[IMI-List] [0319] Diplomatischer EU-Dienst / Afghanistan-Strategie

Informationsstelle Militarisierung imi at imi-online.de
Do Dez 3 15:11:55 CET 2009


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0319 .......... 13. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Christoph Marischka / Jürgen Wagner
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Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List finden sich zwei brandaktuelle Texte:

1) Zur neuen Afghanistan-Strategie, die von US-Präsident Barack Obama am 
1. Dezember verkündet wurde;

2) Zum Europäischen Auswärtigen Dienst, der gegenwärtig aufgebaut wird 
und sich zu einem riesigen zivil-militärischen Monstrum zu entwickeln 
droht.


1) IMI-Studie zur neuen Afghanistan-Strategie

Am 1. Dezember verkündete US-Präsident Barack Obama eine neue Strategie, 
um Afghanistan unter Kontrolle zu bekommen. Die soeben erschienene 
IMI-Studie stellt deren Kernelemente dar (Truppenerhöhungen plus 
Afghanisierung des Krieges), beleuchtet die Rolle Deutschlands, 
insbesondere bzgl. der Mandatsverlängerung und den US-Forderungen nach 
mehr Truppen und stellt dar, welche dramatischen Folgen die neue 
Strategie der westlichen Militärplaner für die Menschen in Afghanistan 
haben wird.

IMI-Studie 2009/014 - in: AUSDRUCK (Dezember 2009)
Die neue Afghanistan-"Strategie": Bürgerkrieg unter westlicher 
Beaufsichtigung
http://www.imi-online.de/2009.php?id=2053
3.12.2009, Jürgen Wagner


2) IMI-Analyse zum Europäischen Auswärtigen Dienst

Am 1. Dezember trat der Vertrag von Lissabon in Kraft. Mit ihm wurde das 
Amt des "Hohen Vertreters für die Außen- und Sicherheitspolitik" 
geschaffen. Dabei handelt es sich um eine Art Superminister, der, 
verglichen mit Deutschland, die Kompetenzen eines Außen-, Verteidigungs- 
und (in Teilen) des Entwicklungsministers in sich vereint. Zur 
Unterstützung des neuen Amtes wird nun ein "Europäischer Auswärtiger 
Dienst" aufgebaut, in den sämtliche Machtkapazitäten ziviler und 
militärischer Art für eine "imperiale Machtpolitik aus einem Guss" 
gebündelt werden, wie in der folgenden IMI-Analyse dargestellt wird:


IMI-Analyse 2009/045 - in: AUSDRUCK (Dezember 2009)
Der Europäische Auswärtige Dienst: Imperiale Machtpolitik aus einem Guss
http://www.imi-online.de/2009.php?id=2054
3.12.2009, Martin Hantke


Mit dem Vertrag von Lissabon sollte Europa ein Gesicht in der Welt 
erhalten und unter einer Telefonnummer erreichbar sein. Mit der 
Benennung von Hermann van Rompuy zum EU-Ratspräsidenten und der Britin 
Catherine Ashton zum Hohen Vertreter für die Außen- und 
Sicherheitspolitik, werden beide künftig auf internationalen 
Gipfeltreffen zusammen mit dem Kommissionspräsidenten auftreten.

Ziel der neuen Posten ist es, in Zeiten zunehmender machtpolitischer 
Auseinandersetzungen, die "Schlagkraft" der Europäischen Union über die 
Bündelung von Kompetenzen deutlich zu erhöhen. Gerade die 
Eifersüchteleien zwischen der Kommission, bei der große Teile der 
"zivilen" Außenpolitik angesiedelt waren, und dem Rat, der für zivile 
und militärische Einsätze zuständig war, hatten eine "Machtpolitik aus 
einem Guss" erheblich beeinträchtigt. Dies wird sich nun mit dem neuen 
Posten des Hohen Vertreters für die Außen- und Sicherheitspolitik 
ändern, mit dem diese hinderliche Trennung aufgelöst wird. So heißt es 
in einem parlamentarischen Gutachten vom 3. November 2009: "Damit wird 
er [der Hohe Vertreter] einerseits für die Festlegung und Durchführung 
der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) einschließlich der 
Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) zuständig sein, 
andererseits soll er innerhalb der Kommission mit deren Zuständigkeiten 
im Bereich der Außenbeziehungen und mit der Koordinierung der übrigen 
Aspekte des auswärtigen Handelns der EU betraut sein."

Allerdings sind Rompuy und Ashton wenig profiliert, sie sind 
Pappkameraden, hinter denen die EU-Bürokratie und die großen 
EU-Mitgliedstaaten, Deutschland, Großbritannien und Frankreich stehen. 
Sie werden künftig das Sagen haben und die Apparate unter sich 
aufteilen. Denn es ist jenseits der politischen Ebene, wo derzeit mit 
der Umsetzung des Vertrags von Lissabon Nägel mit Köpfen gemacht werden. 
Vor allem die Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) 
wird die europäische Außen- und Sicherheitspolitik völlig neu 
aufstellen. Er soll künftig nahezu sämtliche zivilen und militärischen 
Machtkapazitäten der EU in sich vereinigen und so als Verstärkung 
nationalstaatlicher Interessenvertretung fungieren. Dieser Dienst ist 
eine der Moorleichen des Vertrags von Lissabon, die jetzt auftauchen, 
nachdem sie, solange das Ratifizierungsverfahren noch nicht 
abgeschlossen war, jahrelang friedlich im EU-Sumpf schlummerten.


Nach Lissabon

Am 1. Dezember 2009 ist der Vertrag von Lissabon in Kraft getreten. In 
den Schubladen von Rat und Kommission lagern die Umsetzungsprojekte. Es 
ist kein Zufall, dass dem EAD oberste Priorität zukommt. Der Rat hatte 
auf seiner Tagung vom 17. November 2009 die Erklärung mit dem Titel 
"Zehn Jahre ESVP -- Herausforderungen und Chancen" verabschiedet, um zu 
feiern, dass "der Europäische Rat auf dem Kölner Gipfel vom Juni 1999 
den historischen Beschluss gefasst" hat unter Verweis auf die 
Balkankriege, "die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik 
(ESVP) als Komponente der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik in 
die Wege zu leiten". Seitdem, so verkündete man stolz, habe man nicht 
nur "über 22 ESVP-Missionen und -Operationen in drei Kontinenten 
eingeleitet, die das gesamte Spektrum der Aufgaben der 
Konfliktverhütung, der Krisenbewältigung und der Friedenskonsolidierung 
nach Konflikten abdecken, sondern auch unsere Arbeitsstrukturen 
reformiert, unsere Planungskapazität ausgearbeitet und weiterentwickelt, 
unsere Krisenbewältigungs- und Krisenreaktionsfähigkeit verbessert und 
unsere Zusammenarbeit mit wichtigen Partnern und beitragenden 
Drittstaaten intensiviert."
Ohne Umschweife wird dem Publikum in der Erklärung bedeutet, warum der 
Vertrag von Lissabon derart wichtig für die Militarisierung der EU ist: 
"Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wird durch eine weitere 
Verstärkung des gemeinsamen institutionellen Rahmens ein neues Kapitel 
in der Geschichte der gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und 
Verteidigungspolitik der EU aufgeschlagen." Die Herzstücke dieser 
Militarisierung sind der Hohe Vertreter und der ihm unterstelle EAD: 
"Das neue Amt des Hohen Vertreters der Union für Außen- und 
Sicherheitspolitik, der durch den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) 
unterstützt wird, wird die Effektivität, auch im ESVP-Bereich, erheblich 
verbessern." Und dies soll erst der Anfang sein: "Wir werden nunmehr 
darauf hinarbeiten, der ersten Inhaberin dieses Amtes eine starke, 
effiziente und sichtbare Rolle zu sichern. Wir werden entsprechend den 
Erfordernissen konkrete Schritte ergreifen, um alle Bestimmungen und 
Artikel des Vertrags von Lissabon, die für die GSVP von Bedeutung sind, 
umzusetzen", heißt es in dem EU-Dokument.
Sicherheitspolitik soll dabei im Zentrum europäischer Außenpolitik 
stehen, nicht nur konzeptionell, sondern auch institutionell, und zwar 
über einen neuen Grad der Verzahnung auch mit dem EAD: "Bei der 
Errichtung des EAD werden wir auch darauf achten, die Wirksamkeit 
unserer Arbeitsstrukturen zur Planung und Durchführung unserer 
Krisenbewältigungsmissionen und -operationen zu verbessern. Der EAD wird 
unter der Leitung der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und 
Sicherheitspolitik auch für engere Verbindungen zu anderen Instrumenten 
und Maßnahmen der Europäischen Union sorgen."


Ein Dienst ganz eigener Art

Bereits während der Vorläufer des Vertrags von Lissabon, der 
EU-Verfassungsvertrag, konzipiert wurde, war die Erstellung des EAD die 
zentrale Idee für den Umbau der EU-Außen- und Sicherheitspolitik. Als 
Ideengeber reklamiert das Auswärtige Amt dabei sich selbst. Noch unter 
Außenminister Fischer machten sich die Deutschen im Konventsprozess für 
den EAD stark. Ursprünglich sollte er einem starken EU-Außenminister 
untergeordnet werden, der noch weiter reichendere Vollmachten als der 
jetzige "Hohe Vertreter" gehabt hätte. Von vornherein war allerdings die 
Schaffung einer starken zentralistischen Bürokratie vorgesehen, die als 
Verstärker nationalstaatlicher Interessen der großen Mitgliedstaaten und 
damit auch Deutschlands dienen sollte.

Formal ist in Art. 27, Abs. 3 des Vertrags von Lissabon festgehalten: 
"Bei der Erfüllung seines Auftrags stützt sich der Hohe Vertreter auf 
einen Europäischen Auswärtigen Dienst." Ferner wurde im Vertrag 
festgelegt, dass der EAD "mit den diplomatischen Diensten der 
Mitgliedstaaten" zusammenarbeitet und "Beamte aus den einschlägigen 
Abteilungen des Rates und der Kommission sowie abgeordnetes Personal der 
nationalen diplomatischen Dienste" umfasst. Bezüglich des weiteren 
Fahrplans wurde festgeschrieben: "die Organisation und die Arbeitsweise 
des Europäischen Auswärtigen Dienstes werden durch einen Beschluss des 
Rates festgelegt." Eben dieser Beschluss soll noch im Dezember 2009 
vorformuliert werden und im April 2010 letztendlich gefasst werden. Die 
nationalstaatlichen Parlamente wie auch das Europäische Parlament haben 
bei dieser gravierenden Entscheidung nichts zu bestellen, denn bereits 
im Vertrag von Lissabon wurde festgelegt: "Der Rat beschließt auf 
Vorschlag des Hohen Vertreters nach Anhörung des Europäischen Parlaments 
und nach Zustimmung der Kommission."

Wenn jetzt beispielsweise der EU-Außenpolitiker Elmar Brok, der bei der 
Erarbeitung des Vertrags von Lissabon mitgewirkt hat, fordert, das 
Europäische Parlament solle bei der Konzipierung des EAD mitentscheiden, 
scheint es, als könne er sich nicht mehr an das erinnern, was er damals 
mit abgenickt hat. Die Parlamente bleiben außen vor. Anhörung ja, aber 
Mitentscheidung nein. Geradezu klandestin hatte im Sommer 2009 noch vor 
dem 2. irischen Referendum die Schwedische Ratspräsidentschaft die 
Vorschläge der großen Drei aufnehmend einen Text zum Aufbau des EAD 
erarbeitet. Dieser wurde denn auch unmittelbar nachdem Irland grünes 
Licht gegeben hatte weiter intern bearbeitet und vom EU-Rat schon Ende 
Oktober abgesegnet.

Alle wesentlichen Grundzüge stehen dabei bereits fest: Es wird ein 
Dienst "sui Generis" eingerichtet, d.h. er wird weder dem Rat noch der 
Kommission untergeordnet werden. Das macht ihn noch unkontrollierbarer. 
Er wird damit quasi eine eigene Verwaltungsabteilung, wie eine 
EU-Agentur. Nur dass es jetzt dabei um die größte Agentur geht, die die 
EU je hatte. Die Planungen für den Stellenbedarf schwanken zwischen 
5.000 und über 7.500 Beamten. Das entspricht dem diplomatischen Dienst 
eines großen Mitgliedstaates. Weshalb der Dienst nicht der Kommission 
untergeordnet werden soll, verdeutlicht das bereits zitierte 
parlamentarische Gutachten: "Im Fall der Verankerung des EAD bei der 
Kommission stünde der EAD unter der Kontrolle des EP, weshalb das EP 
eine Eingliederung des EAD in die Kommission fordert. Damit würde es 
auch größere Mitspracherechte bei der Außenpolitik der EU erhalten." Da 
demokratische Mitspracherechte und Gewaltenteilung aus Sicht der 
Herrschenden aus der Frage von Krieg und Frieden möglichst völlig 
herausgehalten werden sollen, bot sich die jetzige Lösung als 
eigenständige Agentur förmlich an.

Das zweite Merkmal, auf das sich die Mitgliedsstaaten bereits geeinigt 
haben, ist der politisch-militärische Charakter des EAD. Das bedeutet, 
dass auch die militärischen Strukturen der EU Teil des EAD werden sollen 
(s.u.). Das wäre in etwa so, als würde man in Deutschland Außen- und 
Verteidigungsministerium integrieren. Dazu kämen dann noch die 
wesentlichen Abteilungen des Entwicklungsministeriums. Die dritte 
entscheidende Festlegung ist, dass Großbritannien und Frankreich sich 
das Recht gesichert haben, auch Angestellte aus der Privatwirtschaft in 
die Dienste "hineinzudrücken". Dafür wird Deutschland offenbar eine 
wesentliche Rolle bei der Kontrolle der Finanzen spielen. Generell gilt, 
dass etwa 20% der Angestellten des EAD aus Deutschland kommen sollen. 
Mit 150plusX stellt man auch ein Fünftel und mehr des höheren Dienstes. 
Zum EAD werden auch die 130 Auslandsvertretungen der EU gehören, die, 
wenn es nach dem Willen des großen Drei geht, dann auch 
Sicherheitsattachées sowie bei Bedarf Terror- und 
Migrationsabwehrabteilungen bekommen sollen. Eine horizontale 
Gewaltenteilung wird wie im Amt des Hohen Vertreters selbst aufgehoben, 
eine zentrale Errungenschaft des bürgerlichen Staates damit mit einem 
Federstrich zunichte gemacht. Auf EU-Ebene geht es um eine offene 
knallharte Verschränkung der Apparate, auf eine auch nur scheinbare 
Trennung der Gewalten wird verzichtet. Es geht um Gewaltverschmelzung 
zugunsten der internationalen Durchsetzung von Kapitalinteressen der 
drei großen EU-Mitgliedstaaten.

Selbstverständlich werden und sollen auch die mittleren und kleinen 
Mitgliedsstaaten profitieren. Aber die werden sich konzeptionell und 
personell nur unzureichend im EAD wieder finden. Dazu kommt die Gefahr, 
dass für kleinere Mitgliedstaaten eine eigenständige Außenpolitik mit 
einem schwergewichtigen EAD immer schwieriger werden wird. Die andere 
Außenpolitik des kommunistischen Präsidenten der Republik Zyperns, 
Dimitris Christofias, z.B. gegenüber Lateinamerika dürfte dann auf noch 
mehr Widerstände stoßen. Die Konzeption des EAD bedeutet insofern einen 
Souveränitätsgewinn für Deutschland, Frankreich und Großbritannien, 
verbunden mit der Gefahr eines massiven Souveränitätsverlusts für die 
anderen und insbesondere die kleinen EU-Mitgliedsstaaten.


Der politisch-militärische Dienst

Aus dem Rat wird berichtet, allein Frankreich habe sich einer 
Einbeziehung der militärischen Strukturen in den EAD widersetzt. Wer 
dabei allerdings eine gallische Heldentat in der Tradition der 
revolution française vermutet, dürfte sich irren. Vieles spricht dafür, 
dass es der konservativen Regierung Frankreichs, die sich ungefähr 
genauso sehr dem gaullistischen Erbe verpflichtet fühlt wie die deutsche 
Sozialdemokratie dem von Karl Marx, allein darum ging, dass der EAD aus 
besagten Gründen nicht unter die Kontrolle der EU-Kommission gerät.

Alle operativen militärischen und zivil-militärischen Strukturen sollen 
Teil des EAD und so dem Hohen Vertreter unterstellt werden. So wird der 
zuvor beim Rat ansässige EU-Militärstab ebenso in den EAD integriert, 
wie das Situation Centre (SitCen), die Nachrichtensammelstelle der EU. 
Vor allem aber sollen die gleichsam bisher im Rat angesiedelten 
Generaldirektionen E-VIII, zuständig für die militärisch-strategische 
Einsatzplanung und Abteilung E-IX (zivile Einsatzplanung) im EAD 
aufgehen. Gleichzeitig beabsichtigt man DG-VII und IX im neuen "Crisis 
Management Planning Directorate" (CMPD) zu vereinigen. Zivile und 
militärische Aspekte der EU-Politik werden so institutionell verzahnt 
und verwischen damit bis zur Unkenntlichkeit - wie gesagt, es geht um 
imperiale Machtpolitik aus einem Guss.

Dabei ist nicht nur bemerkenswert, mit welcher Selbstverständlichkeit 
dies geschieht, sondern auch, wie sehr diese Konstruktion künftig eine 
Vorbildwirkung für Strukturen in den EU-Mitgliedstaaten habe könnte. Der 
Traum der FDP, das Entwicklungshilfeministerium abzuschaffen, droht in 
der EU schon aufzugehen. "Vernetzte Sicherheit" schaffen, das ist die 
Parole der Stunde, die in Europa bereits ihren "Dienst" gefunden hat. 
Während man in Deutschland noch auf die Zusammenstellung von 
Ministeriumsrunden in punkto Afghanistan angewiesen zu sein scheint, ist 
man in Brüssel bereits einen Schritt voraus. Der EAD ist als 
politisch-militärischer Dienst auch deshalb so gefährlich, weil er auf 
diplomatischer Ebene die Blaupause für eine permanente Vorbereitung von 
Besatzungsregimen sein wird. Zumindest vereinigt er alles in sich, was 
hierfür für erforderlich gehalten wird -- vom Kolonialkrieger bis zum 
"zivilen" Kolonialverwalter (siehe Kasten).


Tausche Deutsch gegen Hegemonie!

Was die Sprachenfrage des EAD angeht, sprechen böse Zungen in Brüssel 
bereits davon, das Deutsche als Sprache im EAD werde auf dem 
Silbertablett des deutschen Imperialismus geopfert. Als Dienstsprachen 
sind bisher, wie im Sicherheitspolitischen und Politischen Komitee, dem 
PSK, lediglich Französisch und Englisch vorgesehen. Während die Deutsche 
Bundesregierung den Bundestag beispielsweise animiert, alle Dokumente, 
die von der EU-Kommission lediglich auf Englisch nach Berlin versandt 
werden, zurückzuweisen, macht sie bei der Konzipierung des EAD in 
Brüssel keinerlei Anstalten, um Deutsch als dritte Arbeitssprache, wie 
in anderen EU-Gremien durchzusetzen. Zu gewichtig scheinen die 
Zugeständnisse, die Deutschland in punkto politischer Einfluss auf den 
EAD gemacht wurden, als dass man sich in der Sprachenfrage mit Briten 
und Franzosen anlegen müsste. Wie das Nachrichtenportal 
German-Foreign-Policy Mitte November berichtete, habe der Staatsminister 
im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, gesagt, es sei keineswegs 
erforderlich, dass Deutschland den Ratspräsidenten oder den Hohen 
Vertreter stelle -- soviel zu den Eingangs erwähnten Pappkameraden. Dort 
wo die Musik spielt, nämlich auf der unmittelbar darunter liegenden 
Funktionärsebene, lege man jedoch "großen Wert darauf, entsprechend 
beteiligt zu sein."

Fazit: Der weltweite deutsche Einsatz für Kapitalinteressen spricht 
englisch und französisch. Die deutsche Sprache, auf der man sonst immer 
so besteht, wenn es um die Frage der EU-Arbeitssprachen geht, gibt man 
dabei im Rahmen eines -- neudeutsch - Packagedeals weg wie einen alten 
Hund. Wer hätte dies bei einer konservativ-liberalen Regierung für 
möglich gehalten?


Die Rechnung bitte!

Keiner weiß genau, wie hoch die Rechnung für den EAD sein soll. Allein 
es ist schon klar, wer die Zeche dafür bezahlen wird. In der Erklärung 
der Staats- und Regierungschefs zu 10 Jahren Europäischer Sicherheits- 
und Verteidigungspolitik heißt es dazu lapidar: "Wir erkennen an, dass 
der GASP-Haushalt den Erfordernissen unserer Politik und den 
gegenwärtigen und künftigen Herausforderungen angemessen sein sollte." 
Jetzt erst wird greifbar, was mit der Aufrüstungsverpflichtung des 
Vertrags von Lissabon gemeint ist. In der ESVP-Erklärung heißt es: "Wir 
verpflichten uns zur weiteren Verbesserung unserer Kapazität zur 
Bereitstellung nationaler und multinationaler Fähigkeiten für 
Krisenbewältigungsmissionen und -operationen der Europäischen Union. Der 
Ausbau der ESVP erfordert eine größere Verfügbarkeit von zivilem und 
militärischem Personal und von Ausrüstung."

Damit wird ein erheblicher Mehrbedarf an Finanzmitteln für den Ausbau 
der Außen- und Sicherheitspolitik im Allgemeinen, aber auch für den EAD 
im Besonderen verknüpft. Es gibt zwar auch andere Überlegungen, im 
EAD-Bericht der schwedischen Ratspräsidentschaft wird aber 
vorgeschlagen, dass künftig der Hohe Vertreter das Gesamtbudget des 
Dienstes vorschlagen und er einen eigenen Haushaltstitel erhalten soll 
-- ein sehr nettes Feature, das perspektivisch zu einem sprunghaften 
Anstieg des Gesamtbudgets führen könnte. Doch woher soll das Geld 
kommen? Ab 2014 wird ein ganz erheblicher Finanzmehrbedarf für den EAD 
erwartet. Eine signifikante Steigerung des EU-Haushalts in der nächsten 
Legislatur ist jedoch nicht zu erwarten. In der EU-Kommission wird 
deshalb zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten diskutiert, die 
Strukturfonds für die Regionen anzutasten und ab 2013 bestimmte 
Strukturförderungen, die für die ärmeren EU-Regionen von zentraler 
Bedeutung sind, einfach auslaufen zu lassen. Die zweite Idee ist nicht 
minder perfide. Hier geht es um einen Angriff auf die Agrarfonds, die 
zusammengestrichen werden sollen, um Geld für das Gesicht Europas in der 
Welt lockerzumachen. Die Richtungsentscheidung ist, inwieweit die 
freigesetzten Gelder für die Militarisierung der Europäischen Union 
verwendet werden. In diesem Zusammenhang platzierte Michael Dauderstädt, 
seinerzeit Leiter der Internationalen Politikanalyse der SPD-nahen 
Friedrich-Ebert-Stiftung bereits im Januar 2004 einen Artikel in der 
Financial Times Deutschland, der sich nun auf gruselige Weise als 
nachgerade prophetisch herausstellt: "Die Europäische Union hat 2002 
etwa 46 Mrd. Euro für die Landwirtschaft ausgegeben. [...] Die EU sollte 
dieses Geld besser für die Forschung, Entwicklung und Produktion von 
Rüstungsgütern einsetzen [...] In der offensiven Bekämpfung muss die 
Rüstung ein Militär ausstatten, dessen Einsatzprinzipien denen einer 
globalen Polizeitruppe entsprechen. Das Zerstörungspotential muss 
präzise sein. Das Einsatzgebiet ist oft außerhalb Europas. [...] Europa 
braucht eine gemeinsame Rüstungspolitik statt der Gemeinsamen 
Agrarpolitik, also Kanonen statt Butter."




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Kasten: Zurück in die Zukunft: Der EAD als neue EU-Kolonialbehörde

Wer einen Blick in die Zukunft des EAD werfen will, dem sei geraten, 
sich die Vorbereitung der politischen "Militär"intervention der EU in 
Somalia in diesen Tagen anzuschauen. Alle diplomatisch-militärischen 
Dienste werden dort eingespannt, um politische Kräfte am Horn von Afrika 
zurückzudrängen, die der eigenen Interessensdurchsetzung im Wege stehen. 
Dabei wird aus dem gesamten Arsenal eines künftigen EAD geschöpft. 
Während man eine EU-Militärberatungsmission somalischer Soldaten in 
Uganda und Djibouti auf den Weg bringt, droht man Eritrea diplomatisch, 
damit es die "Terroristen", die die EU-Partner in Somalia in die Enge 
treiben, nicht unterstützt.

Für die EU soll es die so genannte Somalische Übergangsregierung 
richten, die man auch zur See mit der vorgeblichen 
Piratenbekämpfungsmission ATALANTA flankiert. Einziger Schönheitsfehler: 
Die Piratenüberfälle haben seit Anfang der EU-Mission zugenommen. Und 
intern diskutiert man darüber, dass die Einführung der Scharia durch die 
unterstützte somalische Übergangsregierung 2009, wie auch die 
zunehmenden Steinigungen unter ihrer Verantwortung, ein Problem 
darstellen könnten -- natürlich nur im Bezug auf die Akzeptanz des 
EU-Engagements in der Region.

Angesichts des Schweigens der Massenmedien in Europa über diesen 
tagtäglichen Skandal, dürfte dieser EU-Gipfel der Heuchelei wohl kein 
Hindernis für ein noch stärkeres, auch militärisches Eingreifen am Horn 
von Afrika darstellen. Eines aber ist sicher, dass der schmutzige Krieg 
der EU am Horn von Afrika bereits begonnen hat und jetzt schon eine gute 
Übung für das institutionelle Zusammenwachsen des EAD darstellt. Wie es 
auch immer kommen mag, die neue Afrikapolitik der EU ist ein Blick 
zurück in die Zukunft. Der EAD wäre nicht die erste Kolonialbehörde, die 
ihren Sitz in Brüssel hat.



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