[Grundeinkommen-Info] Weg vom Wachstumszwang - Buch/Interview
rblaschke at aol.com
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Mi Jan 12 18:57:03 CET 2011
http://www.nordsee-zeitung.de/Home/Nachrichten/Startseite/Weg-vom-Wachstumszwang-_arid,495331_puid,1_pageid,52.html
Weg vom Wachstumszwang
Bremerhaven. Umweltsenator Dr. Reinhard Loske (Grüne) fordert in seinem
neuen Buch eine Abkehr vom Wachstumszwang. Sein Ziel ist eine Politik
der Mäßigung, um die Folgen des Klimawandels in den Griff zu bekommen.
Mit dem Senator sprach darüber unsere Redakteurin Denise von der Ahé.
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Sie fordern in Ihrem Buch einen Struktur-, Kultur- und
Lebensstilwandel. Wie soll dieser aussehen?
Ein System, in dem permanentes Wachstum die Voraussetzung zum
Funktionieren ist, ist nicht zukunftsfähig. Wir müssen daher vom
Wachstumszwang wegkommen. Es ist ein Irrglaube, dass alles so bleiben
kann, wie es ist, wenn wir nur andere Techniken einsetzen. Das reicht
nicht, weil die permanenten Wachstumseffekte die Effizienzgewinne
wieder auffressen. Was nutzt die Halbierung des Spritverbrauchs, wenn
sich die Anzahl der Autos verdoppelt?
Mehr Zeit zum Leben – wie kann das in unserer von Wachstum geprägten
Gesellschaft funktionieren?
In Zukunft werden wir ein Nebeneinander von Wachstum und Schrumpfen
haben. Das ist zum Beispiel in Bremerhaven heute schon so. Im Hafen und
in den Havenwelten ist enorm viel passiert, während die Einwohnerzahl
weiter zurückgeht. Wir müssen Wachstum und Schrumpfen qualitativ so
gestalten, dass unsere Lebensqualität verbessert und die Umwelt
entlastet wird.
Wie ernst ist es um unser Klima und unsere Umwelt bestellt?
Sehr ernst. Wir beschäftigen uns aus ökologischen und kulturellen
Gründen mit dem Wachstum. Ökologisch bewegen wir uns vielfach aber
bereits jenseits der Wachstumsgrenzen, wenn man zum Beispiel an den
Klimawandel und den Artenschwund denkt. Wir müssen den Verbrauch von
Ressourcen bis zur Mitte des Jahrhunderts um den Faktor zehn
reduzieren.
Und kulturell?
Die Frage ist, ob ein „Immer mehr“ immer zufriedener macht.
Glücksforscher sagen, dass Zufriedenheit ab einem bestimmten
materiellen Niveau nicht mehr im Zusammenhang mit dem Einkommen steht.
Warum also drehen wir uns immer weiter im Hamsterrad, wenn wir nicht
zufriedener werden? Wer sich nur an materiellen Werten orientiert, der
verliert Zeit – das wichtigste Luxusgut.
Welchen Beitrag zum Wandel kann jeder Einzelne leisten?
Jeder kann bei der Mobilität, beim Energieverbrauch und bei der
Ernährung bestimmte Prinzipien beachten, um sich für Nachhaltigkeit,
die Umwelt und die eigene Gesundheit einzusetzen. Der Konsument sollte
sich überlegen, was er wirklich braucht. Statt zum Beispiel auf
billiges Fleisch sollte man auf eine ausbalancierte Ernährung setzen.
Sie fordern eine Abkehr vom Wachstumszwang – wie soll das eine Stadt
wie Bremerhaven, die vom Hafenumschlag lebt, leisten?
Wir brauchen eine nachhaltige Entwicklung. Am Hafenstandort lassen sich
viele kleine Dinge umsetzen. Der Weg von Bremenports zur
umweltfreundlichen Hafengesellschaft ist ein richtiger Ansatz. Die
Frage ist allerdings, ob alles so globalisiert sein muss. Wegen
kürzerer Transportwege ist es oft sinnvoller, sich mit Produkten aus
der Region zu versorgen. Wir sollten bei den globalen
Handelsbeziehungen mehr auf Qualitätswettbewerb setzen.
Kritiker nennen Ihre Thesen eine Rückkehr ins Mittelalter...
Alles, was Mäßigung bedeutet, als Rückkehr ins Mittelalter zu
verdammen, ist blanker Unsinn und billiger Populismus. Es ist eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dass unser wirtschaftliches und
soziales System nicht zulasten künftiger Generationen geht. Und das ist
heute der Fall.
Sie fordern eine 20-Stunden-Woche und ein Bürgergeld. Ist das nicht
realitätsfern?
Die Reduzierung der Arbeitszeit ist mit das wirksamste Instrument, um
die Beschäftigungsentwicklung vom Wachstumszwang zu befreien. In den
vergangenen Jahrzehnten war es mehrfach so, dass das Wachstum der
Arbeitsproduktivität über kürzere Arbeitszeiten an die Arbeitnehmer
weitergegeben wurde. Hauptmotiv war eine „Work-Life-Balance“, also die
Chance, neben der Erwerbsarbeit ein anderes Leben zu leben. In der
heutigen Arbeitswelt wird man nicht mit einer Zahl für alle operieren
können, sondern braucht flexible Modelle mit insgesamt weniger
Erwerbsarbeit.
Und die Idee vom Bürgergeld?
Das Bürgergeld soll ein Grundeinkommen sichern. Jeder wird als
vollwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkannt, unabhängig davon, ob
er einer Erwerbsarbeit nachgeht oder nicht. Heute wird ja zum Beispiel
Kindererziehung, Altenpflege oder Nachbarschaftshilfe gar nicht mit dem
Bruttoinlandsprodukt erfasst.
Zum Weiterlesen
Reinhard Loske: Abschied vom Wachstumszwang, Basilisken-Presse, ISBN
978-3-941365-11-7, 14 Euro.
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