[Gen-Streitfall] [FAZ] Neue Bundesländer setzen verstärkt auf Grüne Gentechnik

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Do Okt 16 21:25:49 CEST 2003


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Sent: Monday, October 13, 2003 5:40 PM

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Dienstag, 07. Oktober 2003, Nr. 232
Beilage Biotechnologie, Seite B4

Von Thomas Deichmann
Im Osten was Neues
Die neuen Bundesländer setzen verstärkt auf Grüne Gentechnik

Nach der Delphie-Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
(BMBF) wird bis zum Jahr 2020 die Hälfte aller bedeutenden Innovationen
auf biotechnologischen Verfahren beruhen. Dieses Potential der
Gentechnik zeigt sich schon heute. Transgene Nutzpflanzen erobern seit
1996 stetig wachsende Weltmarktanteile. Durch ein 1998 verhängtes
EU-Moratorium ist ihre großflächige Kultivierung in Europa zwar zunächst
verhindert worden. Der Zulassungsstopp wurde aber kürzlich für beendet
erklärt. Als Folge ist damit zu rechnen, daß transgene Pflanzen nun auch
bei uns langsam Fuß fassen werden.

Gut positioniert haben sich hierfür die neuen Bundesländer. Sie setzen
gezielt auf das Marktpotential der Grünen Gentechnik - ein Potential,
das im EU-Raum bisher nur in Spanien realisiert wird. Dort wird auf rund
25 000 Hektar kommerzieller Anbau von transgenen Bt-Maissorten
betrieben. Diese Sorten verfügen über gentechnisch erzeugte
Widerstandskräfte gegen Maiszünslerlarven (Foto), die auch in
Deutschland immer wieder zu erheblichen Ernteverlusten führen. Durch
Ertragssteigerungen von durchschnittlich sechs Prozent und die
zusätzliche Einsparung von Insektiziden konnten spanische Landwirte
signifikante Gewinnsteigerungen erzielen. Dieses Potential könnte auch
hierzulande realisiert werden.

Versuchsanbauten mit Mais im Oderbruch in Brandenburg haben dies
gezeigt. Ostdeutsche Länderchefs sehen die Gentechnik im Agrar- und
Lebensmittelbereich offenbar weniger als Gefahr denn als Chance. Erst
jüngst hat die schwarz-gelbe Landesregierung von Sachsen-Anhalt eine
Biotechnologie-Umsetzungsstrategie beschlossen. Wirtschaftsminister
Horst Rehberger hat für die nächsten fünf Jahre 150 Millionen Euro für
die Entwicklung der Grünen Gentechnik und der Pharmaproduktion in
Aussicht gestellt. Das ehrgeizigste Projekt ist der Bau des Bioparks
Gatersleben. Mit dem Bau des 35 Millionen Euro teuren Gewerbeparks auf
ein zwölf Hektar großen Areal soll im nächsten Frühjahr begonnen werden.

Wegweisend für die Marschroute der neuen Länder ist auch das
InnoRegio-Projekt in der Region Nordharz/Börde, "InnoPlanta". Der Verein
vernetzt die existierenden Kompetenzen der Region, darunter das Institut
für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), und koordiniert
momentan 32 Einzelprojekte mit insgesamt 83 Partnern. Dazu zählen
Forschungen an verbesserten Spargelsorten und die Züchtung von
Kulturpflanzen mit neuen Inhaltsstoffen.

Gemeinsam gegen Blockierer

Begleitend zu solchen Initiativen haben sich ostdeutsche Länderchefs
darauf verständigt, auf die Gesetzgeber in Berlin und Brüssel Einfluß zu
nehmen. Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt arbeiten daran, eine
"Agenda Mitteldeutschland" aufzustellen. Gemeinsam wollen sie die
deutsche Blockade der Grünen Gentechnik beenden. So hat der Bundesrat
auf Initiative der Landwirtschaftsministerin von Sachsen-Anhalt, Petra
von Wernicke, einen Entschließungsantrag verabschiedet, in dem die
Bundesregierung aufgefordert worden ist, die novellierte
EU-Freisetzungsrichtlinie (2001/18/EG) unverzüglich und ohne
erschwerende Hürden für hiesige Produzenten und Anwender in nationales
Recht umzusetzen.

Angedacht worden ist zudem, die mitteldeutsche Wirtschaftsregion
gemeinsam noch besser aufzustellen. Niedersachsen und Brandenburg sollen
zukünftig in die Biotech-Offensive mit einbezogen werden. In Thüringen
sollte dieses Jahr bereits mit der erstmaligen Erprobung einer
gentechnisch gegen Pilzbefall veränderten Weizensorte begonnen werden.
Der Testanbau wurde von Biotechgegnern verhindert. Auch andere Länder
bemühen sich jetzt um Anbauprogramme für gentechnisch veränderte
Pflanzen.

Daß das Parteibuch bei diesen Biotech-Initiativen keine Rolle spielt,
zeigt sich in Mecklenburg-Vorpommern, wo der sozial-demokratische
Landwirtschaftsminister Till Backhaus die Grüne Gentechnik ebenfalls
tatkräftig fördert. Auf einer Tagung des Vereins zur Förderung
Innovativer und Nachhaltiger Agrobiotechnologien (FINAB) bezeichnete er
die Verweigerungshaltung der Bundesregierung hinsichtlich der
Pflanzenbiowissenschaften als "falschen Weg". FINAB wurde im April 1999
gegründet um die agrarwissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kräfte im
Nordosten Deutschlands zu vernetzen und die Tier-und Pflanzenzucht im
Sinne einer naturschonenden Landwirtschaft zu entwickeln. Dabei kommen
mit Unterstützung des Landes alle verfügbaren Technologien
einschließlich der Grünen Gentechnik zur Nutzung. Im März 2002 erfolgte
bereits der erste Spatenstich für ein Kompetenz- und Gründerzentrum für
biogene Ressourcen in Groß Lüsewitz. Das Zentrum soll 30 Hektar
landwirtschaftlicher Nutzfläche umfassen, dazu werden Gewächshäuser
sowie Labors und Bürogebäude errichtet.

Thomas Deichmann, freier Journalist, Frankfurt am Main, Herausgeber des
Politik- und Wissenschaftsmagazins Novo und Koautor von "Das populäre
Lexikon der Gentechnik" und "Leben, Natur, Wissenschaft. Alles, was man
wissen muß"





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