[Gen-Info] Pro und Kontra Feldbefreiungsaktionen
Klaus Schramm
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So Apr 23 22:05:35 CEST 2006
Hallo Leute!
Hier ein Bericht und zugleich eine fundierte Stellungnahme zum
Thema >Pro und Kontra Feldbefreiungsaktionen<. Zum Schluß kommt
noch eine beachtenswerte Sammlung guter Aktions-Ideen.
Ciao
Klaus Schramm
klaus.schramm at bund.net
Es geht nur mit den Bauern zusammen
Ein Resumée von Gentechnik-Aktionen
Am 28.1.2006 traf sich im alten Rathaus zu Potsdam-Babelsberg das
"Aktionsbündnis für eine gentechnikfreie Landwirtschaft in Brandenburg" zu
seiner Jahrestagung. Zum Einen waren die Erfahrungen und Ergebnisse der Aktionen
des Vorjahres, zum Anderen die aktuelle Situation und die Vorhaben des neuen
Jahres zu diskutieren. Erschienen waren etwa 50 Leute aus allen Teilen des
Landes und aus dem gesamten Spektrum des Widerstandes, von Bauern über
Naturschützer bis zu "normalen" Menschen, die einfach nur gesunde Lebensmittel
ohne genetische Tricksereien wünschen.
2005 waren in Brandenburg von etwa 500 gemeldeten Hektar nur etwa 150 wirklich
mit genverändertem Mais bestellt worden, und zwar ausschließlich im märkischem
Oderlande. Da es erstmals Freisetzungen nicht mehr für Forschungs-, sondern
Produktionszwecke ging, war es für den Widerstand wichtig, vor Ort präsent zu
sein. Über die dabei angewandten Methoden gab es allerdings auf dem Podium und
im Saal heftige Debatten. Vertreter der Initiative "Gendreck weg" hatten
angekündigt, ein Genfeld zu "befreien", was zu einer skurrilen Polizeiaktion zu
Lasten des Steuerzahlers führte, die aber letztlich erfolgreich war.
Wildschweine hatten am Ende mehr Genmais zerstört als die Demonstranten. Was
aber leider ebenfalls litt, war der Ruf der Widerstandsbewegung als Ganzes. Die
Presse berichtete meist gewohnt industriefreundlich, und Politiker führten irre
Diskurse etwa der Art, hier seien "Eigentumsrechte verletzt" worden (als ob
durch Genkontamination nicht auch Eigentum der Nicht-Genbauern bedroht wäre).
Dies haben die Verantwortlichen eigener Aussage auf diesem Treffen nach bewusst
in Kauf genommen, denn "das Thema musste in die Medien", und das geht
bekanntlich "nur durch Provokation". Außerdem sei mal wieder zu bereden, was
denn nun eigentlich Gewalt sei: Das Ausbringen von Genmais oder der "legitime
Widerstand" dagegen. Hier widersprach eine Vertreterin der AbL
("Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft", ein Konkurrenzunternehmen zum
Deutschen (Groß-)bauerntag, welcher vor allem Familienbetriebe vereint)
vehement: Durch diese Aktionen seien die Dorfgemeinschaften auf die Seite der
Genbauern getrieben worden. Zitat: "Kein Bauer hält den Mund, wenn auf dem Feld
eines anderen Bauern herumgetrampelt wird - egal was da wächst."
Besser wäre es gewesen, mit der Dorfbevölkerung zu reden, von Mensch zu Mensch.
So sei nur der Eindruck entstanden, da kämen "welche von draußen" und wollten
Stunk machen. Gegen die müsste man im Ort zusammen halten. Aktivisten von
Vor-Ort, etwa in betroffenen Gegenden wirkende Biobauern, stimmten dem zu,
wiesen aber auch darauf hin, dass so durchaus Diskussionen in die Orte getragen
worden wären, sich jedoch nur dort, wo Gegenargumente von Einheimischen oder
akzeptierten Zuwanderern unter die Leute gebracht wurden, anfängliche Ablehnung
der "Chaoten aus Berlin" mit der Zeit einem gewissen Nachdenken wich. Zudem
seien es nicht so sehr ideologische, sondern mehr wirtschaftliche Argumente, mit
denen sich die Pro-Gentec-Fraktion verteidige. Das geht bis zu Fällen, wo diese
am Rande der Insolvenz stehen und vom Hauptgläubiger eine Abhängigkeit bestehe.
Wenn dies etwa die "Märkische Handelsgesellschaft" (MÄRKA) sei, die den Genmais
als Saat vertreibt und als Ernte einsammelt - dann habe der Landwirt schlicht
keine Wahl mehr. Und viele Bauern fallen auch auf die massive Propaganda herein,
die in einschlägigen "Fachzeitschriften" betrieben werde. Dagegen könnten nur
"Vertraute aus der Nachbarschaft nachhaltig gegenhalten."
Der Dissens wurde nicht gelöst - "Gendreck weg" will wie gehabt weiter machen.
Einigkeit war am Tagungsende jedoch in dem Punkt erreicht, dass nicht so sehr
die Bauern, sondern vor allem der US-Konzern Monsanto und seine "Dependance"
Märka bei solchen Aktionen ins Visier zu nehmen sei.
Den nächsten Tagesordnungspunkt referiere ich hier aus Platzgründen nicht. Dass
die Bundesregierung ein neues Gentechnikgesetz erarbeiten will, steht
bekanntlich im Koalitionsvertrag, und wie weit sie am Erscheinungstag dieses
Libell damit gekommen ist, weiß ich ja auch erst, wenn es soweit ist.
Hauptprobleme werden die Haftungsfragen (also: Wer zahlt, wenn durch Genpflanzen
Schäden entstehen?) und die Information der Öffentlichkeit sein. Die dort
diskutierten Regeln erinnern schon sehr an das "Umweltinformationsrecht" von
Honecker, DBD-Reichelt und Co.
Hauptziel der Bewegung für 2006 soll sein, weniger Genmaisfläche als 2005
zuzulassen, also weniger als 150 Hektar. Dies ist mehr als anspruchsvoll. Zum
Zeitpunkt der Tagung waren im Standortregister 850 Hektar potenzielle
Genmaisacker eingetragen. 2005 waren es 500 Hektar gewesen, von denen
bekanntlich nur 150 dann auch beansprucht wurden. Immerhin konnten alle
Absichten in der Lausitz und in Oberhavel verhindert werden. Dieses Mal besteht
die Absicht, auch andere Landesteile zu kontaminieren.
Schwerpunkt der Anmeldungen ist nach wie vor das Barnim-Oder-Gebiet, aber auch
Oberhavel soll mit 250 Hektar "besonders gesegnet" werden.
In Auswertung der Erfahrungen des Vorjahres sollen vor allem
Informationsveranstaltungen unter "neutraler Flagge" organisiert werden. Die
Werbeveranstaltungen der Genwirtschaft zielen eh nur auf die Bauern, aber zu
Veranstaltungen der Widerständler kommen auch nicht genug Leute, weil sie sich
da "keine objektive Information" versprechen. Ungeheuren Zuspruch soll im Januar
in Bad Freienwalde eine Veranstaltung der nun in Landwirtschafts- (und Ost-)
Fragen nicht gerade besonders kompetenten Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP
gehabt haben.
Am Ende wurde rasch eine "Ideensammlung!" ausgerufen. Wer eine Idee hatte,
sollte sie darlegen, während auf dem Podium gleich in den PC hinein
protokolliert wurde. Wer erlebte, was da in kurzer Zeit an Vorschlägen zusammen
kam, wird kaum annehmen, dass der Widerstand bald erlahmen könnte. Nur ein paar
Beispiele:
Anlieger von Genmaisflächen sollen bewogen werden, "vernünftigen" Mais am
Gartenzaun hochzuziehen, um eventuelle Kontaminationen zu erkennen. Statt bald
wieder verschwindenden Schildern sollen Genmaisflächen dauerhaft markiert
werden. Auf Flyern sollen rechtliche Aspekte thematisiert werden - auch zur
Information etwa der Eigentümer von Flächen, auf denen die Pächter plötzlich
Genmais anbauen. Es wurden Ideen entwickelt, wie an Politiker und Behörden
heranzugehen ist. So muss geklärt werden, welche Vorstellungen zur "Koexistenz"
nicht nur zwischen Öko-, Normalo- und Genlandwirtschaft, sondern auch zu jener
von Genmais- und Vogel- oder gar Naturschutzgebieten bestehen. Im Bundestag soll
thematisiert werden, ob die Treuhand-Nachfolgerin BVVG nicht Bundeseigentum
verschwendet, wenn sie Genmaisanbau auf ihren Flächen zulässt und diese dann an
Wert verlieren, da ja nur noch wenige Interessenten übrig bleiben und der Preis
sinkt. Und nicht nur "Gendreck weg" wird sich um öffentlichkeitswirksame
Aktionen "mit Bildern fürs TV" bemühen.
Alles soll und kann natürlich noch nicht verraten werden. Die GRÜNE LIGA
Brandenburg e.V. will sich der Genthematik verstärkt widmen. //
Heinz-Herwig Mascher
Der Autor ist Vorstandsvorsitzender der GRÜNEN LIGA Brandenburg.
GRÜNE LIGA Landesverband Brandenburg e.V.
Lindenstraße 34, 14467 Potsdam
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ALLIGATOR 04/06 - 05/06
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