[Grundeinkommen-Info] Ein Kindergeld für alle

Wolfgang Strengmann-Kuhn wolfgang at strengmann-kuhn.de
Di Feb 3 10:41:36 CET 2009


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Gastbeitrag
Ein Kindergeld für alle
VON CLAUS SCHÄFER

Zum Autor
Claus Schäfer ist Experte für Einkommens- und Vermögensverteilung im Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der 
Hans-Böckler-Stiftung.

Untätig kann man die Bundesregierung nach dem jüngsten Konjunkturpaket nicht mehr nennen. Aber sie tut angesichts der 
Wucht, mit der die Krise auf den Arbeitsmarkt schlägt, immer noch zu wenig - und nicht immer das Richtige.

So sind die geplanten Steuer- und Abgabensenkungen ineffizient oder sogar kontraproduktiv. Denn sie verursachen gerade bei 
den Kommunen massive Einnahmeausfälle, die die Investitionszuschüsse zum größten Teil wieder kompensieren. Vor allem 
verpasst die Regierung die Chance, ihre Antikrisenpolitik mit schon lange drängenden Herausforderungen zu verbinden. Eine 
solche wäre etwa die Einführung einer Kindergrundsicherung - für die das Bundessozialgericht gerade einen indirekten Wink 
gegeben hat.

Eine Kindergrundsicherung würde erstmals alle Kinder gleich behandeln durch ein einheitliches Kindergeld für alle. Heute 
dagegen gibt es drei unterschiedliche Leistungssysteme: Das im Vergleich niedrige Kindergeld für erwerbstätige Eltern mit 
unterem und mittleren Einkommen; etwas höhere Hartz IV-Sätze für Kinder von Erwerbslosen; die höchsten Leistungen für 
erwerbstätige Kindeseltern mit hohem Einkommen, die diverse steuerliche Absetzmöglichkeiten nutzen können.

Die Kindergrundsicherung würde auch erstmals das Dunkelzifferproblem vermeiden. Heute erhalten zahlreiche Familien keine 
Hartz-IV-Leistungen oder keinen Kinderzuschlag, obwohl sie darauf ein Anrecht hätten. Denn Hartz IV ist ein Holschuld-System: 
ohne Antrag keine staatliche Leistung. Aber der Antrag bleibt aus Unkenntnis oder Scham häufig aus.

Dagegen prüft das Finanzamt automatisch, ob eine Familie über kindbezogene steuerliche Freibeträge mehr Geld erhält als 
über das Kindergeld. Diese Bringschuld des Staates für seine Bürger würde auf alle Kinder ausgedehnt.

502 Euro pro Monat

Die Grundsicherung würde ebenso zum ersten Mal Gerechtigkeit gegenüber allen Kindern walten lassen, weil ihre Zahlung der 
Lohn- und Einkommensteuer der Eltern unterworfen wäre. Eltern mit niedrigen Einkommen würden die Leistung deshalb voll 
erhalten, mittlere Einkommen etwas geschmälert und höhere Einkommen würden maximal nur so viel erhalten, wie nach Abzug 
des höchsten Steuersatzes übrig bliebe. Das bisherige System würde dadurch vom Kopf auf die Füße gestellt.

Die Höhe der Grundsicherung wäre übrigens völlig unstrittig, da vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen 
vorgegeben. Sie muss identisch sein mit dem kindlichen Existenzminimum, das sich bislang faktisch leider nur im Steuerrecht 
niederschlägt. Es setzt sich zusammen aus dem so genannten "sächlichen" kindlichen Existenzminimum plus dem steuerlichen 
Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag, insgesamt 502 Euro pro Monat.

Warum aber sollten Millionärskinder überhaupt diese Leistung erhalten? Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht 
ebenfalls entschieden, mag man darüber noch so räsonieren: Auch Millionäre mit Kindern müssen vom Staat besser gestellt 
werden als Millionäre ohne Kinder. Das besagt die vom Gericht ins Leben gerufene "horizontale" Gerechtigkeit.

Die Kindergrundsicherung würde Kindergeld, Hartz IV für Kinder, Steuerfreibeträge, Kinderzuschlag voll ersetzen und weitere 
familienbezogene Leistungen teilweise. Sie würde sich dadurch mit etwa 45 Milliarden Euro Ersparnis refinanzieren und durch 
die Besteuerung ihrer Leistungen noch einmal mit etwa 25 Milliarden Euro. Die zusätzliche Nettobelastung der öffentlichen 
Haushalte, besser: die zusätzliche Nettoentlastung der Familien würde geschätzt 30 Milliarden Euro betragen.

Das wäre ein Konjunkturprogramm, das auch mittelfristig trägt: Weil es die Richtigen begünstigt, während sich bei den 
Einkommensreichen praktisch nichts ändern würde; weil es einen dauerhaften Impuls setzt; weil es Kinderarmut und daraus 
folgende individuelle Defizite wesentlich vermindert; und weil es kollektiv auch dem künftigen Arbeitsmarkt und der Produktivität 
zugute käme.

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Copyright © FR-online.de 2009
Dokument erstellt am 02.02.2009 um 17:28:05 Uhr
Letzte Änderung am 03.02.2009 um 07:53:51 Uhr
Erscheinungsdatum 02.02.2009

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