[FoME] Feedback zum "PLÄDOYER FÜR EIN ANDERES ERMÄCHTIGEN" / 16.12.2019
Klaus Jürgen Schmidt
radiobridge at aol.com
Di Dez 17 23:39:56 CET 2019
Feedbacks zu meinen Anmerkungen hinsichtlich des Konzepts des
taz-Panter-Workshops für KollegInnen aus Afrika:
PLÄDOYER FÜR EIN ANDERES ERMÄCHTIGEN / auf Fome am 16.12.2019 ... von
mir zuvor direkt gemailt an die taz-Panter-Stiftung, mit folgender
Reaktion von dort:
Michael Sontheimer ist Kuratoriumsmitglied der taz-Panter-Stiftung und
war taz-Mitbegründer sowie von 1992 bis 1994 Chefredakteur der taz. Er
schrieb mir nicht selbst, er liess schreiben.
Von Michael Sontheimer an Christian Jakob ... und dann wohl
versehentlich direkt an mich:
Lieber Christian, danke für deine hervorragende Antwort an den Herren. M.
On 16/12/19 16:59, Christian Jakob wrote:
Sehr geehrter Herr Schmidt,
die Panter Stiftung hat mir Ihre Mail mit Bitte um eine Antwort
weitergeleitet. Ich habe den Afrika-Workshop, auf den Sie sich beziehen,
geleitet.
Sie gehen offenbar davon aus, dass es dabei entweder um die Vermittlung
deutscher oder europäischer Recherche-, Storytelling oder
Schreibtechniken ging oder dass es sich um eine Art Learning by doing
derselben in Form von Praktika handelte (jedenfalls schreiben Sie
mehrfach von "Praktikanten"). Beides ist nicht der Fall.
Das Programm bestand im Wesentlichen aus von uns organisierten
Gesprächen mit WissenschaftlerInnen, NGOs, AktivistInnen und
PolitikerInnen zu Themen, die im Herkunftsland der TeilnehmerInnen – in
diesem Fall war das Nigeria – eine wichtige Rolle spielen.
Konkret ging es um Migration, Klimawandel, Islamismus-Prävention und
De-Radikalisierung, Korruptionsbekämpfung, Entwicklungszusammenarbeit,
Demographie sowie Kolonialgeschichte.
Die TeilnehmerInnen sollten die Möglichkeit bekommen, zu erfahren, wie
über diese Komplexe in Deutschland diskutiert wird und einschlägige
Kontakte zu knüpfen.
Dass die von uns ausgewählten Themenkomplexe für die nigerianischen
Medien relevant sind haben uns die TeilnehmerInnen während der Woche
ausdrücklich bestätigt.
Ob und wie sie das Gehörte für ihre Arbeit in ihren entsendenden Medien
nutzen, ist den TeilnehmerInnen vollkommen selbst überlassen.
Der Workshop diente jedenfalls nicht dazu, sie für eine Arbeit als
Stringer oder freie AutorInnen für westliche Medien zu trainieren. Schon
deshalb war es nicht so, dass sie irgendetwas, was sie bei uns gelernt
hätten, nur in bestimmten Kontexten oder gar für bestimmte Auftraggeber
anwenden dürfen oder können – und es bleibt mir etwas rätselhaft, was
Sie zu dieser Annahme verleitet hat.
Meine Antwort können Sie gern über die Mailinglisten senden, über die
sie ihr "Plädoyer" verbreitet haben.
Mit freundlichen Grüßen Christian Jakob
Dazu meine Reaktion am selben Tag:
Hier kommt ein Hinweis von dem "Herren" zu dessen Leserbrief an die taz
im Jahr 2017, seinerzeit unbeantwortet:
Datum: 28.06.2017 15:51:12
Sieben Kolleginnen und Kollegen aus Afrika hat die taz-Redaktion
Gelegenheit gegeben, aus ihrer Sicht Ursachen und Perspektiven für
Migration und Entwicklung in eigenen Artikeln darzustellen. Christian
Jakob und Simone Schlindwein haben uns diese Artikel als Ergebnisse der
taz-Akademie vorgestellt, einer einwöchigen Begegnung zwischen den
taz-Gästen aus Afrika und "ForscherInnen, AktivistInnen, PoltikerInnen
und anderen JournalistInnen" in Berlin. Welch seltene Gelegenheit,
einmal nicht durch die Brille entsandter KorrespontenInnen authentische
Geschichten aus Kultur und Gesellschaft Betroffener zu erfahren,
Ursachen für die Flucht aus der Heimat anhand selbst recherchierter
Beispiele, festgemacht an klar benannten Binnenstrukturen, die
JournalistInnen von dort am besten kennen und vermitteln können. Dachte
ich! Gelesen habe ich vor allem das, was "ForscherInnen, AktivistInnen,
PoltikerInnen und anderen JournalistInnen" in Berlin längst kennen und
veröffentlicht haben, festgemacht an Statements und Statistiken. Schade!
Ich wünschte mir, die taz-Akademie hätte Kolleginnen und Kollegen aus
Afrika die Möglichkeit eröffnet, sich von der Dominanz europäischer
Denkweisen zu emanzipieren, um damit zu beginnen, nicht uns - mit
unseren Argumenten - sondern den eigenen Menschen - mit deren eigenen
Erfahrungen - Gründe für "Standhalten statt Flucht" aufzuzeigen. Daraus
könnten wir dann - vielleicht - auch lernen.
Schliesslich ein aktuelles Feedback aus Goma im Kongo:
Am 17.12.2019 um 14:32 schrieb Judith Raupp:
Hallo Herr Schmidt,
danke für Ihren Beitrag in der Fome-Liste. Ich kannte RBO vorher noch
nicht, habe mir aber gleich Ihre Webseite angeschaut.
Ich arbeite seit acht Jahren in Goma, Ostkongo, für den Zivilen
Friedensdienst. Mein Job ist es, Kollegen und Kolleginnen von
Kommunalradios auszubilden. Ich versuche stets, die einheimischen
Journalistinnen und Journalisten anzuregen, "ihre" Themen zu suchen und
zu bearbeiten. Die Crux ist aber, dass sich im Ostkongo ein Heer von
Hilfsorganisationen tummelt, die angeblich Journalisten ausbilden. Die
NGO geben dann die Themen vor, die die Journis entsprechend bearbeiten.
Leider ist dieses System das nahezu einzige, wie Journalisten hier Geld
verdienen, mal abgesehen davon, dass sie sich von Politikern bezahlen
lassen, um Propaganda zu machen.
Die meisten Kolleginnen und Kollegen sind es nicht gewohnt, nach Themen
Ausschau zu halten. Sie bearbeiten lieber die Themen, für die sie jemand
bezahlt. Und wenn ich sage, sie sollten mir einfach mal erzählen, was
sie und ihre Nachbarn bewegt, zitieren sie genau das (Frauenförderung,
friedliche Konfliktlösung, im Moment Ebola etc.), was die NGO hoch und
runter beten, weil sie es nicht anders gewöhnt sind.
Aufgrund meiner Erfahrung, hätte ich eine Frage: Wie finanzieren sich
die Kolleginnen und Kollegen in Simbabwe und anderen afrikanischen
Ländern, in denen Sie sich auskennen? Wie schaffen es die Medien,
genügend Mittel für unabhängige Recherchen zu erhalten?
Ich würde mich freuen, von Ihnen zu hören.
Beste Grüße aus Goma
Dazu meine Antwort am selben Tag:
Danke für Feedback und Schilderung Ihrer Erfahrungen, Frau Raupp.
Zur Finanzierung von unabhängigem Journalismus in Afrika: Ausser bei RBO
und in einer Übergangsphase beim Kurzwellendienst der SABC nach Ende der
Apartheid (ebenfalls von einem in Südafrika beheimateten Deutschen
initiiert, aber mittlerweile beendet) kenne ich in Afrika kein Modell,
das unabhängige Journalismus-Recherche aus der eigenen Gesellschaft
heraus finanzieren will und kann. Abgesehen von wenigen konzentrierten
Vor-Ort-Workshops für Journalistinnen und Journalisten aus der Region,
die mit finanzieller Hilfe internationaler Organisationen zustande
kamen, hat RBO jeden Dollar, den wir für Recherche und Honorare ausgeben
konnten, selber verdienen müssen. Wie?
Schauen Sie sich auf meiner Website
http://www.radiobridge.net/indexrbo.html an: "Two examples of RBO's
pioneering approach to bridge cultures and to break language-barriers
within Africa in an effort to provide education to people by focussing
on their own experiences."
Wir hatten Erfolg bei Versuchen, in der Region tätige NGO's und deren
Sponsoren davon zu überzeugen, was für eine gute Idee es wäre, uns ihre
Arbeit für Radio-Serien recherchieren zu lassen, die dann sogar von
mehreren Radiostationen in von RBO hergestellten unterschiedlichen
Sprach-Versionen ausgetrahlt wurden. Das brachte RBO nicht bloss sehr
gutes Honorargeld, sondern auch Reise-Spesen für unschätzbar wichtige
Erfahrungen, welche die interregional zusammengesetzten Recherche- und
Produktionsteams mit nach Hause nehmen konnten.
Mir war es auch gelungen, in Redaktionen von ARD und ORF (aber z.B. auch
beim "Public Radio" in den U.S.A.) Abnehmer für "Glanzstücke"
afrikanischer RBO-Autoren zu finden, die von deren Nord-Assistenten
übersetzt und mit deren Stimmen bei uns synchronisiert wurden. Die
Nord-Honorare erlaubten es RBO, Autoren in der Region die Erfahrung zu
vermitteln, dass mit eigenen Radio-Stories aus ihrem Lebensumfeld gutes
Geld zu verdienen war. Dabei legte RBO Wert auf Themen, die
grundsätzliche Zusammenhänge erläuterten, und die auch noch Jahre später
für Hörer nützlich sein konnten. Das war ein guter Kreislauf, der dann
leider durch die katastrophale politische und ökonomische Entwicklung
Zimbabwes abgebrochen wurde.
Wenn Sie wollen, können Sie mir gerne mehr erzählen von Ihrer Arbeit.
Schönen Gruss nach Goma von Klaus Jürgen Schmidt
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