[FoME] Feinde des Internets 2012
Christoph Dietz
Christoph.Dietz at CAMECO.ORG
Mo Mär 12 09:04:30 CET 2012
>>> Presse | Reporter ohne Grenzen <presse at reporter-ohne-grenzen.de>
09.03.2012 16:44 >>>
ROG-Bericht „Feinde des Internets“ zum Welttag gegen Internetzensur
am 12. März 2012
09.03.2012 – Zum Welttag gegen Internetzensur am 12. März
veröffentlicht Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht über
die „Feinde des Internets“. Er beschreibt Staaten mit massiver
Online-Überwachung und dokumentiert deren Kontroll- und
Zensurmaßnahmen. ROG zählt zwölf Länder zu den Feinden des Internets,
14 weitere stehen „unter Beobachtung“.
Vor allem die Umbrüche in den arabischen Ländern haben gezeigt, wie
wichtig das Internet im Kampf gegen autoritäre Regime ist. Kritische
Blogger mobilisierten über soziale Netzwerke zum Widerstand,
Bürgerjournalisten füllten Lücken der Berichterstattung, wo
konventionelle Medien zensiert und ausländische Reporter nicht
zugelassen wurden. Viele Regierungen reagierten darauf mit verschärfter
Online-Überwachung und versuchten, kritische Journalisten und
Internetnutzer zum Schweigen zu bringen. Rund 120 Blogger und
Online-Aktivisten sind derzeit weltweit in Haft, vor allem in China,
Iran und Vietnam.
DIE „FEINDE DES INTERNETS“ 2012
Folgende zwölf Staaten zählt Reporter ohne Grenzen zu den Feinden des
Internets: Bahrein, Belarus, Birma, China, Kuba, Iran, Nordkorea, Saudi
Arabien, Syrien, Turkmenistan, Usbekistan und Vietnam. Online-Inhalte
werden in diesen Ländern stark gefiltert, kritische Blogger und
Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt. Die Liste
der „Feinde des Internets“ ist im Vergleich zum Vorjahr weitgehend
gleich geblieben. Neu hinzugekommen sind in Bahrein und Belarus. Dort
hat sich die Lage stark verschlechtert.
Vor allem Iran und China haben die Internet-Überwachung im vergangenen
Jahr deutlich verstärkt. In China übt das Regime massiven Druck auf
private Internetfirmen aus, damit diese sie bei der Zensur unterstützen.
Iran hat ein eigenes „nationales Internet“ angekündigt.
Sowohl im Iran als auch in Vietnam wurden im vergangenen Jahr
zahlreiche Online-Aktivisten festgenommen. Im Iran sitzen derzeit 20, in
Vietnam 18 von ihnen im Gefängnis. Der Iran unterstützt auch das Regime
in Syrien, das Berichte über die Niederschlagung der Opposition
unterdrückt, bei der Kontrolle des Internets. In Turkmenistan hat die
Staatsspitze den Informationskrieg 2.0 vorerst gewonnen. Nordkorea
hingegen kämpft damit, dass immer wieder Kommunikationstechnik über die
chinesische Grenze geschmuggelt wird. In Kuba tragen Regierungsanhänger
und Oppositionelle ihre Auseinandersetzungen vor allem im Internet aus.
Saudi Arabien setzt derweil seine rigorose Online-Zensur fort. In
Usbekistan setzten die Behörden alles daran, Diskussionen über die
arabischen Revolutionen auf den Seiten von Uznet zu unterbinden. Bahrein
wurde im vergangenen Jahr nahezu vollständig von der internationalen
Berichterstattung abgeschnitten: Ausländische Journalisten kamen nicht
ins Land, Blogger wurden verhaftet. Auch in Belarus hat Präsident
Alexander Lukaschenko die Onlineüberwachung verstärkt, während sich das
Land immer weiter politisch isoliert.
Es gibt allerdings auch Zeichen der Hoffnung: In Birma hat das Militär
Journalisten und Blogger freigelassen und gesperrte Webseiten
freigegeben. Gesetze zur Internet-Überwachung sind jedoch nach wie vor
in Kraft und die technischen Möglichkeiten zur Kontrolle weiterhin
gegeben. ROG wird beobachten, ob Birma die begonnenen Reformen
fortsetzt. Dies könnte dazu führen, dass das Land bald nicht mehr zu den
„Feinden des Internets“ gehört.
BEWEGUNG IN DER LISTE DER „LÄNDER UNTER BEOBACHTUNG“
Vierzehn Staaten stellt ROG im aktuellen Bericht „unter Beobachtung“.
Dazu gehören Australien, Ägypten, Eritrea, Frankreich, Indien,
Kasachstan, Malaysia, Russland, Südkorea, Sri Lanka, Thailand, Tunesien,
Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Neu hinzugekommen sind in diesem Jahr Indien und Kasachstan. In Indien
hat die Regierung die Onlineüberwachung seit den Bombenanschlägen in
Mumbai 2008 verschärft. Das kasachische Regime überwacht das Internet
seit gewalttätigen Zusammenstößen bei Ölarbeiterstreiks im Südwesten des
Landes besonders stark.
Venezuela und Libyen hingegen stehen nicht länger auf der Liste der
„Länder unter Beobachtung“. In Libyen ging mit dem Sturz Muammar
al-Gaddafis eine Ära der Zensur zu Ende. Ein Gesetz von 2011 in
Venezuela, das eine Gefahr für Internetfreiheit darstellen könnte, hat
in der Praxis bisher kaum negative Folgen gehabt. Der Zugang zum
Internet ist weitgehend frei.
Thailand läuft Gefahr, bald zu den „Feinden des Internets“ zu
gehören, sollte es weiterhin massiv Online-Inhalte filtern und
Netzaktivisten wegen Beleidigung der Obrigkeit verhaften.
WEITERE LÄNDER
Auch in Ländern, die dieser Bericht nicht erwähnt, ist das Internet oft
nicht vollständig frei, werden kritische Nutzer verfolgt und
Online-Inhalte kontrolliert. ROG beobachtet insbesondere die Situation
in Aserbaidschan, Marokko, Pakistan und Tadschikistan sehr genau.
INTERVIEWANGEBOTE
Matthias Spielkamp, Reporter ohne Grenzen
Matthias Spielkamp, Mitglied des ROG-Vorstands, lebt als freier
Journalist, Blogger, Referent und Berater in Berlin. Als Journalist
schreibt er vor allem über die Themen Internet-Politik, soziale und
gesellschaftliche Aspekte der Digitalisierung und Urheberrecht.
Spielkamp betreibt mehrere Online-Portale und Blogs wie das immateriblog
sowie Irights.info. Als Experte für Online-Journalismus und Urheberrecht
ist er zudem als Berater, Sachverständiger und Trainer tätig. Matthias
Spielkamp hat Philosophie, Politik, Volkswirtschaft und Journalismus
studiert.
Galima Bukharbaeva, Uznews (spricht englisch und russisch)
Galima Bukharbaeva ist Chefredakteurin von uznews.net, einer
unabhängigen Nachrichtenseite im Exil, die zu den wichtigsten
Informationsquellen über Usbekistan gehört. Nach der brutalen
Niederschlagung eines Aufstands im ostusbekischen Andischan 2005 musste
Bukharbaeva das Land verlassen. Sie absolvierte ein Studienjahr in den
USA und erhielt für ihre Berichterstattung über das Massaker von
Andischan den Press Freedom Award 2006. Heute arbeitet Bukharbaeva von
Berlin aus mit einem Netzwerk unabhängiger Journalisten in Usbekistan
zusammen. Die Mitarbeiter von Uznews berichten aus Sicherheitsgründen
anonym. Die Nachrichtenseite wird in Usbekistan von der Regierung
blockiert. Leser im Land können sie nur über Proxyserver aufrufen. In
Usbekistan, das Staatschef Islam Karimow autoritär regiert, existieren
keine unabhängigen Medien. Ende Februar war Uznews massiven
Hackerangriffen (DDoS-Attacken) aus dem asiatischen Raum ausgesetzt und
konnte mehrere Tage nur eingeschränkt arbeiten!
. Als Grund für die Attacke vermutet
Bukharbaeva kritische Artikel über ein Attentat auf einen usbekischen
Oppositionellen in Schweden, in das möglicherweise der usbekische
Geheimdienst verwickelt war.
Die englische Fassung des Berichts "Feinde des Internets" finden Sie in
Kürze unter: http://bit.ly/zMYuf2
Die internationale ROG-Informationsseite zum Welttag gegen
Internetzensur finden Sie unter: http://march12.rsf.org/en/#ccenemies
Die Internetberichte der vergangenen Jahre finden Sie unter:
http://bit.ly/ztUU8s
TERMINHINWEIS NETIZEN-PREIS:
Am Montag, 12. März, zeichnet ROG einen Blogger oder
Online-Journalisten für sein Engagement für Meinungsfreiheit im Internet
mit dem Netizen-Preis aus. Er wird am Abend in Paris verliehen. ROG
stellt den Gewinner am Montag in einer Pressemitteilung vor (Sperrfrist
12. März, 19 Uhr). Eine Liste der Nominierten finden Sie unter:
http://bit.ly/ytI0MN.
Pressekontakt:
Ulrike Gruska
Pressearbeit
Tel.: 030 / 202 15 10 – 16
Mob.: 01578 / 758 75 75
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