[FoME] Jiddische Zeitungen und Zeitschriften weltweit
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Mi Mär 2 00:15:46 CET 2016
Aus: Wina - Das jüdische Stadtmagazin, Wien + Jüdische Rundschau, Berlin
Lesen in der Mameloschn
Jiddisch lebt und erlebt derzeit eine neue Renaissance und erobert auch die
elektronischen Medien – ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft.
Von Björn Akstinat
Jiddisch lebt! In der Komischen Oper Berlin wird momentan eine
jiddischsprachige Operette vorbereitet, die Schauspieler der New Yorker
Folksbiene/Volksbühne feiern in diesem Jahr den 100. Geburtstag ihres
jiddischen Theaters, und eine junge kanadische Regisseurin hat kürzlich
einen Kinofilm komplett auf Jiddisch abgedreht.
Ein weiteres Zeichen der lebendigen Kultur sind auch die weltweit über
fünfzig Druckmedien in jiddischer Sprache. Sie wenden sich an die bis zu
zwei Millionen Menschen, die dieses früher meist einfach „Judendeutsch“
genannte Idiom noch beherrschen bzw. im Alltag sprechen. Ihren Anfang nahm
die jiddischsprachige Presse im 17. Jahrhundert. Nachdem man 1605 in
Straßburg die erste Zeitung der Welt gedruckt hatte, die deutschsprachige
Relation, verspürten auch immer mehr Juden in Mittel- und Osteuropa den
Wunsch nach einem Medium in der eigenen Muttersprache. So kam es, dass um
1686 in Amsterdam die Dienstagische und Freitagische Kuranten gegründet
wurden. Sie waren die ersten zeitungsähnlichen Publikationen in Jiddisch.
Herausgegeben und gedruckt wurden sie von Uri Faybesch Halevi. Halevi
zählte nicht nur zu den führenden jüdischen Druckern und Verlegern
Amsterdams, sondern ganz Europas. Amsterdam war zur damaligen Zeit das
Zentrum des hebräischen und jiddischen Buchdrucks. Die Kuranten erschienen
nur ein paar Monate lang. Bis die nächsten Zeitungen in der „Mameloschn“
der Juden entstanden, verging fast ein Jahrhundert. 1771 erblickte die
Dyhernfurther Privilegierte Zeitung im Umland von Breslau das Licht der
Welt. Sie gilt als erste jiddischsprachige Zeitung im deutschen Sprachraum.
Eine regelrechte Gründungswelle von Zeitungen und Zeitschriften auf
Jiddisch gab es ab dem 19. Jahrhundert – insbesondere in Osteuropa.
Aber auch in den USA wurden zahlreiche Publikationen aus der Taufe gehoben,
weil hunderttausende osteuropäischer Juden aus Armutsgründen dorthin
auswanderten. Allein in New York sollen zwischen 1885 und 1914 über 150
jiddischsprachige Mitteilungsblätter, Jahrbücher, Zeitschriften, Tages-,
Wochen- und Monatszeitungen erschienen sein. In diese Zeitspanne fällt auch
das Gründungsdatum des Forverts/Vorwärts. Die erste Ausgabe kam 1897 an die
Kioske der amerikanischen Metropole. Er existiert bis heute und ist damit
die älteste noch erscheinende Zeitung auf Jiddisch. In seiner Blütezeit
verkaufte der als Tageblatt gegründete Vorwärts bis zu 250.000 Exemplare.
Heute erscheint er nur noch alle 14 Tage mit einer Auflagehöhe von etwa
2.000. Um weiter existieren zu können, publiziert der Verlag schon seit
langer Zeit eine zusätzliche englischsprachige Ausgabe, den Forward, und
die täglich aktualisierte zweisprachige Internetseite forward.com. Für den
Verleger Sam Norich ist das Internetangebot mittlerweile das Hauptprodukt
der Redaktion. Damit kann man Leser in aller Welt erreichen. Die Seite
enthält Nachrichten, Blogs, Videos und Podcasts von Korrespondenten aus
Jerusalem, Buenos Aires oder Moskau. Dass Jiddisch in der amerikanischen
Gegenwart nicht mehr die gleiche Rolle wie früher spielt, hat vornehmlich
zwei Gründe: Einerseits sprechen immer mehr Juden Englisch, andererseits
wurde mit der Gründung des Staates Israel das Hebräische als Alltagssprache
wiederbelebt. Heute gibt es viele, die Jiddisch passiv beherrschen. Sie
haben die Sprache an Hochschulen neu gelernt oder als Kinder Gespräche von
Eltern bzw. Großeltern mitbekommen. Im Alltag wird die einstige jüdische
Lingua Franca Mittel- und Osteuropas fast nur noch von den ultraorthodoxen
Juden verwendet. Sie lesen allerdings nicht den liberalen, säkularen
Vorwärts, sondern haben in New York eigene Zeitungen wie Der Blatt, Der Yid
und Di Tzeitung/Die Zeitung. ...
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