[Gen-Info] Pro-Gentechnik-Initiative im EU-Parlament

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Sa Dez 9 19:10:09 CET 2006


Hallo Leute!

Hier ein - leider ein wenig verspätet - weitergeleiteter Artikel zur
Entwicklung im Europaparlament. Sehr lesenswert!

Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net


Klaus Faißner 24.11.2006

Der Agrarausschuss des Europaparlamentes wird am Montag, den 27.11. über die 
endgültige Fassung eines Initiativberichtes des Agrarausschusses des 
EU-Parlamentes entscheiden. In weiterer Folge soll Ende Jänner das EU-Parlament 
darüber abstimmen - das genaue Prozedere ist am Ende des Textes zu finden. Der 
vorliegende Entwurf kann nur eine Deutung zulassen: Der Gentechnik soll zum 
Durchbruch verholfen werden. 

Link zum Entwurf [PDF, 14 S., 230 kB]:
http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2004_2009/documents/pr/635/635387/635387d
e.pdf 

In diesem Initiativbericht ist u.a. die Rede davon, ...

>> dass die Ausweitung des Anbaus von Gentechnik-Pflanzen auch im Hinblick auf 
das Lissabon-Ziel der Schaffung von 20 Mio. neuen Arbeitsplätzen zu sehen sei. 

Eine Untersuchung des Lehrstuhls für Unternehmensführung in Oldenburg/ 
Deutschland zeigte dieses Jahr, dass in Deutschland derzeit weniger als 500 
Menschen in der privatwirtschaftlich finanzierten Agro-Gentechnik arbeiten und 
dass es auch bei einer Ausweitung des Anbaus zu keinen neuen Arbeitsplätzen 
kommen werde.

>> dass "die moderne Biotechnologie dazu beitragen kann, den Herausforderungen 
von Armut, Bevölkerungswachstum und sich wandelnden Umweltbedingungen in den 
Entwicklungsländern zu begegnen". 

Das Gegenteil ist der Fall: In Indien bringen sich jedes Jahr tausende Bauern 
wegen Missernten im Gentechnik-Baumwollanbau um (siehe Bericht in der 
Süddeutschen Zeitung http://www.gene.ch/genpost/work/msg00208.html ).

>> dass für das Gemeinschaftsrecht "unbedingt ein gemeinsamer Ansatz gefunden 
werden muss", um es in allen Mitgliedsstaaten einheitlicher zu gestalten, 
"insbesondere im Bereich der Koexistenz zwischen gentechnisch veränderten und 
konventionellen und ökologischen Kulturpflanzen". 

Damit wird der Startschuss zur flächendeckenden Kontamination gegeben. Die 
Wahlfreiheit, die hier gemeint ist, bezieht sich auf den Grenzwert bei der 
Kennzeichnung von 0,9 Prozent. Alles, was darunter liegt - auch Bio - gilt als 
gentechnikfrei nach der Sichtweise der EU-Kommission.

>> dass "das Genehmigungsverfahren zu langsam und bürokratisch ist, was dazu 
beiträgt, dass die Europäische Union hinter ihren weltweiten Konkurrenten 
zurückgeblieben ist".

Die "fortschrittlichen" nordamerikanischen Bauern werden dies als Hohn 
empfinden: Die Exportmärkte von Raps und Mais nach Europa brachen kurze Zeit 
nach der Einführung von Gentechnik-Pflanzen zusammen und gingen auf Null zurück.

>> "Das bestehende komplizierte Verfahren zur Genehmigung neuer 
Biotechnologieerzeugnisse" wird ausdrücklich "bedauert" und betont, "dass das 
Vorsorgeprinzip nicht als Vorwand für die Verzögerung des Verfahrens dienen 
darf". 

Was soviel heißt, dass die Interessen der Gentechnik-Industrie höher zu bewerten 
sind als das Vorsorgeprinzip zum Schutze der Bevölkerung!

>> In diesem Zusammenhang wird bezweifelt, dass Genehmigungsverfahren "stets auf 
rein objektiven wissenschaftlichen Kriterien und nicht politischen Standpunkten 
beruhen". 

1.: Die überwiegende Mehrheit der EU-Bürger lehnt Gentechnik-Nahrung ab. Über 
diesen Willen der Bevölkerung wird bewusst hinweggegangen und es wird gezeigt, 
dass die Grundsäule einer jeden demokratischen Verfassung ("Alles Recht geht vom 
Volke aus") nichts zählt. 

2.: Gerade wegen der wissenschaftlichen Kriterien ist die EU-Lebensmittelbehörde 
EFSA unter Dauerbeschuss gelangt: Alle Zulassungssanträge - die übrigens von den 
Gentechnik-Konzernen selbst eingereicht werden - wurden bisher durchgewinkt und 
die EFSA bricht selbst EU-Recht, indem sie keine Langzeitversuche über die 
gesundheitlichen Folgen von Gentechnik-Nahrung verlangt. Weltweit gibt es keinen 
einzigen solchen Langzeittest. Es erfolgt ein riesiger Feldversuch an Mensch und 
Tier mit zum Teil verheerenden Folgen wie dem Aufkommen von Superunkräutern oder 
dem Verlust einer ganzen Kuhherde eines hessischen Milchbauern nach der 
jahrelangen Verfütterung von Bt-176-Genmais, der ein Insektengift selbst 
produziert.

>> Schließlich wird die WTO-Rechtssprechung als die maßgebliche betrachtet und 
damit auch die Aufhebung des Importverbots Österreichs für mehrere GVO begründet 
(dies soll ja am 13. Dezember im Ministerrat passieren). Damit stellt die EU die 
demokratisch nicht legitimierte Welthandelsorganisation WTO über die UNO, wo im 
Biosicherheits-Protokoll das Vorsorgeprinzip sehr wohl verankert ist.

Das weitere Prozedere dieses Initiativberichtes ist folgendermaßen: Die 
endgültige Fassung wird - wie eingangs erwähnt - am kommenden Montag, den 
27.11.06 beschlossen (österreichisches Ausschussmitglied ist Agnes Schierhuber, 
ÖVP), am 18. Dezember ist die Abstimmung im Agrarausschuss und am 31. Jänner 
2007 ist die Abstimmung im EU-Parlament geplant. Ein Initiativbericht hat zwar 
keine gesetzgebende Funktion, kann aber sehr wohl die Richtung weisen. In diesem 
Fall vor allem deshalb, weil die EU-Kommission im März/April 2007 die neue 
Biotechnologie-Strategie bekanntgeben wird.

Beste Grüße,
Klaus Faißner
Freier Journalist, Wien




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