TELEPOLIS: 100-Dollar-Laptop in Bedrängnis
cmihr at gmx.net
cmihr at gmx.net
Mo Jan 14 14:16:49 CET 2008
Dieser TELEPOLIS Artikel wurde Ihnen
von Christian Mihr <cmihr at gmx.net> gesandt.
------------------------------------------------------------
100-Dollar-Laptop in Bedrängnis
Bettina Stang 08.01.2008
Intel und Asus setzen auf Konkurrenz-Produkte
Immerhin sechs Monate hat die unmögliche Affäre zwischen dem
Open-Source-Projekt "One Laptop Per Child" ( OLPC (1)) und dem
Chip-Giganten Intel gedauert - dann aber war Schluss: "Unterschieden
in der Philosophie" nannte Intel am 3. Januar als Grund für seinen
Ausstieg aus dem Laptop-Entwicklungsprojekt. Ob damit auch ein rasches
Ende der überraschenden Liebäugelei (2) des OLPC-Gründers Nicholas
Negroponte mit Microsoft erwartet werden darf, ist noch unklar.
Immerhin könnte sich der MIT-Professor jetzt auf eine seiner früheren
Erkenntnisse (3) rückbesinnen: "Wenn man sowohl Intel wie Microsoft im
Nacken hat, dann weiß man, dass man etwas Richtiges tut."
Noch im Dezember hatten sich Software-Spezialisten von Microsoft und
OLPC getroffen (4), um sich über den Entwicklungsstand eines Windows
XP Programms für den von OLPC entwickelten XO-Laptop auszutauschen, und
Microsoft hatte in einer Presseerklärung bestätigt (5), dass der
Konzern dabei sei, eine abgespeckte Windows XP Version nicht nur für
die Lowcost-Laptops von Intel und Asus entwickeln zu wollen (6),
sondern auch für das OLPC-Projekt. Jetzt im Januar sollten erste
Testversionen erprobt werden - mit dem Ausstieg von Intel, das einen
speziell entwickelten Chip zur Verfügung stellen wollte, dürfte die
Testreihe in Frage gestellt sein.
Die New York Times schildert (7) schildert, wie sich der Konflikt
zwischen Intel und OLPC trotz dessen Eintritt in das Direktorium der
One-Laptop-Per-Child-Initiative immer weiter zugespitzt hatte. Demnach
hat der Chip-Produzent daran festgehalten, weiterhin aggressiv für sein
eigenes Produkt - den Lowcost-Laptop "Classmate" - zu werben. Dabei
schreckte das Unternehmen auch nicht davor zurück, von der
OLPC-Initiative gewonnene Kunden wieder abzuwerben. Zuletzt hatte Intel
versucht, den stellvertretenden Erziehungsminister davon zu überzeugen,
dass der Classmate ein besseres Modell sei als der XO von OLPC, von dem
Peru bereits 270.000 bestellt hatte.
--In Peru, where One Laptop has begun shipping the first 40,000 PCs of
a 270,000 system order, Isabelle Lama, an Intel saleswoman, tried to
persuade Peru's vice minister of education, Oscar Becerra Tresierra,
that the Intel Classmate PC was a better choice for his primary school
students. In a telephone interview Friday, Mr. Tresierra said that his
government had asked Intel for a proposal for secondary-school
machines, and it had responded with a proposal offering the Classmate
PC for primary grades. "We told them this is a final decision, we are
running the primary-grade project with the XO," he said. "She wasn't
very happy."--
Nachdem zuvor bereits ein ähnlicher Vorstoß Intels in der Mongolei
bekannt geworden war, habe das Vorgehen in Peru das Fass zum Überlaufen
gebracht, und das OLPC-Direktorium habe von Intel ultimativ verlangt,
seine (Ab-)Werbekampagne einzustellen - was das Unternehmen aber als
Aufforderung zum Verkaufsstopp verstand und daraufhin ablehnte.
In jedem Fall hat die Entwicklung sowohl des Classmate (8) wie auch
des Eee PC (9) das OLPC-Projekt bereits arg in Bedrängnis gebracht. Es
gilt mittlerweile als äußerst unwahrscheinlich, dass es der Initiative
jemals gelingen wird, ihren Kinder-Laptop zum anvisierten Preis von 100
Dollar zu verkaufen. Diese ursprüngliche Rechnung hatte vorausgesetzt,
dass Regierungen aus dem Süden den minimalistisch ausgestatteten Laptop
in Stückzahlen von Hunderttausenden bestellen würden. Doch mittlerweile
zieren sich immer mehr Staaten, ihren euphorischen Ankündigungen Taten
folgen zu lassen - und Intel ist daran offensichtlich nicht ganz
unschuldig:
Zum Beispiel Nigeria: 1 Millionen XO-Computer wollte die Regierung
unter Obasanjo bestellen - jetzt hat die Regierung gewechselt, und der
neue Erziehungsminister verkündet (10), dass das Geld auch besser
angelegt werden könne in einem Land, in dem zahlreiche Schulen noch
nicht einmal Wände, Tische oder Stühle hätten. Das wäre ein vielleicht
durchaus überzeugender Einwand - hätte Nigeria nicht gleichzeitig eine
Bestellung für zunächst einmal 17.000 Classmate-Laptops in Auftrag
gegeben, für die sich das Opec-Mitglied nicht zu schade ist, noch
einmal zusätzlich Geld auszugeben (11), um die laut Vertrag mit Linux
ausgestatteten Notebooks später mit Windows laufen zu lassen.
Beispiel 2: Libyen. Der Wüstenstaat hatte angekündigt, 1,2 Millionen
XOs kaufen zu wollen, um damit sämtliche Schulkinder auszustatten. Im
April ruderte (12) der Auftraggeber, die Gaddafi-Stiftung, zurück:
Jetzt war nur noch von einem Auftrag von allerhöchstens 500.000 Stück
die Rede. Als Begründung wurde zunächst der Preis des XO vermutet:
Statt 100$ geht die OLPC jetzt von Produktionskosten von etwa 180$ aus.
Im Oktober folgte dann die Meldung (13), dass Libyen jetzt zunächst
eine Lieferung von Intel-Laptops erreichen wird - immerhin 150.000
Stück an der Zahl und die zu einem Preis, der mit XO bestens
konkurrieren kann: 200$!
Andere Großbestellungen sind allerdings inzwischen unter Dach und Fach,
weshalb die Massenproduktion des XO Anfang November endlich anlaufen
(14) konnte. Die erste Lieferung (100.000 Stück) soll an Uruguay (15)
gehen; außerdem hat Peru 260 000 und ein Millionär in Mexiko
seinerseits schon einmal 50.000 XOs geordert (16). Negroponte aber ist
durch den starken Gegenwind bescheidener geworden, wie er der New York
Times erklärte (17): "Wenn ich anderthalb Millionen Computer in Irak,
Afghanistan und Äthiopien verkaufen kann, geht es mir viel besser, als
wenn ich an andere, potenzielle Geschäfte denke."
LINKS
(1) http://www.laptop.org
(2)
http://www.news.com/Negroponte-Windows-key-to-OLPC-philosophy/2100-1016_
3-6215837.html
(3)
http://www.boston.com/news/local/massachusetts/articles/2006/04/04/mit_p
rofessor_dismisses_laptop_criticism/
(4) http://blogs.technet.com/jamesu/
(5)
http://www.microsoft.com/Presspass/press/2007/dec07/12-05FlashBasedDevic
es.mspx
(6) http://www.heise.de/newsticker/meldung/97512
(7) http://www.nytimes.com/2008/01/05/technology/05laptop.html
(8) http://www.intel.com/intel/worldahead/classmatepc/
(9)
http://www.asus.com/products.aspx?l1=24&l2=0&l3=0&l4=0&model=1907&modelm
enu=1
(10) http://news.bbc.co.uk/2/hi/technology/7094695.stm
(11) http://www.heise.de/open/news/meldung/98352
(12)
http://blogs.reuters.com/blog/2007/04/30/gaddafi-deals-blow-to-laptop-in
itiative/
(13)
http://tech.monstersandcritics.com/news/article_1370177.php/Intel_suppli
es_Libya_with_150000_Classmates
(14) http://news.bbc.co.uk/2/hi/technology/7082701.stm
(15) http://www.heise.de/newsticker/meldung/98219
(16)
http://www.boston.com/business/technology/articles/2007/12/01/one_laptop
_per_child_orders_surge/
(17) http://www.nytimes.com/2008/01/05/technology/05laptop.html
Telepolis Artikel-URL: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27018/1.html
Copyright © Heise Zeitschriften Verlag
Mehr Informationen über die Mailingliste FoME