[FoME] Ein Jahr nach Beginn der arabischen Revolten: Bilanz der Verstöße gegen Medienfreiheit
Christoph Dietz
Christoph.Dietz at CAMECO.ORG
Di Dez 6 14:15:29 CET 2011
>>> ROG / Anja Viohl presse at reporter-ohne-grenzen.de> 06.12.2011 12:53
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Ein Jahr nach Beginn der arabischen Revolten: Bilanz der Verstöße gegen
Medienfreiheit
06.12.11 - Mit der Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohamed
Bouazizi in der zentraltunesischen Stadt Sidi Bouzid begann am 17.
Dezember 2010 der so genannte arabische Frühling. Fast ein Jahr später
zieht Reporter ohne Grenzen (ROG) eine Bilanz der Repressionen gegen
Medienschaffende und der Zensur seit Beginn der Revolten in sechs
arabischen Ländern: Tunesien, Ägypten, Libyen, Bahrein, Syrien und
Jemen.
"Journalisten, insbesondere Fotografen, haben einen hohen Tribut
gezahlt", heißt es in dem 15-seitigen Bericht. Mindestens elf
Medienmitarbeiter sind getötet worden, rund 240 Journalisten wurden
körperlich angegriffen und rund 200 Journalisten und Blogger
festgenommen, zahlreiche weitere wurden entführt, des Landes verwiesen
oder sind aus ihrer Heimat geflüchtet. Die meisten Opfer waren
einheimische Medienmitarbeiter.
Mit der Studie erstellt ROG eine Chronologie der Ereignisse für den
Zeitraum vom 17. Dezember 2010 bis Mitte November 2011. Dabei werden die
vielfältigen Methoden, Formen und das Ausmaß der Unterdrückung einer
unabhängigen Berichterstattung und Meinungsbildung beschrieben: Von
Gewalttaten gegen Reporter über die Ausweisung von Journalisten aus dem
Land bis hin zu Störungen des Mobilfunknetzes. Darüber hinaus werden die
Herausforderungen auf dem Weg zu mehr Pressefreiheit und Medienvielfalt
benannt.
Tunesien
Die besten Chancen für die Entstehung einer stabilen freien
Presselandschaft bietet zur Zeit die Situation in Tunesien: Öffentliche
und private Medien konnten weitgehend reibungslos über die Wahl zur
verfassungsgebenden Versammlung Ende Oktober berichten - wenn auch zwölf
Radiostationen nach Monaten des Wartens erst rund eine Woche vor der
Wahl eine Lizenz erhielten. Das neu eröffnete ROG-Büro in Tunis wird den
weiteren Reformprozess im Mediensektor genau verfolgen.
Ägypten
In Ägypten hat sich die Situation in den vergangenen Monaten wieder
verschärft: Zahlreiche Journalisten und Blogger, die Kritik an den
gewalttätigen Ausschreitungen und Repressionen von Teilen der Armee und
der Militärpolizei übten, sind juristisch verfolgt worden. Daneben
dokumentierte ROG mehrere zensorische Eingriffe bei Fernsehkanälen. Bei
der jüngsten Welle der Gewalt in der Zeit vom 19. bis zum 28. November
dokumentierte ROG weitere 44 Fälle von Gewalt gegen Medienmitarbeiter.
Libyen
In Libyen ist es nach wie vor schwierig, eine präzise Bilanz zu
erstellen: Mindestens vier ausländische und ein einheimischer
Medienvertreter sind getötet worden. Ungeklärt bleibt, ob bei dem
Nato-Angriff auf die Zentrale des libyschen staatlichen Fernsehens am
30. Juli 2011 in Tripolis, wie vom Sender behauptet, drei Journalisten
starben und 21 weitere verletzt wurden. Derweil sind neue Medien in der
Entstehung begriffen. Bis Ende Juli 2011 registrierten sich bereits mehr
als 130 Printpublikationen beim Nationalen Übergangsrat. Für die
Entwicklung einer stabilen freien Medienlandschaft ist Libyen auf
internationale Hilfe angewiesen.
Bahrain
Die bahrainische Regierung hat die Proteste im Land erstickt. Von den
einst mehr als 30 festgenommenen Reportern sind derzeit noch ein
Journalist und ein Blogger im Gefängnis. Die Regierung versucht aber
auch auf anderen Wegen, Kritiker mundtot zu machen: So zählt ROG 40
erzwungene Rücktritte von Medienmitarbeitern und eine Reihe von
juristischen Verfahren gegen Journalisten.
Syrien
In Syrien bleibt die Situation dramatisch: Mehr als 80 Journalisten
wurden bislang festgenommen, etwa 25 sind noch im Gefängnis. Zahlreiche
Journalisten und Blogger sind in die Türkei und in den Libanon
geflüchtet. Mit wenigen Ausnahmen lässt das Regime keine
ausländischen Berichterstatter mehr ins Land. Gleichzeitig haben
Desinformationskampagnen und Manipulationsversuche der Regierung im
Internet stark zugenommen. So hat die Cyberarmee der Regierung der
Protestbewegung nahestehende Websites, mit pro-Assad-Kommentaren
überschwemmt. Zahlreiche Twitter-Accounts wurden geschaffen, um
eigene Botschaften zu versenden. Auf oppositionellen Seiten wurden
Aufrufe zu Gewalt gepostet, um die Aufständischen zu diskreditieren.
Jemen
Mit mindestens drei getöteten Journalisten und mehr als 70 attackierten
Journalisten fällt auch die Bilanz im Jemen dramatisch aus. Die der
Regierung nahe stehenden Milizen haben auf den Straßen gezielt auf
Medienvertreter Jagd gemacht. Die Verbreitung unabhängiger und
oppositioneller Zeitungen wurde systematisch unterbunden, deren Websites
gesperrt.
Lesen Sie hier den vollständigen ROG-Bericht über die Bilanz der
arabischen Revolten in englischer Sprache:
http://bit.ly/s46qSj
Unterschreiben Sie hier die ROG-Petition gegen die Verfolgung von
Internetdissidenten in Ägypten und zur Freilassung der beiden Blogger
Maikel Nabil Sanad und Alaa Abdel Fattah:
http://bit.ly/soNsIl
Pressekontakt:
Anja Viohl
Tel.: 030 202 15 10 - 16
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