbon, Portugal, vom 20.5.2010, www.nato.int.

(3) „Russland wird nicht vom Westen bedroht“ – Interview mit Anders Fogh 
Rasmussen, in: Stuttgarter Zeitung, 12.05.2012.

(4) Bernd Riegert: Wie schlau ist Rasmussens “Smart Defense”?, 
www.tagesschau.de vom 20.5.2012.

(5) Bernd Riegert: Weniger Geld, aber große Projekte, www.tagesschau.de 
vom 21.5.2012.

(6) s. Anm. 4.

(7) s. Anm. 5.

(8) Mehr hierzu: Claudia Haydt: Das kriegerische Kerneuropa verleiht 
sich Flügel – Zur Rolle des „Europäischen strategischen 
Lufttransportkommandos“, IMI-Standpunkt 2012/014 – in: AUSDRUCK (April 
2012).

(9) BMVg (2010): Leitlinien zur Ausplanung der neuen Bundeswehr, 30.6.2010.

(10) „Statement of the President of the European Council, Herman Van 
Rompuy, at the Chicago NATO Summit“, 20.5.2012, 
http://www.consilium.europa.eu/.

(11) Ausführlich hierzu: Michael Haid: Das Überwachungsprojekt »Alliance 
Ground Surveillance« der NATO – Abschied von der Verantwortlichkeit des 
Bundestages für militärische Angelegenheiten?, IMI-Analyse 2012/007.

(12) Bundesregierung: Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Merkel zum 
G 8-Gipfel am 18./19. Mai 2012 in Camp David und NATO-Gipfel am 20./21. 
Mai 2012 in Chicago, www.bundesregierung.de.

(13) Wolfgang Ischinger / Timo Noetzel: Libya could be a catalyst for 
Europe’s security policy, Europe’s World, Summer 2011.

(14) Christian Mölling: Europa ohne Verteidigung – Die Staaten Europas 
müssen das Wechselverhältnis zwischen politischer Souveränität, 
militärischer Effektivität und ökonomischer Effizienz neu bewerten, 
SWP-Aktuell 2011/A 56, November 2011.

(15) Ischinger, a.a.O.

(16) Mölling, a.a.O.



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