[Gen-Info] TeGenero
Klaus Schramm
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Di Mär 13 22:20:40 CET 2007
Hallo Leute!
Hier ein Artikel aus dem 'stern' zum TeGenero-Skandal (wir berichteten).
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
13.03.07
Der injizierte Alptraum
Das Northwick Park Hospital in Harrow, wo für sechs Männer der schlimmste
Alptraum ihres Lebens WIrklichkeit wurde
Es sollte schnelles Geld sein: 2000 Pfund für eine Spritze, drei Tage
Krankenhaus und ein paar Kontrolltermine. Was aber sechs Männer vor genau einem
Jahr in London bei einem Arzneitest der Pharmafirma TeGenero erlebten, hätte aus
einem Horrorfilm stammen können.
Das katastrophal misslungene Experiment der deutschen Pharmafirma TeGenero
machte vor einem Jahr Schlagzeilen rund um die Welt. An den Folgen leiden die
Opfer bis heute. Auf Schmerzensgeld oder eine angemessene Entschädigung warten
sie bislang vergebens.
David Oakley war an jenem 13. März 2006 der erste von sechs bis dahin völlig
gesunden Männern, die das neu entwickelte Mittel TGN1412 in den Körper gepumpt
bekamen. Morgens um acht war das, in einer Versuchsabteilung des Northwick Park
Hospitals. Das Präparat, das später einmal gegen Multiple Sklerose, Arthritis
oder Blutkrebs helfen sollte, floss sechs Minuten lang über eine Kanüle in
seinen rechten Arm. Der 34-Jährige ließ alles still über sich ergehen.
Kopf und Gliedmaßen schwollen auf furchtbare Dimensionen an
Eine halbe Stunde später bekam Oakley Kopfschmerzen, die sich bis zum Irrsinn
steigerten. Dann spielte sein Immunsystem verrückt: Das Herz raste, das Blut
klumpte, die Lungen und die Nieren schmerzten. Die Fachwelt nennt das, was sich
in seinem Körper abspielte, einen Zytokin-Sturm. Oakley spuckte einen Liter
Galle, bevor er auf die Intensivstation kam. Tagelang musste er um sein Leben
bangen.
Den anderen Versuchsteilnehmern ging es nicht besser. Einige begannen, enorm zu
frieren. "Es war, als ob man nackt in der Antarktis ausgesetzt wird", erinnert
sich der 32-jährige Rob. Bei dem Schauspieler schwollen Kopf und Gliedmaßen auf
furchtbare Dimensionen an. Er ging als "Elefantenmensch" in die
Medizingeschichte ein - der Grund, warum Rob seinen Nachnamen nicht in der
Zeitung lesen will. Die Schauspiel-Karriere wäre dann wohl vorbei.
Das ist aber noch eine der weniger dramatischen Folgen. Dem jüngsten
Versuchsteilnehmer Ryan Wilson (20) mussten Finger und Zehen amputiert werden.
Bei Oakley stellte man eine Frühform von Lymphdrüsenkrebs fest. Alle sechs
leiden unter Müdigkeit und Erinnerungslücken. Vor allem aber werden sie wohl ihr
Leben lang um ihre Gesundheit fürchten müssen. "Man wird paranoid", sagt Rob.
"Bei der kleinsten Veränderung denkt man: Oh Gott, wenn das Krebs ist!"
TeGenero verschwand in der Versenkung
Hinzu kommt, dass die Opfer bislang kaum eine Entschädigung erhalten haben.
10.000 Pfund (rund 15 000 Euro) bekam jeder von ihnen bezahlt. Die Würzburger
Firma TeGenero, die den Test mit drei Millionen Euro versichert hatte, ging
pleite und verschwand in der Versenkung. Mit dem US-Konzern Parexel
(Jahresgewinn: über 150 Millionen Euro), unter dessen Kontrolle der Versuch
stattfand, streiten sich die Opferanwälte bis heute herum.
Inzwischen haben sie eine beeindruckende Liste aufgestellt, was alles schief
gegangen sein soll: Keiner weiß, warum die sechs Freiwilligen praktisch
gleichzeitig getestet wurden. Demnach wurde den letzten Kandidaten TGN1412 auch
noch gespritzt, als die ersten schon starke Schmerzen hatten. Außerdem sollen
die Parexel-Ärzte ihre eigenen Unterlagen nicht richtig gekannt haben, weshalb
mit der Vergabe von Gegenmitteln zu lange gewartet worden sei.
Der Test hatte ursprünglich in Berlin stattfinden sollen
Der Konzern beruft sich hingegen auf ein Gutachten der britischen
Aufsichtsbehörde MHRA, wonach Parexel keine Schuld trägt. Aber die MHRA ist auch
die Behörde, die den Versuch erlaubte. Ursprünglich hätte der Test in Berlin
stattfinden sollen - aber dort dauerte es TeGenero nach Angaben der zuständigen
Behörden mit der Erlaubnis zu lange. Die Opferanwälte wollen nun, pünktlich zum
ersten Jahrestag des Skandals, Entschädigungsklagen auf den Weg bringen.
"Wenn dieser Test in Amerika stattgefunden hätte, ginge es um Hunderte von
Millionen", sagte der Anwalt Martyn Day der Tageszeitung "The Guardian". Jetzt
will er pro Versuchsopfer mindestens 1,5 Millionen Euro. "Diese Jungs haben eine
furchtbare Zukunft vor sich: Kann sein, dass sie relativ unbeschadet aus der
Sache herauskommen. Aber kann auch sein, dass es ihnen ganz schlecht ergeht. Und
dann wären 1,5 Millionen nie und nimmer genug."
http://stern.de/wissenschaft/medizin/:TeGenero-Skandal-Der-Alptraum/584620.html
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