[Gen-Streitfall] Strategien der Biotech Lobby

Sabine altmann.tent at t-online.de
Mi Apr 21 07:10:21 CEST 2004


taz Nr. 7338 vom 20.4.2004, Seite 9, 121 Zeilen (TAZ-Bericht), REINHARD
WOLFF
Genbier: Die Neugier treibt's rein
Seit Februar gibt es in Schweden das erste Bier mit genmanipulierten
Zutaten. Für eine kleine Brauerei ist es ein Werbegag, für die
Biotech-Konzerne ein Testlauf auf dem schwedischen Markt. Monsanto
zahlte Entwicklung. Verbraucher drohen mit Boykott

Das Aufsehen war groß. Und das war auch die Absicht. Im Februar brachte
die kleine Österlen-Brauerei im südschwedischen Ystad das erst Genbier
auf den Markt. In Schweden, einem Land ohne die Segnungen des deutschen
Reinheitsgebots, wird Bier nicht nur aus Hopfen und Malz, sondern auch
schon mal mit Mais gebraut. Bei diesem mischt die kleine
Familienbrauerei "Österlenbryggarna" nun zehn Prozent GMO-Mais von
Monsanto ("MON 810") bei, dem das Gen der Bakterie "Bacillus
thuringensis" eingebaut worden ist. 

Die Initiative kam von Monsanto. Der Konzern war auf der Suche nach
einem Absatzmarkt für sein genmodifiziertes Produkt. "Kenth" heißt das
Versuchskaninchen. Kenth Persson leiht dem Bier seinen Vornamen. "Es
schmeckt frisch und fruchtig", wirbt der Brauer, man habe es einige
Gastwirte testen lassen, und die hätten "positiv reagiert". Will eine
Minibrauerei wie die seine zwischen all den großen Braukonzernen
überleben, muss sie eine Marktlücke für spezielle Produkte finden. Für
"Kenth" heißt diese ganz offensichtlich "Neugier". "Du hältst gerade ein
einzigartiges Produkt in der Hand. Schwedens erstes Lebensmittel mit
GMO-Kennzeichnung", verkündet das Etikett der grünen 0,3-Liter-Flasche
stolz. Das Bier sei gut für Umwelt und Landwirtschaft. Von einem "Bauern
im deutschen Oderbruch" komme der genmodifizierte Mais. Er sei weniger
mit Chemikalien besprüht als gewöhnliche Sorten und damit
umweltfreundlicher.

50.000 Liter möchte Persson von seinem "Kenth" jährlich absetzen, und
bislang ist er ganz zufrieden. Schon im ersten Monat seien 1.500 Liter
nach Deutschland gegangen, und auch aus Frankreich und Spanien sei
Interesse bekundet worden. Im Inland gingen die Geschäfte nicht ganz wie
geplant. Eine Woche nach dem Start tauchten bei einem örtlichen Händler
Greenpeace-AktivistInnen im verschlafenen Ostseestädtchen auf. Sie
machten dem Ladenbesitzer klar, dass seine Lebensmittelkette ebenso wie
die anderen schwedischen Großhändler schon vor Monaten beschlossen
hatten, keinerlei GMO-Lebensmittel ins Sortiment zu nehmen. "Kenth"
verschwand aus dem "Kvantum"-Laden, und auch das Restaurant verzichtete
schnell wieder auf das Bier, nachdem einige Stammgäste mit Boykott
gedroht hatten. Seit 1. April kann man "Kenth" allerdings landesweit
über die staatlichen Alkoholläden "Systembolaget" bestellen.

Von Monsanto & Co. wurden die Entwicklungskosten finanziert. Über deren
Höhe will man nichts verraten. Die Wahl fiel auf Schweden, weil hier die
GMO-Debatte noch in den Kinderschuhen steckt. Es gibt wesentlich weniger
Kritik an genmodifizierten Produkten als beispielsweise in Dänemark und
Deutschland. Laut einer Umfrage können sich immerhin die Hälfte der
SchwedInnen vorstellen, GMO-Lebensmittel zu kaufen. Die Genlobby
versucht deshalb, den "Kenth"-Versuchsballon auch auf alle erdenkliche
Weise abheben zu lassen. Ein "Biotechnik-Zentrum", hinter dem sich
Firmen wie Syngenta, BASF Plant Sciences, DuPont, Dow und Bayer Crop
Science verstecken, macht kostenlose Werbung für "Kenth": "Ein gutes
Bier, ein Bier, das signalisiert: neue Zeiten, neue Technik, neues
Denken." 

"Man will den Widerstand gegen GMO-Lebensmittel brechen und setzt
hierbei bei den Konsumenten an, die am leichtesten manipulierbar sind",
schimpft Bengt Ingerstam, Vorsitzender der Verbraucherorganisation
"Konsumenter i Samverkan". Und Greenpeace spricht von "Kenth" als einem
Puzzleteil in der langfristigen Strategie der Biotechnik-Konzerne.
http://www.taz.de/pt/2004/04/20/a0164.nf/text




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