[FoME] Internet und Demokratie in Südostasien
Christoph Dietz
Christoph.Dietz at CAMECO.ORG
Do Mär 15 10:51:37 CET 2012
Journal für Entwicklungspolitik, Nr. 4-2011:
Internet und Demokratie
http://www.mattersburgerkreis.at/jep/20114.php#1
Einleitung:
Im Zuge der Verbreitung des Internet als Medium für Massenkommunikation
in den 1990er Jahren wurde auch immer wieder dessen Bedeutung für
Demokratisierungsprozesse diskutiert. Die neuartigen Möglichkeiten
Informationen zugänglich zu machen und zu verbreiten wurden als ein
Mechanismus zur Unterminierung von Kontrollmechanismen in autoritären
Gesellschaften angesehen. Heute, mehr als eine Dekade später und im
Lichte der sogenannten „Facebook-Revolution“ in der arabischen Welt,
überwiegen differenziertere Einschätzungen. Die AutorInnen dieser
Ausgabe des JEP diskutieren die Rolle des Internet für
Demokratisierungsprozesse aus verschiedenen Perspektiven und vermeiden
eine über-optimistische Darstellung. Der geographische Fokus liegt auf
Südost-Asien und den spezifischen dort vorherrschenden Formen
(semi-)autoritärer Regime. Betrachtet werden oftmals vernachlässigte
Aspekte, wie die Reaktion autoritärer Regime auf die neuen
Herausforderungen durch die Vernetzungsmöglichkeiten der Online- und
Offline-Welt sowie die sehr unterschiedlichen Formen der Ausbreitung und
Nutzung von Informationstechnologien in der Region.
Abstracts:
Thomas Kern, Sang-Hui Nam
Zivilgesellschaftliche Mobilisierung und neue
Kommunikationstechnologien in Südkorea, Taiwan, den Philippinen und
Thailand
Im Zentrum der vorliegenden Untersuchung steht die Wirkung neuer
Kommunikationstechnologien (NKT) auf die Struktur öffentlicher Räume und
den Verlauf zivilgesellschaftlicher Mobilisierungsprozesse. Diese
Fragestellung wird am Fallbeispiel von vier ostasiatischen Ländern
untersucht: Südkorea, Taiwan, den Philippinen und Thailand. Die Studie
zeigt, dass der Einfluss der NKT auf die Struktur öffentlicher Räume von
komplexen institutionellen und technischen Bedingungskonstellationen
abhängig ist. Von wesentlicher Bedeutung für die Wirkung der NKT sind
dabei insbesondere der Staat, das Vorhandensein alternativer
Technologien sowie zivilgesellschaftliche Konstellationen.
Christoph Amthor
Virtuelle Heimat und reale Chancen: Online-Mediennutzung der
birmanischen Diaspora
Die Leben birmanischer MigrantInnen und ihre Nutzung von Online-Medien
wird ganz wesentlich von der Situation daheim in Birma beeinflusst, und
dies sowohl Politik als auch Gesellschaft und technische Infrastruktur
betreffend. Der vorliegende Artikel behandelt die wichtigsten Punkte,
die zum Verständnis dieser komplexen Thematik notwendig sind, und
verwendet das Konzept der Diaspora, um die durch BirmanInnen im Ausland
geformten Räume zu beschreiben, wobei besonders Bezug darauf genommen
wird, wie diese diasporischen Gemeinschaften durch Online-Medien
ausgeformt werden.
Wolfram Schaffar
Der Staat im Internet: Nutzung und Kontrolle des Internets in Singapur
Der Artikel widmet sich der Frage, wie der Zusammenhang zwischen der
Internetverbreitung und dem Demokratieniveau in einem Land
konzeptualisiert werden kann. Während zahlreiche WissenschaftlerInnen
und EZAPraktikerInnen aufgrund seiner technischen Eigenschaften von
einer demokratiestimulierenden Wirkung des Internets ausgehen, verweisen
jüngere quantitative und qualitative Studien immer wieder auf Fälle wie
Singapur, wo eine weitreichende Internetverbreitung mit einer
Konsolidierung autoritärer Herrschaft einhergeht. Eine Analyse der
Genese und Struktur der Internetkontrolle in Singapur zeigt, dass die
zugrunde liegenden Prozesse nur mithilfe einer kritischen Staatstheorie
zu erfassen sind, die sich von einer Dichotomie zwischen Staat und
Zivilgesellschaft verabschiedet und den Staat als gesellschaftliches
Verhältnis konzeptualisiert.
Eva Eichenauer
Alternative Realitäten im Internet – eine vergleichende Analyse
malaysischer Print- und Onlinemedien
Vermittels einer systemtheoretischen Analyse werden die
Realitätskonstruktionen von Malaysias führender malaysischsprachiger
Printzeitung Utusan Malaysia und der vorwiegend englischsprachigen
Onlinezeitung MalaysiaKini verglichen.Während Printmedien starker
Kontrolle unterliegen, können Onlinemedien weit größere Freiräume
ausschöpfen und regierungskritische Berichte veröffentlichen, ohne in
vergleichbarem Maße sanktioniert zu werden. Davon ausgehend, dass
Massenmedien für die Entstehung öffentlicher Meinung elementar sind und
dass öffentliche Meinung wiederum ein Grundpfeiler einer Demokratie ist,
analysiert der Artikel die Berichterstattung der beiden Zeitungen über
die Allah-Debatte, die Anfang 2010 die malaysische Öffentlichkeit
dominierte. Dabei wird gezeigt, wie online eine alternative Realität
konstruiert wird, die die „offizielle“, printmediale Darstellung in
Frage stellt.
Frederik Holst
Cyberspace – A Better Place? Ethnicization in Malaysia’s Online
Media
Malaysia ist ein vielzitiertes Beispiel von semi-autoritären
Regierungen, in denen das Internet als wichtiges Mittel angesehen wird,
um eine staatliche Medienhegemonie zu durchbrechen. Besonders die
Erfolge der Opposition bei den Wahlen 2008 wurden auf die Mobilisierung
durch Onlinemedien zurückgeführt und werden als Infragestellung des
ethnisch basierten politischen Systems gesehen. Dieser Artikel
argumentiert jedoch, dass Ethnisierung als grundlegendes Element dieses
Systems komplexer und resistenter ist und daher der bloße Zugang zu
alternativen Informationen nicht unbedingt die ethnisierten
Wahrnehmungen verändert. Mit dem theoretischen Ansatz der manifestations
und implementations of ethnicization versucht dieser Artikel die
Uneindeutigkeiten und Widersprüche aufzuzeigen, die die Auswirkungen der
Onlinemedien in einer ethnisierten Gesellschaft beinhalten. Daraus
folgt, dass die „Onlinewelt“ letztlich die Macht- und
Wissensstrukturen der „Offlinewelt“ abbildet.
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