[Gen-Info] Bienen-AIDS (3)

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Mo Mär 26 23:00:37 CEST 2007


Der Spiegel - 19.03.2007

GENTECHNIK

Aids im Bienenstock

Deutsche Imker klagen über ein geheimnisvolles Bienensterben - in den USA wächst 
sich ein ähnliches Phänomen schon zur Katastrophe aus.

Walter Haefeker ist ein Mann, der häufig düstere Szenarien zeichnet. Das liegt 
daran, dass der Bayer im Vorstand des Deutschen Berufs und Erwerbs Imkerbunds 
(DBIB) sitzt und Vizepräsident des Europäischen Berufsimkerverbandes ist. Und 
weil für Lobbyisten das Jammern zum Handwerk gehört, sieht er schon von Amts 
wegen "die Imkerei in ihrer Existenz bedroht".

Schuld sei die aus Asien eingeschleppte Varroamilbe, schuld sei die 
Landwirtschaft, die Wildblumen wegspritze und auf Monokulturen setze - und 
schuld sei womöglich eine umstrittene Entwicklung: der vermehrte Einsatz von 
Gentechnik auf den Feldern.

Schon 2005 schloss Haefeker seinen Artikel im "Kritischen Agrarbericht" mit 
einem Zitat, das Albert Einstein zugeschrieben wird: "Wenn die Biene von der 
Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine 
Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine 
Menschen mehr."

Die apokalyptische Gleichung gewinnt seit Monaten auf mysteriöse Weise an 
Aktualität. Denn in ganz Deutschland verschwinden derzeit Bienenvölker auf 
ungeklärte Art - was einstweilen nur die Imker schädigt. In den USA jedoch 
findet derzeit ein dramatisches Massensterben von Bienen statt, das schon bald 
wirtschaftlich bedrohliche Ausmaße annehmen könnte. Die Ursachen sind bislang 
völlig ungeklärt. Aber manche Experten mutmaßen, dass auch der massive Einsatz 
gentechnisch veränderter Pflanzen in den USA eine Rolle spielen könnte.

Fast zwölf Prozent Schwund bei den lokalen Bienenvölkern im vergangenen Jahr 
meldete etwa Felix Kriechbaum vom Oberbayerischen Imker-Bezirksverband vorige 
Woche. Wenn "Bienenvölker spurlos verschwinden", seien die Ursachen schwer zu 
untersuchen: "Die Biene stirbt meist nicht im Kasten." Viele Krankheiten seien 
dafür verantwortlich, dass Bienen die Orientierung verlieren und nicht mehr in 
den heimischen Stock zurückfinden.

DBIB-Präsident Manfred Hederer meldete fast zeitgleich für das Bundesgebiet 
einen Rückgang der Bienenvölker um satte 25 Prozent. In Einzelfällen seien sogar 
Ausfälle von bis zu 80 Prozent registriert worden. Hederer spekuliert, dass "ein 
besonderes Gift, irgendein Wirkstoff, den wir nicht kennen", die Bienen töte.

Mit solchen Warnungen und ihren Sorgen stoßen die Imker bei Politikern bislang 
meist auf wenig Interesse. Man hört sie an, wie im Vorfeld des Ende Februar vom 
Kabinett verabschiedeten Gentechnik-Eckpunkte-Papiers von 
Landwirtschaftsminister Horst Seehofer - und ignoriert weitgehend ihre Klagen.

Auch wenn Imker, wie jüngst geschehen, gemeinsam mit dem Demeter-Bund und 
anderen gegen den Anbau genmanipulierter Maispflanzen vor Gericht ziehen, können 
sie von einem Medienecho, wie es Greenpeace bei Protesten an Versuchsfeldern 
verbuchen kann, nur träumen.

Das aber könnte sich bald ändern. Denn in den USA ist seit November vergangenen 
Jahres ein dramatischer Bienenschwund zu beobachten, der alle bisher bekannten 
Massensterben in den Schatten stellt: Mehr als 70 Prozent ihrer Bestände an der 
Ostküste, klagen Imker, seien seit Ende vergangenen Jahres verlorengegangen. An 
der Westküste sind es bis zu 60 Prozent.

Die "New York Times" rechnete Ende Februar auf ihren Business-Seiten vor, 
welcher Schaden der amerikanischen Landwirtschaft droht, wenn Bienen fehlen: Auf 
mehr als 14 Milliarden Dollar schätzen Experten der Cornell University 
(Bundesstaat New York) den von Bienen erwirtschafteten Wert - durch die 
Bestäubung von Obstund Gemüsepflanzen, von Mandelbäumen oder von Viehfutter wie 
Klee.

Deshalb gilt "Colony Collapse Disorder" (CCD), wie Wissenschaftler das 
mysteriöse Phänomen nennen, mittlerweile als eine Art nationale Katastrophe. 
Verschiedene Universitäten und Behörden, die in einer "CCD Working Group" nach 
den Ursachen suchen, tappen bislang im Dunkeln, reden aber - wie Dennis 
vanEngelsdorp - bereits von einem möglichen "Aids der Bienenindustrie".

Sicher ist: Millionen Bienen sind einfach weg. In ihren Stöcken findet sich 
meist nur noch die dem Tod geweihte zurückgelassene Brut. Tote Bienen sind 
nirgendwo zu finden. Nicht in den Stöcken und auch nicht davor. "Äußerst 
alarmierend ist", so Diana Cox-Foster, Mitglied der CCD Working Group, dass das 
Sterben mit Symptomen einhergehe, "die so bisher noch nie beschrieben wurden".

So lassen sich bei den wenigen überlebenden Bienen, die nach dem Verschwinden 
ihrer Artgenossen noch in den Stöcken gefunden wurden, oft nahezu alle bekannten 
Bienenviren auf einmal nachweisen. Manche litten an fünf bis sechs Infektionen 
gleichzeitig und waren überdies von Pilzen befallen - für die Experten ein 
Hinweis, dass das Immunsystem der Insekten zusammengebrochen sein könnte.

Überrascht hat die Forscher auch, dass die verlassenen Stöcke von Bienen und 
anderen Insekten meist unbehelligt bleiben. Normalerweise werden die Honigund 
Pollenvorräte von Kolonien, die etwa in kalten Wintern eingegangen sind, von 
Nachbarvölkern oder Parasiten ausgeraubt. "Das legt den Schluss nahe", so 
Cox-Foster, "dass da etwas Giftiges in den Kolonien ist, dass die anderen 
fernhält."

Imker-Funktionär Haefeker spekuliert, dass - "neben einer Reihe anderer 
Faktoren" - auch die Tatsache eine Rolle spielen könnte, dass in Amerika 
mittlerweile 40 Prozent der Maisanbaufläche mit genmanipulierten 
insektenresistenten Pflanzen bestückt sind - in Deutschland sind es erst 0,06 
Prozent, viele davon in Mecklenburg- Vorpommern und Brandenburg. Aus diesem 
Grund hat Haefeker einem Forscher der CCD Working Group jetzt Informationen über 
einen Versuch mit Bienen zukommen lassen, der ihm schon lange als Indiz für 
einen möglichen Zusammenhang zwischen Gentechnik und Bienenkrankheiten gilt.

Dabei geht es um ein kleines Forschungsprojekt der Universität Jena in den 
Jahren 2001 bis 2004. Die Thüringer Wissenschaftler untersuchten, wie die Pollen 
genmanipulierter Pflanzen ("Bt-Mais") auf Bienen wirken. Dem Mais war ein Gen 
eines Bodenbakteriums eingesetzt worden, dank dessen die Pflanzen einen für 
Schadinsekten giftigen Wirkstoff produzieren können.

Eine "toxische Wirkung von Bt-Mais auf gesunde Honigbienenvölker", so das 
Ergebnis der Studie, konnte zwar "nicht nachgewiesen werden". Doch als die 
Versuchsbienen dann noch zufällig von einem Parasiten befallen wurden, zeigte 
sich Gespenstisches: Bei den mit einem hochkonzentrierten Bt-Gift-Müsli 
gefütterten Tieren kam es, so die Jenaer Studie, "signifikant stärker" zu einer 
"Abnahme der Zahl an Bienen".

Womöglich, so der Hallenser Professor Hans-Hinrich Kaatz, der die Versuche 
leitete, habe das Bakteriengift im Genmais "die Darmoberfläche der Bienen 
verändert und die Bienen dadurch so geschwächt, dass der Weg für die Parasiten 
frei war - vielleicht aber war es auch umgekehrt, wir wissen es nicht".

Die Konzentration des Giftes war im Versuch freilich zehnmal höher als in 
normalen Bt-Maispollen. Überdies sei das Müsli den Bienen über einen recht 
langen Zeitraum von sechs Wochen verabreicht worden.

Dennoch hätte Kaatz das Phänomen gern weiter erforscht, jedoch mangelte es an 
der Finanzierung. "Diejenigen, die das Geld haben, haben an solchen Forschungen 
kein Interesse", sagt der Professor, "und die, die daran Interesse haben, haben 
kein Geld."

Gunther Latsch




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