[IMI-List] [0361] Berichte IMI-Kongress / Militarisierung Hochschulen

IMI imi at imi-online.de
Mi Nov 9 20:50:27 CET 2011


[0361] Berichte IMI-Kongress / Militarisierung Hochschulen

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Online-Zeitschrift "IMI-List"

Nummer 0361 .......... 15. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563

Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.

Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner

Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list

Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3

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Liebe Freundinnen und Freunde,

wir waren selbst positiv überrascht über den Andrang beim diesjährigen 
IMI-Kongress am vergangenen Wochenende. Danke an alle, die da waren und 
sich beteiligt haben! In dieser IMI-List findet sich:

1) Eine Übersicht über Berichte und Audio-Beiträge über den IMI-Kongress;

2) Der Hinweis auf die "Tübinger Erklärung zur Militarisierung der 
Hochschulen", die weitere Unterzeichner_innen sucht;

3) Unsere Zusammenfassung des IMI-Kongresses

1) Berichte und Audio-Beiträge über den IMI-Kongress "Wendezeiten: 
Weltpolitische Umbrüche -- Chance oder Gefahr?"

Unsere Zusammenfassung des Kongresses findet sich hier:

IMI-Standpunkt 2011/054

Umbrüche und erhöhte Interventionsbereitschaft

Bericht zum 14. Kongress der Informationsstelle Militarisierung 
"Wendezeiten: Weltpolitische Umbrüche -- Chance oder Gefahr?

http://www.imi-online.de/2011.php?id=2376

09.11.2011, IMI

Zahlreiche Audio-Dokumente vom Kongress sind hier verlinkt:


IMI-Mitteilung

IMI-Kongress zum Nachhören

http://www.imi-online.de/2011.php?id=2374

8.11.2011

Ein Bericht des Schwäbischen Tagblatt findet sich hier:

Pressebericht - in: Schwäbisches Tagblatt, 7.11.2011

Mandat zum Bomben

Informationsstelle Militarisierung betrachtete die weltpolitischen Umbrüche

http://www.imi-online.de/2011.php?id=2373

7.11.2011

2) Tübinger Erklärung zur Militarisierung der Hochschulen

Am Wochenende vor dem IMI-Kongress war die Informationsstelle 
Militarisierung an einem -- wie sich letztlich herausstellen sollte -- 
bundesweiten Vernetzungstreffen zur Militarisierung von Forschung und 
Lehre beteiligt. Aus diesem ging eine "Tübinger Erklärung zur 
Militarisierung der Hochschulen" hervor, für die nun weitere 
Unterzeichner_innen und Unterstützer_innen gesucht werden. Die Erklärung 
ist bislang u.a. hier dokumentiert:

http://zivilklauselkongress.blogsport.de/

http://www.imi-online.de/2011.php?id=2375

Wer unterzeichnen möchte, melde sich bitte bei:

zivilklausel at mtmedia.org

3) Unsere Zusammenfassung des IMI-Kongresses

IMI-Standpunkt 2011/054

Umbrüche und erhöhte Interventionsbereitschaft

Bericht zum 14. Kongress der Informationsstelle Militarisierung 
"Wendezeiten: Weltpolitische Umbrüche -- Chance oder Gefahr?"

http://www.imi-online.de/2011.php?id=2376

9.11.2011, IMI

Am Wochenende des 5. und 6. November 2011 fand der mittlerweile 14. 
Kongress der Informationsstelle Militarisierung statt. Der diesjährige 
Kongress war mit über 120 Teilnehmern bei einzelnen Vorträgen und 
insgesamt mehr als 150 Interessierten aus dem ganzen Bundesgebiet sowie 
Teilnehmenden aus Belgien, den Niederlanden und Frankreich sehr gut besucht.

Im Mittelpunkt der zweitägigen Veranstaltung standen die zahlreichen 
gravierenden Umbrüche der letzten Jahre und die Frage, inwieweit sich 
durch sie Chancen für eine friedlichere und sozialere Welt eröffnen oder 
ob sie nicht auch die Gefahr einer weiteren Militarisierung und sich 
verschärfender Konflikte bergen. Diesem Spannungsverhältnis wurde in den 
einzelnen Beiträgen nachgegangen: Sie umfassten die Folgen der 
gegenwärtigen Machtverschiebungen im internationalen System, die 
Militarisierung der Weltmeere, die Revolutionen im arabischen Raum, den 
Auswirkungen der Interventionen im Irak und in Afghanistan, in Libyen 
und in der Elfenbeinküste, die Militarisierung der Vereinten Nationen 
sowie den Umbau der Bundeswehr. Dabei wurde deutlich, dass 
westlicherseits versucht wird, dem spürbaren Machtverlust durch einen 
verstärkten Rückgriff auf Gewalt und Militärinterventionen Einhalt zu 
gebieten. Deshalb wurden abschließend Perspektiven und Möglichkeiten der 
Friedens- und Antikriegsbewegung erörtert, wo die wichtigsten Ansätze 
liegen, dieser Entwicklung Widerstand entgegensetzen zu können.

Gefahr sich verschärfender Großmachtkonfrontationen?

Den Auftakt am Samstag-Mittag mit dem Titel "Abstieg des Westens, NATO 
gegen BRIC(s)? Neue Konfrontationslinien oder neue Allianzen?" 
bestritten IMI-Vorstand Jürgen Wagner (er übernahm den Part Erhard 
Cromes, der leider kurzfristig absagen musste) sowie Uli Cremer von der 
Grünen Friedensinitiative. Jürgen Wagner warnte davor, dass der 
Machtverlust der westlichen Staaten, vor allem gegenüber den so 
genannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China), eine große 
Gefahr in sich berge, zu neuen Blockbildungen sowie sich verschärfenden 
Großmachtkonflikten zu führen. Anstatt diese Veränderungen als 
Ausgangspunkt für eine Neuordnung der internationalen Beziehungen auf 
Basis einer faireren Verteilung von Macht- und Einfluss zu nutzen, 
würden die westlichen Staaten zunehmend versuchen, ihre Vormachtstellung 
mit Gewalt zu erhalten. Die Verschärfung von Konflikten sei leider die 
logische Konsequenz dieser Bestrebungen. Hinzu kämen jedoch auch noch 
sich verstärkende innereuropäische Rivalitäten, so Wagner, die mit dem 
deutschen Anspruch auf die alleinige Führungsrolle in der Europäischen 
Union zusammenhingen. Die Frage neuer Blockbildungen werde demzufolge 
nicht unwesentlich davon mit beeinflusst, inwieweit sich diese 
europäischen Binnenkonflikte zuspitzen würden. "Dann hat die Europäische 
Union andere Probleme, als sich einer Auseinandersetzung mit den 
BRIC-Staaten zu widmen. Gelingt es allerdings, diese Differenzen 
irgendwie beizulegen, besteht eine große Gefahr sich verschärfender 
Großmachtkonfrontationen", so Wagner.

Uli Cremer ging vor allem auf die Veränderung der westlichen 
Militärallianz ein, die in drei Phasen erfolgt sei. Die NATO 1.0 von 
1949 bis 1990 sei zumindest auf dem Papier noch ein "klassisches" 
Verteidigungsbündnis gewesen. NATO 2.0 sei geprägt vom Umbau in ein 
globales Interventionsbündnis. Diese Phase sei mit dem Angriffskrieg 
gegen Jugoslawien sowie der NATO-Beteiligung am Afghanistan-Krieg mehr 
oder minder abgeschlossen. Nun befinde sich die NATO 3.0 im Entstehen 
und richte sich darauf aus, dem machtpolitischen Abstieg der westlichen 
Staaten militärisch entgegenwirken zu können. Hierfür werde versucht, 
aus der NATO einen "Nordpakt" zu machen, der nur bedingt gegen andere 
Großmächte, sondern vor allem gegen die Länder des globalen Südens 
gerichtet sei. Aus diesem Grund werde auch versucht, Russland in dieses 
Bündnis zu integrieren, um so die "Schlagkraft" des Bündnisses zu 
vergrößern. Demgegenüber betonte Wagner, die NATO werde nicht nur auf 
Interventionen in südlichen Ländern, sondern zudem gegen China, 
insbesondere aber auch Russland in Stellung gebracht, wofür zahlreiche 
sich verschärfende Konflikte sprächen.

Die Waffengattung der Globalisierung

Andreas Seifert, Vorstandsmitglied der IMI, arbeitete im zweiten Vortrag 
heraus, wie diese Großmachtkonflikte und Rivalitäten derzeit 
buchstäblich aufs Meer überschwappen würden. Unter dem Titel "Umkämpfte 
Meere" wurde dabei zunächst auf die grundlegend gestiegene Bedeutung des 
Seeverkehrs eingegangen. Die Globalisierung selbst zeichne sich 
wesentlich durch den extrem angestiegenen Handel mit Gütern aller Art 
aus, er habe zwischen 1960 und 2009 um 1200% zugenommen. Der Großteil 
dieses Handels werde über See transportiert, weshalb dem "Schutz" von 
Handelswegen von Seiten der Politik mittlerweile große Bedeutung 
beigemessen werde. "See, Seewege, Seemacht werden als Begriffe verknüpft 
mit Globalisierung - die Marine, so legt eine solche Assoziationskette 
nahe, ist die Waffengattung der Globalisierung", so Seifert.

Vor allem Deutschland rüste derzeit die Seestreitkräfte mit dem Argument 
auf, nur so die Sicherheit der Handelswege garantieren zu können. Dabei 
werde eine "Abhängigkeit" vom Export und der See vorgeschoben, um 
Kapazitäten für militärische "Lösungen" zu schaffen. Um zu illustrieren, 
welche Überlegungen und Ziele dabei im Zentrum stünden, zitierte Seifert 
den Marine-Vizeadmiral Axel Schimpf: "Mit ,Protect' ist die Bedeutung 
des Schutzes von Deutschland, unserer Bürger und deutscher Interessen in 
der Welt angesprochen, während mit dem Begriff ,Project' die Fähigkeit 
zur Präsenz und der Beteiligung an streitkräftegemeinsamen, 
multinationalen Einsätzen weltweit hinterlegt ist." Doch auch in anderen 
Ländern werde der militärischen Seepräsenz verstärkte Aufmerksamkeit 
gezollt. Dies betreffe viele Länder weltweit, wurde aber insbesondere 
anhand der asiatischen Staaten illustriert. Gerade dort verspüre man die 
gleiche "Abhängigkeit" vom Seehandel und entwickele den gleichen 
Anspruch, die Seewege zu sichern. Asiens Anteil am globalen Seehandel 
steige stetig. Dort führten die Versuche, die jeweilige militärische 
Seepräsenz auszubauen, zu einer regelrechten Aufrüstungsspirale und 
erhöhten damit die Gefahr regionaler Konflikte. Dies betreffe vor allem 
China, Indien und Japan. Damit nicht genug, würden vor allem die USA, 
aber auch die Europäische Union ihrerseits versuchen, ihre Präsenz in 
der Region zu vergrößern, um den wachsenden chinesischen Einfluss 
einzudämmen. Hierdurch würden bestehende Konflikte zusätzlich angeheizt. 
"Die Marine ist der Ausdruck offensiver Machtpolitik", dies zeige sich 
immer deutlicher, so Seifert.

Schließlich sei mit der Zunahme der Piraterie ein Phänomen entstanden, 
welches vor allem dort auftrete, wo Länder und Menschen von den globalen 
Waren- und Handelsströmen abgehängt wurden. Armut und 
Perspektivlosigkeit seien wesentliche Triebfedern hinter dem Anwachsen 
der Piraterie, so Seifert. Doch anstatt sich diesen Ursachen zu widmen, 
werde mehr und mehr der Versuch unternommen, militärisch für den Schutz 
von Handelsrouten zu sorgen. Damit sei dem Phänomen jedoch nicht 
beizukommen, wie sich gerade vor der Küste Somalias zeige. Vielmehr 
werde an Somalia deutlich, wie die Politik das Phänomen Piraterie 
instrumentalisiere, um weitere Aufrüstungen und geostrategische Konzepte 
zu rechtfertigen. Dass sinnvolle Konfliktlösungsmöglichkeiten immer 
ziviler Natur sein müssten, wenn sie Erfolg haben wollen, werde unter 
anderem am Beispiel der Straße von Malakka sichtbar, wo erst zivile 
Maßnahmen an Land zu einem Rückgang der Piraterie geführt hätten.

Das Korrektiv der Strasse

Claudia Haydt und Christoph Marischka diskutierten anschließend, ob die 
"Umbrüche in Nordafrika und auf der Arabischen Halbinsel" Chancen der 
"Emanzipation oder ein neues imperialistisches Einfallstor" eröffneten. 
Marischka bezeichnete dabei das Mittelmeer als "Bernnpunkt des 
Nord-Süd-Verhältnisses", das sich insbesondere in der Migration zwischen 
Afrika und Europa offenbare. Dieses Verhältnis werde durch ein komplexes 
Beziehungsgeflecht, die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen 
wie UNO und WTO, die Einbindung in Freihandelsregime, Finanzmärkte, 
Sicherheitsarchitekturen und Migrationsregime sowie die Unterwerfung 
unter Patentrechte, Standardisierungen etc. definiert, weshalb es einem 
einzelnen Staat kaum möglich wäre, aus diesem auszubrechen oder dieses 
Verhältnis nennenswert zu verändern. In der Anfangsphase der 
Revolutionen hätte jedoch die Möglichkeit bestanden, dass durch die 
grenzüberschreitenden Proteste gleich mehrere Regierungen gestürzt 
würden und ein neuer Block entstehe, der auch aus dem antikolonialen 
Impetus, der den Revolutionen zunächst innewohnte, die Bedürfnisse 
seiner Bevölkerung über internationale Gepflogenheiten, Abhängigkeiten 
und Verpflichtungen stelle. Nicht zuletzt sei dies durch "zwei Formen 
der militärischen Intervention" verhindert worden: "die bedingungslose 
Unterstützung des Westens für den Militärputsch in Ägypten und die 
NATO-Intervention in Libyen". Nun habe es die EU in ihrer südlichen 
Nachbarschaft zumindest mit Tunesien, Libyen und Ägypten mit drei 
geschwächten Staaten zu tun, die von massiven Finanz- und 
Legitimationstransfers abhängig seien.

Marischka verwies dabei auf den IMI-Kongress im vergangenen Jahr, bei 
dem herausgearbeitet wurde, dass die EU grundsätzlich bereit sei, 
gemeinsam mit der NATO widerspenstige Staaten militärisch zu 
zerschlagen, sich darüber hinaus jedoch ein breites Instrumentarium 
zugelegt hat, um schwächere Staaten einzubinden und zu gängeln. 
Entsprechend sei die Europäische Nachbarschaftspolitik bereits neu 
formuliert worden. "Während die alten strategischen Ziele und Grundsätze 
gültig bleiben, werden die Finanzhilfen nun nach dem Prinzip 'more for 
more' unmittelbarer an konkrete Fortschritte -- etwa im Bereich des 
Freihandels -- geknüpft." Zugleich sei in Tunesien, Ägypten und Libyen 
bereits europäische und auch deutsche Unterstützung beim Aufbau neuer 
Sicherheitskräfte geplant, wobei insebesondere auch der Grenzschutz eine 
zentrale Rolle einnehme. Abschließend beschrieb Marischka die massive 
Repression, mit der v.a. die säkularen Teile der Protestbewegung in 
Ägypten konfrontiert sei ohne dass die Bundesregierung oder die EU dies 
thematisiere. Es gelte, sich mit den Opfern dieser Repression zu 
solidarisieren und so dazu beizutragen, sie vor weiteren 
Menschenrechtsverletzungen zu schützen, so Marischka abschließend.

Claudia Haydt forderte dazu auf, Abstand von einem neokolonialen Blick 
auf die Entwicklungen in Nordafrika und der arabischen Halbinsel zu 
nehmen. Die Umbrüche in Tunesien und Ägypten seien auch deswegen möglich 
gewesen, weil wichtige Informationen über Korruption und Folter über das 
Internet (z.B. WikiLeaks) erstmals für einen größeren Kreis von Menschen 
zugänglich waren und da konkrete Aktionen wie Demonstrationen und 
Blockaden durch virtuelle soziale Netzwerke besser hätten organisiert 
werden können. Der Kampf um Informationsfreiheit und gegen Kontrolle des 
Internets ist folglich eine gemeinsame Aufgabe in Europa und weltweit. 
Die Referentin wies außerdem darauf hin, dass die Bundesregierung 
versuche, in den Ländern, die sich erfolgreich ihrer Diktatoren 
entledigt haben, die zukünftigen Prozesse zu beeinflussen. Andererseits 
jedoch habe die Bundesregierung kein Interesse an Veränderungen in den 
repressiven Staaten, die sich als Bündnispartner bewährt hätten. 
Folglich unterstütze die Bundesregierung Regime wie etwa in 
Saudi-Arabien mit Waffenlieferungen und Ausbildungshilfen für Polizei 
und Militär. Genau diese Unterstützung werde von Oppositionellen als 
problematisch bezeichnet.

Haydt warb auch dafür, auf eine Dämonisierung islamischer Parteien zu 
verzichten und sich dagegen auf die Auseinandersetzung um konkrete 
politische Inhalte zu konzentrieren. Interessant seien hierbei z.B. die 
Forderungen der meisten in Tunesien gewählten Parteien nach 
Neuverhandlung der Assoziierungsabkommen mit der EU, nach einer 
sozialeren Politik sowie deren antikolonialer Konsens gegenüber 
NATO-Machtansprüchen. Ob emanzipatorische Kräfte sich tatsächlich 
längerfristig durchsetzen können, hänge v.a. davon ab, wie sehr die 
Freiräume, die sich die Menschen erkämpft haben, nun wieder mit 
"Schützenhilfe" der EU und Deutschlands eingeschränkt werden. Claudia 
Haydt war sich sicher, dass zumindest in Tunesien und abgeschwächt auch 
in Ägypten, die eigentliche politische Macht immer noch bei der 
Bevölkerung liege, die ihre Angst verloren habe. Dieses "Korrektiv der 
Straße", könne von den jeweiligen Machthabern nicht ungestraft ignoriert 
werden. Schwierig sei es jedoch, tragfähige und überzeugende politische 
Alternativen für die Zukunft der Länder zu entwickelt. Vor dieser 
Aufgabe stehen jedoch nicht nur die Menschen in Nordafrika, sondern auch 
in Europa.

Blinder Interventionismus

Der Abendvortrag von Joachim Guilliard vom Heidelberger Forum gegen 
Militarismus sowie IMI-Vorstand Jürgen Wagner beschäftigte sich mit der 
Frage "Afghanistan und Irak: Scheitern des Interventionismus?" Beide 
Referenten betonten, dass diese Militärinterventionen gemäß ihren 
offiziell propagierten Zielen - Demokratie, Menschenrechte usw. -- nur 
als riesige Fehlschläge bezeichnet werden könnten, die den Menschen in 
den betroffenen Ländern unsägliches Leid gebracht hätten. Aus diesem 
Grund beschäftigten sie sich auch mit der Frage, inwieweit hinsichtlich 
der tatsächlich hinter den Einsätzen stehenden geostrategischen und 
ökonomischen Interessen von einem Erfolg oder Misserfolg dieser Kriege 
gesprochen werden kann.

Der Zustand, in dem sich der Irak nach acht Jahren Krieg befinde, sei 
verheerend, so Joachim Guilliard: "Über eine Million Irakerinnen und 
Iraker wurden seit 2003 von Besatzungs- und irakischen Regierungstruppen 
getötet oder fielen der sektiererischen Gewalt zum Opfer, die von 
Washington und seinen Verbündeten angeheizt wurde. Mehr als zwei 
Millionen sind ins Ausland geflohen, eine ähnliche Zahl wurde zu 
Binnenflüchtlingen. In einem Land, in dem ein großer Teil der Vertreter 
der politischen Opposition und des Widerstands gegen die ausländische 
Besatzung eingesperrt, verschleppt, getötet oder vertrieben wurde und in 
dem nach wie vor 50.000 Besatzungssoldaten operieren, von Demokratie zu 
reden, ist absurd."

Tatsächlich sei es den USA ohnehin nie um Massenvernichtungsmittel, 
Demokratie oder Ähnliches gegangen, sondern vor allem darum, ihre 
Militärpräsenz am Persischen Golf auszubauen sowie die riesigen 
irakischen Ölvorkommen zu privatisieren. Doch selbst gemessen an ihren 
eigenen -- imperialistischen -- Zielen könne von einem "Erfolg" der 
Besatzer keine Rede sein. Es sei nicht gelungen, den Widerstand 
niederzuschlagen und der Versuch, sich den Rohstoffreichtum des Landes 
unter den Nagel zu reißen, sei vor allem an der Gegenwehr der 
Ölarbeitergewerkschaft gescheitert. Der zunehmende Druck habe 
mittlerweile sogar zu der offiziellen US-Ankündigung geführt, sich aus 
dem Irak zurückzuziehen. Allerdings würden gerade zahlreiche Versuche 
unternommen, diese Niederlage anderweitig zu kompensieren, da von dem 
Ziel der Kontrolle des Irak und der Region nicht abgerückt werde. 
Hierfür würde die Militärpräsenz in einigen Anrainerstaaten ausgebaut, 
aber auch eine private Söldnerarmee in Höhe von 5.000 Mann unter dem 
Kommando des US-Außenministeriums im Irak belassen. Das sei leider ein 
deutliches Zeichen, dass die Auseinandersetzungen um die Zukunft des 
Irak gerade erst begonnen hätten.

Auch Jürgen Wagner präsentierte eine ernüchternde und erschreckende 
Bilanz von zehn Jahren Krieg in Afghanistan. Die immer brutalere 
Kriegsführung der NATO habe lediglich zu einer dramatischen 
Eskalationsspirale und immer weiteren Opfern geführt. Jährlich würden 
die zivilen Kriegsopfer zunehmen, während gleichzeitig die westlich 
installierte Karzai-Regierung immer autoritärere Züge annehme. 
Neoliberale Reformen hätten zudem dazu geführt, dass die Bevölkerung 
ärmer als zu Beginn des westlichen Einmarsches sei. Gemessen an den 
offiziellen Kriegszielen könne demzufolge auch in Afghanistan niemand 
ernsthaft von einem "Erfolg" sprechen.

In Afghanistan gehe es ebenfalls tatsächlich um ökonomische und 
strategische Interessen, vor allem aber darum, den Anspruch der NATO, 
überall auf der Welt westliche Interessen durchsetzen zu können, zu 
untermauern. Hierfür sei es jedoch erforderlich, ein pro-westliches 
Regime zu etablieren, das auch in der Lage sei, sich dauerhaft an der 
Macht zu halten. Gelänge dies nicht, stehe die Fähigkeit der NATO, die 
Interessen ihrer Mitglieder in anderen Ländern gewaltsam durchsetzen zu 
können, ernsthaft in Frage. Hierfür sei jedoch eine dauerhafte 
Militärpräsenz vor Ort unumgänglich. Deshalb warnte Wagner vor der 
"Nebelkerze Truppenabzug". Es gehe lediglich darum, Teile der westlichen 
Truppen abzuziehen, keineswegs um die vollständige Beendigung der 
Besatzung, auch wenn gegenwärtig stets etwas anderes suggeriert werde. 
Die NATO verfolge derzeit zwar allerlei Strategien, den Krieg doch noch 
"siegreich" zu beenden, damit würde jedoch lediglich weiter an der 
Eskalationsspirale gedreht. "Die NATO hat zwar keinen Plan, was sie in 
Afghanistan treibt, den verfolgt sie aber mit aller Härte", so Wagners 
Kritik. Da die westlichen Staaten keinerlei Absicht hätten, den Krieg zu 
beenden, sei Druck erforderlich, weshalb der Referent seinen Beitrag mit 
einem Apell abschloss, nun verstärkt in die Mobilisierung zu den 
Protesten gegen den Petersberg-Gipfel in Bonn zu gehen, wo Anfang 
Dezember die Weichen für die weitere westliche Kriegspolitik gestellt 
werden sollen.

Peacekeeping ist Krieg

Den letzten Kongresstag am Sonntag eröffnete Thomas Mickan, Autor der 
IMI-Broschüre "Die UN und der neue Militarismus", mit einem Vortrag zur 
"Militarisierung der Vereinten Nationen". Dabei wurde zunächst auf das 
in der Öffentlichkeit positiv besetzte Image der Friedensbemühungen der 
UN eingegangen und gezeigt, wie zum Beispiel die Bundesregierung das 
Bild der Friedenstaube mit blauem UN-Stahlhelm zur Legitimation von 
Interventionen verwendet. Grundlegende Annahme sei dabei, dass 
UN-Blauhelm-Soldat_innen gerechte Anwält_innen des Friedens seien und 
militärische Gewalt ein legitimes, legales und funktionierendes Mittel 
der Konfliktbearbeitung darstelle.

Anhand von drei Punkten -- Regionalisierung, der Zusammenarbeit mit der 
Afrikanischen Union und der Rüstungsindustrie -- illustrierte Mickan 
einige Tendenzen der Militarisierung und Instrumentalisierung der UN. So 
werde die Durchführung von Kapitel-VII-Einsätzen immer häufiger an so 
genannte Regionalorganisationen ausgelagert. Zu diesen zähle neben der 
EU und der Afrikanischen Union nach Auffassung des UN-Generalsekretärs 
mittlerweile auch die NATO. Die UN spiele darin nur noch eine 
untergeordnete, aber entscheidende Rolle. Sie sei zum ersten 
Legitimationsfigur über die Vergabe von Mandaten. Zum zweiten bilde sie 
damit eine Legitimationsfolie für Aufrüstung und Regionalisierung unter 
einem Verweis auf die angebliche "Notwendigkeit von Kapazitäten zur 
Friedenssicherung". Zum dritten werde die UN insbesondere für 
Staatsaufbauprozesse umstrukturiert, so dass sie in begleitenden 
Missionen oder im Anschluss an Interventionen mit Aufgaben wie 
Entwaffnung und Demobilisierung, Sicherheitssektorreformen und 
Wiederaufbau betraut werden könne -- bei denen sie regelmäßig scheitere, 
da sich durch Krieg und Besatzung nunmal kein Frieden stiften ließe. Die 
Umstrukturierung auf solche "Assistenzfunktionen" beschrieb Mickan 
anhand der Umgestaltung der Hauptabteilung Friedenssicherung (Department 
of Peacekeeping Operations, DPKO) welche neue Kapazitäten in den 
Bereichen Stabilisierung, Sicherheitssektorreform oder Treuhandschaft 
geschaffen habe.

Neben dieser Unterstützungsfunktion für und damit Unterordnung unter 
NATO und EU beschrieb Mickan die sich durch die Mandatierung und 
Auslagerung entfaltende Aufrüstungsdynamik am Beispiel der Afrikanischen 
Union. Da diese zukünftig "afrikanische Lösungen für afrikanische 
Probleme" -- gemeint ist die African Standby Force -- bieten solle, 
unterstütze die UN deren Aufrüstung und Militarisierung, welche 
überwiegend durch westlichen Akteur_innen erfolge. Diese verstünden es 
dabei, über Ausbildungsprogramme, Peacekeepingschulen usw. starken 
Einfluss auf die Fähigkeiten und Strategien der neuen Eingreiftruppen zu 
nehmen und diese zugleich in Bereichen wie Aufklärung, Führung und 
Logistik von westlicher Unterstützung abhängig zu machen und zu halten. 
Ein ähnliches Verhältnis beschrieb Mickan auch zwischen den NATO-Staaten 
und der UN. Gerade indem der UN die Fähigkeiten zur eigenständigen 
Führung von Einsätzen vorenthalten und für solche Einsätze kaum Soldaten 
bereitgestell würden, sei diese zur Auslagerung an 
Regionalorganisationen gezwungen, was ihre Instrumentalisierung weiter 
erleichtere.

Abschließend verwies Mickan darauf, dass sich auch die Rüstungsindustrie 
diese Entwicklungen längst zu nutze mache. So habe etwa die Firma 
Krauss-Maffei-Wegmann eine eigene Variante ihres Leopard-II-Panzers für 
"Peace Support Operations" auf den Markt gebracht, der sich besonders 
zur Aufstandsbekämpfung eigne und nun nach Saudi-Arabien exportiert 
werden solle. Auch habe die Rüstungsindustrie längst erkannt, dass sich 
Waffenlieferungen an arme oder instabile afrikanische Staaten leichter 
rechtfertigen ließe, wenn diese mit der Unterstützung für die African 
Standby Force begründet würde. Entsprechend endete der Vortrag das 
vorherrschende orwellsche Neusprech entlarvend mit der Formulierung 
"Peacekeeping ist Krieg".

Fiktion des Schutzes der Zivilbevölkerung

Im zweiten Vortrag am Sonntag stellten Martin Hantke und Christoph 
Marischka "die Rolle der UN in Libyen und der Elfenbeinküste" dar. Um 
das Stimmverhalten der Mitglieder des UN-Sicherheitsrates zur 
NATO-Intervention zu verstehen, müsse man sich die Verschiebungen der 
globalen Hegemonie vergegenwärtigen, so Martin Hantke. Wie bereits 
Jürgen Wagner zuvor, betonte er dabei die immer dominantere Rolle 
Deutschlands innerhalb der EU, welche Frankreich und Großbritannien mit 
eigenen Initiativen kontern wollten, Frankreich etwa mit der 
Mittelmeerunion und beide Staaten gemeinsame mit der 
französisch-britischen Militärkooperation, die im November 2010 
beschlossen wurde. Auch auf internationaler Ebene habe sich gezeigt, 
dass diejenigen Staaten, die sich in ihrer Hegemonie bedroht fühlen, für 
den Krieg gestimmt hätten, während die "Krisengewinner" Deutschland, 
Brasilien, Russland, Indien und China sich enthalten hätten.

Die Resolutionen zu Libyen selbst lieferten ein Bild davon, wie sich die 
UN in Zukunft verändern würden und gingen "von der Fiktion des Schutzes 
der Zivilbevölkerung aus". Sie mandatierten damit erstmals offen das 
Intervenieren in einen Bürgerkrieg und seien damit im Grunde selbst ein 
massiver Verstoß gegen das Völkerrecht. Zudem seien "Kriegslügen, wie 
der Einsatz der Luftwaffe gegen Demonstranten, in die entsprechenden 
Resolutionen selbst eingesenkt" worden. Hier spiele insbesondere die 
Resolution 2016 eine entscheidende Rolle, mit der die Mandatierung der 
NATO im Oktober 2011 aufgehoben wurde, mit der jedoch auch die 
Kriegslügen und die Funktion der NATO-Intervention zum Schutz der 
Zivilbevölkerung erneut -- und diesmal einstimmig -- bestätigt wurden. 
In dieser Resolution würden u.a. die "positiven Entwicklungen in Libyen 
begrüßt, angesichts eines Bürgerkrieges, der wohl an die 80.000 
Menschenleben gekostet hat und mit massiven Verstößen gegen das 
humanitäre Kriegsvölkerrecht einherging". Es bestehe damit die Gefahr, 
dass der "Regime Change als Gewohnheitsrecht" etabliert werde und das 
"Gewaltverbot zu einem Gewaltgebot" verkomme. Bereits jetzt hätte der 
UN-mandatierte, aber völkerrechtswidrige NATO-Krieg gegen Libyen die 
"Legitimität der Vereinten Nationen schwer beschädigt". Die Resolutionen 
1973 und 2016 stellten nach Hantke einen "Epochenbruch" in der Rolle des 
UN-Sicherheitsrates dar.

Von einem "Epochenbruch" sprach auch Christoph Marischka hinsichtlich 
der taktischen Rolle der UN-Blauhelme und auch der aktiven Rolle des 
UN-Generalsekretärs beim Regime Change in Côte d'Ivoire. Bereits im 
Vorfeld der Wahlen habe es die UN unterlassen, die Rebellen im Norden zu 
entwaffnen und ihrerseits in Erwartung eines durch die Wahlen 
ausgelösten Bürgerkrieges aufgerüstet. Ban Ki-moon habe persönlich die 
Verlegung von Kampfhubschraubern aus Liberia und auch von Truppen aus 
dem benachbarten Burkina Faso, das ganz offensichtlich Konfliktpartei in 
Côte d'Ivoire ist und war, begrüßt und dem Sicherheitsrat konkrete 
Stationierungskonzepte vorgelegt. Die offensichtlichen 
Unregelmäßigkeiten bei der Wahl seien von dem Leiter der UN-Mission 
UNOCI negiert und auf dieser Grundlage Alassane Ouattara im Widerspruch 
zur ivorischen Verfassung als Präsident anerkannt worden. Der Vormarsch 
der für ihn kämpfenden Truppen und Milizen, während dessen es zu 
grausamen Verbrechen gekommen sei, wäre von der UNOCI nicht behindert, 
sondern insbesondere in seiner Endphase aktiv durch Luftangriffe der 
UN-Hubschrauber und einer französischen Eingreiftruppe unterstützt 
worden. "Minutiös", so Marischka, sei dieser Vormarsch auch mit der EU 
abgestimmt gewesen, die ihn durch "gezielte Sanktionen" unterstützte. 
"Diese Sanktionen -- insbesondere gegen Häfen und die Kakao-Gesellschaft 
-- sollten die Armee zur Meuterei gegen den amtierenden Präsidenten 
Gbagbo anstacheln und brachten das wirtschaftliche Leben vollständig zum 
Erliegen -- mit schlimmen, tödlichen Folgen für die Zivilbevölkerung. 
Diese Sanktionen wurden sofort aufgehoben, nachdem die entsprechenden 
Häfen von Ouattaras Truppen eingenommen waren -- noch vor der Festnahme 
Gbagbos".

Beide Interventionen, sowohl in Libyen als auch in der Elfenbeinküste, 
seien in Afrika als kolonialistischer Eingriff und schwere Demütigung 
wahrgenommen worden. Der ehemalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki 
beispielsweise hätte die UN in der Folge in der Zeitschrift "Foreign 
Policy" als "ein weiteres Instrument in den Händen der größten 
Weltmächte" bezeichnet.

Quantitative Abrüstung und qualitative Aufrüstung

Zum Abschluss des Kongresses berichtete der ehemalige Europaabgeordnete 
und IMI-Vorstand Tobias Pflüger über den "Umbau der Bundeswehr und die 
Perspektiven für die antimilitaristische Bewegung."

Pflüger zeichnete nach, dass die Bundeswehr inzwischen eine "Armee im 
Einsatz" und damit weit weg von der Festlegung im Grundgesetz sei, 
wonach "[d]er Bund ... Streitkräfte zur Verteidigung auf[stellt]". Horst 
Köhler sei noch als Bundespräsident zurückgetreten, u.a. weil er davon 
gesprochen habe, dass die Bundeswehr auch für Wirtschaftsinteressen 
eingesetzt werde. Inzwischen sei dies in den Verteidigungspolitischen 
Richtlinien vom Mai 2011 jedoch ganz klar so festgelegt. Gerhard 
Schröder habe noch von der "Enttabuisierung des Militärischen" 
gesprochen, nach dem durch einen Bundeswehroffizier befohlenen Massaker 
von Kunduz sei dann bereits diskutiert worden, "wieviel Töten (durch die 
Bundeswehr) erlaubt" sei. Hier habe in der politischen Elite ein 
Paradigmenwechsel stattgefunden. Im Oktober 2011 wäre nun das neue 
Stationierungskonzept vorgelegt worden, das im Kern eine "quantitative 
Abrüstung und qualitative Aufrüstung" beinhalte. "Es geht um 
Kriegsführungsfähigkeit", so Tobias Pflüger. "Die Teile der Bundeswehr, 
mit denen Krieg geführt werden kann, werden gestärkt, die anderen 
abgebaut." Die Ausrichtung auf Auslandseinsätze sei strukturbestimmend. 
Pflüger beschrieb die umfangreichen Auslandseinsätze der Bundeswehr: 
Afghanistan, Kosovo, Somalia, Libanon etc. Diese Auslandseinsätze seien 
nicht nur politisch falsch, sondern auch extrem teuer: Das DIW 
(Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) habe allein Kosten des 
Afghanistaneinsatzes von jährlich bis zu 3 Milliarden Euro errechnet. 
Die Strukturveränderungen führten auch zu Standortschließungen. Von 
Seiten der Friedensbewegung sei es notwendig, aufzuzeigen, dass 
Konversion in zivile Strukturen für betroffene Kommunen keine Gefahr, 
sondern eine Chance sei.

Die Veränderung der Bundeswehr ginge zudem einher mit viel Pathos ("Wir. 
Dienen. Deutschland.", so ein neuer Slogan der Bundeswehr) und einer 
neuen Werbestrategie. Allein die Gelder für Nachwuchswerbung seien im 
Jahr 2012 doppelt so hoch veranschlagt, wie im Vorjahr. Die Wehrpflicht 
sei vor allem deshalb ausgesetzt worden, weil Wehrpflichtige nicht in 
Auslandseinsätze geschickt werden könnten. Für eine offensiv 
ausgerichtete Kriegsarmee seien diese nicht verwendbar. Allerdings 
entfalle hiermit das bislang wichtigste Rekrutierungsinstrument der 
Bundeswehr, die deshalb ihre Anstrengungen in diesem Bereich erheblich 
intensiviere. Damit gehe eine massive Militarisierung des öffentlichen 
Raums einher, da vor allem in Schulen und Hochschulen, aber auch in 
Arbeitsagenturen verstärkt für den Dienst an der Waffe geworben werde.

Mit der Aussage "die Krise als Rekrutierungshelfer" endete Tobias 
Pflügers Analyse: "Gerade der unsägliche Versuch der Bundeswehr, sich 
die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher zu Nutze zu machen, indem 
sie direkt in den Arbeitsagenturen rekrutiert, zeigt, dass Krise und 
Krieg untrennbar miteinander verwoben sind. Notwendig ist der Protest 
und Widerstand gegen die Kriegspolitik im Innern und Äußern! Der Krieg 
beginnt hier und die Umstrukturierung der Bundeswehr zeigt, wo dieser 
Protest und Widerstand ansetzen könnte."

Neben der Notwendigkeit, die Rekrutierungsbemühungen der Bundeswehr bei 
jeder Gelegenheit zu untergraben und ihren Zugriff auf Schulen und 
Hochschulen zu minimieren, wurden insbesondere die Proteste gegen die 
Petersberg-II-Konferenz Anfang Dezember in Vortrag und Diskussion als 
zentrale Aufgaben der Friedensbewegung benannt. Auch auf die 
Notwendigkeit, Kriegsstandorte der Bundeswehr und anderer Armeen, 
Rüstungsexporte und Rüstungsproduktion zu thematisieren und die 
Konversion voranzutreiben und mitzugestalten, wurde hingewiesen. Das sei 
die richtige und notwendige Antwort auf die "gegenwärtigen Umbrüche und 
Unsicherheiten, auf welche Deutschland und die führenden Weltmächte 
offensichtlich mit weiterer Aufrüstung und verstärkter 
Interventionsbereitschaft reagieren".

Informationsstelle Militarisierung

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