[Gen-Info] Widerstand in Mali

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Fr Apr 14 21:28:44 CEST 2006


Hallo Leute!

Hier ein interessanter Artikel aus der 'Le Monde diplomatique' über
der Widerstand gegen Gen-Landwirtschaft in Mali und einiges über
andere afrikanische Staaten wie Sambia, Benin, Burkina Faso und
Südafrika.

Ciao
   Klaus Schramm
   klaus.schramm at bund.net


Bauernjury in Sikasso 
In Mali wehren sich die Baumwollbauern gegen die Einführung transgener Sorten 
von Roger Gaillard*

Der große, schlanke Mann im türkisfarbenen Gewand sprang auf, ergriff das 
Mikrofon, deutete mit dem Zeigefinger in die Luft, in Richtung der Ventilatoren, 
die die Mittagshitze umwühlten, und wandte sich in der Regionalsprache Bambara 
an die Versammelten: "Warum sollen wir armen Bauern die Genpflanzen akzeptieren, 
wenn die reichen Bauern des Nordens sie ablehnen?" Zustimmendes Gemurmel aus dem 
Publikum. Das Saalmikro wanderte weiter zu einer jungen Landwirtin, die mit 
ihrem Baby gekommen war: "Wozu soll das gut sein, wenn wir durch die Genpflanzen 
eine größere Ernte haben, wo wir doch schon für unsere jetzige Ernte keinen 
anständigen Preis bekommen?"

Die Szene spielte in Sikasso, einem Ort im Süden Malis, das zu den ärmsten 
Ländern Afrikas gehört. In dieser Region werden zwei Drittel der wichtigsten 
Deviseneinnahmequelle Malis produziert: der Baumwolle. Fünf Tage lang, vom 25. 
bis 29. Januar 2006, gaben 43 Kleinbauern und -bäuerinnen eine beeindruckende 
Vorstellung in Sachen partizipativer Demokratie. Die aus der gesamten Region 
angereisten Baumwollbauern hatten vom Regionalparlament von Sikasso den Auftrag 
bekommen, eine Bauernjury zu bilden, um die Vor- und Nachteile einer eventuellen 
Einführung genetisch veränderter Organismen (GVO) für die Landwirtschaft zu 
bewerten. Die Jury, die in Anlehnung an andere, in Mali bereits wohl etablierte 
Diskussionsforen "Bürgerforum für demokratische Mitwirkung" (Ecid) getauft 
wurde, war für Afrika eine Premiere. Unterstützung erhielt sie von europäischen 
Partnern, die sich für partizipative Methoden bei der Bewertung neuer 
Technologien und entwicklungspolitischer Maßnahmen einsetzen.(1)

Das Forum in Sikasso entstand aufgrund des starken Drucks, dem sich die Länder 
Afrikas seitens der Agrarmultis ausgesetzt sehen, allen voran des US-Konzerns 
Monsanto und der Schweizer Syngenta Agro AG, die eine Industrialisierung des 
Agrarsektors und die Öffnung der Märkte für transgene Varietäten fordern.(2) 
Bt-Baumwollpflanzen sind genetisch verändert und produzieren zum Beispiel ein 
Gift gegen bestimmte Schädlinge. Dies ermöglicht zumindest theoretisch eine 
Verringerung des Pestizideinsatzes sowie höhere Ernteerträge.

Da Westafrika weltweit der drittgrößte Baumwollerzeuger ist, steht für die 
Agrarmultis einiges auf dem Spiel. Kein Wunder daher, dass die mit einem 
Jahresbudget von 100 Millionen Dollar ausgestattete US-Agentur für 
internationale Entwicklung (USAID) die Einführung von Biotechnologien in den 
südlichen Ländern tatkräftig unterstützt.

Die Antwort des Schwarzen Kontinents auf den Druck von außen fällt recht 
unterschiedlich aus. Sambia lehnte Hilfslieferungen des Welternährungsprogramms, 
die bekanntlich mit genetisch verändertem US-Mais durchsetzt sind, trotz 
drohender Hungersnot ab. Benin hingegen nahm die zweifelhafte Hilfe an, obwohl 
das Land 2002 ein fünfjähriges GVO-Moratorium beschlossen hatte. In Südafrika, 
dem Brückenkopf der Agrarindustrie in Afrika, werden transgener Mais und 
transgene Baumwolle seit knapp zehn Jahren angebaut - die Ergebnisse sind 
umstritten. In Burkina Faso wiederum, das an Mali angrenzt, werden seit 2003 
gegen vielfältigen Widerstand Freilandversuche mit transgener Baumwolle 
durchgeführt.

Höchst interessiert und aufmerksam befragte die Bürgerjury in Sikasso während 
ihres Treffens ein gutes Dutzend Experten aus Westafrika, Südafrika, Indien und 
Europa. Die Molekularbiologen, Agraringenieure, NGO-Vertreter und Delegierten 
der Bauernbewegungen beantworteten diverse Fragen zu Vor- und Nachteilen von 
gentechnisch veränderten Nutzpflanzen: zu den Risiken für Umwelt und Gesundheit, 
zum tatsächlichen Produktivitätszuwachs, zu sozioökonomischen Faktoren, zu 
ethischen und juristischen Fragen; auch die kulturellen Implikationen waren ein 
Thema.

GVO heißt auf Bambara "Baieereemaschi" (veränderte Nährmutter). Da die 
animistische Weltsicht im überwiegend muslimischen Mali noch sehr präsent ist, 
sorgte allein schon der schiere Vorgang, ein Gen von einem Organismus in einen 
anderen zu übertragen, bei nicht wenigen Zuhörern für Beunruhigung.

Debattiert wurde auch die überaus wichtige Problematik der geistigen 
Eigentumsrechte und der Patentierung. Jeanne Joudjuhekpon, Genetikerin bei der 
Organisation Grain, kam auf das Thema zu sprechen: "Die Bt-Saat ist 
patentrechtlich geschützt, was den Firmen absolute Macht über die Landwirte 
gibt. Die Kleinbauern haben nicht mehr das Recht, einen Teil der eigenen Ernte 
im nächsten Jahr auszusäen, wie sie es immer getan haben. Tun sie es dennoch, 
drohen ihnen juristische Sanktionen."

Das Argument traf ins Schwarze, zumal der westafrikanische Baumwollsektor in der 
Krise steckt, woran Mamadou Goïta, Leiter der "Koalition gegen GVOs und für den 
Schutz des genetischen Erbes in Mali" noch einmal erinnerte. Die 
Textilgesellschaft von Mali (CMDT), die zu 60 Prozent dem Staat, zu 40 Prozent 
dem französischen Unternehmen Dagris gehört, schreibt seit der Abwertung des 
CFA-Franc und dem Einbruch der Weltmarktpreise rote Zahlen, obwohl die jährliche 
Erzeugung zwischen 1994 und 2005 von 320 000 auf 600 000 Tonnen angewachsen ist.

Biobaumwolle für die europäischen Verbraucher

Bis 2008 muss die CMDT privatisiert werden, sonst blockiert die Weltbank jede 
weitere Hilfe. Wegen des Bilanzdefizits sank der Kilopreis, den die CMDT den 
Landwirten zahlt, von 210 CFA-Franc 2004 auf 160 CFA-Franc 2006 (dies entspricht 
0,25 Euro), während die Kosten für chemische Hilfsmittel weiter anstiegen. Unter 
solchen Bedingungen ist der Baumwollanbau nicht mehr rentabel. Viele Bauern, die 
über Jahre nur Baumwolle angebaut haben, denken darüber nach, auf Hirse und Mais 
umzustellen. Mamadou Goïta hat einen anderen Vorschlag: "Wir sollten umsatteln 
und biologische Baumwolle anbauen, um Zugang zu EU-Märkten zu erhalten, wo die 
öffentliche Meinung die Genmanipulation ablehnt. In jedem Fall sind die 
Kräfteverhältnisse sehr ungünstig, vor allem wegen der Dumpingpolitik der 
Vereinigten Staaten, die ihre 25 000 Baumwollfarmer alljährlich mit 4 Milliarden 
Dollar subventionieren, während in Mali über 3 Millionen Menschen vom 
Baumwollanbau leben."

Die multinationalen Konzerne folgten der Einladung der Bauernjury nicht. "Wir 
haben die Syngenta-Stiftung und Monsanto mehrfach angeschrieben", sagt Barabara 
Bordogna, Biologin beim Interdisziplinären Netz für Biosicherheit in Genf 
(RIBios) und Mitglied des Ecid-Lenkungsausschusses, "aber die Firmen schrecken 
vor einer Beteiligung an einem offenen und transparenten Diskussionsprozess, den 
sie nicht kontrollieren können, offenbar zurück." 

Monsanto empfahl immerhin einige Landwirte, die von positiven Erfahrungen mit 
GVOs berichten konnten. So reiste aus Südafrika der Zulu-Bauer T. J. Buthelezi 
an, der seit 1996 Bt-Baumwolle anbaut, und versicherte, das Ergebnis lasse 
nichts zu wünschen übrig. Er berichtete, dass bei einer Überschwemmung die mit 
transgener Baumwolle angesäten Anbauflächen intakt geblieben, während die 
herkömmlichen Pflanzen eingegangen seien. Seither baue er nur noch GVOs an, auch 
genveränderten Mais, den er selbst esse, ohne dass gesundheitliche Beschwerden 
aufgetreten seien. "Macht es wie ich, bereichert euch", rief er den Bauern Malis 
zu.

Zu einem ganz anderen Schluss gelangte P. V. Satheesh aus dem zentralindischen 
Bundesstaat Andhra Pradesh in ihrer Dreijahresstudie. Die Ernteerträge bei 
herkömmlichen Baumwollsorten seien durchweg höher gewesen als die Erträge auf 
den transgenen Versuchsfeldern, wobei die Bt-Varietät kaum weniger Pestizide 
benötigt habe als die herkömmlichen Sorten. Der hohe Bt-Saatgutpreis in 
Verbindung mit enttäuschenden Erträgen habe viele Kleinbauern ruiniert. Da 
Monsanto alle Entschädigungsforderungen kategorisch ablehnte, habe die Regierung 
von Andhra Pradesh dem Unternehmen jede weitere Aktivität in ihrem Hoheitsgebiet 
untersagt.

Außer diesen diametral entgegengesetzten Positionen waren auf dem Bürgerforum 
auch Zwischentöne zu hören. So auch die von Ouola Traoré, Agronom und Leiter des 
Baumwollprogramms am Nationalen Institut für Umweltfragen und agronomische 
Forschung (Inera) in Burkina Faso, wo Bt-Baumwolle seit 2003 getestet wird - mit 
der Perspektive, die transgene Varietät nach 2010 einzusetzen: "Nur durch 
gründliche Forschungen über die an unser Klima angepassten lokalen Varietäten 
lässt sich bestimmen, ob die GVOs für Westafrika eine Zukunftslösung 
darstellen", erklärte Traoré. Sein Plädoyer für unabhängige afrikanische 
Forschungen im Rahmen staatlicher Institutionen kam bei der misstrauischen 
Zuhörerschaft jedoch schlecht an. Auch ihr war bekannt, dass die 
wissenschaftlichen Institute des Kontinents von finanziellen Zuschüssen der 
internationalen Biotechlobby abhängen.

Die Jury bildete mehrere Arbeitsgruppen - in einer saßen ausschließlich Frauen. 
Nach eintägiger Beratung gaben sie ihre Empfehlung bekannt: Nein.(3) Einstimmig 
lehnten die in Sikasso versammelten Bauern die Einführung von GVOs in Mali ab 
und befürworteten stattdessen den Erhalt und den Ausbau der lokalen 
Saattechniken, um nicht in Abhängigkeit von den Multis zu geraten: "Wir wollen 
die Herren unserer Felder bleiben, wir wollen keine Sklaven werden", bekräftigte 
Brahim Sidebe, einer der Bauernsprecher.

Birama Kone legte den Akzent auf den Erhalt der konvivialen Lebensweise: "Unsere 
Bauern sind es gewohnt, sich gegenseitig zu helfen. Es besteht die Befürchtung, 
dass durch die GVOs der Sinn für Freundschaft und Solidarität zerstört wird. 
Wenn ich ein GVO-Feld habe, mein Nachbar aber nicht, wird es wegen der Gefahr 
der Kontaminierung früher oder später Konflikte zwischen uns geben."

Die Frauendelegierte Basri Lidigoita empfahl eine Neuausrichtung der Forschung, 
um die lokalen Saaten mit klassischen agronomischen Verfahrensweisen zu 
verbessern und die Kleinbauern besser auszubilden - insbesondere in den Methoden 
der biologischen Landwirtschaft.

Am 29. Januar übergab die Bürgerjury ihre Empfehlungen dem Regionalparlament von 
Sikasso. Die Lokalradios hatten täglich über die Debatten berichtet und 
veröffentlichten nun ebenso wie das malische Fernsehen die Schlussfolgerungen, 
zu denen die Jury gelangt war. Die Empfehlungen haben zwar keine zwingende 
Wirkung, doch da Mali das Cartagena-Protokoll über Biodiversität(4) 
unterzeichnet hat, steht einer Umsetzung der Empfehlungen eigentlich nichts im 
Wege.

Der Gesetzentwurf, der sich an das Protokoll anlehnt, sieht vor, dass die Bürger 
landesweit ein Mitspracherecht haben, bevor es zu einer Einführung von GVOs 
kommen kann. "Wir wollen keine GVOs", rief Lidigoita den Zuhörern zu, "und wir 
verlangen von der Regierung, dass sie die Einführung in unserem Land verhindert. 
Wenn es Bauern geben sollte, die rechtswidrig GVOs anbauen, werden wir ihre 
Felder abbrennen!"

Fußnoten: 
(1) Hier ist vor allem das Interdisziplinäre Biosicherheits-Netzwerk (RIBios) zu 
nennen, das an den Universitäten Genf und Lausanne sowie in Kürze auch in Bamako 
Fortbildung in Biosicherheit anbietet (www.ribios.ch). 
(2) Dazu Tom Amadou Seck, "Subventionen gegen Afrika", Le Monde diplomatique, 
Dezember 2005. 
(3) www.iied.org/NR/agbioliv/documents/RecommendationsEng.pdf. 
(4) Das "Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit", das dem 
"Übereinkommen über die biologische Vielfalt" angegliedert ist, zielt laut Art. 
1 darauf, zur "Sicherstellung eines angemessenen Schutzniveaus bei der sicheren 
Weitergabe, Handhabung und Verwendung der durch moderne Biotechnologie 
hervorgebrachten lebenden veränderten Organismen, die nachteilige Auswirkungen 
auf die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt haben 
können, beizutragen, wobei auch Risiken für die menschliche Gesundheit zu 
berücksichtigen sind und ein Schwerpunkt auf der grenzüberschreitenden 
Verbringung liegt". 

Aus dem Französischen von Bodo Schulze 

* Roger Gaillard ist Journalist bei der Agentur InfoSud und lebt in Genf.

Le Monde diplomatique vom 13.4.2006, S. 18-19




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