[Gen-Info] Demo in Stuttgart

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Mo Apr 19 16:06:59 CEST 2004


Hallo Leute!

Hier im folgenden drei Artikel aus meiner Feder. Daß die älteren beiden
noch nicht auf dieser Liste erschienen liegt nicht an meiner Bescheidenheit.
Grund war einfach mangelnde Zeit, so daß ich diese Liste vernachlässigte.
Sorry! 

Bei dieser Gelegenheit: Alle die sich auf dieser Liste eingeschrieben
haben, sind herzlich eingeladen, selbst Infos durchzugeben, Artikel
zu veröffentlichen oder Diskussionsbeiträge zu liefern. Es müssen 
nicht "nur" irgendwelche Artikel weitergeleitet werden (dürfen aber
auch). Dies ist keine "read-only"-Mailingliste!

Ciao
   Klaus
   klaus.schramm at bund.net


Gegen den Anbau von Gen-Pflanzen
10.000 protestierten am Sonntag in Stuttgart gegen "Grüne Gentechnik"

Über 10.000 Menschen nahmen am Sonntag in der Stuttgarter Innenstadt an einer 
Demonstration gegen Gentechnik teil. Unter dem Motto "Wir bleiben sauber: 
Gen-Food - nein danke!" hatte ein Bündnis von über 50 Verbänden und 
Organisationen aus der Landwirtschaft, dem Umwelt- und Verbraucherschutz 
bundesweit aufgerufen. Über 300 Traktoren legten zeitweilig den City-Ring der 
Landeshauptstadt lahm. Tausende gelber Luftballons stiegen in die laue 
Frühlingsluft auf, um mit angehängten Postkarten auf die unkontrollierbare 
Ausbreitung von Pollen genmanipulierter Pflanzen hinzuweisen.

Dem Aufruf zur bundesweiten Demonstration waren Menschen aus ganz Deutschland 
gefolgt, die sich durch ihre Berufskleidung und Transparente als ImkerInnen, 
BioladnerInnen, KöchInnen, LandwirtInnen und GärtnerInnen zu erkennen gaben. 
Besonders auffallend war der hohe Anteil an Familien mit kleinen Kindern unter 
den DemonstrantInnen in Stuttgart.

Auf der anschließenden Kundgebung auf dem Schloßplatz forderte als erster Redner 
Jürgen Binder vom Deutschen Erwerbs- und Berufsimkerbund einen Verzicht auf den 
Anbau genmanipulierter Pflanzen in Deutschland: "Die Gentechnik ist eine 
Risikotechnologie, die - einmal auf unseren Äckern ausgesät - nicht mehr 
kontrollierbar ist. Wird Gentechnik auf den Feldern angebaut, kann eine 
Auskreuzung auf natürlich gewachsene Pflanzen nicht mehr verhindert werden. Ein 
Nebeneinander in Koexistenz ist nicht möglich. Dies belegen die Erfahrungen der 
Landwirte in Kanada und Argentinien." Leider müsse er auch darauf hinweisen, so 
Binder, daß neben dem unkontrollierbaren Pollenflug vor allem Bienen zur 
ungewollten Verbreitung von Gentechnik beitragen würden, da sie beim Bestäuben 
ein Fluggebiet von 100 Quadratkilometern haben. "Da nützen auch keine Hecken 
oder größere Abstände - es sei denn, sie sind so groß wie ganze Landkreise. Das 
Ausbringen genmanipulierter Pflanzen ist kurzsichtig und unumkehrbar".

Darauf hin kam der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gründer des Wuppertaler 
Instituts für Klima, Umwelt, Energie Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker zu 
Wort, der als erstes darauf hinwies, daß Stuttgart Süd sein Wahlkreis sei. Ganz 
offensichtlich mußte er vom vorbereiteten Redetext abweichen und ohne Konzept 
improvisieren. Zunächst gab es einigen Applaus als er meinte, der Begriff 
'Koexistenz' sei "von der Friedensbewegung geklaut". Der gleichzeitige Anbau von 
genmanipulierten Pflanzen auf dem einen Acker und konventioneller oder 
Bio-Landwirtschaft auf dem anderen Acker sei auch nach seiner Ansicht in der 
Praxis nicht realisierbar. Er rief dazu auf, zu verhindern, daß Pflanzen durch 
eine Handvoll weltweit agierender Großkonzerne patentiert würden. Zuletzt sprach 
er sich jedoch dafür aus, Ministerin Künast "den Rücken zu stärken" und lobte 
das derzeit in Bundestag und Bundesrat behandelte Gentechnik-Gesetz, mit dem die 
- kurz zuvor von ihm selbst als "nicht realisierbar" bezeichnete - Koexistenz 
gewährleistet werden soll. Auch die am selben Tag in Kraft getretenen 
EU-Verordnungen zur Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung von Gen-Food, die dem 
Anbau genmanipulierter Pflanzen in Europa den Weg bereiten, bezeichnete 
Ernst-Ullrich von Weizsäcker als "Grund zum Jubeln". Überall auf der Welt würde 
Europa um diese strengen Regelungen beneidet werden.

Als eine der Gastrednerinnen sprach Dr. Lilian Joensen  von der Grupo de 
Reflexion Rural aus Argentinien. Aus den Erfahrungen, die Argentinien seit 
Jahren mit dem Anbau genmanipulierter Pflanzen mache, warnte sie eindringlich 
davor, deren Einführung "auch nur einen Fuß breit" statt zu geben. Im Gegensatz 
zu den Versprechungen der Agro-Konzerne sei der Verbrauch an Pestiziden beim 
Anbau von Gen-Pflanzen nicht etwa gesunken, sondern um ein Vielfaches 
angestiegen. Leider seien in Europa die bitteren Erfahrungen, die Argentinien 
mit der "grünen Gentechnik" habe machen müssen, viel zu wenig bekannt.

Christian Reuter, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Tübingen, berichtete von 
einer stark zunehmenden Bereitschaft unter den Landwirten, sich freiwillig in 
gentechnikfreien Regionen zusammenzuschließen. In Hinblick auf die immer noch 
kontrovers diskutierte "Koexistenz" meinte er: "Wer einmal gesehen hat, welchen 
Aufwand es erfordert einen Mähdrescher bis aufs letzte Korn zu reinigen, weiß, 
wie realistisch die sogenannte Koexistenz ist". Und Thomas Dosch, Bund für 
Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), verwies auf eklatante Regelungslücken 
bei Milch, Eiern und Fleisch in der neuen EU-Kennzeichnungsverordnung für 
gentechnisch veränderte Lebensmittel, die am 18. April 2004 in Kraft trat. 

Die OrganisatorInnen waren offenbar vom Erfolg ihres Demonstrationsaufrufs 
ebenso überrascht wie die Stuttgarter Stadtverwaltung. Auf einem Teil des 
Stuttgarter Schloßplatzes war Rollrasen ausgelegt und so mußte immer wieder 
zwischen den Redebeiträgen durchgesagt werden: "Rasen betreten verboten". Die 
Stuttgarter Stadtverwaltung hatte bei "Zuwiderhandlungen" mit saftigen 
Bußgeldern gedroht.




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