[Gen-Streitfall] Presseschau 26.1. bis 8.2.04

Sabine altmann.tent at t-online.de
So Feb 8 22:02:52 CET 2004


Superkurz-Presseschau wg. super wenig Zeit. Gruß, Sabine
Einspruch - Hände weg von unserer Nahrung
http://www.genug-wto.de/einspruch.html. 

Auf nach Tübingen am 15.02.04. 
Aktionsbündnis "Gentechnikfreies Baden-Württemberg"  plant Demo ab
13.30Uhr Hauptbahnhof Tübingen

Gentechtagung der hessischen Grünen
Am 16.02.04 findet eine Gentechnik-Tagung statt, zu der die hessischen
Grünen einladen
(http://www.gruene-fraktion-hessen.de/rsvgn/rs_datei/0,,5343,00.pdf). Es
geht dabei um den Einsatz von Gentechnik auf Hessens Feldern. 

1. EU 

AFP, Freitag 6. Februar 2004, 08:04 Uhr
Berlin soll Widerstand gegen Genfood aufgeben

Berlin (AFP) - EU-Verbraucherschutzkommissar David Byrne hat die
Bundesregierung nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" aufgefordert,
ihren Widerstand gegen die Einfuhr genetisch manipulierter Lebensmittel
aufzugeben. Der seit 1998 bestehende Zulassungsstopp für Gen-Pflanzen
sei überholt, sagte Byrne der Zeitung. Deutschland hatte im Dezember mit
seiner Stimmenthaltung vorläufig verhindert, dass die genetisch
veränderte Maissorte BT 11 auf den europäischen Markt gelangt. 

Byrne rief dazu auf, für die Zulassung zu stimmen. Der EU-Kommissar
verwies auf neue Gesetze und Kontrollmöglichkeiten. Genveränderte
Nahrungsmittel und Tierfutter müssten jetzt gekennzeichnet sein. "Die
Kunden im Supermarkt können wählen, ob sie solche Produkte kaufen wollen
oder nicht", sagte Byrne der "Berliner Zeitung". 
http://de.news.yahoo.com/040206/286/3vc46.html

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Gmwatch. 7.2.04
EUROPE CLOSER TO BANNING GM OILSEED RAPE
The Belgian government on 2 Feb 2004 rejected Bayer's application to
grow GM oilseed rape. The rejection follows research showing that the GM
oilseed rape would damage the environment. Belgian experts concluded
that growing this GM oilseed rape would have negative impacts on
biodiversity that could not be brought under control. They also believe
that guidelines for farmers to prevent contamination of non-GM crops are
unworkable and difficult to monitor. 

Bayer had applied through Belgium for a Europe-wide licence to grow the
GM oilseed rape. The Belgian government could only have forwarded it to
other member states for a joint decision if it had met European laws to
protect the environment. Two other applications for a similar crop, also
by Bayer, are being processed by Germany. 
http://www.gmwatch.org/archive2.asp?arcid=2518

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Presseerklärung von Greenpeace vom 3. Februar 2004
Belgien lehnt Antrag von Bayer CropScience ab
EU-weiter Anbau von Gen-Raps gestoppt 

Europas Äcker bleiben vorerst frei von Gen-Raps. Die belgische Regierung
entschied am Montag gegen einen Antrag der deutschen Bayer CropScience,
genmanipulierten Raps anbauen zu dürfen. Hätten die Minister in der
belgischen Hauptstadt Ja gesagt, hätte einer EU-weiten Genehmigung
nichts mehr im Wege gestanden. 

Bayer CropScience wollte in einem EU-Land eine Genehmigung erlangen, um
ihren Gen-Raps im Freiland anbauen zu können. Dabei sollte die
Genehmigung zum Wohle des Pharmariesen mit dem Zusatz "EU-weit" versehen
sein. Dem hat die belgische Regierung aber erst einmal einen Riegel
vorgeschoben. Brüssel bezieht sich dabei auf Forschungsergebnisse, die
gezeigt haben, dass Gen-Raps die Umwelt schädigt. Sowohl EU- als auch
belgische Gesetze fordern aber den Schutz der Umwelt. 

"Das ist ein Sieg für die Umwelt und die Vernunft", freut sich Ulrike
Brendel, Gentechnik-Expertin bei Greenpeace. "Die belgische Regierung
hat erkannt, dass der Anbau von Gen-Raps eine Gefahr für die Umwelt
darstellt und entsprechend gehandelt." 

"Die Entscheidung der belgischen Regierung setzt die deutsche
Landwirtschaftsministerin Renate Künast unter Zugzwang. In Deutschland
liegen zwei weitere Anträge von Bayer auf den Anbau von genmanipuliertem
Raps vor. Diese muss Künast ablehnen", sagt Brendel. 

Schon am vergangenen Donnerstag hatte das Beratergremium der belgischen
Regierung in Gentechnikfragen vor den Umweltgefahren gewarnt. Es folgte
damit den Erkenntnissen, die in Großbritannien in großangelegten
Feldstudien gewonnen worden waren. Dort zog man den Schluss, dass der
Gen-Raps-Anbau schlimmere Auswirkungen auf wild wachsende Pflanzen und
Tiere habe, als der Anbau von herkömmlichen Raps. Weitere britische
Untersuchungen haben gezeigt, dass der Pollen des Gen-Raps von Insekten
Kilometer weit mitgeschleppt werden kann. Besonders Bienen kommen dafür
in Frage. Wie man Gentechnik-freie Rapsfelder davor schützen soll, ist
völlig unklar. 

Die belgische Entscheidung sei auch richtungsweisend für die aktuelle
Diskussion über ein Gentechnik-Gesetz in Deutschland, merkt Brendel an.
"Der von Künast dazu vorgelegte Entwurf berücksichtigt das Problem der
Ausbreitung von Gen-Pflanzen nicht ausreichend. Setzt die grüne
Ministerin ein solches Gesetz durch, gefährdet sie die konventionelle
und ökologische Landwirtschaft."
Autor: Greenpeace e.V.

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Süddeutsche Zeitung, Weihnachten 24./25./26 Dezember 2003
Kärnten versucht EU auszutricksen
Gesetz verbietet indirekt genmanipulierte Pflanzen
Von Michael Frank

Wien - Das österreichische Bundesland Kärnten hat einen Erfolg im Kampf
gegen gentechnisch manipulierte Kulturen errungen. Die EU-Kommission
billigte das Gentechnik-Vorsorgegesetz des Landes grundsätzlich. Kärnten
und Oberösterreich sind als Vorreiter im ökologisch orientierten
Österreich entschlossen, Gentechnik-Kulturen auf ihrem Boden zu
verhindern. Oberösterreich hat sein Territorium generell für genfrei
erklärt, ist damit aber auf den Einspruch der EU-Kommission gestoßen und
klagt nun gegen deren Veto beim Europäischen Gerichtshof. Die Kärntner
aber haben zu einer List gegriffen, die beispielhaft für Landstriche
Europas sein kann, deren Territorium und Agrarstruktur ähnlich
kleingliedrig sind. Das Kärntner Gesetz verbietet zwar nicht
ausdrücklich den Anbau genmanipulierter Pflanzen, es regelt aber rigoros
den Schutz von Naturräumen und natürlichen Kulturen. Bei der Genehmigung
von Genfeldern müssen besonders schützenswerte Natur- und Kulturräume
mindestens drei Kilometer entfernt liegen. Dieser Radius ergibt sich aus
dem Bienenflug. Erst jenseits dieser Distanz sei gewährleistet, dass
durch die Bestäubungstätigkeit der Bienen andere schützenswerte
Pflanzungen nicht gentechnisch "verschmutzt" werden. Als besonders
empfindlich gelten nicht nur Naturschutzgebiete sondern auch
Biobauernhöfe. Da in Kärntens Kleinfelder-Landwirtschaft fast zwanzig
Prozent Biobetriebe sind, kann diese Dichte dazu führen, dass praktisch
keine Genpflanzungen genehmigt werden dürfen. Die vielen
Naturschutzgebiete und Nationalparks tun ein übriges. Die EU-Kommission
hat das Gesetz nur "vorläufig" genehmigt, mit der Auflage, es dürfe
nicht auf ein generelles Pflanzverbot hinauslaufen. Auch der Pollenflug,
der Erbgut-Verunreinigungen anderer Natur- und Kulturpflanzen bewirkt,
dürfe "als natürliches Phänomen" nicht als genereller Hinderungsgrund
gelten. So wird auch dieses Gesetz wohl vor Gericht landen, allerdings
unter der Maßgabe, dass die EU seine Berechtigung bereits anerkannt hat.
Österreichs Verbraucherverbände und Landwirtschaftsminister Josef Pröll
ließen wissen, mit dem Kärntner Gesetz lasse sich möglicherweise eine
Agrarmethode verhindern, deren katastrophale Auswirkungen noch gar nicht
abzuschätzen seien.

2. Deutschland 

Mehr Genfood aus Entwicklungsländern durch Gentechnikgesetz
(20.01.04)
     Die geplante Novelle des Gentechnikgesetzes droht nach Ansicht des
Evangelischen Entwicklungsdienstes (EED) in den Armutsländern zu einem
Dammbruch bei der Zulassung von genmanipulierten Pflanzen zu führen. Mit
der Aufhebung des Zulassungsmoratoriums von genetisch veränderten
Pflanzen in Deutschland breche auch in den Entwicklungsländern eine
wichtige Stütze bei der Zurückhaltung gegenüber der Agro-Gentechnik weg.
"Die meisten Entwicklungsländer waren weniger aus gesundheitlichen
Gründen oder Umweltschutz-Bedenken gegen die Agro-Gentechnik
eingestellt, als auf Grund ihrer Ängste, die Exportmärkte in Europa zu
verlieren.", so Rudolf Buntzel-Cano der EED-Beauftragte für
Welternährungsfragen.

Die ganze Nachricht im Internet:
http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php4?Nr=7611

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(PM Syngenta, 30.01.04, www.syngenta.de)
Syngenta beantragt Freisetzungsversuche für neu gezüchteten Weizen

Maintal 30.01.2004 - Das Agrounternehmen Syngenta hat zwei
Freisetzungsversuche für einen gentechnisch gezüchteten Weizen
beantragt. Die Versuche sollen im Raum Bernburg stattfinden. Der Weizen
besitzt einen für Pflanzen neuartigen Resistenzmechanismus, der aus
natürlich vorkommenden Pilzen in den Weizen übertragen wurde. Er
verleiht der Pflanze eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen
Fusarium-Pilze. Diese Pilze verursachen schlechte Getreidequalitäten und
führen zur Belastung des Getreides durch Pilzgifte, sogenannte
Mykotoxine. Mit ackerbaulichen oder Pflanzenschutzmaßnahmen allein
lassen sich diese Pilze heute nicht ausreichend kontrollieren. Deshalb
will Syngenta eine zusätzliche und vielversprechende Möglichkeit zur
Pilzbekämpfung und Qualitätsverbesserung im Weizen entwickeln.

Syngenta hat die Freisetzungsanträge bei der zuständigen
Zulassungsbehörde, dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin eingereicht.
Das RKI nimmt eine wissenschaftliche Bewertung vor und entscheidet nach
sorgfältiger Prüfung, ob die Versuche genehmigt werden. Im Rahmen des
Genehmigungsverfahrens informiert das RKI auch die Öffentlichkeit über
die Antragstellung und legt den Antrag zur Einsichtnahme vor Ort aus.
Außerdem überprüft die Behörde die Einhaltung spezieller
Sicherheitsstandards. Die Freisetzungsversuche sind auf die Feldsaison
2004 begrenzt. Sie sollen zeigen, ob sich die erhoffte
Qualitätsverbesserung auch unter deutschen Klimabedingungen erreichen
lässt. Die geernteten Weizenkörner dienen ausschließlich Versuchszwecken
und gelangen weder in die Nahrung noch in Futtermittel.

Positive Versuchserfahrungen liegen bereits aus den USA, Kanada und
Argentinien vor. "Mit den Freisatzungsanträgen wollen wir ein Bekenntnis
zum Forschungsstandort Deutschland abgeben und uns aktiv an der Biotech
Offensive der Regierung des Landes Sachsen-Anhalt beteiligen", erläutert
Theo Jachmann, Geschäftsführer der Syngenta Deutschland GmbH. "Wir sehen
uns hier auch im Einklang mit den Initiativen verschiedener politischer
Parteien weiterer Bundesländer, die in der Biotechnologie eine
Zukunftschance sehen", so Jachmann weiter. Vor dem Hintergrund der
kontroversen Technologiediskussion betont das Unternehmen seine
Dialogbereitschaft.

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Donnerstag 5. Februar 2004, 18:04 Uhr
Gentechnisch veränderte Papayas entdeckt

München (AP) Erstmals sind in Europa gentechnisch veränderte Papayas
entdeckt worden. Die aus Hawaii importierten Früchte seien auf dem
Münchner Grossmarkt gefunden worden und auch in den Handel gelangt,
erklärte das bayerische Landesamt für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit am Donnerstag in München. Eine Gesundheitsgefahr
gehe von den Papayas nicht aus. Die Umweltorganisation Greenpeace
kritisierte diese Einschätzung als unverantwortlich.

Bei Stichproben hätten Lebensmittelkontrolleure insgesamt acht
gentechnisch veränderte Früchte gefunden, sagte der Leiter des
molekularbiologischen Labors, Ulrich Busch. Die Früchte seien von
Grosshändlern in München sowie von einem Einzelhändler in Schweinfurt
angeboten worden. Dieser habe seine Ware ebenfalls auf dem Münchner
Grossmarkt gekauft.

Gentechnisch veränderte Papayas sind in den USA frei verkäuflich, in der
Europäischen Union aber verboten. Bayern werde seine Kontrollen nun
ausweiten, sagte Busch. Andere Bundesländern seien über den Fund
informiert worden.

Zu einer möglichen Gesundheitsgefahr für die Verbraucher verwies
Greenpeace auf Studien, wonach ein in der Gen-Papaya neu erzeugtes
Protein Allergien auslösen könne. Zudem enthielten die Früchte ein so
genanntes Antibiotika-Resistenzgen, das bei Menschen zur Immunität gegen
entsprechende Medikamente führen könne. Die Umweltorganisation riet
Verbrauchern, keine Papaya aus den USA mehr zu kaufen.
http://de.news.yahoo.com/040205/281/3vbjz.html

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Newsletter bioSicherheit Nr. 37 / 04. Februar 2004

Liebe Abonnentinnen, liebe Abonnenten,
die Diskussion um das neue deutsche Gentechnik-Gesetz dürfte so schnell
nicht von der Tagesordnung verschwinden. Es wird gestritten. als ginge
es um das endgültige „Ja“ oder „Nein“ zur Grünen Gentechnik. Dabei haben
die Europäischen Gentechnik-Bestimmungen wenig übrig gelassen für
nationale Gesetze. Doch darunter befinden sich zwei besonders brisante
Themen: Koexistenz und Haftung beim Anbau gentechnisch veränderter
Pflanzen. bioSicherheit hat den Entwurf des
Bundesverbraucherministeriums ausgewertet und mit aktuellen
Presseerklärungen und Positionspapieren mehrerer Verbände ergänzt.
Gentechnik-Gesetz: Wenig Spielraum für nationale Sonderwege
http://www.biosicherheit.de/aktuell/264.doku.html

Die EU-Kommission bleibt bei ihrer Linie. Nachdem die neuen
Gentechnik-Vorschriften in Kraft getreten sind, will die Kommission
dafür sorgen, dass sie tatsächlich praktiziert werden. Gegen die
zögernden Mitgliedstaaten drängt sie auf die Zulassung von Produkten aus
Bt11-Mais und damit auf das Ende des Moratoriums.
Bt11-Mais kommt, das Moratorium geht
http://www.biosicherheit.de/aktuell/263.doku.html

Die Befürchtung ist immer wieder zu hören: Wird Bt-Mais großflächig
angebaut, dann werden sich früher oder später Maiszünsler ausbreiten,
die gegen das Bt-Toxin resistent sind. bioSicherheit hat dazu ein
interessantes Gespräch mit Prof. Dr. Gustav-Adolf Langebruch geführt,
der sich seit langem mit der Resistenzbildung bei Maiszünslern und dem
Bt-Konzept beschäftigt.
"Wir haben bisher kein resistentes Tier gefunden."
http://www.biosicherheit.de/aktuell/251.doku.html

Dazu die Reportage mit vielen Fotos: Resistente Maiszünsler gesucht.
http://www.biosicherheit.de/mais/212.doku.html
Alle Reportagen „Forschung live“:
http://www.biosicherheit.de/forschunglive/
Bis zur nächsten Ausgabe. Es grüßt: das Team bioSicherheit


3. Welt 

Süddeutsche Zeitung, Mittwoch,4. Februar 2004
Gentechnik mit Flügeln
US-Initiative fordert strenge Regeln für Insekten mit verändertem Erbgut
Von Wiebke Rögener

Gentechnisch veränderte Mücken, Motten und Wanzen könnten schon bald aus
den Labors flattern und krabbeln. Doch die ökologischen Folgen künftiger
Freisetzungsversuche sind wenig erforscht, und in den USA gibt es nur
unzureichende gesetzliche Regelungen für solche Experimente. Das stellt
ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Pew Initiative fest, einer
unabhängigen Stiftung, welche die Öffentlichkeit über Vorteile und
Risiken der Gentechnologie informiert (1). Rosafarbene
Baumwollkapselbohrer könnten dem Bericht zufolge unter den ersten
"Designer-Insekten" sein, die gezielt in die freie Wildbahn entlassen
werden. Die genmanipulierten Falter enthalten ein Quallen-Gen, das sie
im Dunkeln leuchten lässt. Ziel ist es jedoch, Erbgut-Stücke einzubauen,
welche die Larven des gefürchteten Baumwollschädlings töten. Dieses Gen
sollen die veränderten Tiere in die frei lebende Falterpopulation
einschleusen. Weit fortgeschritten sind auch Forschungsarbeiten an
Raubwanzen, die die Chagas-Krankheit übertragen. Nicht die bissigen
Krabbeltiere selbst wurden hier verändert, sondern Mikroorganismen in
deren Darm, die für die Wanzen lebenswichtig sind. Ziel ist auch hier
der Tod der Wanzen. Mit ähnlichen Methoden wollen Wissenschaftler zudem
gegen Tse-Tse-Fliegen, die Überträger der Schlafkrankheit, kämpfen. In
den Gentech-Labors warten noch weit mehr Insekten auf ihren Auftritt:
Honigbienen, die unempfindlich gegen Insektizide sind oder Mücken, in
denen sich keine Malaria-Erreger mehr entwickeln können. Auch an
Seidenraupen wird geforscht, die Arzneimittel oder spezielle Fasern für
kugelsichere Westen herstellen. Weiterhin soll Gentechnik die
biologische Schädlingsbekämpfung effektiver machen. Dafür werden
Insekten, die Schädlinge vertilgen, mit Genen für ein langes Leben oder
einen Kälteschutz aufgepeppt. Noch etwas länger dürften Moskitos auf
sich warten lassen, die als "fliegende Spritzen" Impfstoffe
verabreichen. Den möglichen Nutzen genetisch veränderter Insekten für
Wirtschaft und Gesundheit schätzen die Autoren des Reports hoch ein. Sie
verweisen auf die Millionen von Malaria-Toten und die hohen
landwirtschaftlichen Verluste durch Schadinsekten. Dem gegenüber stünde
allerdings eine Reihe von Gefahren und Unwägbarkeiten. Denn wer zum
Beispiel Malaria-resistente Mücken erzeugt, setzt darauf, dass die
Insekten aus dem Gentech-Labor ihre wilden Verwandten so weit wie
möglich verdrängen. Anders als etwa genmanipulierte Haustiere, die kaum
in der Lage wären, sich ohne Stall und Futterkrippe durchs Leben zu
schlagen, müssen gentechnisch veränderte Insekten in Freiheit
überlebenstüchtig sein, sonst könnten sie ihre Aufgabe nicht erfüllen.
Von solchen Organismen seien daher besonders leicht Veränderungen der
Ökosysteme zu erwarten, warnte bereits 2002 ein Bericht des National
Research Council (NRC) der USA. Neben den Insekten schätzt das Gremium
auch genmanipulierte Wassertiere, etwa schnellwüchsige Fische, als
besondere ökologische Gefahr ein. Denn auch sie können leicht
entweichen, auf eigene Faust Lebensräume erobern und Konkurrenten
ausschalten. Designer-Insekten haben oft einen veränderten Lebenszyklus,
daher verhalten sie sich im Ökosystem anders als die Ursprungsformen.
Auch überleben manche in rauerem Klima als die unmanipulierten
Vorfahren. So bauten Forscher schon vor Jahren Gene aus
Kaltwasserfischen in Taufliegen ein, die daraufhin weniger
kälteempfindlich wurden. In der Natur würden sich durch solche Eingriffe
die Verbreitungsgebiete der Insekten ändern. Betroffen von solchen
Umbauten im Ökosystem wären beispielsweise Tiere, die sich von der
betreffenden Insektenart ernähren. Wie sich Gentech-Insekten genau
auswirken würden, sei kaum vorherzusagen, so die Verfasser des
Pew-Reports. Sie wollen nicht ausschließen, dass sich die
Gentech-Kerbtiere mit den Wildformen, von denen sie abstammen, kreuzen.
Auf diese Weise könnten etwa Honigbienen, die widerstandsfähig gegen
Pestizide gemacht wurden, diesen Vorteil an wilde Bienenarten
weitergeben - und so das bestehende Gleichgewicht zwischen verschiedenen
Bestäubern durcheinander bringen, warnt die Pew-Initiative. Auch der
Austausch von Genen zwischen nicht näher verwandten Insekten
("horizontaler Gentransfer") sei möglich. Beispielsweise könnten Viren,
die mehrere Insektenarten befallen, Erbgut-Stückchen von einer Art zur
anderen transportieren. Es sei noch viel zu früh, um Freilandexperimente
mit Mücken zu wagen, die Malaria-resistent sind, erklärten auch
Wissenschaftler des European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg,
als vor zwei Jahren das Genom der Malaria-Mücken entziffert wurde. Denn
man wisse längst nicht genug über den Austausch von Genen zwischen
verschiedenen Mückenunterarten (2). Selbst wenn es gelänge, Moskitos
erfolgreich gegen die Malaria einzusetzen, wäre ein gesundheitlicher
Vorteil noch nicht unbedingt gewährleistet, stellt der Pew-Report fest:
Um die eingesessenen Malaria-Mücken zu verdrängen, müssten
Gentech-Moskitos in großer Zahl in die Freiheit entlassen werden und
sich erfolgreich vermehren. Dann aber gäbe es in den betroffenen
Gebieten womöglich mehr Stechmücken als zuvor. Zwar würden diese keine
Malariaerreger verbreiten, doch stiege die Gefahr, dass andere
Krankheiten zunehmen, die ebenfalls durch Blut saugende Insekten
übertragen werden. Offenbar gibt es eine Reihe guter Gründe, warum die
Öffentlichkeit solchen Experimenten skeptisch gegenübersteht. Umfragen
in den USA ergaben, dass die Freisetzung von genmanipulierten Insekten
dort weit kritischer gesehen wird als der Anbau von Gentech-Pflanzen.
Die Autoren des Pew-Reports bemängeln nicht nur unzureichende
gesetzliche Vorschriften im eigenen Land; sie fordern auch international
verbindliche Regeln. In Europa wurden bisher keine Anträge auf
Freisetzungsversuche mit Gentech-Insekten gestellt, so Detlef Bartsch
vom Robert-Koch-Institut in Berlin. Weniger übersichtlich ist die Arbeit
in den Forschungslabors. Hier ist in Deutschland die Zentrale Kommission
für Biologische Sicherheit (ZKBS) zuständig - allerdings nur für
Versuche oberhalb der niedrigsten Sicherheitsstufe (S1). "Eine
gentechnisch veränderte Fliege könnte gut unter S1 fallen", erläutert
Inge Kruczek von der Geschäftsstelle der ZKBS in Berlin. "Dann müssten
nur die einzelnen Landesbehörden den Versuch genehmigen. Einen zentralen
Überblick über solche Experimente hat niemand."
(1) pewagbiotech.org
(2) Nature, Bd. 417, S. 387, 2002)

-------------- nächster Teil --------------
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