[Gen-Streitfall] Lobbybeobachtung als neue Aufgabe für die Zivilgesellschaft

Sabine altmann.tent at t-online.de
Fr Jun 25 05:41:06 CEST 2004


DNR, 24.6.04
Lobbywatch - neue Aufgabe für die Zivilgesellschaft
Wie Unternehmen über "falsche NRO" die öffentliche Meinung beeinflussen

Viele Meldungen über internationale Hintergründe und Verflechtungen im
Bereich gentechnisch veränderter Organismen (GVO) im letzten Jahr hatten
eines gemeinsam: Die Quelle "GMWATCH". Diese US-amerikanische
Nichtregierungsorganisation (NRO) versucht jetzt als Ergebnis ihrer
Recherchen zur Einführung von GVO das Augenmerk auf eine gefährliche
Strategie von Unternehmenzu lenken , öffentliche Meinung und Politik zu
beeinflussen: Meinungsnetzwerke. 

Die Organisationen geben sich den Anschein unabhängigen, politischen
oder wissenschaftlichen Sachverstands. Sie treten an die Öffentlichkeit,
publizieren Bücher, sprechen auf Vorträgen, organisieren Kampagnen. So
wird für GVO und Zigarettenkonsum, aber auch gegen Umweltverbände, die
Vereinten Nationen oder die Weltgesundheitsorganisation Stimmung
gemacht. Dabei beziehen sie sich auf andere Organisationen diesen Typs
oder einzelne Autoriäten, um die Relevanz oder Stichhaltigkeit ihrer
Behauptungen zu belegen. Und das, obwohl diese Organisationen zum Teil
vom selben Geldgeber finanziert werden - oder teilweise ein und
dieselben Personen dort arbeiten. Und nicht ohne Erfolg: So aufgebaute
'Think Thanks' haben u.a. massiven Einfluss auf die Bush-Administration.


Neues Projekt "Lobbywatch": Anlaufstelle für Recherchen

Als die Recherchen zeigten, dass "Meinungsnetzwerke" auch über das Thema
GVO hinaus von den Unternehmen genutzt werden, um Politik zu
beeinflussen, haben sich die Gründer von GMWATCH entschieden, eine neue
Organisation zu gründen: Lobbywatch. Diese hat laut ihrem Mitgründer
George Monbiot zum Ziel, offenzulegen, wie öffentliche Wahrnehmung und
Politik durch Unternehmen und ihre "Strohmänner" beeinflusst werden.
Dabei soll der Fokus bewusst über das Thema GVO hinaus ausgeweitet
werden. Auf der Internetseite von Lobbywatch finden sich Informationen
über die schon aufgedeckten Hauptakteure und ihre Verflechtungen
untereinander sowie zur Wirtschaft und zur Politik. 

Beispiel Dr. Roger Bate - ein Mann, sieben Organisationen

Als Beispiel wird auf der Seite von Lobbywatch Dr. Roger Bate genannt.
Er agiert aus sieben verschiedenen Organisationen durch Vorträge,
Publikationen und Politikberatung. Diese Organisationen werden von
Unternehmen oder ihren Verbänden finanziert. Dabei stützt Bate seine
Argumente gerne auf Quellen aus einer weiteren dieser Organisationen -
in deren Rahmen er selbst tätig ist. Darunter finden sich so renommierte
wie gefällige Namen wie: Institute of Economic Affairs, European Science
and Environment Forum, International Policy Network, Sustainable
Development Network, Africa Fighting Malaria, Competitive Enterprise
Institute, American Enterprise Institute. 

Ein organisierter Gegenchor in allen Themenbereichen

Solche Organisationen dienen als Plattform, um für die Verwendung von
GVO zu werben, sie werden von Bate aber auch dazu genutzt, um Angriffe
auf verschiedenste Ziele zu starten: 

-  das Kioto-Protokoll,
-  die UN, die Weltgesundheitsorganisation, Hilfswerke und NRO,
-  die Schwächung von Medikamenten- Patenten,
-  die Regulierung des Zigarettenkonsums, 
-  die Umweltbewegung, 
-  das Vorsorgeprinzip,
-  die organische Landwirtschaft,
-  die Einschränkung des Pestizidgebrauchs, von Antibiotika und anderer
Aspekte der intensiven Landwirtschaft,
-  die Kontrolle industrieller Chemikalien.

Einfluss auf öffentliche Meinung und Politik erheblich

Lobbywatch warnt davor, den Einfluss dieser Gruppen zu unterschätzen. An
verschiedenen Beispielen wird die effektive und tiefgreifende
Beeinflussung aufgezeigt, die bereits stattgefunden hat. Aus diesen
Organisationen führen persönliche Kontakte zu den wichtigsten Politikern
und Firmenvorständen in den USA. Als größte Bedrohung sieht Monbiot,
dass es diese Netzwerke geschafft haben, die öffentliche Wahrnehmung
grundlegend zu beeinflussen und zu verändern und dies auch weiter tun. 

Aufklärung irreführender PR: Viele Strategien notwendig

Neben den "falschen" NRO und wissenschaftlichen Instituten gebe es noch
ein weitreichendes Repertoire anderer Instrumente, um die Öffentlichkeit
durch "irreführende PR" zu täuschen. Diese reichen von gezielten
Schmutzkampagnen gegen Aktivisten durch Dritte bis zu komplett
"falschen" (d.h. bezahlten) im Internet präsentierten Bürgerbefragungen
und "Bürgermeinungen" in Form von Leserbriefen oder ähnlichem. Dabei
werden Umweltaktivisten gerne mit "Terroristen" gleichgesetzt. George
Monbiot ist der Ansicht, dass diesen Attacken nur entgegengetreten
werden kann, indem die Verflechtung der Akteure einer breiten
Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. 

Fokus Europa: Moralische Autorität und Sichtbarkeit von NRO bedroht

Die Recherchen bezogen sich bis jetzt zum größten Teil auf die USA und
Großbritannien. In Europa ist die Recherche nach dem Vorhandensein und
Funktionieren von "Meinungsnetzwerken" noch neu. Gerade für die
Umweltbewegung ist es wichtig, dass die moralische Autorität, die
Nichtregierungsorganisationen haben, nicht durch einen Gegenchor von
"falschen" NRO und wissenschaftlichen Institutionen zunichte gemacht
wird. Falls hier nicht bald etwas geschieht, werden die Stimmen von NRO
nur noch eine Stimme unter vielen sein. Der Bürger kann nicht wissen,
wem er Glauben schenken soll - wenn er nicht über Hintergründe und
Verflechtungen informiert ist. Deshalb ist der Aufbau von Lobbywatch von
großer Bedeutung und bedarf in Europa der Unterstützung - und der
Nachahmung. Auch durch Umweltverbände. 

Daniel Unsöld, DNR Berlin, EU-Koordination


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GB - NR2 1DX
Tel. 0044 1603 624021
eMail: lobby at gmwatch.org
www.lobbywatch.org



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