[Gen-Streitfall] Fw: [geninfo] Umweltschuetzer: Gentechnik-Urteil der WTO differenziert betrachten

Thorsten Haas t-haas at web.de
Sa Mär 11 01:35:25 CET 2006


Liebe Genstreitfall-Leute,
anbei ein interessantes Invertview aus der jw.

gibt es eigentlich jmd., der die Gen-Streifall-Seite weiterpflegt? Das ist 
ja wirklich eine gute Seite.  Schade, wenn die so "veraltet" ausschaut!

Wer Werbung für unsere Gentechnikfreien Tage in Klosterdorf (bei Hohenstein, 
bei Straußberg d.h. Berlin, bekannt von der Gendreck weg- Aktion) machen 
will, kann einen Flyer von unserer Homepage downloaden: 
www.bundjugend-brandenburg.de

Viele Grüße
Thorsten Haas

http://www.jungewelt.de/2006/03-03/039.php

03.03.2006 / Interview / Seite 08

»USA haben keinesfalls auf ganzer Linie gewonnen«
Bush-Regierung feiert Spruch des WTO-Gerichtes gegen die EU. Dabei können
 Staaten laut Urteil Importe gentechnisch veränderter Lebensmittel
 verhindern.

Ein Gespräch mit Adrian Bebb

F: Mitte Februar hatten die großen Gentechnikkonzerne herumposaunt, sie
 hätten vor dem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO einen
 wichtigen Erfolg gegen die EU erzielt. Wie es aussieht, war das ziemlich
 übertrieben.

Ja, es ging um ein Moratorium der EU. Europa hatte beschlossen, bis auf
 weiteres keine gentechnisch veränderten Lebensmittel einzuführen. Dagegen
 hatten die USA, Kanada und Argentinien geklagt. Nachdem das Schiedsgericht
 ein Urteil gesprochen hatte, feierten US-Regierung und
 Biotechnologiekonzerne einen großen Sieg und warnten andere Staaten, sich
 der Einfuhr von Gennahrungsmitteln in den Weg zu stellen. Inzwischen wurde
 uns das Urteil zugespielt, das eigentlich geheimgehalten werden sollte. Es
 stellte sich heraus, daß die USA keinesfalls auf der ganzen Linie gewonnen,
 sondern vielmehr in wichtigen Punkten verloren haben. Tatsächlich hat die
 WTO Ländern das Recht zugebilligt, Genimporte zu verhindern. Voraussetzung
 ist, daß man die Zweifel an der Unbedenklichkeit wissenschaftlich
 untermauern kann.

F: Allerdings ist das EU-Moratorium 2004 ausgelaufen. Welche Bedeutung hat 
da
 dieses Urteil noch?

Letztendlich ging es nicht so sehr um die EU, sondern um die
 Entwicklungsländer. Die USA hatten gesehen, was in Europa passierte und
 wollten nicht, daß andere Staaten dem Beispiel der EU folgen. Es ging 
darum,
 diese von Einfuhr- und Anbauverboten abzuhalten, indem man die EU vor das
 WTO-Gericht zitierte. Nun hat dieses aber gesagt, daß gentechnisch
 veränderte Pflanzen und Nahrungsmittel verboten werden können, wenn die
 jeweiligen Regierungen gute Argumente vorbringen. Das ist ziemlich genau 
das
 Gegenteil von dem, was die US-Regierung gerade über das WTO-Urteil
 verbreitet.

F: Wird das Urteil also ein neues Einfuhrverbot der EU einfacher machen?

Ja, auf jeden Fall. Aber es gibt auch einige EU-Staaten, wie Deutschland, 
die
 nach dem Ende des Moratoriums Einfuhrverbote aufrechtgehalten haben. Diesen
 Staaten hat das WTO-Schiedsgericht ins Stammbuch geschrieben, daß sie
 einerseits das Recht dazu haben, andererseits aber sorgfältiger vorgehen,
 das heißt besser begründen, müssen.

In Deutschland ist zum Beispiel der Bt-Mais von Syngenta verboten. Der
 enthält ein Gen, mit dem die Pflanze ein starkes Insektizid produziert. 
Über
 dessen Sicherheit gibt es so viele wissenschaftlich begründbare Zweifel, 
daß
 ein Verbot ohne weiteres aufrechtzuerhalten sein müßte. Davon abgesehen
 bleibt festzuhalten, daß die WTO eine Handelsorganisation ist und damit
 eigentlich nicht die richtige Institution, um solche Streitfragen, in denen
 es um die menschliche Gesundheit und verschiedene Umweltaspekte geht, zu
 entscheiden.

F: Welche gentechnisch veränderten Produkte werden denn von EU-Ländern
 importiert?

In der Nahrungsmittelindustrie gibt es nur ganz wenig Importe. Kaum einer 
der
 großen Lebensmittelkonzerne oder der Einzelhandelsketten verwendet
 gentechnisch veränderte Organismen. Anders sieht es bei Futtermitteln aus.
 Das hat vor allem damit zu tun, daß es dort keine Kennzeichnungspflicht
 gibt. Wenn zum Beispiel die Hühner mit argentinischer Gensoja gefüttert
 werden, bekommen die Verbraucher das nicht mit. Deshalb gibt es in dem
 Sektor keinen Druck auf die Nahrungsmittelproduzenten.

F: Welche Aussichten sehen Sie für die EU, nachdem das Moratorium nicht
 verlängert wurde und es nun in Deutschland eine Regierung gibt, die sich 
für
 die Biotechnologie-Industrie ins Zeug legt?

Die politische Landschaft hat sich sicherlich geändert. Aber auf der anderen
 Seite sind zum Beispiel die neuen EU-Mitglieder praktisch alle gegen
 Gentechnik. Polen ist gentechnikfrei, und in jeder Region gibt es dort
 lokale Verbote. Ungarn hat zum Beispiel Monsantos Genmais verboten. Es gibt
 also weiter eine starke Opposition gegen Gentechnik unter den EU-Ländern,
 auch wenn sich das Lager etwas anders zusammensetzt. Außerdem ist die
 öffentliche Meinung, das zeigen alle Umfragen, nach wie vor gegen
 Gentechnik.


Adrian Bebb ist Gentechnik-Experte beim internationalen 
Umweltschutz-Netzwerk
 Friends of the Earth (Freunde der Erde), das in Deutschland durch den Bund
 für Umwelt- und Naturschutz (BUND) vertreten ist

Interview: Wolfgang Pomrehn

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Vollständiger Text des WTO-Gentechnik-Urteils:
www.dnr.de/eur ("Bisherige Ausgaben")

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