[Gen-Info] Umpfluegen statt Gen-Mais ernten?

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Mo Mai 21 00:33:27 CEST 2007


Umpflügen statt Gen-Mais ernten?

Brigitte Zarzer 21.05.2007
Das Bundesamt für Verbraucherschutz verbietet den Verkauf von MON 810-Saatgut 
kurz nach der Aussaat
Ein Bescheid des Bundesamtes für Verbraucherschutz ([extern] BVL) sorgt derzeit 
für Verwirrung unter Landwirten. Die amtliche Anweisung verbietet nämlich die 
Abgabe des genveränderten Mais-Saatguts der Linie MON 810 von [extern] Monsanto, 
solange der Konzern keinen umfassenderen Plan zur Beobachtung der 
Umweltauswirkungen vorlegt. Begründet wird das Verkaufsverbot mit neuen 
Informationen über mögliche Risiken, etwa für Nichtzielorganismen. Doch dieses 
Jahr wurde bereits ausgesät. Nach Auffassung des Berliner Rechtsanwalts Achim 
Willand müssten jetzt die Landesbehörden Konsequenzen ziehen. Sie könnten 
Landwirte beispielsweise anweisen, ihre Felder umzupflügen.

Etwa 0,2 Prozent der gesamten Mais-Anbaufläche in Deutschland wurden dieses Jahr 
mit gentechnisch verändertem Mais bestellt. Die überwiegend verwendete 
Monsanto-Linie MON 810 ist insektenresistent und soll vor dem Maiszünsler 
schützen. Die Aussaat ist unter anderem in Frankreich und Deutschland genehmigt. 
In Österreich, Ungarn, Polen und Griechenland wurde MON 810 schon verboten. Ob 
die fünf durch das deutsche Bundessortenamt zugelassenen MON 810-Sorten auch 
über eine gentechnikrechtliche Zulassung verfügen, ist seit längerem strittig. 
Nach Auffassung des Berliner Anwaltsbüros Gaßner, Groth, Siederer & Coll 
([extern] GGSC) "ergibt sich aus der maßgeblichen französischen Zulassung", dass 
"lediglich die in Frankreich verwendeten Saatgutsorten, nicht aber die 
hierzulande angebauten Sorten der Linie MON 810 zugelassen wurden". Darüber 
hinaus hat MON 810 nach Europäischem Recht eigentlich nur eine Genehmigung für 
eine bestimmte Übergangszeit. Nach den neuen, strengeren Vorschriften zur 
Lebensmittelsicherheit wurde er nämlich bis dato noch nicht abschließend 
geprüft.

Wie auch immer, in Deutschland ist MON 810 derzeit die einzige in größerem 
Maßstab kommerziell angebaute GV-Pflanze. Der Bescheid (Anm. er liegt der 
Redaktion vor) aus dem Bundesminister Horst Seehofer unterstelltem Amt sorgte 
deshalb für einige Aufregung. Das Schreiben selbst hat es nämlich durchaus in 
sich. Denn es rückt den GV-Mais, den die Abnehmer in der Landwirtschaft bisher 
als ausreichend geprüft einschätzten, in die Nähe einer Risikokultur. So heißt 
es darin etwa im Hinblick auf mögliche Gefahren für Nichtzielorganismen, wie 
Schmetterlinge oder andere Insekten:

Erst mit jüngeren Untersuchungen wurde deutlich, dass und in welchem Ausmaß das 
Bt-Toxin über die Pflanze in höhere Nahrungskettenglieder gelangt. (...) Diese 
neuen und zusätzlichen Informationen (...) geben berechtigten Grund zu der 
Annahme, dass der Anbau von MON 810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt.

Das Unternehmen wird deshalb aufgefordert, einen Plan für eine "eingehendere 
Überwachung als es bisher der Fall ist", vorzulegen. Darunter fallen u.a. die 
Erhebung von Daten zur "Exposition des Bt-Toxins in der Umwelt (z.B. über 
Pollen, Silage, Pflanzenreste im Boden)" oder auch die Prüfung der "Entwicklung 
von Sekundärschädlingen". Die Risikomomente wurden als so schwerwiegend 
eingeordnet, dass die unmittelbare Vollziehung des Bescheids angeordnet wurde.

Wegen der unmittelbar bevorstehenden Aussaat war eine sofortige Entscheidung im 
öffentlichen Interesse aus Zeitgründen erforderlich, vgl. § 28. Abs. 2 Nr. 1 des 
Verwaltungsverfahrensgesetzes.

Der mit 27. April 2007 datierte Bescheid kam dennoch zu spät. Denn es wurde 
bereits gesät. Der Zeitpunkt der Aussendung sorgt für einige Spekulationen in 
Fachkreisen. War es ein Versehen oder wurde die Aussendung bewusst 
hinausgezögert? Christoph Then von Greenpeace meint dazu gegenüber Telepolis:

Der Zeitpunkt ist unbegreiflich. Die Landwirte werden allein gelassen mit der 
Feststellung, dass sie ein Produkt anbauen, das Risiken für die Umwelt bergen 
könnte. Aber weder der Staat noch die Firma übernehmen die Verantwortung und 
entsorgen das Saatgut. Seehofer hätte den Erlass im Februar oder März rausgeben 
müssen. So kann man nur sagen: Diese politischen Handlungen entbehren der 
notwendigen Glaubwürdigkeit und Sinnhaftigkeit.

Eine Sprecherin des [extern] Landwirtschaftsministeriums verweist allerdings 
gegenüber Telepolis darauf, dass "aufgrund der Witterungslage heuer bereits sehr 
früh ausgesät wurde". Allerdings stammen die in dem Bescheid angeführten neuen 
wissenschaftlichen Erkenntnisse zu möglichen Risiken bereits aus den Jahren 2005 
und 2006. Warum nicht bereits im Januar oder Februar, also rechtzeitig vor der 
diesjährigen Aussaat, reagiert wurde, ist deshalb nicht ganz nachvollziehbar.

Müssen Landesbehörden vorsorglich handeln?

Die entscheidende Frage lautet nun, was passiert mit der diesjährigen Saat? 
Monsanto könnte gegen den Bescheid Einspruch erheben und einen Eilantrag auf 
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stellen. Nach Einschätzung des 
Rechtsanwalts Dr. Achim Willand von der Kanzlei GGSC, die erst kürzlich für 
Imker Schutzmaßnahmen vor GV-Mais am Verwaltungsgericht Augsburg durchsetzen 
konnte, haben aber vor allem die zuständigen Landesbehörden jetzt dringenden 
Handlungsbedarf. "Der Bescheid zeigt ja eine klare Verdachtslage auf. Und da 
muss die Frage nach der Vorsorgepflicht gestellt werden", so Willand im 
Telepolis-Gespräch. Die Landesbehörden könnten etwa ein Umpflügen der bereits 
bestellten Felder anordnen.

Anders sieht man das im Seehofer-Ministerium. Pressesprecherin, Dr. Ursula 
Huber, stellt gegenüber Telepolis klar:

Unser Ministerium hat einen Erlass an das BVL geschickt, das BVL hat einen 
Bescheid an Monsanto geschickt. Unser Erlass erfolgte aufgrund neuerer 
wissenschaftlicher Erkenntnisse, die ein besseres Monitoring angeraten 
erschienen ließen. - Der Bescheid der BVL an die Firma Monsanto betrifft 
Saatgut, das ab dem Zeitpunkt des Zugangs des Bescheides an Monsanto verkauft 
wurde/wird. Das bedeutet: Saatgut, das bereits bei den Landwirten ist oder 
bereits im Boden ist, ist nicht mehr betroffen.

Monsanto wiederum [extern] behauptet, dass bereits jetzt ein Monitoring-Programm 
betrieben werde, "das den zukünftig geforderten Auflagen voll und ganz 
entspricht." Dem [extern] widerspricht, und auch im Landwirtschaftsministerium 
kennt man bis dato nur die diesbezügliche Erklärung der 
Monsanto-Presseaussendung.

Ob die Landwirte mit MON 810 ein wirklich "sicheres Produkt" (Monsanto) erworben 
haben, könnte erst die Auswertung eines umfassenden Monitorings beweisen. Indes 
mehren sich aber die Hinweise, dass es Risiken gibt. Erst unlängst machte 
Greenpeace auf starke Schwankungen des Bt-Toxins bei MON 810 aufmerksam. Das 
hätten eigene Untersuchungen ergeben, aber auch eine Studie des 
Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum, Rheinpfalz. "Zwischen den Pflanzen 
konnten Schwankungen im Giftgehalt bis zum Hundertfachen gemessen werden. Es 
zeigt sich wieder einmal, wie unberechenbar diese Technologie in Wahrheit ist", 
erklärt Christoph Then von Greenpeace zu den eigenen Untersuchungen.

Die Ursachen für diese Effekte sind nicht geklärt. Möglicherweise reagieren die 
Pflanzen auf Umwelteinflüsse, eventuell ist das eingebaute Gen auch nicht 
stabil. Bezüglich des MON 810-Anbaus in Deutschland der Saison 2007 fordert 
Then: "Unterpflügen und Entschädigung an die Landwirte zahlen!"

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25323/1.html




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