[FoME] zum taz-Panter-Workshops für KollegInnen aus Afrika
Klaus Jürgen Schmidt
radiobridge at aol.com
Mo Dez 16 13:28:26 CET 2019
Zur Debatte gestellt
16.12.2019
Klaus Jürgen Schmidt:
PLÄDOYER FÜR EIN ANDERES ERMÄCHTIGEN
Anmerkungen zum Konzept des taz-Panter-Workshops für KollegInnen aus Afrika
Ich hatte schon 2017 aus persönlicher Erfahrung Zweifel geäußert am
Konzept der taz-Panter-Stiftung, junge Kolleginnen und Kollegen aus der
Südwelt zu journalistischer Erfahrung in die Nordwelt einzuladen. Am
Konzept scheint nichts verändert worden zu sein – auf meine
professionellen Einwände wurde nie eingegangen. Jetzt sind 12
Kolleginnen und Kollegen aus Nigeria Betroffene eines gut gemeinten,
aber – wie ich finde – schlecht durchdachten Konzepts.
Während fast 30-jähriger Arbeit als Medienpraxis-Vermittler in Afrika
und Asien sind mir immer wieder heimgekehrte Praktikanten begegnet, die
ihre u.a. in Deutschland gemachte Erfahrung daheim nur anwenden durften,
wenn sie diese als “stringer” – als bezahlte freie Autoren – für
Nordmedien einsetzen konnten, in der Regel zu vorgegebenen Themen,
beauftragt von Nord-Redaktionen. Mein Verdacht > Das ist sogar Absicht
z.B. bei der Deutschen Welle, bei der BBC, bei Radio Hilversum, bei
Radio France International – hoffentlich nicht bei der taz!
Während meiner von einer deutschen Stiftung finanzierten Arbeit als
Leiter eines Projekts bei einer staatlich gelenkten Radiostation in
Afrika erlebte ich immer wieder die Frustration heimgekehrter
Praktikanten, denen es versagt blieb, ihre z.B. in Deutschland
erworbenen Kenntnisse innerhalb ihrer entsendenden Organisation
umzusetzen. Private/kommerzielle Medien in Afrika haben selten Interesse
an oder gar finanzielle Mittel für eine unabhängige Berichterstattung,
schon gar nicht wenn es um problematische Geschichten aus dem eigenen
Lebensumfeld geht, die dann auch noch zur Verwertung für ein Publikum
jenseits nationaler Grenzen taugten.
Weil ich feststellen musste, dass meine Arbeit für eine deutsche
Stiftung nicht in erster Linie dabei helfen sollte, afrikanische
Kolleginnen und Kollegen zu ermächtigen, Geschichten aus ihrer eigenen
Kultur zu identifizieren und so aufzubereiten, dass sie von einem
Radio-Publikum innerhalb und a u s s e r h a l b ihrer eigenen Kultur
gerne gehört und verstanden würden, gründete ich 1993 in Harare die
Organisation “Radiobrücke Übersee” (“RBO - Radio Bridge Overseas“). Und
die brachte – umgekehrt – junge europäische Journalistinnen und
Journalisten n a c h Afrika, wo sie afrikanischen Partnern dabei halfen,
deren eigene Geschichten zu erzählen. Sie waren dabei nie Autoren, sie
waren Assistenten.
Wie das ging?
Ein praktisches Beispiel kann vielleicht veranschaulichen, was falsch
läuft bei den taz-Panter-Stiftung-Workshops, und wie es anders laufen
könnte:
Olly Maruma, in Zimbabwe seinerzeit ein bekannter Medienmacher mit
Erfahrung als “stringer” von BBC und Deutscher Welle, stellte mir die
Idee für eine Radiogeschichte vor, die er RBO verkaufen wollte:
Zimbabwe sei das einzige Land in Afrika, in dem es neben einem männlich
dominierten Schriftstellerverband einen neuen Verband für
Schriftstellerinnen gäbe.
Olly erhielt ein Aufnahmegerät und war ein paar Tage später zurück – mit
Skript sowie transkribierten Texten der von ihm ausgewählten
Ausschnitten seiner Audio-Interviews – wie eben perfekt gelernt bei
einem Deutsche-Welle-Workshop in Köln.
Als verantwortlicher Zwischenhändler für RBO-Programm-Angebote weltweit
(u.a. mit von den deutschen Assistenten synchronisierten Versionen für
ARD-Sender), sagte ich nach Lesen des Skripts: “Perfekt!”
Olly freute sich, vor allem als ich sagte: “Könnte von mir sein!”
Noch mehr Freude, bis ich sagte: “Und das ist das Problem!”
Ich fuhr fort: “Genauso hätte ich als angereister deutscher
Korrespondent die Geschichte aufgebaut, mit der Vorsitzenden des
Verbandes als Haupt-Gesprächspartnerin. Und mit noch ein paar
O-Ton-Schnipseln von der einen oder anderen Schriftstellerin. Ist doch
alles drin … “
Olly ist sauer.
Ich weiter: “Abgesehen davon, dass Du RBO eine Geschichte verkaufen
wolltest, was hat Dich an der Tatsache interessiert, dass afrikanische
Schriftstellerinnen ihren eigenen Verband aufgemacht haben?”
Olly ist empört.
“Ich habe als kleiner Junge in der Hütte am Feuer gesessen, wenn
Grossmutter Geschichten unseres Stammes erzählte. Da war nichts
aufgeschrieben. Alte Frauen waren damals die Geschichtenerzählerinnen.
Von Generation zu Generation waren sie es, die von unseren Traditionen
berichteten, unter anderem vom Brautpreis, den die Familie des
potentiellen Ehemannes aufbringen musste – nicht in Bargeld, sondern als
Rinder. Dann seid Ihr Weissen gekommen, habt irgendwann das formale
Schulwesen eingeführt, zuerst die Missionare, später die Kolonialisten.
Aus unseren Familien wurden hauptsächlich Jungs dorthin geschickt, für
Mädchen war nicht genug Geld da. Und mit ihrer besseren Bildung wäre die
Chance gesunken, einen Ehemann für sie zu finden. Jungs wurden die
Gebildeten, sie wurden die neuen Geschichtenerzähler. Aber jetzt – jetzt
sind Frauen dabei, sich dieses Feld zurückzuerobern. …”
“Das habe ich nicht gewusst, Olly. … Das habe ich jetzt von Dir gelernt! …”
Olly Maruma zerknüllte sein Skript, nahm wieder das Aufnahmegerät mit.
Eine Woche später hatte RBO ein kleines Radio-Feature im Angebot, wie es
die taz-Panter-Stiftung multimedial und in veränderter Aufstellung
ebenfalls schaffen könnte: als “Brücke” zwischen Kulturen verschiedener
Hemisphären.
Schön, dass Kolleginnen und Kollegen aus der Südwelt wieder erlaubt ist,
bei uns daran zu schnüffeln, was wir als unser Privileg erachten:
Pressefreiheit – hier und da in solidarischen Strukturen. Besser wäre
es, aus solchen solidarischen Strukturen kompetente Leute in die Südwelt
zu schicken – als Assistenten! Die könnten da sogar noch etwas lernen.
Dazu passt: “Plädoyer für ein anderes Korrespondieren”
>>> www.radiobridge.net/richtig-korrespondieren.html
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