[Grundeinkommen-Info] Europäisches Basiseinkommen für mehr sozialen Zusammenhalt in Europa

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Do Mär 3 09:50:48 CET 2016


Gastbeitrag von Wolfgang Strengmann-Kuhn
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/ein-soziales-europa-braucht-zusammenhalt

*Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn* ist Sprecher für Sozialpolitik der grünen 
Bundestagsfraktion sowie Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten 
der Europäischen Union


  Europa braucht Zusammenhalt

In der Europäischen Union sind deutlich Risse zu erkennen. 
Großbritannien stimmt im Juni über einen Austritt aus der Europäischen 
Union ab, in der Flüchtlingsdebatte herrschen nationale Egoismen vor, 
das nationalstaatliche Denken erstarkt wieder und das mit 
besorgniserregenden Tendenzen. Der Zusammenhalt in der Europäischen 
Union ist gefährdet, dabei ist dieser dringender denn je: zwischen den 
Staaten und vor allem zwischen den Menschen in einzelnen Staaten. Um die 
zu beobachtenden Risse zu kitten wäre es gerade jetzt besonders 
notwendig, das Wohlfahrtsversprechen, das die Europäische Union 
eigentlich ist und immer war, wieder zu erneuern und auf eine neue Basis 
zu stellen. Dazu brauchen wir ein starkes soziales Europa, als Garant 
Ungleichheiten abzumildern und gesellschaftliche Teilhabe für Alle zu 
schaffen.

Für die Jüngeren ist es völlig normal, sich frei in der Europäischen 
Union bewegen zu können. Die Freizügigkeit ist tatsächlich eine der 
wichtigsten Errungenschaften der Europäischen Union und vielen wird erst 
jetzt angesichts der Debatten um Grenzschließungen und den Bau von 
Grenzzäunen deutlich, was es heißt, diese Freiheit wieder 
einzuschränken. Statt neue Barrieren aufzubauen, ist es wichtig, die 
Freizügigkeit weiter zu entwickeln und Hürden abzubauen. Damit sie in 
Europa real gelebt werden kann, muss sie sozial flankiert sein. Denn 
wahre Bewegungsfreiheit der Menschen gibt es nur, wenn auch das 
Grundrecht auf Existenz garantiert wird. Als einen ersten Schritt ist es 
sinnvoll, dass Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, die in einem anderen 
Land aktiv nach Arbeit suchen, dabei unterstützt werden und auch Zugang 
zur jeweiligen Grundsicherung erhalten, sofern sie länger als drei 
Monate in dem Land leben.
Langfristig sollten wir an der Vision arbeiten, dass sich alle 
Unionsbürgerinnen und Unionsbürger überall in der Europäischen Union 
frei bewegen können und sozial abgesichert sind. Dahin ist noch ein 
weiter Weg, für den Schritt für Schritt die Voraussetzungen geschaffen 
werden müssen.

Eine Voraussetzung ist, dass es überall in der Europäischen Union 
überhaupt angemessene Grundsicherungssysteme gibt, auch damit die 
Menschen nicht nur aufgrund materieller Not in andere Mitgliedstaaten 
gehen müssen. Hier hätte die Europäische Union durchaus die Möglichkeit, 
auf die einzelnen Länder einzuwirken, zum Beispiel durch eine gemeinsame 
Zielvereinbarung. Noch besser wäre allerdings eine rechtlich 
verbindliche Festlegung von Eckpunkten in Form einer 
Mindesteinkommensrichtlinie. Die konkrete Umsetzung bliebe den 
Mitgliedstaaten überlassen.

All das ist schon heute im Rahmen und ohne Änderungen der Europäischen 
Verträge möglich und wäre ein wichtiger Grundstock für ein soziales 
Europa. Wir sollten aber für den sozialen Zusammenhalt in der 
Europäischen Union noch einen Schritt weiter gehen. Schon lange ist ein 
wichtiges Ziel der Europäischen Union, die Armut zu verringern. 
Konsequent wäre eine Europäisierung der Armutsbekämpfung. Eine Brüsseler 
Behörde, die in allen Mitgliedstaaten die Einkommens- und 
Vermögensprüfung sowie die Bedarfe von potentiell Bedürftigen übernimmt, 
wäre allerdings viel zu bürokratisch und vermutlich eher abschreckend. 
Hingegen ist ein Basiseinkommen, das an alle Unionsbürgerinnen und 
Unionsbürger in gleicher Höhe ausgezahlt wird, einfach und 
unbürokratisch umsetzbar. Dieses europäische Basiseinkommen müsste durch 
nationale und am individuellen Bedarf orientierte Grundsicherungssysteme 
ergänzt werden. Bereits ein geringes Basiseinkommen von 100 bis 200 Euro 
kann ein Fundament darstellen, auf das sich nationale Leistungen 
aufbauen ließen. In den ärmeren Ländern der EU wäre solch ein 
Basiseinkommen nahezu existenzsichernd. In reicheren Mitgliedsstaaten 
reduziert es einfach bestehende Sozialleistungen und Steuerfreibeträge. 
Zur Finanzierung fließt ein Teil der Steuern und/oder 
Sozialversicherungsbeiträge in einen europäischen Topf, aus dem dann das 
Basiseinkommen gezahlt wird. Die Menschen, die in der EU leben, erhalten 
dann jeden Monat eine Geldzahlung direkt aus Brüssel. Das dürfte zu 
einer anderen, deutlich positiveren Einstellung gegenüber der EU führen, 
es stärkt den sozialen Zusammenhalt und verringert außerdem den 
ökonomischen Druck für Migrationsbewegungen, die aus materieller Not 
entwachsen.

Die Idee eines Basiseinkommens kann als erster Schritt auch nur für 
Teilgruppen konzipiert werden. So zum Beispiel als ein Europäisches 
Basis-Kindergeld, das von der Europäischen Union an alle Kinder von 
Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern ausgezahlt wird. Dies nähme der 
aktuellen Kindergelddiskussion, die die Briten angestoßen haben, ein 
Stück weit den Wind aus den Segeln. Denkbar ist auch ein 
Basis-Arbeitslosengeld. Die Einführung einer Europäischen 
Basis-Arbeitslosenversicherung wird zurzeit vor allem aus ökonomischen 
Gründen diskutiert und gefordert. Ein gut durchdachtes Konzept einer 
Europäischen Basis-Arbeitslosenversicherung wirkt dabei als 
automatischer Stabilisator, der in Krisenzeiten das wirtschaftliche 
Gleichgewicht der Europäischen Union stützt. Gleichzeitig kann sie ein 
sinnvoller Einstieg in eine Europäisierung der sozialen Sicherung sein.

All diese Maßnahmen können das geschwächte Miteinander aller Nationen 
der EU und ihrer Menschen wieder stärken, denn sie sind lebensnah und 
real. Sie ermöglichen den Menschen zu erfahren, dass die Europäische 
Union mehr ist als „Die in Brüssel“ und mehr als ein lebensfernes 
Ungetüm, das nichts mit ihnen und ihrem Leben gemein hat.

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