[Gen-Streitfall] Heutiges Interview Fischler im Deutschlandfunk über Gentechnik

Sabine Altmann Sabine.Altmann at Wagner-Solartechnik.De
Fr Jan 16 13:34:36 CET 2004


Hi, anbei ein Interview mit EU-Agrarkommissar Fischler, das Wolfgang
Wiebecke entdeckt hat. Die Kernaussage Fischler:  

Wir haben nicht das Recht, GMOs zu verbieten, solange sie kein Risiko
darstellen. Und der Beweis dafür, dass sie kein Risiko darstellen, ist, dass
sie zugelassen sind. Denn sie wären ja nicht zugelassen, wenn mit ihnen ein
Risiko verbunden wäre.

Na irre, GMOs werden also zugelassen, weil sie kein Risiko darstellen. Und
der Beweis dafür, dass sie kein Risiko darstellen, ist, dass sie zugelassen
sind. 
In diesen beiden Gleichungen können wir das Risiko einfach herauskürzen und
kommen dann zu dem Schluss, dass GMOS zugelassen sind, weil sie zugelassen
sind. - Unabhängig davon, welches Risiko sie darstellen. Gruß, Sabine



Deutschlandfunk Interview 
 
15.1.2004  
Fischler: EU hat keine Richtlinien für Gentechnik erlassen  
Interview mit Franz Fischler, EU-Agrarkommissar  
 


EU-Agrarkommissar Franz Fischler (Foto: AP)
 
Christine Heuer: Heute Abend wird in Berlin die "Grüne Woche" eröffnet. Das
Landwirtschaftsministerium hat auf der weltweit einzigartigen Messe für
Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau eine Sonderschau eingerichtet unter
dem Titel "Gesunde Ernährung - kluger Konsum". Gehört in diese Rubrik
"Gesunde Ernährung - kluger Konsum" eigentlich auch Gen-Food? Das fragen
sich die Verbraucher hierzulande, nachdem Renate Künast ihren Gesetzentwurf
zum Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft vorgelegt hat. Mit dem
neuen Gesetz will die Bundesregierung entsprechende Leitlinien der
Europäischen Union umsetzen. - Am Telefon ist jetzt EU-Agrarkommissar Franz
Fischler. Guten Morgen Herr Fischler!

Franz Fischler: Guten Morgen!

Heuer: Die europäischen Verbraucher wollen mehrheitlich ja keine Gentechnik
auf den Feldern und erst recht nicht im Essen. Würden Sie selbst
genmanipulierte Lebensmittel eigentlich kaufen?

Fischler: Nun das kommt darauf an. Wenn sichergestellt ist, dass es sich um
zugelassene Lebensmittel handelt, dann hätte ich kein Problem damit, denn
der Sinn der Zulassung besteht ja genau darin, dass jegliches Risiko
ausgeschaltet wird. Das braucht man auch gar nicht mehr weiter in einem
deutschen Gesetz zu regeln. Das ist bereits in einem europäischen Gesetz
geregelt.
Was jetzt in Deutschland geregelt wird, ist, dass man entsprechende Vorsorge
trifft, wenn nebeneinander Bauern gentechnikfreie oder Gentechnik
beinhaltende Sorten anbauen, dass es dort keine Vermischung gibt. Es geht
hier aber nicht um Gesundheitsrisiko oder nicht, um irgendein Umweltproblem.

Heuer: Sie garantieren also dafür, dass in der EU zugelassene Lebensmittel,
selbst wenn sie gentechnisch verändert sind, gesundheitlich unbedenklich
sind?

Fischler: Ja. Ansonsten darf ein solches Lebensmittel unter keinen Umständen
zugelassen werden.

Heuer: Für wie gelungen halten Sie denn das deutsche Gesetz, gemessen an den
EU-Richtlinien, die Sie jetzt gerade erläutert haben?

Fischler: Nun darf ich darauf hinweisen, dass die EU keine Richtlinien
erlassen hat für dieses Nebeneinander von traditioneller Anbauweise und von
Gentechnik, sondern Empfehlungen gemacht hat. Die Mitgliedsstaaten sind
daher im Prinzip frei und können diese Dinge gestalten, müssen aber
allerdings einige Prinzipien einhalten. Vereinfacht ausgedrückt: Man kann
nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Es müssen die Maßnahmen, die
ergriffen werden, proportional zum Problem sein. Ob das im Detail der Fall
ist, das kann ich Ihnen derzeit noch nicht sagen, weil ich das Gesetz oder
den Entwurf nicht kenne. Deutschland ist aber verpflichtet, sobald dieser
Entwurf endgültig beschlossen ist, diesen der Kommission zu notifizieren.

Heuer: Nun sagen viele, Herr Fischler, dass mit den von Renate Künast
vorgesehenen Haftungsregeln und Einschränkungen der Einsatz von Gentechnik
faktisch eher behindert als gefördert wird. Im Sinne des Erfinders wäre das
jedenfalls nicht oder etwa doch?

Fischler: Nein. Im Sinne des Erfinders ist, dass wir uns neutral verhalten
wollen. Uns sind sozusagen alle Bauern lieb. Die Bauern, die Gentechnik
verwenden wollen, sind uns aber nicht mehr und nicht weniger lieb als die
anderen. Daher muss hier schon Fairness herrschen für beide Seiten. Auf der
anderen Seite kann man aber auch nicht ganz einfach außer Acht lassen, dass
die Bauern, die bisher ohne Gentechnik angebaut haben und das weiter tun
wollen, ja nichts Neues einführen. Normalerweise muss man doch auch auf den
schauen, der sozusagen etwas Neues einführt, und der muss auch die
Verantwortung, die sich daraus ergibt, wahrnehmen.

Heuer: Die Kritiker der Gentechnik sagen aber, dass ein bisschen Gentechnik
gar nicht geht, zum Beispiel wegen des Pollenflugs oder der Vermischung von
Saatgut?

Fischler: Ja. Es gibt Pflanzen, wo das ein Problem ist. Es gibt aber andere
Pflanzen, wo das kein Problem ist. Das ist genau die Schwierigkeit. Hier
gibt es kein Generalrezept für alles, sondern man muss sich das Fall für
Fall anschauen. Man muss also zum Beispiel Regeln festlegen, wenn es um den
Anbau von Mais geht. Oder man muss Regeln festlegen, wenn es um den Anbau
von Sojabohnen geht. Für andere Pflanzen ist derzeit Gentechnik kaum in
Gebrauch. Wenn neue Pflanzen hinzukommen, dann muss man also für diese
Pflanzen neue Regeln einleiten. Bei den Kartoffeln ist das zum Beispiel
wieder völlig anders, denn bei den Kartoffeln findet ja im Prinzip nur eine
vegetative Vermehrung statt. Dort ändert sich an den Genen der Kartoffeln
gar nichts.

Heuer: Wieso lässt die europäische Kommission überhaupt den Einsatz von
Gentechnik in der Landwirtschaft zu? Gezwungen hat sie dazu ja keiner.

Fischler: Das ist nicht wahr, sondern es ist so, dass wir kein Recht haben,
etwas nicht zuzulassen, solange damit kein Risiko verbunden ist. Wenn das
Risiko ausgeschaltet ist - und das muss ja sein, weil ich habe Ihnen ja
gesagt, ansonsten dürfen solche Pflanzen nicht zugelassen werden -, dann
haben wir aber auch keine rechtliche Möglichkeit, die Einführung solcher
Anbaumethoden einfach zu verbieten.

Heuer: Ist es denn richtig, Herr Fischler, dass es den USA jetzt viel
leichter fallen wird, ihre transgenen Produkte auf den europäischen Markt zu
exportieren?

Fischler: Zur Zeit ist es so, dass in einigen Mitgliedsstaaten ein de facto
Moratorium besteht, unter anderem auch in Deutschland. Aber dieses
Moratorium ist nicht zu halten, auch rechtlich nicht zu halten. Daher ist es
glaube ich völlig richtig, wenn jetzt in Deutschland entsprechende
Vorkehrungen getroffen werden, dass ein sinnvolles, ich betone sinnvolles
Nebeneinander zwischen Gentechnik und anderer Anbauweise möglich gemacht
wird.

Heuer: In Europa steckt die Gentechnik im Einsatz in den Kinderschuhen. Wenn
wir mal etwas vorausblicken, Herr Fischler, wie stellen Sie sich die Zukunft
dieser Technik in der europäischen Landwirtschaft vor? Wie hoch wird der
Anteil der Gentechnik in einigen Jahren wohl sein?

Fischler: Das ist etwas schwierig vorauszusagen. Ich glaube, das hängt auch
von den Pflanzen ab. Wenn Sie sich zum Beispiel die Entwicklung in Amerika
anschauen: Dort ist es in der Zwischenzeit so, dass praktisch drei Viertel
der Baumwolle, die dort produziert wird, bereits mit Sorten produziert wird,
die gentechnisch verändert sind, und es hat bisher eigentlich kein Problem
damit gegeben. Es ist auf der anderen Seite so, dass ungefähr bereits die
Hälfte des Mais gentechnisch produziert wird. Ob das in Europa auch so
schnell geht, das wage ich zu bezweifeln, aber das soll eben in der Freiheit
der Bauern bleiben, ob sie das anwenden. Kein Bauer soll gezwungen werden,
Gentechnik anzuwenden, um das einmal ganz klar zu machen. Ich sehe aber
einen anderen Bereich, wo möglicherweise in Zukunft die Gentechnik eine viel
größere Rolle spielen kann. Wir reden ja sehr viel über den Anbau von
nachwachsenden Rohstoffen und bei diesen nachwachsenden Industrierohstoffen
glaube ich könnte die Gentechnik sehr bald eine viel größere Rolle spielen,
als sie das bisher tut.

Heuer: Nennen Sie ein Beispiel?

Fischler: Na ja, da geht es zum Beispiel um die Produktion von Mais, der
dann für die Stärkeproduktion von Industriestärke verwendet wird oder für
die Herstellung von Alkohol, womit dann Autobusse betrieben werden. Woran
auch ganz konkret gearbeitet wird ist, dass zum Beispiel Pflanzen dieses Mal
für die Ernährung produziert werden, zum Beispiel Weizen, der stärker
trockenresistent ist, was ja für viele Entwicklungsländer eine Chance wäre.
Aber nur deswegen, weil wir diesen Entwicklungsländern dann eine Chance
geben, sollen wir dann ein und für alle Mal verbieten, dass derartiger
Weizen nach Europa importiert wird? Das, glaube ich, wäre ziemlich zynisch.

Heuer: Sie sagen, es gibt dort große Chancen, die Menschen in den
Entwicklungsländern mit solchen Pflanzen zu versorgen und die Ernährung dort
sicherzustellen. Andererseits entstehen dadurch auch neue Abhängigkeiten des
Südens von den reichen Industrienationen, die ihnen diese Gentechnikpflanzen
ja gerne verkaufen möchten?

Fischler: Da haben Sie völlig Recht. Das möchte ich überhaupt nicht
bestreiten. Nur dürfen wir auf der anderen Seite doch nicht übersehen, dass
es derzeit halt immer wieder zu großen Hungerkatastrophen und
Nahrungsmittelversorgungsproblemen kommt, ganz einfach, weil wegen Dürre die
Ernte ausfällt oder sehr viel kleiner ausfällt als geplant. Hier muss man,
glaube ich, schon die Dinge von ihrer Bedeutung her richtig ordnen. Wenn man
das durch verbesserten Anbau zumindest reduzieren kann, dann ist das aus
humaner Sicht doch ein Riesenfortschritt.

Heuer: EU-Agrarkommissar Franz Fischler war das. - Ich danke Ihnen für das
Gespräch, Herr Fischler. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und
interessante Eindrücke bei der "Grünen Woche" in Berlin.
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/227354/




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