[IMI-List] [0321] Afghanistan: Fact Sheet und Broschüre / Bundeswehr und Schule
Informationsstelle Militarisierung
imi at imi-online.de
Di Jan 19 13:58:21 CET 2010
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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0321 .......... 14. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Christoph Marischka / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,
in dieser IMI-List finden sich
1) Material zum Afghanistan-Krieg, das kostenlos bei der IMI bestellt
werden kann;
2) Aktionen und Publikationen rund um die zunehmenden
Rekrutierungsbemühungen der Bundeswehr in Schulen.
1) Neues Afghanistan-Material: Fact-Sheet und Broschüre
Am 28. Januar findet in London die Internationale Afghanistan-Konferenz
statt. Es zeichnet sich ab, dass ausgehend von dieser Konferenz eine
Erhöhung des deutschen Bundeswehrkontingents und generell eine weitere
Eskalation des Krieges in die Wege geleitet werden wird. Zahlreiche
Friedensgruppen haben angekündigt, Aktionen, Stände, etc. vor und
während des Treffens zu machen.
Um diese Aktionen zu unterstützen, haben wir unser Fact-Sheet zum
Afghanistan-Krieg aktualisiert. Es enthält die wichtigsten Daten und
Fakten, um eigene Flugblätter zu erstellen, eignet sich aber auch zum
direkt auslegen:
http://imi-online.de/download/fact_sheet_afghanistan2010.pdf
Erfreulicherweise ist es uns möglich, das Fact-Sheet nicht nur auf der
Homepage zur Verfügung zu stellen, sondern es kann - gerne auch in
größerer Stückzahl - GRATIS (bzw., wer Geld hat, gegen Spende) auch in
größeren Mengen als Farbversion bestellt werden. Einfach eine Mail an
imi at imi-online senden.
Außerdem ist unsere zwischenzeitlich vergriffene Broschüre: "Im
Windschatten der NATO: Die Europäische Union und der Krieg in
Afghanistan" nun in eine zweite Auflage gegangen.
Auch die Broschüre kann über imi at imi-online.de bestellt werden. Als
download findet sich die Studie zusammen mit vielen anderen
themenbezogenen Texten auf unserer Afghanistan-Sonderseite:
http://www.imi-online.de/2006.php?id=1454
Hier noch ein Hinweis in eigener Sache: Auch wenn wir uns immer bemühen,
unsere Materialien zum Selbstkostenpreis oder -- wie in diesem Fall --
ganz gratis abgeben zu können, uns kostet die Erstellung dennoch
natürlich Geld. Damit wir hierzu auch in Zukunft in der Lage sind,
benötigen wir Unterstützung in Form von Spenden oder, noch besser, neuer
Mitglieder. Wie ihr uns helfen könnt, erfahrt ihr hier:
http://www.imi-online.de/help-imi.php
2) Aktionen und Publikationen Bundeswehr an den Schulen
Um ihren steigenden Bedarf zu decken, versucht die Bundeswehr immer
offensiver Jugendliche direkt in Schulen zu rekrutieren. Anfang Dezember
2009 kam es in Baden-Württemberg sogar zu einer Vereinbarung zwischen
dem Kultusministerium und der Bundeswehr, die eine Intensivierung der
Zusammenarbeit zwischen Jugendoffizieren und Schulen zum Inhalt hat
(ähnliche Verträge gibt es mit NRW und dem Saarland. Siehe hierzu den
Text am Ende dieser IMI-List). Erfreulicherweise regt sich hiergegen
inzwischen massiver Widerstand:
a) Demo am 23.1: "Bundeswehr raus aus dem Klassenzimmer!"
Das Freiburger Bildungsstreikbündnis hat nun zu einer Demo gegen diese
Vereinbarung unter dem Motto: "Bundeswehr raus aus dem Klassenzimmer! --
Gegen die Zusammenarbeit von Schule und Militär" aufgerufen.
Die Demonstration findet am 23.1.2010 ab 15h in Freiburg statt
(Treffpunkt: Platz der alten Synagoge). Alle weiteren Infos finden sich
unter:
http://www.bildungsstreik2009-freiburg.de/2010/01/bundeswehr-raus-aus-dem-klassenzimmer-gegen-die-zusammenarbeit-von-schule-und-militar/
.
b) Neue IMI-Studie zu Schule und Bundeswehr
Anlässlich dieser Kooperationsvereinbarung, die es vor allem für Lehrer
und Schüler schwerer macht, sich der Beeinflussung durch das Militär zu
entziehen, hat Michael Schulze von Glaßer eine neue, sehr ausführliche
Studie zu dem Einfluss der Bundeswehr in Schulen geschrieben. In dieser
Studie geht es nicht nur um die Praxis der Beeinflussung von Schülern
durch das Militär, sondern auch um Initiativen und Aktivitäten von
Schülern, Gewerkschaft, Friedens- und Antimilitarismusgruppen, die
Bundeswehr aus der Schule drängen.
IMI-Studie 2010/02
Die Eroberung der Schulen
Wie die Bundeswehr in Bildungsstätten wirbt
http://imi-online.de/download/MSG_Jugendoffiziere_Studie.pdf
19.01.2010, Michael Schulze von Glaßer
c) IMI-Text zur Kooperationsvereinbarung zwischen Kultusministerium und
Bundeswehr
IMI-Standpunkt 2009/067
Jugendoffiziere raus aus Schulen!
Zur neuen Kooperationsvereinbarung zwischen dem Kultusministerium
Baden-Württembergs und der Bundeswehr
http://www.imi-online.de/2009.php?id=2057
10.12.2009, Jonna Schürkes
Bereits im Jahresbericht der Jugendoffiziere 2008 wurde die
Zusammenarbeit mit den verschiedenen Kultusministerien der Länder
gelobt. Anfang Dezember 2009 hat nun das Kultusministerium
Baden-Württembergs einen Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr
geschlossen, der einer Intensivierung dieser Zusammenarbeit dienen
soll.* Die 94 hauptamtlichen und ca. 300 ehrenamtlichen Jugendoffiziere
sollen vorrangig in Schulen -- aber auch an Universitäten und anderen
Orten, wo Jugendliche und mit Jugendarbeit betraute Erwachsene
anzutreffen sind - die Sichtweise der Bundesregierung und der Bundeswehr
zur Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands vermitteln.
Als die Institution "Jugendoffizier" 1958 gegründet wurde, hatte sie die
Aufgabe, die Bevölkerung in Deutschland, die einem Beitritt zur NATO und
der Wiederbewaffnung Deutschlands überwiegend kritisch gegenüberstand,
von der Notwendigkeit dieser Maßnahmen zu überzeugen. Heute sollen sie
dafür sorgen, dass es in der Bevölkerung die notwendige Zustimmung zu
den zunehmenden Auslandseinsätzen -- vor allem dem Afghanistan-Einsatz
-- gibt. Dies ist aus Sicht der Bundesregierung auch dringend notwendig:
Einer Umfrage vom 3.12.2009 zufolge wollen 69 Prozent der Bürger, dass
die Bundeswehr Afghanistan so schnell wie möglichst verlässt (Spiegel
Online 4.12.09). Auch wenn am gleichen Tag der Bundestag mit großer
Mehrheit der Verlängerung des ISAF-Mandats in Afghanistan zustimmte, ist
eine ablehnende Haltung innerhalb der Bevölkerung für die Parteien und
die Abgeordneten, die sich für ihr Abstimmungsverhalten gegenüber ihren
Wählern rechtfertigen müssen, sehr lästig.
Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr, das sowohl die
Stimmung bezüglich der Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands in der
Bevölkerung als auch die Bereitschaft von Jugendlichen, sich bei der
Bundeswehr zu verpflichten, misst, kommt zu dem Ergebnis, dass für die
ausreichende Rekrutierung von Soldaten die Einstellung der Bevölkerung
gegenüber der Bundeswehr und ihrer Einsätze enorm wichtig ist. Vor allem
Freunde und Familie, aber auch die Medien könnten die potentiellen
Soldaten enorm in ihrer Entscheidung beeinflussen. Um dieses "positive
Umfeld" zu schaffen, sind die Jugendoffiziere da.
Propaganda und Rekrutierung: faktisch nicht voneinander zu trennen
Während Wehrdienstberater Jugendliche direkt anwerben, sie über die
Möglichkeiten bei der Bundeswehr "umsonst zu studieren", "Karriere zu
machen" und "Kameradschaft zu erleben" anlocken, ist den
Jugendoffizieren dieses direkte Rekrutieren -- zumindest offiziell --
verboten. Allerdings scheinen es die Jugendoffiziere mit dieser Trennung
in der Praxis nicht allzu erst zu nehmen. Zum einen wird -- eigenen
Angaben zufolge -- eng mit den Wehrdienstberatern zusammengearbeitet,
Anfragen weitergegeben, Schulen gemeinsam angeschrieben oder sie treten
gleich zusammen mit Wehrdienstberater auf (vgl. Bericht der
Jugendoffiziere 2006). So kann dann der Jugendoffizier für eine
grundsätzlich positive Haltung gegenüber der Militärpolitik sorgen, der
Wehrdienstberater gleich diejenigen abgreifen, die für diese Politik
dann in den Krieg ziehen.
Zum anderen lohnt sich der Blick in Schülerzeitungen, in denen über den
Besuch der Jugendoffiziere berichtet wird. Aus der Schülerzeitung einer
Krefelder Hauptschule: "Am 28. April besuchte ein Jugendoffizier der
Bundeswehr die Klasse 10B. Er erzählte den Schülern etwas über seinen
Beruf und die Leistungen, die man erbringen muss, wenn man sich bei der
Bundeswehr bewerben möchte. Er sprach auch über die besonderen
Möglichkeiten und Angebote bei der Bundeswehr: Wenn sich z.B. jemand für
12 Jahre dort verpflichtet, erhält er die Chance zu studieren; die
Bundeswehr finanziert dann das Studium. Man bekommt auch die
Gelegenheit, einen Führerschein oder einen Pilotenschein zu machen.
Anhand einer Weltkarte informierte er auch darüber, wo in der Welt
zurzeit Bundeswehreinsätze stattfinden". Soviel zum Thema, die
Jugendoffiziere würden keine Rekrutierung betreiben.
Doch Jugendoffiziere gestalten nicht nur Unterrichtsstunden, sie
organisieren auch Ausflüge, Truppenbesuche und das Simulationsspiel
Polis. Bei diesem "Spiel" geht es darum, den Jugendlichen zu zeigen,
dass "große Politik" und die Einsetzung von Militär nun einmal
zusammengehören und ihnen ein für alle mal die Flausen von Lichterketten
und Friedensbewegung auszutreiben (vgl. Humburg, Heiko: PR-Strategien
der Bundeswehr, in: W&F Dossier 58).
Die Anzahl der Truppenbesuche nimmt aber ab, da die Bundeswehr ob ihrer
zahlreichen Einsätze kaum noch Kapazitäten hat, Soldaten damit zu
beschäftigen, Kindern und Jugendlichen den "Truppenalltag" vorzuführen
(Bericht der Jugendoffiziere 2008). Manchmal jedoch finden solche
Schulausflüge noch statt. Anders aber als Jugendoffiziere sind die
Soldaten nicht dazu getrimmt, mit Jugendlichen so umzugehen, dass es dem
Image der Bundeswehr nützt. Im Oktober 2009 besuchten Schüler der 8.
Klasse eine Eutiner Kaserne. Dabei wurde den Jugendlichen der
Schießsimulator vorgeführt, an dem Soldaten mit Elektrowaffen für den
realen Einsatz in Afghanistan trainieren. So ein Schießkino sei
tausendmal besser als eine Playstation, prahlte der vorführende Soldat.
Diese Aussage und die Vorführung der "besseren Playstation" sorgten dann
bei Eltern, verschiedenen Abgeordneten des Landtages und bei der
Bundeswehr selbst für Kritik. Gegen weniger plumpe, aber deshalb nicht
weniger gefährliche Beeinflussung von und Anbiederung an Jugendliche
durch die Jugendoffiziere, ist aber immer noch wenig zu hören.
Im Gegenteil: Insgesamt scheinen die Jugendoffiziere mit der
Zusammenarbeit mit Schulen sehr zufrieden zu sein. Tatsächlich steigt
die Anzahl der Besuche seit 2003 kontinuierlich an.
Die Kooperationsvereinbarungen
Die 2005 aufgestellten Bezirksjugendoffiziere haben die Aufgabe, mit den
jeweiligen Kultus- bzw. Bildungsministerien zusammenzuarbeiten und der
Bundeswehr den Zugang zu Schulen, Universitäten und vor allem auch zu
den Referendaren und Lehrern zu eröffnen. Mit drei Kultusministerien --
Nordrheinwestfahlen (Oktober 2008), Saarland (März 2009) und
Baden-Württemberg (Dezember 2009) -- wurden Kooperationsvereinbarungen
getroffen. Die Verträge sollen die Kooperation zwischen den Schulen und
den Jugendoffizieren "intensivieren": "Jugendoffiziere bieten dazu wie
bisher ihre Besuche in Schulen an. Sie werden darüber hinaus in die Aus-
und Fortbildung von Referendarinnen und Referendaren und von Lehrkräften
eingebunden. Außerdem bietet die Bundeswehr Lehrerinnen und Lehrern
sowie Vertretern der Schulaufsicht ihrerseits Besuche in ihren
Einrichtungen und Seminare zur Sicherheitspolitik an". Zusätzlich sollen
die Angebote der Bundeswehr auf den Bildungsservern der Länder und in
anderen Medien der Kultusministerien beworben werden (alle
Pressemitteilungen zu den Kooperationsvereinbarungen der jeweiligen
Länder finden sich auf der Seite www.bildungklick.de).
Offensichtlich scheinen die Verantwortlichen in den Ministerien kein
Problem damit zu haben, dass die Bundeswehr damit direkten Einfluss auf
die Meinung der Schüler und die Ausbildung der Lehrer nehmen kann und so
wesentliche Grundsätze der politischen Bildungsarbeit missachtet werden.
Seit 1976 besteht der so genannte Beutelsbacher Konsens, der die
Mindestanforderung an die politische Bildung in der Schul- und
Erwachsenenbildung festlegt. Dieser Konsens beinhaltet drei Grundsätze,
wobei mindestens zwei durch die Präsenz von Jugendoffizieren an Schulen
missachtet werden: Das Überwältigungsverbot besagt: "Es ist nicht
erlaubt, den Schülern -- mit welchen Mitteln auch immer -- im Sinn
erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der Gewinnung eines
selbständigen Urteils zu hindern". Wie oben beschrieben hatten die
Jugendoffiziere zunächst die Aufgabe, die Remilitarisierung Deutschlands
zu legitimieren, heute müssen sie erklären, warum die Bundeswehr überall
in der Welt Krieg führt. Das so genannte Kontroversitätsgebot besagt:
"Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht
kontrovers erscheinen. Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs
engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch
fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben,
ist der Weg zur Indoktrination beschritten".
Mit ihrer Begeisterung für die Jugendoffiziere sind die
Kultusministerien aber nicht alleine, auch die Bundesregierung und
verschiedene Landesregierungen haben in Antworten auf Anfragen im
Bundestag und den Ladtagen betont, dass sie keinerlei Probleme damit
haben, Jugendliche derart zu beeinflussen. Auch -- vor allem junge --
Lehrer und Referendare nutzen das Angebot der Bundeswehr ausgiebig.
Allerdings regt sich vor allem seitens der Schüler massiver Widerstand:
es gibt zahlreiche Berichte von Schulklassen, die den Jugendoffiziere
und Wehrdienstberater nicht nur unangenehme Fragen gestellt haben,
sondern teilweise auch auf sehr eindringliche Weise ihren Protest kundtaten.
* nach Abfassung dieses Textes wurde die Vereinbarung im Internet
veröffentlicht. Sie findet sich u.a. hier:
http://jugendoffizier.files.wordpress.com/2010/01/kooperationsvereinbarung.pdf
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