[IMI-List] [0358] IMI-Kongress / BW-Musix Balingen
IMI
imi at imi-online.de
Mo Okt 17 15:45:11 CEST 2011
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0358 .......... 15. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jonna Schürkes / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
1) neue Infos zum IMI-Kongress am 5./6. November in Tübingen;
2) Informationen und ein Artikel zu den Protesten gegen BW-Musix in Balingen
1) IMI-Kongress 5./6. November in Tübingen
Wendezeiten: Weltpolitische Umbrüche – Chance oder Gefahr?
Ort: Schlatterhaus, Österbergstr. 2, 72074 Tübingen
Inzwischen sind auch Flyer und Plakat zum IMI-Kongress fertig. Auf
Wunsch können Exemplare zum verteilen unter imi at imi-online.de bestellt
oder auch hier heruntergeladen werden:
Plakat: http://www.imi-online.de/download/IMI-Kongressplakat2011.pdf
Flyer: http://www.imi-online.de/download/Kongressflyer-Komplett.pdf
2) BW-Musix abblasen!
Vom 21.- 23. Oktober findet in Balingen ein von der Bundeswehr
organisierter Bläserwettbewerb („BW-Musix“) für Kinder und Jugendliche
statt. Das Bündnis „BW-Musix abblasen“ ruft zu einer Demo gegen dieses
Spektakel auf. Die Demo findet am 21.10.2011 statt und beginnt um 17:30
am Bahnhof Balingen. Worum es bei „BW-Musix“ geht und warum es wichtig
ist dagegen zu demonstrieren, ist im folgenden Artikel erläutert:
IMI-Standpunkt 2011/049 in: AUSDRUCK (Oktober 2011)
BW-Musix abblasen
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2357
12.10.2011, Jonna Schürkes
In Balingen, einer Kleinstadt auf der Schwäbischen Alb, findet bereits
zum dritten Mal in Folge das sogenannte „BW-Musix“ statt. Dieser
Wettbewerb von Jugendblasorchestern wird von der Bundeswehr organisiert,
die Stadt Balingen und der Musikinstrumente-Hersteller Yamaha sind die
Veranstalter. Seit zwei Jahren gibt es das Bündnis „BW-Musix abblasen!“,
das auch in diesem Jahr eine Demo gegen das Spektakel organisiert hat.
Nachwuchsgewinnung und Akzeptanzschaffung
Es wäre absurd zu glauben, die Bundeswehr würde diesen Wettbewerb aus
lauter Liebe zur Blasmusik veranstalten. Dahinter steht vielmehr das
Bedürfnis, die Bundeswehr als einen positiven Teil der Gesellschaft
darzustellen und dafür sind die Musik und die „Unterstützung“ von
jugendlichen Blasmusikern hervorragend geeignet. Die Funktion von
Militärmusik ist unter anderem eben jene, das Militär der Bevölkerung
näher zu bringen, oder wie es auf der Homepage der Militärmusik heißt:
„In vielfältigen konzertanten Veranstaltungen, besonders den bei einem
breiten Publikum so beliebten Wohltätigkeitskonzerten, macht die
Militärmusik Bundeswehr in sympathischer für jedermann leicht
nachzuvollziehenden Form erfahrbar“.[1] Mit der Wiederbewaffnung
Deutschlands 1955, die von einem Großteil der Bevölkerung in Deutschland
abgelehnt wurde, forderte der damalige Bundeskanzler Adenauer eine
schnelle Aufstellung von Musikkorps. Sie sollten vor allem für eine
positive Stimmung der Bevölkerung gegenüber der Bundeswehr sorgen.[2]
Genau diese Funktion übernimmt die Militärmusik auch heute noch, nur
geht es nicht mehr darum, der Bevölkerung die Wiederbewaffnung zu
verkaufen. Angesicht der zunehmenden Ablehnung von Auslandseinsätzen
(jüngsten Umfragen zufolge sind bspw. 66% der Bevölkerung in Deutschland
gegen den Afghanistankrieg[3]) dient die Charmeoffensive der Bundeswehr
in erster Linie dazu, die militarisierte Außen- und Sicherheitspolitik
zu legitimieren, allerdings weniger mit Argumenten als mit Emotionen. In
dem „Veranstaltungs- und Organisationshandbuch für den Tag der
Reservisten 2008“ heißt es: „Musik geht unter Umgehung des Verstandes
direkt ins Gemüt und schafft ein positives Klima für […] Gespräche mit
den Bürgern“.[4]
Das BW-Musix ist aber nicht bloß ein Konzert mit Militärmusikern, es ist
ein Wettbewerb, bei dem Jugendliche und Kinder von Offizieren in Uniform
für ihre musikalischen Leistungen bewertet werden. Auch ihnen soll das
Militär positiv vermittelt werden. Hinzu kommt, dass die Bundeswehr
unter massiven Nachwuchssorgen leidet und sich diese Situation seit der
Aussetzung der Wehrpflicht – auch für den Militärmusikdienst[5] -
deutlich verschärft hat. Daher nimmt das Militär jede Möglichkeit wahr,
um Jugendliche dazu zu bringen, Soldat zu werden.
In den ersten Jahren von BW-Musix machte die Bundeswehr auch keinen Hehl
daraus: die Ansprechperson bei der Bundeswehr saß im „Zentrum für
Nachwuchsgewinnung Ost“ und in der Lokalzeitung „Schwarzwälder Bote“
erklärte Hauptmann Johannes Langendorf vom Zentrum Militärmusik, die
Bundeswehr wolle sich bei den jugendlichen Musikern auch als Arbeitgeber
präsentieren.[6] Unter Ausnutzung der Musikbegeisterung dieser Kinder
und Jugendlichen und wohlwissend, dass es sehr schwierig ist, die Musik
zum Beruf zu machen, erklärte Langendorf kürzlich: "Wo sonst hat man die
Möglichkeit für einen Zeitraum von einem bis zu maximal vier Jahren in
ein Musikkorps und damit in die Welt der Berufsmusiker
hineinzuschnuppern?“[7] Dass diese Möglichkeit bedeutet, Soldat werden
zu müssen und im Zweifelsfall auch in Kriegseinsätzen der Bundeswehr
(zumindest als Sanitäter) eingesetzt zu werden, wird natürlich nicht
erwähnt.
Von Bläserklassen und Bastelstunden
Doch der Bundeswehr reichen die Jugendlichen, die sich im Wettbewerb
messen und die zur „Musikerparty“ kommen, nicht aus – sie drängt auch an
die Balinger Schulen. Im letzten Jahr bastelte Hauptmann Langendorf
einige Tage vor dem Wettbewerb in einer Grundschule Dinosauriercollagen
aus Bildern von Blechblasinstrumenten. Die Drittklässler konnten ihre –
gemeinsam mit dem Offizier erstellten – Kunstwerke dann bei einer
Ausstellung im Rahmen von BW-Musix bewundern.[8]
In diesem Jahr werden der Bundeswehr dann ganze Schulklassen –
sogenannte Bläserklassen - zugeführt. Bläserklassen bekommen über einen
Zeitraum von mehreren Jahren Blasinstrumente – unter anderem von der
Firma Yamaha, die BW-Musix mitveranstaltet - zur Verfügung gestellt, um
gemeinsam musizieren zu können. Dieses Angebot gilt für alle Stufen der
weiterführenden Schulen. Das bedeutet, dass an diesem Bläserwettbewerb
im Rahmen von BW-Musix schon ganze Schulklassen mit Kindern ab ca. 10
Jahren teilnehmen werden. „In diesem Jahr lassen wir auch die ganz
jungen Nachwuchsmusiker erstmalig Wettbewerbsluft schnuppern. Im Rahmen
eines neuen Bläserklassenwettbewerbes präsentieren die allerjüngsten
Instrumentalisten ihre jeweiligen Ensembleleistungen. Eine fachkundige
Jury aus Musikoffizieren und Vertretern der zivilen
Bläserklassenpädagogik, möchte mit diesem außergewöhnlichen Wettbewerb
junge Instrumentalisten nachhaltig motivieren und gleichzeitig mit
wertvollen Tipps zur Seite stehen“, heißt es im Werbeflyer für das
Spektakel. Dass die Schulen, die Eltern und die Stadt Balingen es
zulassen, dass schon Drittklässler der Propaganda des Militärs
ausgesetzt werden, ist vollkommen unbegreiflich. Das Thema hat
inzwischen auch Kinderrechtsorganisationen auf den Plan gerufen.
Das Deutsche Bündnis Kindersoldaten widmete sich in seinem
„Schattenbericht Kindersoldaten 2011“, der im Auftrag u.a. von terre des
hommes und Unicef erstellt wird, der Rekrutierung Minderjähriger für die
Bundeswehr und der auf Minderjährige zugeschnittenen
Öffentlichkeitsarbeit sowie Nachwuchswerbung der Bundeswehr. Darin
kritisieren sie aufs Schärfste die Praxis in Deutschland, der Bundeswehr
den Zugang zu Schulen zu ermöglichen.[9]
Die Kritiker werden kriminalisiert
Trotz allen Jubelns über die Tatsache, dass die Kleinstadt Balingen ein
„Musikeventwochenende mit Spaßgarantie“[10] zum wiederholten Male an
Land ziehen konnte, scheint der Stadtverwaltung es lieber zu sein, nicht
zu erwähnen, wer das „Event“ ausrichtet. In der Ankündigung der
Veranstaltung auf der Homepage der Stadt Balingen taucht die Bundeswehr
als Organisator überhaupt nicht mehr auf. Gleichzeitig weist sie jede
Kritik an der Veranstaltung weit von sich und kriminalisiert die
Demonstranten gegen das BW-Musix. Dem Anmelder der Demo von 2010 wurde
aufgrund der Befürchtung, die Demonstranten könnten „die öffentliche
Sicherheit und Ordnung gefährden“, absurde Auflagen erteilt. So sollte
er dafür sorgen, dass Getränke nur „in Plastikflaschen oder
Tetrapackbehältnissen“ mitgeführt würden, Hunde seien bei der Demo
verboten. Für die Erstellung der Auflagen sollte der Anmelder 98,- Euro
bezahlen, wogegen inzwischen Klage eingereicht wurde. Wir lassen nicht
zu, dass mit fadenscheinigen Argumenten unser Demonstrationsrecht
eingeschränkt und den Kritikern der Mund verboten wird. Wir werden auch
in diesem Jahr gegen BW-Musix und die Nachwuchswerbung und
Akzeptanzschaffung der Bundeswehr protestieren!
Anmerkungen
[1] Militärmusik – klingender Ausdruck des Selbstverständnisses der
Streitkräfte; http://www.militaermusik.bundeswehr.de
[2] Bei der Bundeswehr wird auch Musik gespielt, Fluter, 08.02.2011.
[3] Bürger fordern: Raus aus Afghanistan - schnell!, Stern, 08.07.2011.
[4] Zit. nach: Schulze von Glaßer, M: Die Rattenfänger von Balingen,
IMI-Analyse 2009/041.
[5] Ende der Wehrpflicht - Ende der Musik?, Bayrischer Rundfunk, 06.07.2011.
[6] Schulze von Glaßer, M: Die Rattenfänger von Balingen, IMI-Analyse
2009/041.
[7] Ende der Wehrpflicht - Ende der Musik?, Bayrischer Rundfunk, 06.07.2011.
[8] BW-Musix in der Grundschule - Wie aus Trompete, Tuba und Posaune
lustige Dinos gebastelt werden können, Zollern-Alb-Kurier, 22.10.2010.
[9] Deutsches Bündnis Kindersoldaten: Schattenbericht Kindersoldaten
2011, Februar 2011.
[10] Ankündigung zu BW-Musix 2011 der Blasmusikverbandes
Baden-Württemberg; http://www.bvbw-online.de.
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