[IMI-List] [0312] IMI-Kongress zu Krisenmanagement / Afghanistan nach den Wahlen

Informationsstelle Militarisierung imi at imi-online.de
Do Aug 27 15:14:47 CEST 2009


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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0312 .......... 13. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Christoph Marischka / Jürgen Wagner
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List finden sich:

1.) Eine Vorankündigung zum diesjährigen IMI-Kongress am 21./22. 
November 2009

2.) Die aktuelle Analyse zur Lage in Afghanistan

Die Informationsstelle Militarisierung braucht weiterhin neue 
Mitglieder. Bitte machen Sie Ihre Freunde und Bekannten auf unsere 
Kampagne aufmerksam:
http://www.imi-online.de/2009.php3?id=1991



1) IMI-Kongress 2009: Krisenmanagement! "Sicherheitsarchitektur" im 
globalen Ausnahmezustand

Alles steckt in der Krise, auch die globalen Machtverhältnisse! In der 
Krise ist keine Zeit für Kontroversen, es muss schnell und entschieden 
gehandelt werden, es muss ein Management von Risiken stattfinden, 
Frühwarnsysteme und Krisenreaktionskräfte werden eingerichtet. Es wird 
Sicherheitsforschung betrieben, um gegen mögliche Bedrohungen von Morgen 
gewappnet zu sein und es werden "scheiternde" Staaten durch Ausbildung 
und Ausrüstung ihrer Sicherheitsorgane stabilisiert. Nicht zuletzt 
machen zukünftige Aufstände und Katastrophen es notwendig, die 
Bundeswehr im Innern einzusetzen, Polizei und Katastrophenschutz zu 
militarisieren. So stellen es zumindest die Herrschenden dar, die das 
Krisenmanagement als Regierungsform für sich entdeckt haben. Die 
Informationsstelle Militarisierung möchte diese Tendenzen auf ihrem 
Kongress im November 2009 analysieren und hinterfragen.

Das Programm:
IMI-Kongress 2009: Krisenmanagement! "Sicherheitsarchitektur" im 
globalen Ausnahmezustand.
21./22. November 2009.

Auftaktveranstaltung am 20.11.2009 ab 19:00
Söldner, Lager, Bürgerkrieg: Krisenmanagement in Afrika
Kevin Gurka, Jonna Schürkes, Christoph Marischka

Samstag, 21.11.2009 ab 12:00 Uhr

Ökonomie, Krise und Krieg
Elmar Altvater

Neue Mächte – neue Kriege? Globale Machtverschiebungen im Kontext der Krise
Jürgen Wagner

Boots on the Ground: Ausbildung und Ausrüstung von Soldaten in Drittstaaten
Jonna Schürkes

Risikobevölkerungen, Lagebilder und Prävention - Krisenmanagement als 
Regierungstechnik
Christoph Marischka

Sonntag, 22.11.2009 ab 10:00 Uhr

Militarisierung von Forschung und Lehre
Mechthild Exo, Sarah Nagel (angefragt)

Militärischer Heimatschutz: Neue Sicherheitsarchitektur für den 
alltäglichen Ausnahmezustand?
Rolf Gössner

Repression gegen soziale Bewegungen in Zeiten der Krise
Tobias Pflüger, Rolf Gössner, Hedwig Krümmer

Der Kongress endet gegen 14:00 Uhr

Die Teilnahme am IMI-Kongress ist wie immer kostenlos, für Verpflegung 
ist gesorgt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, die IMI kann 
Übernachtungsmöglichkeiten in begrenztem Umfang vermitteln und freut 
sich auf Ihr/Euer Kommen.


2) Analyse zur Lage in Afghanistan nach der Wahl

IMI-Analyse 2009/036
Eskalation Made in Germany - Wahlen und Krieg in Afghanistan
http://www.imi-online.de/2009.php3?id=2015
27.8.2009, Claudia Haydt

Ende 2009 jährt sich der Beginn der jüngsten Runde von Krieg und 
Besatzung in Afghanistan zum achten Mal. Das Land ist weiter weg von 
Frieden, Demokratie und Wohlstand als noch zu Beginn der westlichen 
Invasion in das Land am Hindukusch Ende 2001. Die Wahlen am 20. August 
haben dem Land eine massive Zunahme an Gewalt gebracht, eine Zunahme an 
Demokratie wollen selbst die optimistischsten Beobachter nicht 
bestätigen. Gleichzeitig sind zwischenzeitlich beinahe hunderttausend 
ausländische Soldaten in Afghanistan stationiert.

Gut 60.000 US-Soldaten und mehr als 30.000 Besatzer aus weiteren NATO 
und Nicht-NATO-Staaten, insgesamt 42 Länder, kämpfen zusammen gegen die 
verschiedenen oppositionellen militanten Kräfte, die in jedem Fall ein 
deutlich breiteres Spektrum umfassen, als der Sammelbegriff "Taliban" 
vermuten lässt. Deswegen beschreibt die NATO in ihren internen 
Einschätzung diesen Widerstand auch relativ neutral als "Opposing 
Militant Forces", also als oppositionelle militante Kräfte. Die 
Bezeichnung "Taliban" wird allein für die Öffentlichkeitsarbeit benutzt. 
Die meisten internationalen Soldaten werden im Kontext der Schutztruppe 
ISAF eingesetzt und sind in ihrer realen Militärpolitik schon lange 
nicht mehr von den Aktionen der "Anti-Terror-Mission" Enduring Freedom 
zu unterscheiden. Beide versuchen durch Militärschläge die Lage in 
Afghanistan zu stabilisieren, schaffen es jedoch nur, mit immer mehr 
Soldaten immer neuen Hass und neuen Widerstand zu verursachen. Die 
Besatzer sind damit der zentrale Unsicherheitsfaktor in Afghanistan.


Strategische Schwachstelle Transport

Immer mehr Soldaten stellen die Militärs vor immer größere 
Versorgungsprobleme. Neben dem Transport von militärischem Gerät und 
Munition ist die Versorgung mit Nahrungsmitteln und vor allem jedoch 
Treibstoff für 100.000 Menschen und zahllose Fahrzeuge eine immer 
größere Herausforderung. Der Nachschub über den Landweg durch Pakistan 
ist wegen der großen Unruhen vor allem im Grenzgebiet immer weniger 
praktikabel. Dadurch wird der Transport des Nachschubs auf dem Landweg 
über russisches Territorium und dann durch die zentralasiatischen 
ehemaligen Sowjetrepubliken immer relevanter. Ebenso steigt die 
Bedeutung des deutschen Luftwaffenstützpunktes Termez in Usbekistan. 
Diese Transportrouten über den Norden sind von wesentlich größerer 
Bedeutung als dies öffentlich wahrgenommen wird. "Das Magazin der 
Bundeswehr –Y" berichtete in seiner Augustausgabe stolz, dass die 
Bundeswehr in der Zwischenzeit die Hälfte des Transportes für die 
gesamte ISAF abwickelt. Dies wird unter anderem durch die monatliche 
Bereitstellung von 325 Flugstunden für den strategischen Transport 
innerhalb Afghanistans durch die Luftwaffe abgewickelt, wie eine Anfrage 
der linken Bundestagsabgeordneten Inge Höger zu Tage brachte. Wenn man 
die zentrale Bedeutung des Transportes durch den Norden Afghanistans, 
besonders die neue Route von Kunduz nach Kabul, für die 
Aufrechterhaltung der Besatzung berücksichtigt, dann ist es nicht 
überraschend, warum sich in den letzten Monaten auch der Widerstand in 
Afghanistan immer mehr in den Norden verlagert hat.


Neue Einsatzregeln erleichtern den Krieg

Um in diesem militärisch schwierigeren Umfeld handlungsfähig zu werden – 
was für Militärs bedeutet, möglichst ungehindert schießen und töten zu 
können – wurde nun die Bundeswehr einerseits massiv aufgerüstet, sowohl 
mit mehr geschützten Fahrzeugen als auch mit schwereren Waffen. 
Pikanterweise wird die neue Ausrüstung über das Konjunkturpaket 2 
finanziert. Andererseits wurden die Einsatzregeln, die so genannten 
"Rules of Engagement", dahin gehend verändert, dass Bundeswehrsoldaten 
nun noch offensiver agieren können. Deutsche Soldaten hatten bis jetzt 
die Weisung, dass sie für den Fall, dass sie bei einer Patrouille in 
einen Hinterhalt geraten, versuchen sollten, durchzustoßen und möglichst 
schnell das Weite zu suchen. Nun soll sich die Bundeswehr "dem Kampf 
stellen".
Wurde bisher in der Regel nur geschossen, wenn Soldaten angegriffen 
wurden oder wenigsten vermuteten, sie würden angegriffen, so sollen sie 
nun auch fliehende Gegner verfolgen um sie von zukünftigen Angriffen 
abzuhalten – möglichst dauerhaft. In der so genannten Taschenkarte für 
die Bundeswehrsoldaten, in denen die wesentlichen Einsatzregeln 
festgehalten sind, werden alle als militärisches Ziel definiert, bei 
denen "nicht ausgeschlossen werden kann," dass sie einen Angriff 
"fortsetzen oder wieder aufnehmen" könnten. Damit werden alle Menschen, 
die das Pech haben, sich in einem mehr oder weniger großen Umkreis um 
einen Angriff auf die Bundeswehr aufzuhalten, zum Freiwild erklärt, 
möglicherweise auch noch Stunden oder Tage nach dem Gefecht, da eben 
"nicht ausgeschlossen werden kann", dass sie "feindseliges Verhalten 
zeigen" werden.
War bisher schon die Gefahr, dass Unbeteiligte getötet oder verletzt 
werden, recht hoch, erinnert sei hier an die Toten an Straßensperren, so 
ist nun die Wahrscheinlichkeit von unbeteiligten Opfern um ein 
vielfaches höher. Entsprechend wird diese neue Befehlslage die 
Opferzahlen nach oben treiben, genauso wie daraus resultierendes Leid 
und neue Nahrung für weiteren Widerstand.

Das Mandat der Bundeswehr für den Einsatz in Afghanistan wurde zuletzt 
im Oktober 2008 von einer breiten Mehrheit im Bundestag verlängert und 
auf bis zu 4.500 Soldaten aufgestockt. Anfang August 2009 waren davon 
etwa 4.400 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan im Einsatz. Damit ist das 
Mandat nahezu völlig ausgeschöpft, was militärpolitisch heikel ist, da 
unter diesen Umständen in Notfällen kaum noch Manövriermasse für 
Entsendung zusätzlicher Kräfte besteht. Zum Vergleich: im Kosovo sind 
etwa 2.000 Soldaten im Einsatz, es könnten aber bis zur 
Mandatsobergrenze von 3.500 Soldaten noch zahlreiche weitere Soldaten 
entsandt werden – ohne den Bundestag noch einmal damit zu befassen. Dass 
im Falle Afghanistans diese Form der militärpolitischen Blankoschecks 
nicht funktioniert, liegt daran, dass sowohl SPD als auch CDU/CSU 
Politiker befürchten, dass die aus militärischer Sicht notwendige 
Obergrenze von 6.000 bis 7.000 Soldaten der deutsche Öffentlichkeit 
nicht vermittelbar wäre und zudem das Märchen von der "erfolgreichen 
Mission" endgültig nicht mehr glaubwürdig wäre. Aufgrund dieser 
innenpolitischen Rahmenbedingungen versuchte das 
Verteidigungsministerium nun wenigstens kurzfristig, durch möglichst 
viele Soldaten die Präsidentschaftswahlen in Kabul denkbar umfassend 
abzusichern. Dass dies nicht unbedingt eine gelungene Strategie ist, die 
Wahlen als glaubwürdig erscheinen zu lassen, scheint der 
Bundeswehrführung zwischenzeitlich auch zu dämmern. Bundeswehrsoldaten 
sollten deswegen während der Wahlen nur "in der dritten Reihe" zu sehen 
sein, also hinter zivilen Wahlhelfern und afghanischen 
Sicherheitskräften. Doch diese kosmetische Verdeckung der realen 
Machtsituation überzeugte die Menschen in Afghanistan kaum.


Akzeptanz der Besatzung durch Wahlen?

Parallel zum Präsidentschaftswahlkampf fand in Afghanistan auch eine der 
nicht nur im Westen so beliebten Castingshows im Stil von "Ich kann 
Kanzler" statt. Im Gegensatz zu den realen Präsidentschaftswahlen stand 
bei dieser Show nicht von Anfang an fest, wer ohnehin chancenlos ist und 
die Kandidaten (plus eine Kandidatin) mussten ihr Publikum tatsächlich 
mit Kompetenz und Engagement überzeugen. Die Zuschauer hatten 
tatsächlich eine "Wahl". Der Kontrast zwischen TV-Talentshow und 
Karsai-Wahlen führte den Inszenierungscharakter der letzteren 
überdeutlich vor Augen. Obwohl Hamid Karsai Gegenkandidaten hatte, war 
darunter außer seinem ehemaligen Außenminister Abdullah Abdullah kein 
aussichtsreicher Bewerber. Durch Drohungen und Versprechungen wurden 
alle anderen, die ein reale Chance gehabt hätten, Karsai 
herauszufordern, von einer Kandidatur abgehalten. Die Wahlen selbst 
wurden zwar abgehalten, aber es sind dabei so viele Unregelmäßigkeiten 
aufgetreten, dass weder von freien noch von fairen Wahlen die Rede sein 
konnte.
Die Wahlbeteiligung sank nicht nur wegen der steigenden Gewalt sondern 
vor allem wegen der Enttäuschung über die Wahlfarce von über 70 Prozent 
vor fünf Jahren auf nun unter 40 Prozent. Eventuell lag die 
Wahlbeteiligung auch nur bei 30 Prozent; so genau weiß das niemand. 
Selbst die Zahl der "registrierten" WählerInnen schwankt zwischen 15 und 
17 Millionen. Viele Wahlbeobachter verbrachten den Wahltag in Bunkern 
der Armee. Das hielt die EU-Wahlbeobachtungsmission jedoch nicht davon 
ab, die Wahl als "Erfolg" zu bezeichnen. 220 Millionen Dollar, 
überwiegend aus EU-Staaten, wurden in die Wahlen investiert. Nun kann 
die Bedeutung von Demokratie ganz sicher nicht daran fest gemacht 
werden, wie teuer sie ist, es stellt sich dennoch die Frage ob hier nur 
ein Schauspiel finanziert wurde oder ob "Demokratie" auch mit Inhalt 
gefüllt wird. Die Elections Complaints Commission (ECC), die die 
Beschwerden über den Verlauf der Wahlen sammelte, ist jedenfalls sehr 
skeptisch, was die Fairness und Korrektheit des Wahlvorgangs angeht. Bei 
ihr gingen 35 Beschwerden ein, die als "oberste Priorität" kategorisiert 
wurden, 110 Beschwerden hatten so viel Substanz, dass sie als 
"Priorität" verbucht wurden und dazu kamen weitere 80 Beschwerden, wie 
diejenige, dass die angeblich nicht abwaschbare Tinte zur Markierung der 
WählerInnen, die ihre Stimme abgegeben hatten, sich ziemlich gut 
entfernen lies. Wahlurnen wurden mit vorbereiteten Stimmzetteln 
aufgefüllt, Wahlausweise wurden zu Dutzenden auf den Märkten verkauft, 
Minderjährige haben abgestimmt und viele Männer warfen für (vorhandene 
oder erfundene) Frauen zahlreiche Wahlzettel in die Urnen. Unter solchen 
Bedingungen nicht von einer Farce zu reden, fällt sehr schwer.

Dass es nun doch trotz aller Manipulationen unklar ist, wer gewonnen 
hat, ist für die Besatzer vor allem ein Sicherheitsproblem, sie 
befürchten Ausschreitungen und weitere Gewaltwellen, wenn es im Oktober 
zu einem zweiten Wahlgang kommt. Sie drängen deswegen hinter den 
Kulissen massiv auf eine "Einigung" der beiden Rivalen über eine interne 
Machtverteilung. Für viele Afghanen ist die Frage, ob nun Abdullah oder 
Karsai gewinnen wird, lediglich die Frage, wer die neue "Marionette des 
Westens" sein wird. Insgesamt zeigt der Verlauf der Wahlen vor allem 
eines, dass Demokratie unter Bedingungen von Besatzung und Krieg nicht 
funktionieren kann.


Kein Sieg und kein Friede in Sicht

Militärisch sind die Aktionen der Bundeswehr, wie die ihrer Verbündeten, 
wenig nachhaltig. Im Juli führte die Bundeswehr die Operation Adler 
durch, mit der sie feindliche Kräfte in der Region Chahar Darreh aus 
ihren Stellungen vertrieb – was auch gelang, wenn auch nur in einem sehr 
engen Umkreis. Wenige Tage nach Abzug der Bundeswehr zogen ihre Gegner 
jedoch wieder in ihren alten Stellungen ein. Vergleichbares findet 
beinahe jedes Mal statt, wenn Unruheregionen "befriedet" werden. Zuerst 
übernehmen regierungsfeindliche Kräfte Dörfer, Stellungen oder 
Polizeiposten. Dann werden sie dort unter zahlreichen afghanischen 
Opfern (auf Seiten des Widerstands, der Armee und der Zivilbevölkerung) 
wieder vertrieben. Die NATO zieht ab und das Ganze beginnt wieder von 
vorne. Insgesamt deutet nichts darauf hin, dass das erklärte 
ursprüngliche Ziel des Afghanistankrieges, Bekämpfung von Terrorzellen 
in Afghanistan, um so weltweit "Sicherheit" zu erreichen, auch nur 
annähernd erreicht wurde - einmal abgesehen davon, dass geostrategische 
Erwägungen wohl wesentlich ausschlaggebender für den Kriegseinstieg der 
USA und ihrer Verbündeten waren. Die später zusätzlich angeführten 
Begründungen für Krieg und Besatzung, wie Frauenbefreiung und 
Demokratisierung, sind ebenfalls weit weg von ihrer Realisierung. 
Jenseits der größeren Städte hat sich die Situation der Frauen kaum 
geändert. In einem Bericht von Amnesty International zur Lage der Frauen 
wird ein internationaler Helfer zitiert, der für den Fortschritt der 
Lage der Frauen und westlicher Besatzung folgendes bittere Fazit zieht:
"Wenn eine Frau zur Zeit des Taliban-Regimes auf den Markt ging und auch 
nur einen Streifen Haut zeigte, wurde sie ausgepeitscht – heute wird sie 
vergewaltigt." Das World Food Programme geht davon aus, dass in manchen 
Gebieten wegen der schlechten Sicherheitslage nur ein bis zwei Prozent 
der Mädchen eine Schule besuchen. Die Versorgung des Landes mit 
Gesundheitsdienstleistungen und Bildungsangeboten ist insgesamt mehr als 
dürftig, aber selbst dort, wo es sie gibt und wo die Sicherheitslage 
einen Besuch ermöglicht, können sich viele Menschen auf Grund der 
katastrophalen ökonomischen Situation weder Gesundheit noch Bildung 
leisten. Die mit westlicher Hilfe etablierte neoliberale 
Wirtschaftsverfassung Afghanistans hat dafür gesorgt, dass früher 
bereits wohlhabende Schichten reich werden konnten und die große 
Mehrheit in Afghanistan, die armen Bevölkerungsteile, noch schlechter 
als zu Zeiten der Taliban über die Runden kommen. Die Welthungerhilfe 
wies darauf hin, dass sich die Preise für Grundnahrungsmittel seit 2007 
verdreifacht haben. Gleichzeitig verfügen 50 bis 70 Prozent der 
erwerbsfähigen Afghanen über kein geregeltes Einkommen. Unter solchen 
Umstände ist es kaum verwunderlich, dass diejenigen, die die Profiteure 
der Besetzung, die Regierung und ihren Apparat ideologisch anprangern 
und in einigen Fällen auch militärisch angreifen, immer mehr Zulauf haben.


Raus aus der Sackgasse!

Der Widerstand und die Opferzahlen in Afghanistan nehmen immer mehr zu. 
Bereits 2008 nahm laut Angaben der UNAMA die Zahl der zivilen Opfer um 
40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. Bisher liegen die Opferzahlen im 
Jahr 2009 nochmals 24 Prozent über den Zahlen von 2008. Für die zivilen 
Opfer sind sowohl der militärische Widerstand als auch die Besatzer und 
die afghanischen Sicherheitskräfte verantwortlich. Speziell die 
Luftnahunterstützung, die von Bodentruppen angefordert wird, wenn sie in 
unübersichtliche Situationen geraten, sorgt mit ihren Luftbombardements 
für besonders große Opferzahlen unter der Zivilbevölkerung. Auch 
Bundeswehrsoldaten fordern bei ihren Verbündeten immer wieder 
Luftnahunterstützung an. Diese Unterstützung durch Luftbombardements hat 
die Bundeswehr deutlich häufiger angefordert, seit sie im letzten 
Frühsommer die QRF, die schnelle Eingreifreserve, im Norden übernommen 
hat. 2008 forderte sie zweimal so viele Bomber an, wie in den gesamten 
drei Jahren zuvor. Ein Eskalationsschritt löst so unweigerlich weitere 
Eskalationen aus. Auch die Opferzahlen unter den alliierten Soldaten 
nehmen immer mehr zu. Im Juli starben mit 75 in einem Monat mehr als 
jemals zuvor seit 2001 und doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum im 
Irak.

Die Kriegsrhetorik erinnert immer mehr an die Ereignisse in den letzten 
Vietnamkriegsjahren, wo die unweigerliche Niederlage durch immer mehr 
Soldaten und immer höhere Militärausgaben hinausgezögert wurde. Niemand 
in der Bundesregierung und in der NATO hat ein auch nur halbwegs 
plausibles Szenario, wann und wie sie die Besatzung Afghanistans beenden 
wollen. Verteidigungsminister Jung erklärte Anfang August in der 
Berliner Zeitung, dass die Besatzung noch zehn Jahre dauern könnte und 
intern bezeichnet das Verteidigungsministerium die Besatzung bereits als 
"Generationenaufgabe" und meint damit 20 bis 30 Jahre. Das klingt nicht 
nach einem Konzept sondern nach Kapitulation vor den Problemen, die die 
Besatzung des gebirgigen Landes mit sich bringt. Um diese Kapitulation 
aber nicht politisch eingestehen und dann auch verantworten zu müssen, 
wird die "Lösung" um Jahrzehnte verschoben. Aus einer Sackgasse führt 
jedoch nur ein Weg. Den findet man, wenn man sich umdreht und 
eingesteht, dass die Richtung falsch war. Zu diesem Schritt sind aber 
weder die Bundesregierung noch die NATO-Führung zurzeit in der Lage, da 
sie bei einem Eingeständnis der Niederlage um ihr politisches Überleben 
fürchten. So liegt es an der kritischen Bevölkerung in Deutschland und 
in anderen NATO Staaten, überzeugenden und unübersehbaren Widerstand 
gegen Krieg und Besatzung zu organisieren. Der politische Preis für den 
Verbleib in Afghanistan muss für die NATO-Kriegspolitiker deutlich 
steigen. Die politische Aufgabe ist es, die Anti-Kriegsmehrheit, die in 
Umfragen immer wieder zum Vorschein kommt, endlich in wirksamen 
Antikriegsprotest zu verwandeln.




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