[FoME] zum Jour Fixe

Radiobridge at aol.com Radiobridge at aol.com
Di Mär 26 19:44:34 CET 2013


 
Hier kommt ein  Papier, das ich gerne Teilnehmern der Veranstaltung FoME 
Jour Fixe 2013 /  Berlin / 10.04.2013 vorab zur Verfügung stellen  möchte.

 


Klaus Jürgen Schmidt

Papier zum FoME Jour Fixe 2013 / Berlin / 10.04.2013



Anmerkungen zur Medienförderung
aus Strukturen von Nordkulturen
in  Strukturen von Südkulturen
 

oder:
 

Anmerkungen zur Medienförderung
von Agenten der Nordstrukturen
in  Strukturen von Südkulturen
 

oder:
 

Weshalb Geschäftsmodelle von Nordlichtern dem Süden noch immer kein Licht  
bringen.
 

Aus einer Bestandsaufnahme vor 23 Jahren (!):
 

(© 1990 Klaus Jürgen Schmidt, “Der Weg nach Zimbabwe“ -  
Ergebnisse-Verlag, Hamburg)
 

Ist also im nachkolonialen Zimbabwe das Fernsehen zur Fortschreibung  
technologischer und inhaltlicher Abhängigkeit schwarzer Medienmanager und ihres  
Publikums von den Metropolen der Industrieländer verkommen?
Für den  technischen Bereich hat einer der nachdenklichsten 
ZBC-Mitarbeiter, Victor  Maunde, darauf schon im September 1984 bei einer Konferenz von 
Medien-Fachleuten  in Bonn eine deprimierende Antwort gegeben.
"... Multinationale Konzerne, die  über die besten Forscher in der 
Kommunikationstechnologie verfügen, konkurrieren  natürlich untereinander, um das 
Allerneueste auf den Markt zu bringen. Das  heißt, sie müssen diese neuesten 
Produkte auch an den Mann bringen. Sie  verkaufen sie an Empfänger in der 
Dritten Welt. Das Motiv zum Verkauf dieser  neuesten Technologie mag variieren, 
ich würde aber meinen, das Hauptmotiv ist,  Profit zu machen, Geld zu 
verdienen, egal, welche sozio-ökonomische Folgen diese  Technologie hat...
Nun, wer ist die Zielgruppe, wer ist u n s e r e  Zielgruppe?
Der Norden in seiner Beziehung zur Dritten Welt sagt ständig:  'Ihr müßt 
mehr produzieren, ihr müßt euch selber versorgen, ihr müßt für euch  selber 
etwas tun.'
Wer ist es, der für sich selber etwas tun kann, wenn nicht  der Bauer, der 
arme Bauer im Dorf?
Nicht die politischen Bürokraten bilden  den größten Teil der Bevölkerung, 
sondern die Bauern - und die Technologie, über  die wir reden, sollte in der 
Lage sein, diese Bauern zu stimulieren, die  Arbeiter, alle Menschen mit 
unzureichender Ausbildung, etwas für sich selber zu  tun.
Was ich sagen will: Da haben wir auf der anderen Seite die  multinationalen 
Konzerne, die über Fachleute und Finanzen verfügen, um die  neueste 
Technologie zu produzieren, bei kompletter Ignoranz der  sozio-ökonomischen Folgen 
dieser Technologie.
Das ist der Punkt.
Der  andere Punkt: Der Norden hat seine Medienfachleute, seine 
Sozialwissenschaftler,  die sich durchaus mit diesen Folgen für ihre eigene Gesellschaft 
 beschäftigen.
Das ist das Dilemma, dem wir ausgegesetzt sind. Ganz gleich,  wieviel Mühe 
wir uns geben, wir bleiben abhängig von der Gnade der  multinationalen 
Konzerne, wir in den Entwicklungsländern werden den Hasen weiter  jagen, ohne ihn 
je zu fangen. Wir werden uns ewig anpassen müssen. Nehmen wir  heute ein 
Satelliten-System in Gebrauch, haben sie drei Jahre später ein neues  
eingeführt.
Und der Bauer im Dorf bei uns weiß nichts über die Realität  dieses 
Wettrennens. Es ist im Grunde wie das Wettrüsten. Es ist, als ob jemand  behaupten 
würde, Zimbabwe könnte allen Ernstes beim Wettrüsten zwischen  Amerikanern 
und Russen mithalten...
Ich habe keine Lösung - ich habe nur  versucht, meine Meinung 
auszudrücken." …

… 1984 war ZBC-Radio 4 auf Sendung gegangen - als Ergebnis eines  längeren 
Planungsprozesses und mit der Unterstützung durch die in Sachen  
Medienentwicklung erfahrene Bonner Friedrich Ebert Stiftung.
Die hatte 1982  mit der "Zimbabwe Broadcasting Corporation" einen 
Kooperationsvertrag  abgeschlossen, nachdem sich ZBC von der "British Broad-casting 
Corporation" und  vom Informationsministerium zur Einrichtung eines neuen 
Bildungskanals hatte  überreden lassen. Eine BBC-Studie zur Überprüfung der 
elektronischen Medienlage  im gerade unabhängig gewordenen Zimbabwe hatte es 
sich 1980 einfach gemacht:  Neben den schon existierenden 3 Radiokanälen - so 
empfahlen die britischen  Experten - solle ZBC einen vierten Kanal zur 
Versorgung der Landbevölkerung  einrichten, der neben dem bisher von Radio 2 
ausgestrahlten formalen Schulfunk  zusätzlich nichtformale Bildungsprogramme 
produzieren und senden  sollte.
Victor Maunde war Chef von Radio 4, als der neue Kanal vom  
ZBC-Studiokomplex im Industrieviertel Mbare zu senden  begann.

"Die Pioniere mußten sich neue Ideen einfallen lassen," erinnert sich  
Maunde.
"Sie mußten herausfinden, was ein Bildungskanal überhaupt sein soll.  Am 
Anfang kam das Personal von Radio 2 und aus der Nachrichten-Abteilung, denn  
dort gab es Leute mit Rundfunkerfahrung, oder wenigstens hatten sie eine  
Vorstellung davon, wie man anfangen könnte."

Bis heute existiert kein verbindliches Dokument der  Rundfunkorganisation 
oder der Regierung, in dem die Aufgabenstellung des Senders  klargestellt 
wäre. Ein inoffizielles Tondokument von einem Seminar der  Radio-4-Mitarbeiter 
im Herbst 1985 gibt immerhin ungefähre Auskunft.  ZBC-Generaldirektor Kangai 
gab damals die grobe Richtung an:
Debatten wolle  man hören auf Radio 4, sagte der Generaldirektor, aus den 
ländlichen Gebieten,  20 Minuten, 30 Minuten oder sogar eine Stunde, wenn es 
um wichtige Dinge gehe!  Es gebe keinen Zeitdruck durch Werbeeinblendungen - 
dafür sei Radio 4  da.

Das war zwar sehr generell, aber es klang gut. Der Haken an der Sache  ist 
aber eben die fehlende Werbung! Anders als alle anderen ZBC-Dienste - mit  
Ausnahme des Zweiten TV-Kanals, der seit Mitte 1986 ebenfalls 
Bildungsprogramme  ausstrahlt, muß Radio 4 nicht mit Werbeeinblendungen Geld verdienen. Die 
 Betriebskosten - zunächst von der öffentlich-rechtlichen ZBC aus eigenen 
Mitteln  vorgestreckt - werden mit einer jährlichen Parlamentsgenehmigung aus 
dem Etat  des Informations-ministeriums bezahlt. Alle technischen 
Einrichtungen sowie  Trainingsmaßnahmen trägt für die Dauer des 
Kooperationsvertrages, die Friedrich  Ebert Stiftung - das waren bis Ende 1988 runde 1,3 
Millionen Mark.
Die  großzügige Hilfe aus der Bundesrepublik hat bei Radio 4 einen 
technischen  Standard geschaffen, der nach einem Abzug der Stiftung mit eigenen 
Mitteln  schwer zu halten sein wird. Und: Je attraktiver Radio 4 seine Programme 
 gestaltet, um so mehr Hörer werden von den anderen 3 Hörfunksendern 
weggezogen.  Die aber sind wegen ihrer Werbebotschaften angewiesen auf hohe 
Einschaltquoten.  …
 

… "Nicht-direktives, klient-zentriertes Beratungsgespräch nach CARL  
ROGERS."

Der Guru für Dritte-Welt-Manager aus dem Abendland hat seine  Philosophie 
in Geboten zusammengefaßt:

FÜNF IMPERATIVE FÜR VERSTEHENDES ZUHÖREN
 

1. Annahme des Klienten, und nicht die Initiative 
2. Zentrierung  auf sein Erleben und nicht auf äußere Tatsachen
3. Respektierung seiner  Persönlichkeit und echte Wertschätzung, anstelle 
einer Demonstration unseres  Scharfsinns oder unserer Überlegenheit
4. Zentrierung auf die Person des  Klienten und nicht auf sein Problem
5. Suche nach besserer Verständigung und  nicht nach Deutungen

Rogers: "Der Ratsuchende hat Selbststeuerungsmöglichkeiten und ein  
latentes Problemlösungspotential, das es nur freizusetzen gilt. Er braucht  Hilfen, 
sein Problem zu sehen, nicht aber sein Problem zu  lösen."
 

Problemlösungen benötigen jedoch nicht bloß analytisches Vermögen,  
Reflektions-bereitschaft, Einsichten dieser oder jener Art, Problemlösungen  
bleiben Kopferfahrungen solange sie nicht materiell umgesetzt werden. Die  
materielle Umsetzung in einem Medienprojekt ist die Anschaffung und der Gebrauch  
von elektronischen Geräten: Kameras, Tonbandgeräte,  Mischpulte.
 

"Das große Sprecherstudio, der Regieraum. Der Direktor der  Rundfunkanstalt 
führt die Gäste herum und stellt die Einrichtung vor: die  Tonbandmaschinen 
aus Deutschland, der Plattenspieler aus Frankreich, die Konsole  mit den 
Pegelreglern aus Großbritannien. Die Tonbänder aus der Sowjetunion, das  
Studiomikrofon aus Kuba. Die große elektrische Uhr im Regieraum kommt aus der  
Tschechoslowakei. Der Tontechniker und der Produzent wurden von der britischen 
 Rundfunkgesellschaft BBC ausgebildet. Die Muttersprache des Ansagers ist  
Kisuaheli, aber sein Englisch ist beinahe akzentfrei. 'This is the Voice of  
African Brotherhood, the Voice of the African Revolution. Good morning. 
Here are  the latest news...'"
(ICH VERSTEHE DIE TROMMELN NICHT MEHR, dtv, München,  1984, S. 100)
 

Das Taschenbuch schenkte ein Freund in Bremen während unserer  
Vorbereitungs-zeit auf Afrika. Bei einer Konferenz der Rundfunkchefs aus den  Ländern 
des südlichen Afrika (SADCC) in Harare werde ich um einen Beitrag  gebeten. 
Ich übersetze diesen Ausschnitt ins Englische, er steht am Anfang  meines 
Vortrags. Das paßt natürlich nicht ins Konzept der Medienmanager, die auf  
dieser Konferenz einmal mehr die Trommel rühren wollen für materielle Hilfe. Die  
Unruhe wird größer als ich unter dem Stichwort "Phantasie statt 
Abhängigkeit"  von meinen Erfahrungen in Vietnam berichte:
Seit den Fünfziger Jahren hatten  die Nordvietnamesen ein bescheidenes 
Schwarz-Weiß-Fernsehprogramm betrieben. Als  die Amerikaner im Frühjahr 1975 
Südvietnam verlassen mußten, zerstörten sie all  ihre technischen 
Installationen, nur eine Einrichtung hinterließen sie  betriebsbereit: Das 
Farbfernsehstudio, das die Propaganda-Abteilung der  US-Streitkräfte (AFN) benutzt hatte - 
als Speck in der Falle des  Mediengeschäfts.
Doch die Vietnamesen motteten das Studio ein - so fand ich  es noch 1980 
vor. Sie weiteten stattdessen ihr Schwarz-Weiß-Netz auf den Süden  aus und 
vermieden auf diese Weise, für Wartung und Betrieb der neuen Technologie  
Devisen ausgeben zu müssen. Es wäre dabei ja auf Dauer nicht bloß um das kleine  
Saigoner Studio gegangen - eine Farbfernseh-Insel im wiedervereinigten 
Vietnam,  die Medienplaner hätten sich gezwungen gesehen, umgekehrt - das 
Farb-TV-Netz  früher als die eigene Bedarfsplanung zuließ - nach Norden  
auszuweiten.

Im Konferenzraum herrscht verlegenes Schweigen. Endlich meldet sich  der 
Generalmanager des malawischen Rundfunks zu Wort, einer der erfahrensten  
afrikanischen Medien-Manager.
Malawi, nördlicher Nachbar Zimbabwes, hat  bislang standhaft auf die 
Einführung von Fernsehen verzichtet, verfügt dafür  aber über eine große Erfahrung 
in der Produktion von  Radio-Programmen.
"Unsere vietnamesischen Freunde können sich glücklich  schätzen," sagt Toni 
Kandiero. 
"Wenn ich mich so umsehe, frage ich mich  aber, wer von uns nicht im W e s 
t e n studiert hat - mit den zwangsläufigen  Folgen. Wann kommen wir denn 
einmal zusammen - ich meine, außerhalb solcher  Konferenzen, die in der Regel 
von fremden Organisationen finanziert werden? Zwei  oder drei von uns, die 
ihre Probleme 'mal unter sich besprechen, nach eigenen  Lösungen suchen? Wir 
haben uns daran gewöhnt, Hilfe von außen zu suchen - mit  den entsprechenden 
Folgen!"
Es blieb der einzige - zugegeben ungewöhnliche -  Diskussionsbeitrag, die 
Anmerkung fand sich später nicht im  Protokoll.
 

Es ist ein Vierteljahrhundert vergangen seit diesen  Aufzeichnungen.
 

Hat sich die Planführung von Nordlichtern beim Einsatz in Südkulturen  
geändert? …
 

… fragt Klaus Jürgen Schmidt
 
 
-------------- nächster Teil --------------
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