[Gen-Info] Genkartoffel auf der Warteliste

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Fr Apr 20 14:00:39 CEST 2007


Hallo Leute!

Ich habe ja bereits einmal darauf hingewiesen, daß die Entscheidung pro
oder contra Anbau der Gen-Kartoffel entscheidend sein wird, ob das
Gen-Moratorium in Deutschland (und damit auch in Europa!) fortbesteht...

Die bemerkenswerten Sätze in diesem Artikel sind (da dies i.d.R. kaum
einmal in Mainstream-Medien so deutlich geschrieben werden darf):
>> In der EU wurde seit 1998 keine gentechnisch veränderte Pflanze mehr für den 
kommerziellen Anbau zugelassen. "Die Genehmigung wäre ein Meilenstein, auch für 
die europäische Genforschung", sagt BASF-Sprecherin Susanne Benner.<<

Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net


Genkartoffel auf der Warteliste
BASF will die Knolle kommerziell anbauen. Die Genehmigung lässt auf sich warten

Uta Deffke

Linda, Bintje, Sieglinde - Kartoffelsorten gibt es viele. Bald könnte sich 
Amflora dazugesellen. Mehlig oder festkochend ist bei dieser Sorte aber nicht 
die Frage. Sie soll weder als Sättigungsbeilage auf dem Teller landen noch in 
Chipstüten enden. Amflora ist eine Industriekartoffel, entwickelt vom 
Pflanzenbiotechnologie-Unternehmen BASF Plant Science in Ludwigshafen. Die in 
der Knolle enthaltene Stärke soll künftig Papier glätten, Textilien festigen und 
die Verarbeitung von Sprühbeton erleichtern. Möglich wird all dies durch 
Eingriffe in das Erbgut der Kartoffel: Amfloras Gene sind so verändert, dass 
ihre Stärke für die Industrie gut nutzbar ist.

Kartoffeln enthalten 20 Prozent Stärke, die sich aus zwei Molekülarten 
zusammensetzt: Amylopektin und Amylose. Amylopektin macht 80 Prozent der Stärke 
aus und wirkt gleichmäßigend verdickend; Amylose hat einen Anteil von 20 Prozent 
und bildet beim Gelieren Klümpchen. In der Papier- und Textilproduktion stört 
die Amylose. Ihre Wirkung lässt sich zwar auf chemischem Wege reduzieren, doch 
das kostet viel Energie und Wasser.

"Mit Amflora bieten wir eine ganz neue Lösung an, die die Umwelt schont und 
besonders wirtschaftlich ist", sagt Thorsten Storck, Projektmanager bei BASF 
Plant Science. Der Trick: Amflora-Kartoffeln können gar keine Amylose bilden. 
Bei ihnen ist das für diesen Stoffwechselweg zuständige Gen ausgeschaltet.

Zehn Jahre hat die Entwicklung der Kartoffel gedauert. Die BASF-Forscher haben 
in Labor- und Feldversuchen die molekulare Zusammensetzung ihrer Kartoffel 
untersucht, sie haben Knollen und Pflanzen mit der Muttersorte verglichen und 
die Wechselwirkung mit der Umwelt getestet. Nun ist ihre Entwicklung fertig - 
kommerziell angebaut wird Amflora aber noch nicht.

Genveränderte Pflanzen brauchen eine Zulassung von der EU. So etwas dauert lange 
und wird selten erteilt. In der EU wurde seit 1998 keine gentechnisch veränderte 
Pflanze mehr für den kommerziellen Anbau zugelassen. "Die Genehmigung wäre ein 
Meilenstein, auch für die europäische Genforschung", sagt BASF-Sprecherin 
Susanne Benner.

Anfangs sah es gut aus für Amflora. Im Februar 2006 kam die Europäische Behörde 
für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu dem Schluss, dass Amflora nicht mehr 
Risiken für Mensch, Tier und Umwelt birgt als konventionelle Kartoffeln. Der für 
die Zulassung zuständige Regelungsausschuss der EU stimmte dem Anbau in erster 
Instanz zu. Allerdings wurde die für eine sofortige Genehmigung erforderliche 
qualifizierte Mehrheit von mehr als 72,3 Prozent der Stimmen nicht erreicht. In 
zweiter Instanz muss nun der Ministerrat abstimmen.

Seine Entscheidung lässt auf sich warten - unter anderem deshalb, weil es 
Sicherheitsbedenken gibt. Sie beziehen sich auf ein Gen namens nptII, mit dem 
die Forscher die veränderten Zellen gekennzeichnet haben. Dieses Markierungsgen 
ist allerdings in der Lage, Bakterien resistent gegen Antibiotika zu machen. 
Kritiker befürchten, dass das Gen von den Kartoffeln in den Körper von Menschen 
oder Tieren gelangen und dort auf Krankheitserreger übergehen könnte. Die 
Mikroben wären dann gegen bestimmte Antibiotika immun. Darunter ist auch ein 
Mittel, das als wichtige Reserve für die Tuberkulosetherapie gilt.

Die EU-Kommission hatte daher eine weitere Stellungnahme der EFSA angefordert. 
Die Behörde sollte klären, welche Gesundheitsgefahren das nptII-Gen birgt. Jetzt 
hat sie das Gutachten vorgelegt. Die Experten kommen darin zu dem Schluss, dass 
das Markergen nptII die Gesundheit von Tieren und Menschen nicht gefährdet. Sie 
schätzen die Wahrscheinlichkeit eines Gentransfers auf Bakterien als extrem 
gering ein. Im Labor sei ein solcher Transfer unter bestimmten Bedingungen schon 
beobachtet worden, in der Natur dagegen noch nie, heißt es in der Expertise.

Sollte der Ministerrat nun keine Mehrheit für oder gegen den Antrag aufbringen, 
muss die EU-Kommission entscheiden. Aus Sicht von BASF wäre das nicht schlimm: 
Die Kommission hatte bereits zu Beginn des Zulassungsverfahrens eine Empfehlung 
zugunsten von Amflora ausgesprochen.

"Für die aktuelle Anbausaison, die Mitte Mai endet, wird es knapp", sagt 
BASF-Sprecherin Susanne Benner. Daher hat das Unternehmen parallel beantragt, im 
Rahmen von Feldversuchen Pflanzgut für das nächste Jahr produzieren zu dürfen. 
In Deutschland soll dies auf 160 Hektar in Brandenburg und 
Mecklenburg-Vorpommern erfolgen. "Mit der hierzulande für Feldversuche 
erforderlichen Genehmigung vom Bundesamt für Verbraucherschutz und 
Lebensmittelsicherheit in Berlin rechnen wir in Kürze", sagt Benner.

Um beim kommerziellen Anbau eine unkontrollierte Verbreitung der genveränderten 
Knollen und ihre Vermischung mit anderen Sorten zu verhindern, hat BASF ein 
dichtes Sicherheitsnetz gespannt. Den kommerziellen Anbau von Amflora sollen 
vertraglich gebundene Bauern übernehmen. Einige Landwirte in Sachsen-Anhalt und 
Brandenburg haben den separaten Anbau im vergangenen Jahr bereits erprobt - mit 
einer roten, konventionellen Testkartoffel. Der Test ergab: Die getrennte Ernte 
und Lagerung funktionierte. Die farblich auffälligen Knollen waren nicht unter 
konventionelle Ware geraten.

Gentechnikkritiker wie Ulrike Brendel von Greenpeace bezweifeln, dass sich 
genveränderte und herkömmliche Pflanzen stets exakt trennen lassen. "Man kann 
nie ausschließen, dass sich genveränderte und konventionelle Ware beim Transport 
oder bei der Verarbeitung vermischen."

Dass sich die genveränderten Kartoffeln in der Natur ausbreiten, hält aber 
selbst die Gentechnikkritikerin für unwahrscheinlich. Denn Kartoffeln vermehren 
sich über die Knollen und nicht über ihre Samen. Außerdem fliegen die Pollen nur 
etwa zwanzig Zentimeter weit - sie erreichen also kaum benachbarte Felder. 
Darüber hinaus können sich Kartoffeln nicht wie Raps oder Mais mit Wildpflanzen 
kreuzen. Denn das Kreuzen funktioniert nur mit verwandten Arten - und die fehlen 
der Kartoffel in Europa.

All diese günstigen Eigenschaften machen die Kartoffel in den Augen der 
Gentechnikgegner verdächtig. "Wir befürchten, dass mit einer technischen 
Kartoffel die Gentechnik in Deutschland salonfähig gemacht werden soll", sagt 
Ulrike Brendel.

Auch wenn BASF Amflora nur als Lieferant von Industriestärke nutzen will, hat 
der Konzern zusätzlich eine Zulassung der Kartoffelsorte als Lebensmittel und 
Tierfutter beantragt. "Das machen wir zur Sicherheit - und es ist von der EU 
auch so vorgesehen", sagt Susanne Benner. Amflora könnte als Tierfutter in Frage 
kommen, denn es ist üblich, die Reste aus der Stärkeproduktion an Tiere zu 
verfüttern.

Ob sich die Kartoffel und ihre Stärke auf dem Markt durchsetzen können, ist noch 
ungewiss. Die Stärkeindustrie gibt sich zurückhaltend. Südstärke, der 
drittgrößte Produzent Deutschlands, hat offenbar kein Interesse daran, Amflora 
einzusetzen. "Als maßgeblicher Lieferant für die Nahrungsmittelindustrie wird 
von uns erwartet, dass unsere Produkte gentechnikfrei sind", sagt 
Geschäftsführer Richard Lenk. Der technische Aufwand, der nötig ist, um eine 
Vermischung bei der Produktion auszuschließen, sei zu hoch.

Sein Kollege Hubert Eilting vom deutschen Marktführer Emsland Stärke will sich 
noch nicht festlegen: "Wenn unsere Kunden Vorteile in dieser Stärke sehen, haben 
wir technisch kein Problem damit, sie herzustellen." Er gibt jedoch zu bedenken, 
dass die Gentechnik bislang als Nachteil wahrgenommen wird. Eilting gibt sich 
pragmatisch: "Warum sollte man sich ein Problem aufhalsen, wenn es sich 
vermeiden lässt."

Berliner Zeitung
18.04.2007
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/wissenschaft/646065.html




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