[Gen-Info] Chaos und Gentech-Gesetz

Klaus Schramm 078222664-0001 at t-online.de
Do Mär 18 20:47:10 CET 2004


Hallo Leute!

Heute ein Artikel von Frank Bayer, in dem u.a. auf den "Alternativ-Entwurf"
zum Künastschen Gentech-Gesetz eingegangen wird...

Ciao
   Klaus
   klaus.schramm at bund.net


18.03.2004 

            Chaos bereitet den Gen-Multis den Weg 

Zum 18. April soll das Gentechnik-Gesetz in Kraft treten. Vorgeblich soll
es die Koexistenz zwischen der bisherigen Landwirtschaft - also
konventioneller und Öko-Landwirtschaft - auf der einen und der neuen
Gentech-Landwirtschaft nach US-Muster auf der anderen Seite regeln.
Doch nicht einmal wurde im seit Januar - nach monatelanger
Verzögerung - vorliegenden Gesetzentwurf aus dem Hause Künast
bedacht, wie denn in Zukunft zwischen Gen-Honig und Bio-Honig zu
unterscheiden sei. Bienen fliegen nun mal auch zu genmanipulierten
Pflanzen und ihr Quadratkilometer großes Sammelgebiet ist von Imkern
wenig beeinflußbar. 

Darüber hinaus hängt das Gentech-Gesetz ohne die notwendigen
Ausführungsbestimmungen und die bisher nur angekündigte
Neudefinition der "guten fachlichen Praxis" der Landwirtschaft völlig in
der Luft. Selbst von Seiten der SPD wird "mit Sorge gesehen", daß es
rund vier Wochen vor dem Stichtag für die Anwendung der Vorschriften
über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel
(EU-Verordnung Nr. 1829/ 2003) und über die Rückverfolgbarkeit und
Kennzeichnung von GVO (EU-Verordnung Nr. 1830/ 2003) noch keine
Durchführungsvorschriften und kein zentrales Register gibt. 

Das Chaos wird von den Unions-regierten Bundesländern liebevoll
gesteigert, in dem sie - wie nicht anders zu erwarten - das schon von
der Zielsetzung einer "Koexistenz" her zum Scheitern verurteilte
Gentech-Gesetz, allein um ihren Part im Kasperle-Theater zu spielen, im
Bundesrat zu "verwässern" trachten. Dabei ist spätestens seit der
Veröffentlichung mehrerer Studien seit Ende 2002 bekannt, daß eine
"Koexistenz" in der Praxis nicht möglich ist. Genmanipulierte Pflanzen
werden sich ungehindert verbreiten. Allein die Ausbreitungs-
geschwindigkeit kann mit dem Anpflanzen von Hecken als
Pollenbarrieren oder dem Einhalten von Abstandszonen ein wenig
reduziert werden. Ob in zwei oder in fünf Jahren: Eine gentech-freie
Landwirtschaft wird nach dem Fall des seit 1998 bestehenden
Gen-Moratoriums in Europa nicht länger möglich sein. 

Michael Meacher, bis Juni 2003 britischer Umweltminister unter Tony
Blair, sagt heute ganz klar: Es geht um die Entscheidung, ob eine
prosperierende Bio-Landwirtschaft für eine risikobehaftete
Gentech-Landwirtschaft geopfert werden soll. Und die einzigen die von
der Einführung der umweltfeindlichen und gesundheitsgefährdenden
Gentech-Landwirtschaft profitieren werden, sind die Gen-Multis mit
'Monsanto' und 'Bayer' an der Spitze. 

Und um das Chaos noch zu vervollkommnen, haben Umweltverbände
wie BUND und DNR in völliger Verkennung der Realität viel Mühe in die
Ausarbeitung eines "Alternativentwurfs" des Gentech-Gesetzes
investiert. Dieser Berg Papier wird weder Künast noch die anderen
Polit-SchauspielerInnen unter der schwarz-gelben Flagge interessieren.
BUND und DNR klammern sich weiter an die Chimäre der Koexistenz,
an welche sie doch anscheinend selbst nicht mehr so recht glauben.
Denn mit einem Augenzwinkern wird eingestanden, daß mit einem
solchen Gesetz, so es denn eine Chance hätte durch den Bundesrat zu
kommen, der Anbau von Gen-Pflanzen praktisch unmöglich gemacht
würde. Warum dann nicht gleich mit aller Kraft für den Erhalt des
Gen-Moratoriums gekämpft wurde, schien deren unergründliches
Geheimnis zu sein. Denn Argumente, warum es sinnvoller sei, mit Hilfe
einer "Koexistenz"-Regelung gegen den Einbruch der "Grünen
Gentechnik" anzugehen, statt sich für den Erhalt des Gen-Moratoriums
einzusetzen, waren nie zu hören. 

Doch das Eingeständnis, per Gesetz den Gen-Anbau verhindern zu
wollen, läßt Rückschlüsse darauf zu, was die VerfasserInnen des
"Alternativentwurfs" wohl vom Gentech-Gesetz erwartet hatten und was
ihnen vermutlich in vertrauensvollen "Hintergrundgesprächen" von
Frau Künast versprochen worden war. Offensichtlich hatten sie darauf
gehofft, daß "Rot-Grün" die Hürden für die Gen-Landwirtschaft so hoch
ansetzen würde, daß diese keine reale Chance hätte. Aber diese
taktische Finesse mußte selbstverständlich vertraulich behandelt
werden. Um so verwunderlicher ist angesichts der inzwischen
unübersehbaren Fakten deren Anhänglichkeit, denn unverdrossen - so
jedenfalls in ihrer Pressemitteilung - meinen sie immer noch: "Die
Glaubwürdigkeit der rot-grünen Politiker steht jetzt auf dem Prüfstand". 

                              
Frank Bayer




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