[fessenheim-tn] Onlinereports - Der Atomstrom-Komfort führt in die verstrahlte Wüste der Tuareg
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Mi Jul 2 20:19:42 CEST 2008
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Der Atomstrom-Komfort führt in die verstrahlte Wüste der Tuareg
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Der rücksichtslose Uran-Abbau macht das Wüstenvolk krank: Jetzt griff es
einmal mehr zur Waffe
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Von Ruedi Suter
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quelle: http://www.onlinereports.ch/News.109+M5575b90a62a.0.html
*Wenn Schweizer Konsumenten Atomstrom nutzen, fördern sie unbewusst die
Zerstörung der Lebensgrundlagen von Urvölkern, auf deren Land Uran
abgebaut wird. Aktuelles Beispiel sind die unterdrückten Tuareg in
Niger. Von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, rebellieren sie gegen
die Verheerungen ihrer Gebiete und die wachsenden Begehrlichkeiten von
Staat und ausländischen Atomkonzernen.*
Es sind Ruferinnen in der Wüste. Seit Monaten versuchen Schweizerinnen
hierzulande auf die Besorgnis erregende Lage der Tuareg im Norden des
afrikanischen Staates Niger aufmerksam zu machen. Doch ihre Anrufe in
verschiedene Redaktionen helvetischer Medien verhallten im Nichts. Das
Thema sei "zu wenig aktuell", und es fehle ein "direkter Bezug zur
Schweiz", sei ihnen erklärt worden.**
Beides ist falsch. In der Sahara eskaliert seit über einem Jahr eine
womöglich folgenschwere Rebellion von internationaler Bedeutung. In
Niger sterben Menschen und Tiere an Massakern, Minenexplosionen,
Vertreibungen, Hunger und Durst. Und in Niger wird seit Jahrzehnten auf
Kosten der Eingeborenen und der Umwelt Uran gefördert, das französische
Atomkraftwerke später zu Strom verarbeiten, mit dem auch Schweizer
Haushalte gespeist werden.
*Im Uran-Gebiet herrscht Kriegsrecht*
Die Frauen, die sich an OnlineReports wandten, vertreten entweder in
Nord-Niger aktive Hilfsorganisationen oder Tuareg-Familien, zu denen sie
enge Kontakte pflegen. Sie baten um Anonymität, da sie regelmässig das
betroffene Gebiet bereisen und weiterhin mit Tuareg-Hilfsorganisationen
in Deutschland und Frankreich zusammenarbeiten möchten. Sie dürften
zurzeit auch besser informiert sein als jene wenigen Medienvertreter,
die sich erfolglos zu den umkämpften Wüstenorten Tamgak, Iferouane,
Gougaram Tchiighouzerine oder ins Uran-Abbaugebiet um die Stadt Arlit
durchzuschlagen versuchten.
Grund: Die Regierung in der im Süden gelegenen Hauptstadt Niamey hat
über die Region Agadez und ihre gleichnamige Stadt das Kriegsrecht
verhängt. Dort liegt das drittgrösste Uranvorkommen der Welt, das dem
Staat rund 60 Prozent seiner Einnahmen sichern soll. Und dort, in der
Wüste, wollen jetzt nicht mehr nur die Franzosen, sondern neuerdings
auch andere Nationen nach Uran für ihre Atomkraftwerke und
Waffenindustrien buddeln. Davon profitiert die Regierung in Niamey --
mit wachsendem Selbstbewusstsein. Sie vergab zahlreiche weitere
Uranschürf- und Erdölförderungsrechte über die Köpfe der direkt
betroffenen Völker wie die Tuareg oder Fulbe hinweg -- bis sich diese zu
einem neuen Aufstand gezwungen sahen.
*Sprengminen statt Medienleute*
**
Die Folgen: Der Tourismus brach zusammen, in Agades mussten Hotels und
Restaurants schliessen, Grundnahrungsmittel und Treibstoff fehlen, da
aus dem Süden nichts mehr geliefert wird und von der Armee gelegte Minen
das Weiterkommen lebensgefährlich machen. Die Regierung versucht das
Gebiet abzuschotten. Anders als Vertretern der Uranfirmen ist in- und
ausländischen Medienleuten heute jede Reise in den Norden verboten.
Aber auch Vertreterinnen und Vertreter der Entwicklungs- und
Hilfsorganisationen, die sich noch nicht zurückgezogen haben, werde der
Zugang zur Not leidenden Bevölkerung erschwert oder ganz verwehrt,
erklärte eine kürzlich zurückgekehrte Beobachterin gegenüber
OnlineReports. Das Regime unternehme alles, um den Kontakt zwischen
Tuareg und Europäern zu unterbinden, neuerdings selbst mit dem Abhören
internationaler Telefongespräche.
*Erschiessungen, Folter, Vertreibungen*
Dennoch sickern immer wieder Informationen durch. Zum Beispiel diese von
Anfang Juni, wie sie eine vor Ort tätige Hilfswerk-Mitarbeiterin
übermittelte: "Ende letzte Woche sind zirka 300 bis 400 Soldaten des
nigerischen Militärs mit 35 Autos und Waffen aus ihrer Verschanzung in
Iferouane direkt nach Tedek gefahren. (...) Dort steckten sie das
gesamte Hab und Gut der Nomaden in Brand. Alles wurde verbrannt: Zelte,
Decken, Kleider, Essen, alles. Miden (eine Kontaktperson, die Red.)
bestätigte diese erschütternden Fakten via Telefon. Er sagte: 'Wir haben
nicht einmal mehr einen Löffel'. Noch schlimmer ist aber, dass
mindestens sieben Tuareg erschossen wurden. Darunter befinden sich der
Greis Mömma und der junge Drissa. Die Schule wurde ausgeplündert und
teilweise zerstört. Die überlebende Bevölkerung brachte sich in den
Bergen in Sicherheit."
Ein Schreckensbeispiel unter vielen. Menschenrechtsorganisationen wie
Amnesty International und Human Rights Watch stellten die Armee und
Regierung der Republik Niger seit Beginn der Auseinandersetzungen Anfang
2007 schon mehrfach an den Pranger. Sie werfen den Machthabern schwere
Menschenrechtsverletzungen vor: Willkürliche Erschiessungen,
willkürliche Verhaftungen, Folterungen, Vertreibungen, das
Verschwindenlassen von zivilen Tuareg-Angehörigen und die gezielte
Zerstörung von Dörfern, Brunnen und Tierherden. Verurteilt wurden auch
die andauernden Verletzungen der Presse- und Meinungsfreiheit, die mit
den Verhaftungen von Moussa Kaka, Korrespondent von "Radio France
Internationale", und den "Arte"-Journalisten Thomas Dandois und Pierre
Creisson einen ersten Höhepunkt erreichten.
*Neuer Aufstand der "Räuber" und "Banditen"*
Doch die belegten Vorwürfe oder auch die Aufrufe zur Versöhnung mit den
Tuareg verhallten in der Hauptstadt des von rund 14 Millionen Einwohnern
bewohnten Landes bisher wirkungslos: Staatspräsident Mamadou Tandja
bangt um die happigen Einkünfte aus dem Urangeschäft. Deshalb wird er
nicht müde, die um ihre Rechte kämpfenden Tuareg als "Banditen",
"Räuber" oder "Drogenschmuggler" zu beschimpfen. Gegen dieses "Gesindel"
müsse ohne Pardon durchgegriffen werden.
So setzt Tandja seit über einem Jahr ausschliesslich auf Waffengewalt.
Doch Chancen, der verfahrenen Lage im trotz seines ungeheuren
Rohstoffreichtums bitterarmen Norden Herr zu werden, geben ihm Kenner
der Lage keine. Denn Präsident Tandja, sein Militärapparat und die das
Uran beziehenden Industrienationen haben es seit Februar 2007 mit einem
motivierten und gut ausgerüsteten Gegner zu tun: Der von Tuareg
dominierten Front "Bewegung der Nigerier für die Gerechtigkeit"
(Mouvement des Nigériens pour la Justice, MNJ). In ihren Reihen sind
viele der alten Befreiungskämpfer aus der Tuareg-Rebellion von 1990 bis
1995.
Dem Aufstand lag ebenfalls die andauernde Benachteiligung und
Diskriminierung der Tuareg als Nomaden und Berber durch die sesshaften,
schwarzafrikanischen Volksvertreter des Südens und ihrer zumeist
französischen Handelspartner zu Grunde.
*Rohstoffe sind mehr wert als Nomaden*
Der damalige Aufstand -- er erfasste das ebenfalls von Tuareg
durchwanderte Mali - hat Tausenden von Angehörigen des Wüstenvolks das
Leben gekostet. Ihre Herden wurden von der Armee abgeschlachtet und
viele ihrer lebenswichtigen Brunnen gezielt zerstört. Die Tuareg
beendeten ihre Rebellion nur deshalb, weil ihnen der Staat Niger unter
anderem eine gewisse Selbstverwaltung, mehr Investitionen im Norden und
Beteiligungen an den Erträgen aus dem Uranabbau zugestanden hatte. Doch
davon, so kritisiert MNJ-Präsident Aghali Alambo (Bild) heute, sei trotz
der guten Geschäfte der Regierung kaum etwas verwirklicht worden.
Unterdessen haben sich der MNJ Armeedeserteure und weitere
Rebellengruppen angeschlossen, worunter auch wieder solche aus dem
benachbarten Mali.
Das erstaunt nicht. Denn seit die europäischen Kolonialmächte den
nordafrikanischen Lebensraum der Nomaden in mehrere Staaten
zerstückelte, werden die einst auf Kamelen stolz durch die Sahara
ziehenden Tuareg geknebelt, bedrängt und wo immer möglich zur Aufgabe
ihres Nomadentums gezwungen. Nomaden passen in kein modernes Staats- und
Wirtschaftskonzept. Entsprechend wird, das zeigen die Schicksale aller
nomadisierenden Urvölker, von Regierungen, Armeen und Konzernen über
ihre gern für "menschenleer" deklarierten und rohstoffreichen
Lebensräume einfach verfügt. Die Indigenen selbst haben nichts zu sagen,
und häufig sind sie schutzlos der Gefährdung ihres Lebens und Zerstörung
ihrer Lebensgrundlagen ausgeliefert.
*Atombomben-Tests auf Tuareg-Land*
Eine traumatische Erfahrung. Die schätzungsweise zwei Millionen Menschen
umfassenden Tuareg-Völker machen sie bereits seit mehr als einem halben
Jahrhundert. Ursache der Tragödie: Die Atomindustrie. Weshalb? Auf
algerischem Tuareg-Land zündeten die Franzosen in sicherer Distanz zu
ihrer Heimat am 13. Februar 1960 bei Reggane ihre erste Atombombe,
gefolgt von drei weiteren oberirdischen Test-Explosionen, die das Gebiet
weiträumig verstrahlten. 13 weitere Atomtests wurden im Hoggar-Gebirge
unterirdisch durchgeführt.
Nicht genug: Ebenso bedrohlich sind heute die Uranminen in der Region
Agadez bei den aus dem Sand gestampften Minenstädten Arlit und Akouta
nahe des Aïr-Gebirges. In diesem Wüstengebiet lässt Frankreich seit rund
40 Jahren rücksichtslos Uran abbauen -- durch seinen Atomkonzern Areva
(früher Cogema). Dieser deckt weltweit -- von der Urangewinnung bis zum
Betrieb von Kernkraftwerken -- sämtliche Bereiche der Atomindustrie ab
und gilt, neben Toshiba, als das grösste Unternehmen der Branche.
*Frankreichs Atom-Selbstbedienungsladen*
Das in Niger durch seine Tochterfirmen Somair und Cominak freigesetzte
Uran hält die französischen Kernkraftwerke und die Rüstungsindustrie in
Schwung -- mit verheerenden Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Dies hat
Areva von der globalisierungskritischen "Plattform Public Eye on Davos"
eben den Global-Award für das "verantwortungsloseste Unternehmen des
Jahres 2008" eingetragen. Begründung: Die andauernde und grossflächige
Verseuchung von Luft, Wasser und Boden durch den Atommulti sowie dessen
Vertuschungsstrategien gegenüber gesundheitlichen Schäden wie Krebs, die
von der Firma als Folge von Aids deklariert würden.
Bislang dürfte Areva nach den umfangreichen Recherchen der deutschen
Wissenschaftsjournalistin Inge Lindemann und des auf Uran
spezialisierten Menschenrechtlers Günter Wippel beim Uran-Abbau rund
100'000 Tonnen strahlenden Gesteinsschutt produziert haben. Dieser
enthält bis zu 80 Prozent der ursprünglichen Radioaktivität -- und liegt
unter freiem Himmel. Was dies heisst, versuchte Umweltschützer
Almoustapha Alhacen, ein Tuareg, den beiden Autoren zu erklären: "Unser
Trinkwasser ist verseucht, strahlender Staub weht über die Wüste und die
Menschen werden krank. Der Uranabbau brachte zwar Arbeit, aber keine
Infrastruktur und medizinische Betreuung für die Bevölkerung, geschweige
denn das versprochene Paradies."
*Arbeiter wussten nichts von Radioaktivität*
Wie fast überall bei den Indigenenvölkern dieser Welt, deren Heimat von
der Uranbergbau-Industrie heimgesucht wird, wussten auch im Niger die
Direktbetroffenen lange nichts von der Gefährlichkeit einer Freilegung
des strahlenden Gesteins. Alhacen: "Die Arbeiter gingen in ihrer
staubigen Kleidung, die sie bei der Arbeit getragen hatten, nach Hause
-- die Kinder spielten auf ihrem Schoss und die Frauen wuschen die
Kleidung mit der Hand. Die Arbeiter wussten nicht, was Uran ist und
hatten keine Ahnung von Radioaktivität. Sie haben ihre Mahlzeiten direkt
im Steinbruch auf den radioaktiven Steinbrocken sitzend eingenommen."
Fakt sei, dass in Arlit viele Menschen frühzeitig sterben und die
Ursachen nicht von unabhängiger Seite untersucht würden, weil Areva als
Atomgigant dies zu verhindern wisse.
Areva und seine Direktorin Anne Lauvergeon, Sozialdemokratin und eine
der weltweit mächtigsten Wirtschaftsführerinnen, bestreiten jedoch
sämtliche Vorwürfe. Sie verweisen auf die Schaffung von mehreren tausend
Arbeitsplätzen, von Spitälern und einer fürsorglichen Behandlung ihrer
Mitarbeiter. Sie regten 2007 für die Abbaugebiete des Konzerns auch
Gremien aus Vertretern des Konzerns, des jeweiligen Staates und von
Nichtregierungsorganisationen an, mit dem Ziel, die gesundheitlichen
Folgen des Uranabbaus zu untersuchen. Untersuchungen bedeuten aber für
die Betroffenen weder Kompensationen noch für die nächsten Jahre ein
Ende ihres Leidens.
*Areva spürt Konkurrenz in der Sahara*
Neu war, dass die Areva in Niger ihre seit 1960 unangefochtene
Monopolstellung plötzlich gefährdet sah, vergab doch die bislang von
Frankreich abhängige Regierung allein letztes Jahr um die 125
Abbaulizenzen an uranhungrige Firmen aus China, USA, Kanada, Südafrika
und Indien -- wiederum ohne Rücksicht auf die lokale Bevölkerung, ihre
Bedürfnisse und ihre Natur. So schafft der explodierende Rohstoffbedarf
auch in der Sahara neues Unrecht -- noch bevor das alte abgeschafft und
gesühnt wurde. Hingegen hat Areva vergangenen Januar ihre
Vormachtsstellung frisch gefestigt -- mit einem neuen Abbauvertrag von
1,5 Milliarden Dollar.
Ein Grund mehr für die Tuareg, neben ihrer Sicherheit und einem
nachhaltigem Umweltschutz auch erneut die im Friedensvertrag von 1995
ausgehandelte Gewinnbeteiligung von 10 bis 15 Prozent einzufordern.
Geschieht dies nicht, dürfte im Nord-Niger die Rebellion bis zur
Erfüllung aller Forderungen dafür sorgen, dass sich Regierung und
Uranfirmen nicht mehr sicher fühlen können. Erst vor weinigen Tagen
wurden "als Warnung" wieder vier französische Areva-Mitarbeiter von den
Tuareg-Guerillas der MNJ entführt.
*
Schweiz: Uranprodukte aus dem Tuareg-Land?*
Das sind keine erfreulichen Aussichten für einen Konzern, von dem
Frankreichs Atomwirtschaft und seinen Konsumenten abhängen. Aus dem im
Tuareg-Land abgebauten Uranerz gewinnt Areva durch Zerkleinerung und mit
Chemikalien das gelbe Uranpulver ("Yellow Cake"). Dieses gelangt per
Flugzeug oder mit tagelangen Lastwagenfahrten via Benins Hauptstadt
Cotonou und Frachtschiffen nach Südfrankreich. Dort wird der Yellow Cake
in einer Areva-Urananlage bei Narbonne zu Uranhexfluorid verarbeitet und
dann angereichert. Schliesslich findet sich das Niger-Uran in den
Brennelementen wieder, mit dem zahlreiche französische und ausländische
Atomkraftwerke betrieben werden.
Fliesst auch aus schweizerischen Steckdosen Atomstrom, der ursprünglich
mit Uran aus Nordniger hergestellt wurde? OnlineReports stellte die
Frage den helvetischen Kernkraftwerkbetreibern. Josef Schib, Leiter
Medien und Information des zur Nordostschweizerische Kraftwerke AG (NOK)
gehörenden Atomkraftwerks Beznau betont, die gewählten
Brennstoff-Lieferanten hätten ein sozialverträgliches und nachhaltiges
Wirken garantiert. Zurzeit werde ohnehin kein herkömmliches Natur-Uran
verwendet. "Die Brennelemente werden in Russland fabriziert, im Auftrag
der französischen Firma Areva."
*"Yellow Cake ist wie die Milch in der Migros"*
Das Kernkraftwerk Mühleberg, erklärt Antonio Sommavilla als
Kommunikationsleiter der BKW FMB Energie AG, beziehe seine Brennstäbe
"in den USA bei der Firma Global Nuclear Fuel". Und woher stammt das
verwendete Uran? Sommavilla: "Uran wird seitens der Lieferanten auf dem
Weltmarkt gekauft. Jeder Lieferant unterliegt einer strengen
Qualitätsprüfung."
Das Kernkraftwerk Leibstadt bezog keine Stellung, wogegen Bruno Elmiger,
Leiter Kommunikation des KKW Gösgen bereitwillig Auskunft gab. Früher
sei das AKW im Südwesten der USA (wo die Indianer ebenfalls durch den
Uranabbau gesundheitlich geschädigt werden) "an mehreren
Minengesellschaften" beteiligt gewesen. Doch heute dürfe Gösgen als
erstes Kernkraftwerk der Schweiz sagen, es trage konkret zur nuklearen
Abrüstung bei: "Unsere Brennelemente bestehen aus wieder aufbereitetem
Uran aus russischen Militärbeständen wie wahrscheinlich ehemaligen
Atomunterseebooten oder A-Bomben."
Als technischen Hauptlieferanten Gösgens (Hauptaktionär Atel) nennt
Elmiger die Areva-Gruppe. Grundsätzlich sei es allerdings nicht möglich,
zu wissen, woher der noch weitgehend frei handelbare Yellow Cake stamme:
"Der ist austauschbares Material wie zum Beispiel die Milch in der
Migros. Woher diese genau stammt, ist auch nicht mehr feststellbar."
*Eine Uran-Nachweispflicht existiert nicht
*Dass noch einiges mehr nicht zu ergründen ist, erfuhr Sabine von
Stockar. Die Projektleiterin Atomenergie der Schweizerischen
Energie-Stiftung hat trotz intensiver Nachforschungen die Herkunft des
in der Schweiz verwendeten Urans nicht herausfinden können. "Da ist
vieles geheim, und ich bin auf extrem grosse Unklarheiten gestossen."
Der Areva-Konzern profitiere von der fehlenden Uran-Nachweispflicht.
Ausserdem gebe er sich äusserst verschlossen. Und die
Atomkraftwerkbetreiber in der Schweiz, die alle mit dem dominierenden
Atomriesen Geschäfte machten, würden sich im Zusammenhang mit
Menschenrechtsfragen und dem Uranabbau leichtfertig aus der
Verantwortung stehlen. "Das darf nicht sein", sagt von Stockar und
fordert sofortige Transparenz.
*
Schweizer Konsumenten als unbewusste Mittäter*
Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten von Atomstrom -- und dies ist
wohl die ganze Bevölkerung -- muss sich jedenfalls den Vorwurf gefallen
lassen, mitbeteiligt zu sein an der desolaten Situation der Tuareg,
allein schon wegen den vereinbarten Stromimporten aus französischen
Atomkraftwerken. Sie stammen von Areva-Brennelementen, die verarbeitetes
Niger-Uran enthalten. Und wenn nicht, muss davon ausgegangen werden,
dass das Uran in anderen Gebieten abgebaut wurde, wo -- wie
beispielsweise in Kasachstan -- der betroffenen Bevölkerung ebenfalls
keine Mitbestimmung zugestanden wird. Oder eben in den Lebensräumen
jener indigenen Völker, wo sich die Industrienationen das Uranerz für
ihre Energie- und Rüstungsindustrie beschaffen.
Mit verheerenden Auswirkungen, wie Menschenrechtsorganisationen die
Auswirkungen des "nuklearen Kolonialismus" längst schon dokumentiert
haben: in der Sahara bei den Tuareg, in Indien bei den Adivasi, im
Himalaya bei den Tibetern, in Australien bei den Aboriginees, in Kanada
bei den Cree- und Dene-Indianern oder in den USA bei den indianischen
Western Shoshone.
*Grosser Fluch und kleiner Trost*
Für diese Völker ist Uran ein Fluch. Hinzu kommt das Bewusstsein,
schamlos ausgebeutet und ignoriert zu werden. Die Tuareg in Niger
versuchen, nach bisher vergeblichen Hilferufen an der UNO, mit der neuen
Rebellion einmal mehr, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf
ihre Lage zu lenken. Ein schwieriges Unterfangen in einer Zeit der
massiven Ölverteuerung, wo Uran wieder an Wert zulegt und sich auch
anderswo neue Kriege um die sich verknappenden Ressourcen anbahnen.
Winziger Trost: Wenigstens haben sich die Bürgerinnen und Bürger von
Basel-Stadt lange schon entschieden, keinen Atomstrom mehr zu
konsumieren. Noch bezieht die Stadt laut IWB-Sprecher René Kindhauser
rund acht Prozent Strom von "nicht überprüfbaren Energieträgern". Da
könnte etwas Atomstrom mitfliessen, aber bald dürfte dieser ebenfalls
gestoppt werden. Und nun will auch die Stadt Zürich den Atomausstieg
proben, wie Gemeinde- und Stadtrat dieser Tage beschlossen haben.
Das wird zwar Jahrzehnte dauern, aber immerhin -- da bewegt sich etwas.
Und vielleicht werden in Zukunft endlich auch die haarsträubenden
Lebensumstände der vom Uran-Abbau geschädigten Völker in der
öffentlichen Debatte thematisiert -- anstatt verdrängt.
Weiterführende Links:
- UNO-Deklaration als neuer Lichtblick für bedrohte Urvölker
<http://www.onlinereports.ch/Gesellschaft.112+M574ef36a9f4.0.html>
- "Die Urvölker müssen eine Wiedergutmachung erhalten"
<http://www.onlinereports.ch/Gesellschaft.112+M54b7a173224.0.html>
- "Die Antilope ist nicht unser Sklave"
<http://www.onlinereports.ch/Gesellschaft.112+M52b6141abd3.0.html>
- Peter Malama äussert scharfe Kritik an Atomkraft
<http://www.onlinereports.ch/News.99+M54068e8cd33.0.html>
-------------- nächster Teil --------------
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