[Grundeinkommen-Info] (K)ein Zeichen aus der Zukunft

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Fr Apr 27 23:44:46 CEST 2012


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(K)ein Zeichen aus der Zukunft			
				
27. April 2012
                 			
											 
Quelle: Neues Deutschland
Von Thomas Lohmeier, Redakteur des Magazins »prager frühling«, das drei Mal im Jahr erscheint.

Foto: Norbert Schepers


Während der Piratenpartei von links wahlweise Neoliberalismus, Naivität,  Rechtslastigkeit oder Frauenfeindlichkeit vorgeworfen werden, klingen  die Vorwürfe von rechts fast origineller: Die Piraten seien eine  »Linkspartei mit Internetanschluss« tönte FDP-Chef Philipp Rösler  kürzlich, und FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher attestierte ihnen  bereits 2009 Neigungen zum Marxismus, weil ihr Verhältnis zum Eigentum  ungeklärt sei. Tatsächlich fordern sie freien Zugang zur Bildung oder  die radikale Änderung des Urheberrechts.



Leider sind die Piraten nicht die Vorhut des Kommunismus, wie  Schirrmacher suggeriert. Trotzdem ist zu fragen, ob das Gespenst, das  hier von bürgerlicher Seite an die Wand gemalt wird, nicht Zeichen für  einen sich wandelnden Kapitalismus ist. Katja Kullmann interpretiert die  Piratenpartei als Versuch einer neuen bürgerlichen Klasse, sich – wenn  auch »vorläufig noch etwas stümperhaft« – über ihre Interessen zu  verständigen. Die Wissensarbeiter und Softwareentwickler übertragen ihre  alltäglichen Erfahrungen mit der Beschränkung der Wissensproduktion  durch Patent- und Urheberrechte auf andere Lebensbereiche: Warum sich  mit der Forderung nach einer freien Netzinfrastruktur zufrieden geben,  wenn eine freie Verkehrsinfrastruktur genauso wichtig für Arbeit und  Leben ist?


Wer Arbeit, Bezahlung und Nutzung der Arbeitsprodukte entkoppelt, ist  schnell bei Ideen wie dem Grundeinkommen. Das Arbeitsprodukt gilt dann  nicht mehr als privates Eigentum; das Eigentumsrecht am Produkt wird so  gestaltet, dass es kollektives Eigentum bleibt. Und während Teile der  Linken noch dem Eigentumsbegriff John Lockes anhängen, nach dem Arbeit  Eigentum begründet, lässt diese Klasse – ohne es zu ahnen – die Marxsche  Kritik praktisch werden: Jeder arbeitet nach seinen Fähigkeiten und  konsumiert nach seinen Bedürfnissen. Getreu der Kritik des Gothaer  Programms, wo Marx sich gegen die Vorstellung wandte, dass Gerechtigkeit  hergestellt sei, wenn nur jeder Arbeiter den vollen Ertrag seiner  Arbeit erhielte und formulierte: »Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem  nach seinen Bedürfnissen.«


Dennoch ist die Piratenpartei in ihrer Kapitalismuskritik nicht  konsequent. Statt im »Spiegel«-Streitgespräch mit dem Musiker Jan Delay  über die Entlohnung von Künstlern eine Kulturflatrate zu fordern,  plädierte der kulturpolitische Sprecher der Piraten im Abgeordnetenhaus  Berlin, Christopher Lauer, hilflos für eine freiwillige Bezahlkultur.  Eine zu Ende gedachte Kritik an der Warenförmigkeit der  Wissensproduktion wäre aber tatsächlich ein Zeichen aus einer  postkapitalistischen Zukunft. Doch das geforderte Grundeinkommen wird  nicht als Demokratiepauschale konzipiert. Statt dessen diskutieren die  »Sozialpiraten« Modelle, die Hartz-IV-Betroffene finanziell noch  schlechter stellen würden.
Selbst ihr Transparenzfetisch führt nicht zu mehr Demokratie: In  Zeiten der Postdemokratie, wo der Widerspruch zwischen der Idee der  Demokratie und einer Politik, die nur noch »Sachzwänge« der Finanzmärkte  exekutiert, offensichtlich wird, gilt es über die Verteilung des  Reichtums und die Gefährdung der Demokratie durch ökonomische Macht zu  reden. Darüber schweigen die Piraten, stattdessen erfreuen sich  wirtschaftsliberale Ansätze bei ihnen großer Beliebtheit. So wird die  als Mantra wiederholte Forderung nach Transparenz zum verzweifelten  Wunsch devoter Bürger, selbige an sich selbst zu vollstrecken – das  emanzipatorische Potenzial der »liquid democracy« verkommt zur  basisdemokratischen App zur Selbstgeißelung.


Die Piraten sind also weder wissenskommunistisches Gespenst noch  postpolitische Partei neuen Typus, sondern die gewöhnliche Partei einer  aufstrebenden gebildeten Bürgerschicht der technischen Intelligenz. Wenn  die politische Linke klug ist, kapert sie deren kapitalismuskritisches  Potenzial und überlässt das postpolitische Residuum der FDP.
 
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