[Gen-Info] Söder: Moratorium bei der grünen Gentechnik

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Di Jun 20 13:32:59 CEST 2006


Hallo Leute!

Was ein CSU-Politiker sagt, muß nicht von vornherein falsch sein.
Der CSU-Generalsekretär Markus Söder plädiert überraschend für ein
Moratorium bei der grünen Gentechnik. Anzunehmen, er würde nun die 
Unterschriften-Aktion 'Gen-Moratorium' (www.gen-moratorium.de) 
unterstützen, wäre allerdings recht blauäugig. Der letzte Satz seiner
im Berliner 'Tagesspiegel' veröffentlichten und weiter unten einkopierten
"Position" offenbart diese als rein taktisch. Das von Söder gewünschte
Gen-Moratorium würde zudem "Freiland-Versuchsfelder" erlauben. Bei der
Walfang-Problematik erleben wir zur Zeit, was alles (von Japan und
Island) als zu "wissenschaftlichen Forschungszwecken" deklariert
werden kann.

Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net


16.06.2006

Der Tagesspiegel, Berlin

POSITIONEN

Nicht die Natur dem Kommerz opfern

Wir brauchen ein Moratorium bei der grünen Gentechnik 

Von Markus Söder

Bis zum Ende dieses Monats stellt die Bundesregierung
Eckpunkte für ein neues Gentechnikgesetz vor. Damit werden
die Weichen für den Umgang mit der grünen Gentechnik in
Deutschland für das nächste Jahrzehnt gestellt. Weltweit ist
der kommerzielle Anbau von gentechnisch veränderten
Pflanzen auf dem Vormarsch - in den USA etwa ist er bei
Soja, Mais oder Raps längst gängige Praxis. Bei uns
allerdings sind viele Menschen skeptisch. Verbraucher, Eltern
von kleinen Kindern, Vertreter von Kirchen, Landwirte oder
Imker fragen: Gibt es ein Risiko für die Gesundheit? Sind die
Folgen für Umwelt und Ökosysteme hinreichend erforscht?
Wie und wann gibt es einen konkreten Nutzen? Und wie weit
darf man in die Schöpfung eingreifen? 

Diese Bedenken müssen wir ernst nehmen. Natürlich ist die
Gentechnik insgesamt eine Technologie mit Zukunft - zum
Beispiel die so genannte rote Gentechnik, die in der Medizin
zur Entwicklung neuer Therapien und Medikamente zum
Einsatz kommt oder die graue Gentechnik, die neue
Chemikalien für die Industrie erzeugen kann. Auch die grüne
Gentechnik bietet viele Chancen: Pflanzen brauchen weniger
Wasser, sie können zur energetischen Nutzung erzeugt und
unempfindlicher gegen Schädlinge gemacht werden. 

Doch noch sind rund 80 Prozent der Menschen gegen
gentechnisch veränderte Lebensmittel. Ohne breite
Akzeptanz jedoch wird grüne Gentechnik nicht funktionieren:
Solange die Verbraucher nicht völlig sicher sein können, dass
genetisch veränderte Nahrungsmittel unbedenklich sind,
werden sie sich im Supermarkt gegen diese Produkte
entscheiden. Und kein Landwirt wird Pflanzen anbauen, die
niemand kaufen will. Das freilich wäre das Aus für die grüne
Gentechnik, noch bevor sie richtig gestartet ist. Darüber
hinaus sollten wir aber auch eines nicht vergessen: Mit
Designpflanzen aus dem Genlabor greifen wir in bisher nicht
gekannter Weise in die Natur ein. Für die CSU jedoch ist der
Mensch als Teil der Schöpfung dazu verpflichtet, diese zu
bewahren und zu erhalten. Ein bewusster und
verantwortungsvoller Umgang mit unserer Umwelt hat für uns
daher hohe Priorität.

Deshalb ist es folgerichtig, bei der grünen Gentechnik mit
Augenmaß zu handeln. Denkbar wäre, die Anbauflächen für
Genpflanzen - in Deutschland derzeit rund 350 Hektar - zu
konzentrieren und Freiland-Versuchsfelder auf den Umfang
zu begrenzen, der für die Forschung zwingend notwendig ist.
Damit setzen wir das Signal, dass für uns Sicherheit vor
bloßen Kommerz geht. Nur eine vollständig ausgereifte
Technologie darf letztlich auch zum Einsatz kommen.
Außerdem muss die Haftungsfrage fair geregelt werden. Wir
dürfen die Landwirte hier nicht alleine lassen. Daher brauchen
wir einen Haftungsfonds für den Fall, dass genveränderte
Pflanzen sich auf Nachbarfeldern aussäen und Schaden
anrichten. Einen solchen Fonds müssen Wirtschaft und
Versicherungen finanzieren, die mit der Gentechnik Gewinne
einfahren wollen. Steuermittel sind dafür tabu. 

Angesichts der vielen offenen Fragen bei der grünen
Gentechnik sollten wir weiter intensiv diskutieren - und
forschen. Wir brauchen eine umfassende und wissenschaftlich
fundierte Risikoanalyse. Wir brauchen eine breite
gesellschaftliche Debatte über die ethischen Grenzen
gentechnischer Eingriffe in die Natur. 

Und für die Menschen muss erkennbar sein, welchen
konkreten Mehrwert die grüne Gentechnik wann erbringen
kann. Deswegen ein eindeutiges Ja zur Forschung, aber kein
vorschneller Einstieg in die kommerzielle Nutzung. Als
Vorbild könnte hier die Schweiz dienen, die einen fünfjährigen
Aufschub für Gentechnik in der Landwirtschaft beschlossen
hat. Ein solches freiwilliges Moratorium für kommerzielle
Nutzung würde auch bei uns helfen, heute bestehende und
berechtigte Vorbehalte durch solide und beständige
Forschungsergebnisse abzubauen.

Der Autor ist Generalsekretär der CSU.




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