[Grundeinkommen-Info] Sozialgesellschaft statt Arbeitsgesellschaft bzw. Konsumgesellschaft

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Fr Apr 3 16:14:46 CEST 2009


http://www.stiftungfuerzukunftsfragen.de/de/forschung/aktuelle-untersuchungen/forschung-aktuell-213-30-jg-02042009.html#c1018


Forschung aktuell, 213, 30. Jg., 02.04.2009
60 Jahre Bundesrepublik: Quo vadis, Deutschland?
In einer Klassengesellschaft leben – von einer Sozialgesellschaft 
träumen
Bevölkerung zieht Bilanz: Bundesbürger sagen, in was für einer 
Gesellschaft sie künftig leben wollen

60 Jahre Bundesrepublik Deutschland: Ein Grund zum Feiern, aber auch 
ein Anlass für Rückblick und Vorausschau. Was hat Deutschland bisher 
erreicht? Und wie geht es weiter? Ludwig Erhards programmatische 
Forderung von 1957 „Wohlstand für alle“ muss ein halbes Jahrhundert 
später als „Sozialer Wohlstand für alle“ erweitert werden. Wohlstand 
kann in Zeiten wachsender sozialer Risiken nicht mehr länger eine bloße 
Geld- und Güterfrage sein. Über das materielle Verständnis von hohem 
Lebensstandard hinaus muss der erweiterte Wohlstandsbegriff auch die 
soziale Lebensqualität und Lebenszufriedenheit der Bevölkerung mit 
einschließen. Nur mehr knapp ein Drittel der Deutschen (31%) glaubt, 
heute noch in einer Wohlstandsgesellschaft zu leben. Mehr als doppelt 
so viele (66%) aber wünschen sich für die Zukunft eine
„Sozialgesellschaft“, in der der Staat die Bürger vor Not, Armut und 
Arbeitslosigkeit schützt und „sozial absichert“ sowie allen eine 
individuelle Zukunftsvorsorge ermöglicht. Dies=2
0geht aus einer aktuellen 
Repräsentativbefragung der Stiftung für Zukunftsfragen hervor, in der 
2.000 Personen ab 14 Jahren danach gefragt wurden, wie sie heute leben 
und in was für einer Gesellschaft sie morgen leben wollen.

„Die Deutschen wollen nach wie vor ein sicheres Einkommen haben und 
sorgenfrei und ohne Zukunftsangst leben können“, so Prof. Dr. Horst W. 
Opaschowski, der Wissenschaftliche Leiter der Zukunftsstiftung. „Sie 
erwarten, dass der Staat seine Sicherheitsversprechen einlöst, und 
hoffen auf mehr soziale Gerechtigkeit.“ Doch genau hier setzen die 
Sorgen der Bevölkerung ein. Nur drei Prozent der Deutschen glauben, in 
einer Zivilgesellschaft zu leben, in der Freiheit, Gleichheit und 
Sicherheit garantiert und gelebt werden können. Um ein Vielfaches höher 
(39%) und realitätsnäher aber ist nach Meinung der Bevölkerung die 
bundesrepublikanische Zustandsbeschreibung einer Klassengesellschaft, 
in der das Wohlstandsgefälle wächst und die soziale Kluft zwischen Arm 
und Reich immer größer wird.
Professor Opaschowski: „Soziale Spannungen drohen, wenn sich weiterhin 
ein tiefer Graben durch Deutschland zieht. Insbesondere die 
Landbewohner sehen sich benachteiligt, weil die Grundversorgung vom 
Nahverkehr bis zur ärztlichen Versorgung nicht mehr gewährleistet ist. 
Und auch die Ostdeutschen fühlen sich – zwanzig Jahre nach der 
Wiedervereinigung – ausgegrenzt, weil Arbeit und
 Wohlstand zunehmend in 
den Westen wandern.“ Politisch programmatische Leitbilder wie die 
Bürgergesellschaft (5%) und die Wissensgesellschaft (9%) sind in der 
bundesrepublikanischen Wirklichkeit bei der überwiegenden Mehrheit der 
Bevölkerung bisher nicht angekommen.

Was hingegen die Menschen in Deutschland quer durch alle Berufs-, 
Sozial- und Altersgruppen mehr miteinander verbindet, ist der Gedanke 
der Leistung. 38 Prozent der Bundesbürger identifizieren sich mit der 
Leistungsgesellschaft, vor allem die mittlere Generation der 30- bis 
49-Jährigen (40%). Opaschowski: „Die Leistungsgesellschaft lebt. Sie 
schafft für viele erst die Voraussetzungen für ein erfülltes Leben – 
auch jenseits von Arbeit und Erwerb.“ Denn nur mehr wenige Bundesbürger 
glauben daran, dass die Bundesrepublik noch einer Arbeitsgesellschaft 
(16%) gleicht. Globalisierung und Wertewandel haben in den letzten 
Jahrzehnten die gesellschaftspolitischen Leitbilder in Deutschland 
grundlegend verändert. Jetzt wünschen sich die Bürger gesellschaftliche 
Strukturen, die lebenswert und zukunftsfähig zugleich sind.

So wollen die Deutschen morgen leben!

In Verantwortung für kommende Generationen

Wenn es nach den Wünschen der Bevölkerung geht, dann gehört die Zukunft 
der Bundesrepublik einer Sozialgesellschaft (66%), einer 
Generationengesellschaft (56%) und einer Hilfeleistungsgesellschaft 
(52%). „In der Dreifach-Sicherung des Lebens

 20  * soll der Staat die Bürger vor sozialer Not schützen,
     * müssen die Generationen fest zusammenhalten und füreinander da 
sein,
     * wollen sich die Menschen wieder mehr selber helfen, indem sie 
pragmatisch Gemeinschaften auf Gegenseitigkeit bilden“, so Professor 
Opaschowski.

„Dabei verlieren sie ein Stück persönlicher Freiheit und 
Unabhängigkeit, gewinnen dafür aber genügend Sicherheit und soziale 
Geborgenheit.“ Diese positive Vision der Bevölkerung ist werte- und 
zielorientiert. Sie sollte für die Politik richtungsweisend und 
handlungsleitend sein. Nur so lässt sich soziale Stabilität für die 
weitere Zukunft sicherstellen.

Es ist schon bemerkenswert, dass der Wunschgedanke einer 
Hilfeleistungsgesellschaft bei den Westdeutschen genauso hoch 
ausgeprägt ist wie bei den Ostdeutschen (jeweils 52%). Aus der Not, 
aufeinander angewiesen zu sein, entwickeln sie die gemeinsame Tugend, 
sich gegenseitig zu helfen. Mit zunehmendem Alter wächst auch die 
Bereitschaft, „nicht auf Kosten der nächsten Generationen zu leben“ 
(bis 34 Jahre: 46% - 35 bis 54 Jahre: 55% - 55 Jahre und mehr: 64%). 
Opaschowski: „Die älteren Generationen nehmen ihre Verantwortung ernst. 
Sie sparen nachweislich für die Jüngeren. Und der vielbeschworene Krieg 
der Generationen findet nicht statt.“
Gut leben statt viel haben.

Leben in der Wohlfühlgesellschaft



Mit den veränderten Zukunftsorientierungen der Deutschen verlieren die 
gesellschaftlichen Leitbilder der siebziger bis neunziger Jahre ihre 
Dominanz. Nur mehr etwa jeder fünfte Bundesbürger hält die 
Konsumgesellschaft (21%) oder die Erlebnisgesellschaft (21%) für 
zukunftsfähig und erstrebenswert. Deutlich mehr Bürger setzen sich 
bescheidene Ziele und geben sich eher mit einer „Wohlfühlgesellschaft“ 
(39%) zufrieden, in der „gut leben statt viel haben“ möglich ist und 
nicht nur intensives Erleben und Genießen gefordert wird. ...
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