[Gen-Info] Interview + Fischler
Klaus Schramm
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Di Okt 7 11:42:30 CEST 2003
Hallo Leute !
Gestern war ein Interview von Leif Allendorf mit mir zum Thema Gen-Moratorium
in der 'Jungen Welt' und auf der aktuellen Seite von 'Netzwerk Regenbogen'
(www.netzwerk-regenbogen.de/dat.html) - dort haben wir auch einen interessanten
Artikel aus der 'Financial Times' in deutscher Übersetzung. Er behandelt den
Druck, den Fischler auf die EU-Mitgliedsstaaten ausübt, um das Gen-Moratorium
aufzuheben und ist auch interessant im Hinblick auf die Rolle der deutschen
Regierung gegenüber dem Vorstoß von Österreich und Luxemburg, das Moratorium
solange aufrecht zu erhalten, bis eine europaweite einheitliche Regelung zur
"Koexistenz" getroffen würde...
Ciao
Klaus
6.10.2003
Interview
Umsetzung von EU-Richtlinien:
Bleibt Europa gentechnikfrei?
Leif Allendorf sprach für die 'Junge
Welt' mit Klaus Schramm, dem Initiator
einer Unterschriftenaktion* zur
Beibehaltung des Moratoriums gegen
Gentechnik
L.A.: Wann wird es die ersten Waren mit dem
Etikett »Enthält Gentechnik« in unseren
Lebensmittelregalen geben?
K.S.: Ich denke, daß Anfang nächsten
Jahres mit den ersten Nahrungsmitteln
dieser Art gerechnet werden muß.
Die EU-Kommission läßt den einzelnen
Staaten auffällig viel Spielraum, wie die
kürzlich erlassenen Richtlinien zu
gentechnisch veränderten Pflanzen national
umgesetzt werden...
Die Bestimmungen zur Kennzeichnung von
Lebensmitteln sind gar nicht so schlecht.
Wenn es allein darum ginge, genveränderte
Nahrungsmittel mit entsprechender
Auszeichnung in Europa zuzulassen, dann
wäre das eine Sache, mit der man meiner
Ansicht nach leben kann. Schlimm ist, daß
künftig auch bei uns gentechnisch
veränderte Pflanzen angebaut werden
sollen.
Hat die Klage bei der WTO gegen die
Europäische Union darauf Einfluß?
Die Klage der USA, Argentiniens und
Kanadas gegen die Kennzeichnungspflicht
in der EU läuft unabhängig davon. Ich sehe
eine Gefahr darin, daß die Verbraucher mit
der Kennzeichnungsverordnung in
Sicherheit gewiegt werden und glauben,
diese sei ein tatsächlicher Schutz. Wenn
aber der Anbau von Genpflanzen unter dem
Deckmantel der Kennzeichnungspflicht
erlaubt wird, dann wird es in Europa bald
keine gentechnikfreie Landwirtschaft mehr
geben. Denn die Koexistenz, also das
Nebeneinander von Gentechnik und
konventionellem Anbau, ist nichts als eine
Illusion.
Ist es denkbar, daß auf Druck der WTO sogar
die Kennzeichnungspflicht gekippt wird?
Da kann man zwei mögliche Szenarien
durchspielen. Einmal: Das europaweite
Genmoratorium fällt. Dann haben wir Anbau
von gentechnisch veränderten Pflanzen und
in zwei, drei Jahren, das ist meine Prognose,
wird jede andere Landwirtschaft hier in
Europa vernichtet sein. Und dann spielt es
auch keine Rolle mehr, ob es eine
Kennzeichnungs- verordnung gibt oder
nicht. Oder aber wir schaffen es, daß das
Moratorium bestehen bleibt. Die
Kennzeichnungsverordnung wäre obsolet,
weil wir hier nichts hätten, was wir
kennzeichnen müssen. Und Banken und
Unternehmen würden aufhören, Geld in die
Entwicklung von Gentechnik zu stecken.
Monsanto macht ja schon seit einiger Zeit
damit rote Zahlen. Vielleicht würde die
Genindustrie weltweit zusammenbrechen.
Aber in den Vereinigten Staaten boomt doch
die Gentechnik...
Landwirte, die dort auf Gentechnik gesetzt
haben, überlegen bereits, sich wieder davon
abzuwenden, weil sie ihre Produkte nicht
loswerden. Die USA sind auf Export
angewiesen, aber selbst Afrika hat den
amerikanischen Genweizen abgelehnt.
China ist am Kippen. In Australien will zwar
die Regierung Gentechnik einführen, aber
die Bauern sind dort so stark, daß sie solche
Importe verhindern konnten. Es steht überall
auf der Welt auf der Kippe. Und deswegen
schaut auch die ganze Welt auf Europa.
Bleibt es da noch bei der Position gegen die
»Grüne Gentechnik« oder geht es in die
Richtung der USA?
Es gibt ja auch in Europa einen ersten
Sündenfall: den kommerziellen Anbau von
gentechnisch verändertem Mais in Spanien.
Wurden davon schon andere Felder in
Mitleidenschaft gezogen?
Und wie! Dort haben Biolandwirte schon ihre
Konzession verloren, weil deren Felder
durch Pollenflug von Nachbarfeldern mit
genmanipulierten Pflanzen kontaminiert
wurden.
Wie ist es zu erklären, daß Bauern in Afrika
bei Annahme einer US-Spende von
Genweizen in Abhängigkeit geraten
können?
Normalerweise behalten Bauern, auch wenn
sie Hilfslieferungen bekommen, einen Teil
vom Weizen oder Mais zurück, um Saatgut
fürs nächste Jahr zu haben. Das funktioniert
nicht, wenn sie genmanipulierte Pflanzen
anbauen, denn dann werden unweigerlich
Lizenzgebühren fällig, und durch
pestizidresistente Genpflanzen werden sie
von den Agrokonzernen abhängig, die
zugleich die Gen-Pflanzen und die dazu
passenden Pestizide anbieten.
* Informationen zur Unterschriftenaktion
www.gen-moratorium.de
Fischler drängt die EU-Staaten,
das Gen-Moratorium aufzuheben
Vorbemerkung:
Hier müssen sich doch alle, die bisher noch Zweifel an
der Rolle der deutschen Bundesregierung und der von
Ministerin Künast hatten, fragen, warum sich
Deutschland nicht auf die Seite Österreichs und
Luxemburgs gestellt hat. (d.R.)
Financial Times (London)
30.09.03
Von Thomas Buck, Brüssel
Franz Fischler, EU-Agrar-Kommissar, appellierte gestern
an die EU-Mitgliedsstaaten, ihr Moratorium gegen die
Zulassung neuer genmanipulierter Organismen (GMO)
aufzuheben. Dennoch bestehen einige Länder darauf,
daß weitergehende gesetzliche Regelungen notwendig
seien, um Konsumenten und Landwirte vor potenziellen
Gefahren zu schützen, die mit der Gentechnik verbunden
seien.
Sein Aufruf kommt zu einem Zeitpunkt, da Brüssel sich
starkem internationalen Druck gegenüber sieht, die
Zulassung von GMO wieder aufzunehmen und das
fünfjährige de-facto-Moratorium, das durch eine Koalition
der Mitgliedsstaaten zustande gekommen war,
aufzuheben. Das Moratorium ist Streitobjekt einer vor der
WTO zugelassenen Anklage der USA und anderer
Länder.
Die EU-Kommission hat heftigen Druck ausgeübt, um
sicher zu gehen, daß das Moratorium aufgehoben wird,
bevor ein WTO-Panel über den Fall richtet, was
frühestens nächstes Jahr so weit sein könnte.
Die Bemühungen der EU-Kommission sind jedoch auf
den Widerstand einiger Mitgliedsstaaten und von
Umweltschützern gestoßen, deren Gegnerschaft zur
Gentechnik die Sorge um Nahrungsmittelsicherheit und
Tiergesundheit wiederspiegeln. Die EU hat dieses Jahr
zwei strenge Gesetze bezüglich der Kennzeichnung und
der Rückverfolgbarkeit von GMO verabschiedet. Diese
Veränderungen hätten entsprechend der Argumentation
der Kommission unmittelbar die Aufhebung des
Moratoriums zur Folge.
Dennoch haben Länder wie Österreich und Luxemburg
gestern bei einer Sitzung der Landwirtschaftsminister in
Brüssel den Standpunkt vertreten, daß sie ohne
europaweite gesetzliche Regelung über "Koexistenz"
von konventioneller und biologischer mit gentechnischer
Landwirtschaft keine neue GMO-Zulassung unterstützen
würden. Solche gesetzlichen Regelungen sollten
Maßnahmen enthalten, die darauf abzielen, die
Auskreuzung per Pollenflug von genmanipuliertem auf
nicht-genmanipulieres Getreide zu verhindern und die
festlegen, unter welchen Bedingungen Landwirte für
Schäden aufkommen müssen, die in solchen Fällen von
Gen-Kontamination verursacht würden. Die Kommission
wünscht, daß solche gesetzlichen Regelungen auf
nationaler Ebene festgelegt würden, um weitere
Verzögerungen zu vermeiden.
Fischler erklärte den Agrar-Ministern gestern: "Es ist
wichtig, festzustellen, daß die Debatte zum Thema
Koexistenz nicht dazu mißbraucht werden darf, um eine
weitere Verzögerung der Zulassung neuer GMOs zu
verursachen." Obgleich EU-Beamte, die bei den
Gesprächen anwesend waren, meinten, Österreich und
Luxemburg sei es mißlungen, eine breitere
Unterstützung zu erlangen, sagte der österreichische
Agrarminister Josef Pröll, daß es "einige Länder gab, die
unserer Position zuneigten". Deutschland
beispielsweise hatte den Vorstoß Österreichs für
EU-weite gesetzliche Bestimmungen unterstützt, um
Bestimmungen für Landwirte festzuschreiben, die für die
Gen-Kontamination von Getreide anderer Landwirte
verantwortlich sind. Trotz der Anmerkungen Prölls
sagten Kommissions-Beamte, sie blieben optimistisch,
daß das Moratorium rechtzeitig aufgehoben werde.
"Österreich hat keinen Dominoeffekt verursacht", meinte
ein Sprecher von EU-Kommisar Fischler.
Übersetzung: Petra Willaredt
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